Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2019 - 2 StR 118/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Computerbetrug in acht Fällen, jeweils in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, sowie wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten sowie wegen Fälschung beweiserheblicher Daten unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschluss- formel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Die Annahme zehn realkonkurrierender Taten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- a) Nach den Feststellungen des Landgerichts legte der gesondert verfolgte G. bei verschiedenen Online-Versandhäusern Kundenprofile mit unterschiedlichen Personalien an. Als Lieferanschrift gab er entweder seine eigene Meldeanschrift oder diejenige eines Gehilfen an. Die Personalien waren entweder ausgedacht oder es handelte sich um die in nächster Nähe zur Lieferanschrift lebender Personen, die von den Bestellungen keine Kenntnis hatten. Unter Verwendung der fremden Namen bestellte G. Waren in der Absicht , sie nicht zu bezahlen. Er verfolgte über die Sendungsverfolgung die Lieferung der Pakete. Sobald das Lieferdatum feststand, überklebte er oder im Fall der Einschaltung eines anderen der Gehilfe das jeweilige Klingelschild mit dem Namen des angeblichen Bestellers. G. oder der Gehilfe nahmen die Waren jeweils entgegen und quittierten den Empfang mit dem Namen des angeblichen Bestellers mittels Unterschrift auf dem elektronischen Terminal des Paketzustellers.
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- Anfang März 2016 sagte der Angeklagte dem gesondert verfolgten G. zu, in der kommenden Zeit unter fremden Namen bestellte Warensendungen für ihn entgegenzunehmen. Dafür sollte er einen Anteil an der Ware erhalten. In der Folgezeit wurden auf die oben beschriebene Weise mehr als 20 Warensendungen an den Angeklagten ausgeliefert. Das Landgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf zehn Bestellungen des G. verurteilt, die an drei Tagenausgeliefert wurden. Drei Bestellungen nahm der Angeklagte am 22. März 2016, sechs am 23. März 2016 und eine am 24. März 2016 entgegen.
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- b) Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- aa) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden , sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641 m. Anm. Kämpfer; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 514/11, wistra 2012, 146, 147; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.). Lässt sich nicht feststellen, durch wieviele Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB der Angeklagte die festgestellten Taten gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er nur eine Handlung begangen hat (BGH, Beschluss vom 19. November 1996 – 1 StR 572/96, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7).
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- bb) Der Angeklagte hat an zwei Tagen jeweils mehrere Lieferungen für G. entgegengenommen. Hinweise darauf, ob er in jedem Einzelfalldas Klingelschild abgeklebt und im Anschluss wieder entfernt hat, enthalten die Urteilsgründe ebenso wenig wie Feststellungen dazu, ob die Auslieferung ganz oder jedenfalls teilweise durch einen einzigen Paketzusteller erfolgt ist. Allerdings gibt es insoweit einen konkreten Anhalt dafür, als der Zeuge S. angegeben hat, er habe innerhalb weniger Tage eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Warensendungen, an einem Tag in 2-stelliger Höhe, an der Anschrift des Angeklagten , der den Erhalt der Ware jeweils quittiert habe, abgeliefert. Es ist nach der Lebenserfahrung fernliegend, dass ein Paketzusteller ein und dieselbe Adresse bis zu zehn Mal an einem Tag zur Auslieferung von Paketen in dieser Anzahl anfährt. Vielmehr spricht regelmäßig viel dafür, dass dies in lediglich einem Vorgang geschieht. Aufgrund dessen besteht nach den insoweit getroffenen Feststellungen jedenfalls die nahe liegende Möglichkeit, dass der Angeklagte mehrere Pakete von einem Paketboten an einem Tag gleichzeitig entgegengenommen und deren Erhalt im Anschluss durch eine Unterschrift (oder mehrere Unterschriften unmittelbar hintereinander) quittiert haben konnte. Dann aber hätte der Angeklagte durch eine einheitliche Handlung mehrere Betrugstaten des G. gefördert, so dass insoweit entgegen der Annahme des Landgerichts nicht Tatmehrheit, sondern gleichartige Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB gegeben wäre.
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- 2. Dies führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, den Schuldspruch selbst unter Heranziehung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ zu ändern. Feststellungen dazu, ob und gege- benenfalls in welchen Fällen mehrere Taten des G. durch eine einheitliche Handlung des Angeklagten gefördert worden sind, erscheinen schon deshalb möglich, weil sowohl Ausdrucke über den Sendungsverlauf als auch über die Einlieferungsbestätigungen vorliegen, aus denen sich insoweit nähere Informa- tionen zum jeweiligen Auslieferungsvorgang ergeben können. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Der neue Tatrichter kann weitergehende Feststellungen treffen, soweit diese nicht den bisher getroffenen widersprechen.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.