Bundesgerichtshof Beschluss, 02. März 2011 - 2 ARs 56/11

published on 02/03/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 02. März 2011 - 2 ARs 56/11
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 56/11
2 AR 33/11
vom
2. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs
Az.: 206 Js 124418/09 Staatsanwaltschaft Augsburg
Az.: 4 BerL 38/11 Generalstaatsanwaltschaft München
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 2. März 2011 beschlossen:
Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 13a StPO wird abgelehnt.

Gründe:

1
Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 13a StPO liegen nicht vor. Es fehlt nicht - wie es § 13a StPO voraussetzt - an einem im Geltungsbereich der Strafprozessordnung zuständigen Gericht.
2
Der Beschuldigte, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges anhängig ist, war seit 6. August 2009 zur Aufenthaltsermittlung (§ 131a StPO) ausgeschrieben. Er wurde am 22. August 2010 im Rahmen einer Schleierfahndung in W. kontrolliert. Nach Feststellung der bestehenden Ausschreibung kam es zu einer verantwortlichen Vernehmung als Beschuldigter und zur Erteilung einer Zustellungsvollmacht durch den in Rumänien wohnhaften Beschuldigten.
3
Bei dieser Sachlage ist das für den Kontroll- und Vernehmungsort W. zuständige Amtsgericht We. nach § 9 StPO zuständiges Gericht. Denn die Festhaltung des Beschuldigten und seine anschließende Vernehmung als Beschuldigter mit der Unterzeichnung einer Zustellungsvollmacht stellt ein Ergreifen im Sinne von § 9 StPO dar. Ergibt sich bei der Kontrolle einer Person, dass gegen diese ein Ermittlungsverfahren läuft und eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung vorliegt, werden sich nicht nur - sofern hierzu Erkenntnis- se nicht vorliegen - Maßnahmen zur Ermittlung des Wohn- und Aufenthaltsortes des Beschuldigten (vgl. § 163b StPO) anschließen. Darüber hinaus wird es regelmäßig zur Prüfung kommen, ob die Durchführung des weiteren Strafverfahrens durch besondere Vorkehrungen gesichert werden kann. Dies gilt etwa in besonderer Weise dann, wenn der Beschuldigte im Geltungsbereich der Strafprozessordnung keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat und Maßnahmen nach § 132 StPO in Frage kommen. Während dieser Zeit wären polizeiliche Maßnahmen, die dazu dienten, eine mögliche Flucht des Beschuldigten zu verhindern , nicht zu beanstanden; sie rechtfertigen die Annahme, dass der Beschuldigte (zumindest vorübergehend) zum Zweck der Strafverfolgung festgehalten und damit "ergriffen" ist (vgl. BGHSt 44, 347, 349 zum weitergehenden Fall, dass ein Betroffener erst im Rahmen einer Kontrolle einer Straftat verdächtigt wird und daraufhin Ermittlungen gegen ihn eingeleitet werden).
Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach
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(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festge

Fehlt es im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes an einem zuständigen Gericht oder ist dieses nicht ermittelt, so bestimmt der Bundesgerichtshof das zuständige Gericht.

Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.

(1) Die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder eines Zeugen darf angeordnet werden, wenn sein Aufenthalt nicht bekannt ist. (2) Absatz 1 gilt auch für Ausschreibungen des Beschuldigten, soweit sie zur Sicherstellung eine

Annotations

Fehlt es im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes an einem zuständigen Gericht oder ist dieses nicht ermittelt, so bestimmt der Bundesgerichtshof das zuständige Gericht.

(1) Die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder eines Zeugen darf angeordnet werden, wenn sein Aufenthalt nicht bekannt ist.

(2) Absatz 1 gilt auch für Ausschreibungen des Beschuldigten, soweit sie zur Sicherstellung eines Führerscheins, zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zur Anfertigung einer DNA-Analyse oder zur Feststellung seiner Identität erforderlich sind.

(3) Auf Grund einer Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder Zeugen darf bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung auch eine Öffentlichkeitsfahndung angeordnet werden, wenn der Beschuldigte der Begehung der Straftat dringend verdächtig ist und die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(4) § 131 Abs. 4 gilt entsprechend. Bei der Aufenthaltsermittlung eines Zeugen ist erkennbar zu machen, dass die gesuchte Person nicht Beschuldigter ist. Die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Zeugen unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Zeugen entgegenstehen. Abbildungen des Zeugen dürfen nur erfolgen, soweit die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(5) Ausschreibungen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen in allen Fahndungshilfsmitteln der Strafverfolgungsbehörden vorgenommen werden.

Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.

(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig.

(2) Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden.

(1) Hat der Beschuldigte, der einer Straftat dringend verdächtig ist, im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt, liegen aber die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vor, so kann, um die Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen, angeordnet werden, daß der Beschuldigte

1.
eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet und
2.
eine im Bezirk des zuständigen Gerichts wohnende Person zum Empfang von Zustellungen bevollmächtigt.
§ 116a Abs. 1 gilt entsprechend.

(2) Die Anordnung dürfen nur der Richter, bei Gefahr im Verzuge auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) treffen.

(3) Befolgt der Beschuldigte die Anordnung nicht, so können Beförderungsmittel und andere Sachen, die der Beschuldigte mit sich führt und die ihm gehören, beschlagnahmt werden. Die §§ 94 und 98 gelten entsprechend.