Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Nov. 2017 - 2 ARs 372/17
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 2. November 2017 beschlossen:
Gründe:
- 1
- Auf die zulässige Vorlage des Amtsgerichts Potsdam – Jugendrichter – ist dessen Abgabebeschluss an das Amtsgericht Berlin-Tiergarten – Jugendrichter – aufzuheben. Die Voraussetzungen für eine Abgabe nach § 42 Abs. 3 JGG liegen nicht vor.
- 2
- Die zwingende Voraussetzung einer Abgabe, Wechsel des Aufenthalts nach Anklageerhebung, ist nicht festgestellt. Hat der Angeklagte seinen Aufenthalt jedoch bereits vor Erhebung der Anklage gewechselt, kommt eine Abgabe der Sache nach § 42 Abs. 3 JGG von vornherein nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2014 – 2 ARs 54/14 mwN).
- 3
- Selbst wenn der Angeklagte seinen Aufenthalt erst nach Anklageerhebung verlegt hätte, wäre die Abgabe der Sache an das für seinen jetzigen Aufenthaltsort zuständige Amtsgericht Berlin-Tiergarten nicht zweckmäßig. Der mittlerweile 21-jährige Angeklagte hat die Tat bestritten. Der gesondert verfolgte M. A. A. wohnt im Bereich des Amtsgerichts Potsdam. Das Amtsgericht Potsdam ist zudem mit der Sache vertraut und hat bereits am 6. Januar 2017 die Hauptverhandlung ausgesetzt und am 7. April 2017 eine neue Hauptverhandlung über mehr als eine Stunde mit Beweisaufnahme durchgeführt. Zudem hat es sich im Hinblick auf die am 31. März 2017 durch das Amtsgericht Potsdam – Strafrichter – erfolgte Verurteilung des möglichen Mittäters M. A. A. am 30. Juni 2017 mit der Frage einer Verfahrenseinstellung befasst. Angesichts dieser Besonderheit tritt der Gesichtspunkt der Entscheidungsnähe in den Hintergrund. Appl Krehl Eschelbach Zeng Schmidt
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(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig
- 1.
der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen, - 2.
der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält, - 3.
solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.
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2. Für die Untersuchung und Entscheidung der Sache gemäß § 42 Abs. 3 JGG bleibt das Amtsgericht Ibbenbüren - Jugendschöffengericht - zuständig.
Gründe:
- 1
- Auf die zulässige Vorlage des Amtsgerichts Ibbenbüren ist dessen Abgabebeschluss aufzuheben. Den Sachakten lässt sich zwar nicht entnehmen, ob der Angeklagte seinen Aufenthaltsort nach Berlin bereits vor Erhebung der Anklage oder erst zwischen Anklageerhebung (3. Juli 2013) und Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Ibbenbüren (31. Oktober 2013) verlegt hat. Letztlich kann dieses hier aber dahin stehen.
- 2
- Hat der Angeklagte seinen Aufenthalt bereits vor Erhebung der Anklage gewechselt, kommt eine Abgabe der Sache nach § 42 Abs. 3 JGG von vornherein nicht in Betracht (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juli 2013 - 2 ARs 244/13 mwN).
- 3
- Hat der Angeklagte seinen Aufenthalt erst zwischen Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluss verlegt, ist die Abgabe der Sache an das für seinen jetzigen Aufenthaltsort zuständige Amtsgericht Berlin-Tiergarten insgesamt nicht zweckmäßig. Der mittlerweile 21-jährige Angeklagte, der zur Tatzeit bereits volljährig war, hat die Tat bestritten. Es sind - worauf auch das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hinweist - die vier in der Anklage der Staatsanwaltschaft Münster vom 27. Juni 2013 benannten Zeugen zu hören, die allesamt im Bereich des abgebenden Amtsgerichts wohnen. Der Angeklagte hat einen Verteidiger aus Ibbenbüren gewählt. Das abgebende Gericht ist zudem mit der Sache vertraut und hatte bereits einen Hauptverhandlungstermin anberaumt, zu dem es u.a. auch einen Sachverständigen des Landeskriminalamts Niedersachsen geladen hatte. Angesichts dieser Besonderheiten tritt der Gesichtspunkt der Entscheidungsnähe in den Hintergrund.