Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2012 - 2 ARs 327/12

bei uns veröffentlicht am04.09.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 327/12
2 AR 218/12
vom
4. September 2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Verteidigerin: Rechtsanwältin
Az.: 461 VRs 166624/91 Staatsanwaltschaft München I
Az.: 832 Js 5957/11 Staatsanwaltschaft Würzburg
Az.: StVK 74/2012 Landgericht Ansbach
Az.: 8 BerL 311/12 Generalstaatsanwaltschaft München
Az.: StVK 423/2008 Landgericht Würzburg
Az.: 1 Ws 309/12 Oberlandesgericht Bamberg
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 4. September 2012 gemäß § 14 StPO beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg.

Gründe:

I.

1
Der bereits seit 1991 nach § 63 StGB in verschiedenen Einrichtungen untergebrachte Verurteilte befand sich vom 22. Januar 2008 an in der Forensischen Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses Lohr, bevor er am 8. September 2011 zur weiteren Vollstreckung der Maßregel in die Forensische Psychiatrie des Bezirksklinikums Ansbach verlegt wurde.
2
Einer gutachterlichen Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses Lohr folgend hat die örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg letztmalig am 1. August 2011 die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und den nächsten - spätesten - Prüfungstermin auf den 31. Juli 2012 festgesetzt. Gleichzeitig hat die Strafvollstreckungskammer die Einholung eines - externen - forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens dazu angeordnet , welche der ursprünglich festgestellten Persönlichkeitsstörungen beim Betroffenen noch bestehen, ob er weiter für die Allgemeinheit gefährlich ist und wie dem gegebenenfalls begegnet werden könne. Die Einholung eines externen Prognosegutachtens bereits dreieinhalb Jahre nach dem letzten externen Gutachten schien der Strafvollstreckungskammer aufgrund von Auseinandersetzungen mit der Klinik und damit im Zusammenhang stehender Vorgänge geboten. Abhängig vom Ergebnis des externen Gutachtens hat die Strafvollstreckungskammer ein unverzügliches Tätigwerden angekündigt.
3
Nach Eingang des Gutachtens am 20. Februar 2012 beim Landgericht Würzburg und zwischenzeitlicher Verlegung des Untergebrachten in das Bezirksklinikum Ansbach hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 13. April 2012 die Unterbringung nach § 67 Abs. 6 Satz 1 StGB für erledigt erklärt und eine Restjugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Bamberg am 23. Mai 2012 den Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufgehoben mit der Begründung, diese sei nach Verlegung des Untergebrachten örtlich nicht mehr zuständig gewesen. Erst mit Eingang des externen Gutachtens am 20. Februar 2012 sei eine "Befassung" mit der Sache eingetreten, zu diesem Zeitpunkt sei aber bereits die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ansbach örtlich zuständig gewesen.
4
Das Landgericht Ansbach hält sich hingegen nicht für zuständig und hat die Akten zur Herbeiführung einer Entscheidung über die Zuständigkeit dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II.

5
Zuständig für die nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB anstehende Entscheidung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg.
6
War eine - wie hier - örtlich und sachlich zuständige Strafvollstreckungskammer vor Verlegung eines Untergebrachten mit einer Sache bereits befasst i.S.d. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO, bleibt sie zuständig, bis sie die konkrete Sachfrage abschließend entschieden hat (BGHSt 56, 252; Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 - 2 ARs 167/12; Appl in KK-StPO 6. Aufl. § 462a Rn. 16 und 23 m.w.N.). Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Bamberg ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg nicht erst mit Eingang des von ihr in Auftrag gegebenen externen Gutachtens mit einer Überprüfungsentscheidung nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB befasst worden. Vielmehr hat sich das Landgericht Würzburg selbst mit einer entsprechenden Entscheidung von Amts wegen befasst und eine "außerplanmäßige" Überprüfung nach § 67e Abs. 1 StGB eingeleitet, indem es am 1. August 2011 - noch vor Verlegung des Untergebrachten und vor Ablauf der Fünfjahresfrist des § 463 Abs. 4 Satz 1 StPO - erneut ein externes Gutachten in Auftrag gegeben und im Bedarfsfall ein unverzügliches Tätigwerden angekündigt hat.
7
Die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Würzburg wirkt so lange fort, bis diese über die weitere Unterbringung des Verurteilten auf der Grundlage des von ihr eingeholten externen Sachverständigengutachtens abschließend entschieden hat. Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

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Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


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(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu tr

Strafgesetzbuch - StGB | § 67e Überprüfung


(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen. (2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung in

Strafprozeßordnung - StPO | § 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts


(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z

Strafprozeßordnung - StPO | § 14 Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht


Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2012 - 2 ARs 167/12

bei uns veröffentlicht am 16.05.2012

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Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 167/12
2 AR 108/12
vom
16. Mai 2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Betruges
Az.: 70 Js 2104/03 - Staatsanwaltschaft Wuppertal
22 KLs 70 Js 2104/03 - 18/03 II Landgericht Wuppertal
52 StVK 480/07 FA Landgericht Bonn
11 StVK 58/11 FA Landgericht Paderborn
III StVK 707/11 K Landgericht Bochum
III-3 (s) Sbd. I - 4/11 Oberlandesgericht Hamm
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 16. Mai 2012 beschlossen:
Zuständig für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Führungsaufsicht aus dem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 18. November 2003 (22 KLs 70 Js 2104/03 - 18/03 II) beziehen, ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht Wuppertal hat am 18. November 2003 gegen den Verurteilten eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Nach Vollstreckung der Maßregel in den Rheinischen Kliniken Köln hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln am 8. November 2006 die Unterbringung für erledigt erklärt, den Eintritt von Führungsaufsicht festgestellt und deren Dauer auf fünf Jahre festgesetzt. Zur Verbüßung des Strafrestes von 420 Tagen wurde der Verurteilte zunächst am 7. Dezember 2006 in die Justizvollzugsanstalt Siegburg verlegt, woraufhin die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn die Überwachung der Führungsaufsicht übernommen hat. Am 28. August 2007 wurde der Verurteilte schließlich in die Justizvollzugsanstalt Hövelhof überstellt, ohne dass eine Ab- gabe der Überwachung der Führungsaufsicht von der Strafvollstreckungskammer Bonn an die nunmehr zuständig gewordene Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn erfolgt ist. Nach vollständiger Strafverbüßung wurde der Verurteilte am 18. März 2008 entlassen, woraufhin dieser Wohnsitz in Dortmund nahm. Eine Entscheidung über die Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 2 StGB war weder zum Entlassungszeitpunkt noch zu einem späteren Zeitpunkt getroffen worden.
2
Mit Schreiben vom 24. Februar 2011 hat die Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Dortmund die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn gebeten, eine noch von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln erteilte Weisung gemäß § 68b Abs. 1 Ziff. 7 StGB zu spezifizieren. Das Landgericht Bonn hat daraufhin mit Beschluss vom 2. März 2011 die Übernahme der Führungsaufsicht der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn angedient. Diese hat am 3. Mai 2011 die Übernahme abgelehnt, weil sich der Verurteilte zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten bei ihr am 29. April 2011 bereits in anderer Sache seit dem 1. April 2011 in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Bochum befunden habe. Nachdem auch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum eine Übernahme abgelehnt hatte, hat sich das Landgericht Paderborn mit Beschluss vom 7. Juli 2011 erneut für unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm gemäß § 14 StPO vorgelegt. Dieses hat sich ebenfalls für unzuständig erklärt, weil der negative Zuständigkeitsstreit zwischen den Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Bonn und Paderborn und damit zwischen Gerichten unterschiedlicher Oberlandesgerichtsbezirke geführt werde. Deshalb sei die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs als gemeinschaftliches oberes Gericht gegeben.

II.

3
Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn.
4
Mit Entlassung des Verurteilten am 18. März 2008 nach vollständiger Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten ist gemäß § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eine - neue - Führungsaufsicht eingetreten. Gleichzeitig endete gemäß § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB die bisherige vom Landgericht Köln am 8. November 2006 gemäß § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB festgestellte Führungsaufsicht, dessen Überwachung die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn übernommen hatte (vgl. OLG Dresden NStZ-RR 2012, 159).
5
Zuständig für die zum Entlassungszeitpunkt gemäß § 68 f Abs. 2 StGB von Amts wegen zu treffende Entscheidung, ob die nach § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht ausnahmsweise entfällt sowie für die nach §§ 68 a-c StGB zu treffenden Entscheidungen ist die Strafvollstreckungskammer , in deren Bezirk der Verurteilte drei Monate vor Vollzugsende einsitzt, hier also diejenige des Landgerichts Paderborn, und zwar gleichgültig, ob ihr die Akten vorgelegt wurden oder nicht (vgl. Fischer, StGB 59. Aufl., § 68f Rn. 10 m.w.N.; § 54a Abs. 2 StVollstrO). Die nach alledem örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn war in dem Moment, als die Entscheidungen nach § 68f Abs. 2, §§ 68 a-c StGB anstanden, mit der Sache "befasst" im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO. Das "Befasstsein" endet ungeachtet der zwischenzeitlichen Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Bochum erst, wenn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn in der Sache abschließend entschieden hat (Appl in KK, StPO 6. Aufl., § 462a Rn. 18 f., 23).
6
Erst danach geht die Zuständigkeit für die weitere Überwachung der Führungsaufsicht auf diejenige Strafvollstreckungskammer über, in deren Bezirk der Verurteilte zur Verbüßung von Strafhaft in anderer Sache aufgenommen ist (BGH NStZ-RR 2004, 124). Ernemann Appl Berger Eschelbach Ott

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.