Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2005 - 2 ARs 121/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
1. Der Verurteilte verbüßte eine zweijährige Jugendstrafe in der Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth. Mit Beschluß vom 12. Januar 2005 setzte der Vollstreckungsleiter, der Richter beim Amtsgericht Neuburg an der Donau , den Vollzug eines Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aus, weil der Verurteilte sich für die Dauer von acht Wochen einer stationären Suchttherapie in einer Klinik in Bad Dürkheim unterziehen wollte. Die infolge der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung erforderlich werdenden Entscheidungen übertrug der Vollstreckungsleiter dem Jugendrichter beim Amtsgericht Bad Dürkheim und gab auch die Vollstreckung an diesen ab. Das Amtsgericht Bad Dürkheim lehnte die Übernahme im Hinblick auf den nur vorübergehenden Aufenthalt des Verurteilten in seinem Zuständigkeitsbereich ab. Zwischenzeitlich ist der Verurteilte am 10. März 2005 vorzeitig aus der Klinik in Bad Dürkheim entlassen worden und hält sich seitdem wieder bei seinen Eltern in Bayreuth auf. Gleichwohl weigert sich der Vollstreckungsleiter für die Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth die Bewährungsaufsicht wieder zu übernehmen. DasAmtsgericht Bad Dürkheim hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites vorgelegt. 2. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
a) "Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht nach § 14 StPO i.V.m. § 2 JGG zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen, weil die streitbefangenen Amtsgerichte Neuburg an der Donau und Bad Dürkheim im Zuständigkeitsbereich verschiedener Oberlandesgerichte liegen (OLG München und OLG Zweibrücken).
b) Der Vollstreckungsleiter für die Justizvollzugsanstalt NeuburgHerrenwörth ist gemäß §§ 88 Abs. 6 Satz 3, 58 Abs. 3 JGG für die weitere Bewährungsüberwachung und die Vollstreckung der Jugendstrafe zuständig. Als für die Bewährungsüberwachung gemäß § 88 Abs. 6 Satz 2 StPO originär zuständiger Richter obliegt es ihm, die Bewährungsaufsicht so zweckmäßig und wirkungsvoll wie möglich zu gestalten (vgl. BGH, Beschluss vom 01.10.1975 - 2 ARs 289/75, NJW 1976, 154). Zur wirkungsvollen Ausübung der Bewährungsaufsicht kann der Vollstreckungsleiter gemäß § 58 Abs. 3 JGG die nach § 58 Abs. 1 Satz 1 JGG zu treffenden Entscheidungen an das Amtsgericht des Aufenthaltsorts des Verurteilten abgeben. Unzweckmäßig ist jedoch die Übertragung der nachträglichen Entscheidungen im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 JGG, wenn bereits zum Zeitpunkt der Übertragung absehbar ist, dass der Aufenthalt des Verurteilten im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts, an das die Bewährungsüberwachung übertragen werden soll, nur vorübergehend und von kurzer Dauer sein wird. In diesem Fall ist es untunlich, dass sich der Jugendrichter des Amtsgerichts, in dessen Bereich sich der Verurteilte kurzzeitig aufhält , in den Vorgang einarbeitet, obwohl eine baldige Übertragung der Bewährungsüberwachung an ein anderes Gericht zu erwarten ist (vgl. Senat, Be-
schluss vom 05.05.1993 - 2 ARs 131/93, NStZ 1994, 27 Nr. 33). An diesem Maßstab gemessen war die Abgabe der Bewährungsüberwachung und der weiteren Vollstreckung durch den Vollstreckungsleiter für die Justizvollzugsanstalt Neuburg-Herrenwörth an den Jugendrichter am Amtsgericht Bad Dürkheim nicht sachgerecht. Der Aufenthalt des Verurteilten in der dortigen Therapieeinrichtung war von Anfang an nicht dauerhaft, sondern nur für zunächst acht Wochen geplant. Nach der vorzeitigen Entlassung des Verurteilten aus der Klinik ist nunmehr auch jeglicher Grund für eine Übernahme der Bewährungsüberwachung und der weiteren Vollstreckung durch das Amtsgericht Bad Dürkheim entfallen." 3. Dem schließt sich der Senat an. Bode Otten Rothfuß Roggenbuck Appl
moreResultsText
Annotations
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.
(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.
(3) Der Vollstreckungsleiter soll in den Fällen der Absätze 1 und 2 seine Entscheidung so frühzeitig treffen, daß die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung des Verurteilten auf sein Leben nach der Entlassung durchgeführt werden können. Er kann seine Entscheidung bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, nicht mehr verantwortet werden kann.
(4) Der Vollstreckungsleiter entscheidet nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben.
(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(6) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a sinngemäß. An die Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung von Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4 und § 60 entsprechend anzuwenden. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Vor der Leichenöffnung soll die Identität des Verstorbenen festgestellt werden. Zu diesem Zweck können insbesondere Personen, die den Verstorbenen gekannt haben, befragt und Maßnahmen erkennungsdienstlicher Art durchgeführt werden. Zur Feststellung der Identität und des Geschlechts sind die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zulässig; für die molekulargenetische Untersuchung gilt § 81f Abs. 2 entsprechend.
(2) Ist ein Beschuldigter vorhanden, so soll ihm die Leiche zur Anerkennung vorgezeigt werden.
(1) Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a), trifft der Richter durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer sind zu hören. Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben. Der Beschluß ist zu begründen.
(2) Der Richter leitet auch die Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen nach § 453c der Strafprozeßordnung.
(3) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.