Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2002 - 1 StR 535/01

bei uns veröffentlicht am24.04.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 535/01
vom
24. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2002 gemäß § 346
Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Beschluß des Landgerichts München I vom 21. September 2001, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil dieses Landgerichts vom 3. Juli 2001 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, daß die Anordnung des Vorwegvollzuges eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus entfällt. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsrechtszug erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Überdies hat es bestimmt, daß zwei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die Revision des Angeklagten hat das
Landgericht mit Beschluû vom 21. September 2001 als unzulässig verworfen (gemäû § 346 Abs. 1 StPO), weil das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden sei. Dieser Beschluû unterliegt der Aufhebung. Die Revision des Angeklagten ist mit der Maûgabe unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, daû die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzuges von Freiheitsstrafe vor der ausgesprochenen Maûregel zu entfallen hat. I. Der Verteidiger des Angeklagten hat am Tage der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses des Landgerichts "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt. Dieser Antrag ist als solcher nach § 346 Abs. 2 StPO auszulegen. Er hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die Begründung der Revision hier nicht verfristet. Die Zustellung des schriftlichen Urteils an Rechtsanwalt G. am 10. August 2001 war unwirksam, weil sich dessen Vollmachtsurkunde zu diesem Zeitpunkt nicht bei den Akten befand (§ 145a Abs. 1 StPO). Mithin wurde die Revisionsbegründungsfrist erst durch die spätere, erneute Zustellung des Urteils an den hierzu bevollmächtigten Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt S. , in Lauf gesetzt. Die Revision ist nach allem fristgerecht begründet worden (vgl. zu den Einzelheiten zutreffend die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 4. März 2002). II. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung der Anordnung des teilweisen Vorwegvollzuges von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus, ist im übrigen indessen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Voraussetzungen eines Vorwegvollzuges nach § 67 Abs. 2 StGB liegen nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht vor.
Der Bundesgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben, daû nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB möglichst umgehend mit der Behandlung des kranken Rechtsbrechers begonnen werden soll, da dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe ist das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten. Gerade bei längerer Strafdauer muû es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig zu heilen oder jedenfalls zu behandeln, um seiner Erkrankung entgegenzuwirken. Eine Abweichung von der Regelabfolge des Vollzuges bedarf eingehender Begründung. Will der Tatrichter sie darauf stützen, daû der an die Maûregel anschlieûende Strafvollzug den Maûregelerfolg wieder z unichte machen könnte, so müssen dafür überzeugende Gründe vorliegen (vgl. nur BGH NStZ 1986, 428; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 7, Vorwegvollzug , teilweiser 4, 10, 11, 12, 13). Diesen Anforderungen wird die vom Landgericht bestimmte Ausnahme nicht gerecht. Die Strafkammer führt aus, der Angeklagte habe sich zunächst gegenüber einer Therapie ablehnend gezeigt. Durch den Vorwegvollzug solle die Bereitschaft zu einer Therapie verstärkt werden. Eine sinnvolle Therapie sei, wie auch der Sachverständige ausgeführt habe, nur am Ende eines Freiheitsentzuges möglich. Ein langjähriger Strafvollzug werde die positiven Auswirkungen einer Therapie wieder gefährden, weil ein in der Therapie erarbeitetes und eingeübtes Verhalten wieder "verschüttet" werde. Die Therapie habe nur dann Aussicht auf dauerhaften Erfolg, wenn das in ihr erlernte Verhalten unmittelbar in praktische Bewährung übergehe. Diese Erwägungen vermögen die Anordnung im vorliegenden Falle nicht zu tragen. Sie erweisen sich angesichts der im übrigen zur Erkrankung des Angeklagten getroffenen Feststellungen - worauf auch der Generalbundesan-
walt zutreffend hinweist - als nicht hinreichend substantiiert. Auf der Grundlage eines psychiatrischen und eines psychologischen Sachverständigengutachtens ist die Strafkammer zu dem Ergebnis gekommen, daû der Angeklagte aufgrund eines langdauernden chronischen Alkoholmiûbrauchs und einer hirnorganischen Wesensänderung an einer krankhaften seelischen Störung leide. Es bestünden in somatischer Hinsicht Auffälligkeiten (Ekzeme an den Händen, grenzwertige Leberausdehnung). Neurologisch sei die Gangprobe unsicher, der Blindgang erschwert und das Vibrationsempfinden vermindert. Unter weiterer Bezugnahme auf die Sachverständigen wird in den Urteilsgründen ausgeführt , der Angeklagte habe einen weitschweifigen, umständlichen Gedankengang gezeigt, vermehrt miûtrauisch gewirkt und paranoide Ideen anklingen lassen. Deutliche Beeinträchtigungen hätten sich auch hinsichtlich der feinmotorischen Bewegungskontrolle, der kognitiven Fähigkeiten und der optischen Merkfähigkeit gezeigt. Leidet der Angeklagte aber an einer hirnorganischen Wesensänderung, die sich als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB erweist, so bedarf diese nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers der umgehenden Behandlung. Das gilt hier zumal im Blick darauf, daû die Strafkammer – wie auch der psychiatrische Sachverständige – mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, der Angeklagte werde aufgrund der erheblichen chronifizierten hirnorganischen Schädigung in einer vergleichbaren Belastungssituation wiederum ähnlich aggressiv reagieren wie bei der Tat. Überdies ist nicht nachvollziehbar dargetan, inwiefern durch andauernden Vollzug von Freiheitsstrafe die Therapiebereitschaft des Angeklagten noch weiter geweckt und die Einsicht in die Erforderlichkeit seiner Behandlung herbeigeführt werden kann, nachdem er sich zum Zeitpunkt der Urteilsfindung bereits seit mehr als einem Jahr in Haft befand.
Der Senat schlieût aus, daû ein neuer Tatrichter hierzu weitergehende Feststellungen zu treffen vermag. Er entscheidet deshalb in der Sache selbst dahin, daû die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzuges entfällt (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend). Der Senat sieht davon ab, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen teilweise von der Belastung mit Kosten und notwendigen Auslagen freizustellen, weil er insgesamt keine Verkürzung der ihm auferlegten Rechtsfolgen erreicht hat (vgl. § 473 Abs. 4 StPO). Nack Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafprozeßordnung - StPO | § 346 Verspätete oder formwidrige Einlegung


(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß a

Strafprozeßordnung - StPO | § 145a Zustellungen an den Verteidiger


(1) Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen. Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen. Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Die Nachreichung der Vollmacht im Original kann verlangt werden; hierfür kann eine Frist bestimmt werden.

(2) Eine Ladung des Beschuldigten darf an den Verteidiger nur zugestellt werden, wenn er in seiner nachgewiesenen Vollmacht ausdrücklich zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt ist. § 116a Abs. 3 bleibt unberührt.

(3) Wird eine Entscheidung dem Verteidiger nach Absatz 1 zugestellt, so wird der Beschuldigte hiervon unterrichtet; zugleich erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung. Wird eine Entscheidung dem Beschuldigten zugestellt, so wird der Verteidiger hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.