Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 526/03
vom
30. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juni 2004 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28. April 2003 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum Diebstahl (Fall II. 5. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
b) das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe dahin geändert, daß der Angeklagte zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last; im übrigen hat der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen in drei Fällen sowie wegen Beihilfe zum
Diebstahl in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei hat es auf Einzelstrafen von einem Jahr und zweimal sechs Monaten Freiheitsstrafe sowie Geldstrafen von 80 und 60 Tagessätzen erkannt. 1. Hinsichtlich der Beihilfe zum Diebstahl (Fall II. 5. der Urteilsgründe) ist Strafverfolgungsverjährung eingetreten, weil zwischen der Anordnung der ersten Vernehmung des Beschuldigten und der Anklageerhebung mehr als fünf Jahre vergangen sind. Die Anordnung der Vernehmung zu dem Fall erfolgte durch die Staatsanwaltschaft Baden-Baden in dem Verfahren 4 Js 529/94 am 8. Juli 1994; die Anklage wurde am 22. Juli 1999 erhoben. Die aufgrund der Anordnung durchgeführte erste Beschuldigtenvernehmung bewirkte keine neue Unterbrechung. Die in § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB vorgesehenen Unterbrechungsmöglichkeiten der Anordnung der Vernehmung und der Vernehmung selbst bilden eine Einheit, so daß sie nur alternativ durchgreifen. Die Verjährung wird also nicht durch die Anordnung der Vernehmung und dann noch einmal durch die darauf beruhende Vernehmung selbst unterbrochen. Es unterbricht nur die erste der vorgenommenen Maßnahmen (BTDrucks. 7/550 zu Art. 17 Nr. 34, S. 215; Jähnke in LK, StGB, 12. Aufl., § 78c Rdn. 19; vgl. zu § 78c Abs. 1 Nr. 2 StGB BGH, Beschluß vom 26. Oktober 1977 - 3 StR 384/77, Jähnke in LK aaO Rdn. 23; zu der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 2 OWiG BGHSt 27, 110, 113; 27, 144, 147, Göhler OWiG, 13. Aufl., § 33 Rdn. 6 a). Das Verfahren war insoweit wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses einzustellen. Dadurch entfallen der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Diebstahl im Fall II. 5. der Urteilsgründe und die wegen dieser Tat verhängte Geldstrafe von 60 Tagessätzen.
2. Der Senat hat hinsichtlich der Gesamtstrafe in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts hier § 354 Abs. 1 StPO entsprechend angewendet. Er erachtet nach den gesamten Umständen, insbesondere im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer, aber auch unter Berücksichtigung der Summe der Einzelstrafen eine um die weggefallene Einzelstrafe in vollem Umfang reduzierte Gesamtstrafe als die niedrigst mögliche Gesamtstrafe. Insoweit bleibt für die Ausübung des dem Tatrichter vorbehaltenen Ermessens durch das Revisionsgericht kein Raum mehr (vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Januar 2004 - 2 BvR 1704/01; BGH, Beschluß vom 13. Februar 2004 - 1 StR 571/03 und Beschluß vom 11. Mai 2004 - 1 StR 181/04). Da bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe entspricht, wenn eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden ist (§ 54 Abs. 3 StGB), hat der Senat die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten um zwei Monate reduziert. Unter diesen Umständen ist es ausgeschlossen , daß die Strafkammer, die im übrigen verjährtes Geschehen bei der Strafzumessung hätte berücksichtigen können, auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, wenn sie vom Wegfall der genannten Einzelstrafe ausgegangen wäre. 3. Im übrigen hat die aufgrund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils weder im verbleibenden Schuldspruch noch hinsichtlich der wegen dieser Taten verhängten Einzelstrafen einen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Antrag vom 4. Dezember 2003, die auch durch die Erwiderung der Revision vom 12. Januar 2004 nicht entkräftet werden.
4. Die neu zu treffende Entscheidung nach § 268a StPO bleibt Sache des Tatgerichts. Im Hinblick auf die milden Auflagen erscheint dem Senat eine Änderung des Bewährungsbeschlusses nicht unbedingt angezeigt . Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2004 - 1 StR 526/03 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

Strafgesetzbuch - StGB | § 78c Unterbrechung


(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch 1. die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,2. jede richterliche Vernehmung des B

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 33 Unterbrechung der Verfolgungsverjährung


(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch 1. die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,2. jede richterliche Vernehmung des Bet

Strafprozeßordnung - StPO | § 268a Aussetzung der Vollstreckung von Strafen oder Maßregeln zur Bewährung


(1) Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt, so trifft das Gericht die in den §§ 56a bis 56d und 59a des Strafgesetzbuches bezeichneten Entscheidungen durch Beschluß; dieser ist mit dem U

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2004 - 1 StR 181/04

bei uns veröffentlicht am 11.05.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 181/04 vom 11. Mai 2004 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2004 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das

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(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.

(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Betroffenen oder eines Zeugen oder die Anordnung dieser Vernehmung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter, wenn vorher der Betroffene vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter sowie jede Anordnung der Verfolgungsbehörde oder des Richters, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Ermittlung des Aufenthalts des Betroffenen oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
6.
jedes Ersuchen der Verfolgungsbehörde oder des Richters, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen,
7.
die gesetzlich bestimmte Anhörung einer anderen Behörde durch die Verfolgungsbehörde vor Abschluß der Ermittlungen,
8.
die Abgabe der Sache durch die Staatsanwaltschaft an die Verwaltungsbehörde nach § 43,
9.
den Erlaß des Bußgeldbescheides, sofern er binnen zwei Wochen zugestellt wird, ansonsten durch die Zustellung,
10.
den Eingang der Akten beim Amtsgericht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 und die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde nach § 69 Abs. 5 Satz 1,
11.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
12.
den Hinweis auf die Möglichkeit, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden (§ 72 Abs. 1 Satz 2),
13.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
14.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
15.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung.
Im selbständigen Verfahren wegen der Anordnung einer Nebenfolge oder der Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 31 Abs. 3 bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist, mindestens jedoch zwei Jahre verstrichen sind. Wird jemandem in einem bei Gericht anhängigen Verfahren eine Handlung zur Last gelegt, die gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit ist, so gilt als gesetzliche Verjährungsfrist im Sinne des Satzes 2 die Frist, die sich aus der Strafdrohung ergibt. § 32 bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht. Die Unterbrechung tritt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7, 11 und 13 bis 15 auch dann ein, wenn die Handlung auf die Verfolgung der Tat als Straftat gerichtet ist.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 181/04
vom
11. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2004 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 16. Dezember 2003 dahin abgeändert, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 361 Fällen und exhibitionistischer Handlungen in 64 Fällen schuldig ist. 2. Im übrigen wird das Verfahren eingestellt. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. 4. Soweit das Verfahren eingestellt ist, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Im übrigen trägt der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Der Angeklagte hat an einem nicht mehr genau feststellbaren Tag im Frühjahr/Sommer 1993 sich vor der am 1. Juli 1985 geborenen Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin selbst befriedigt und dabei auch seinen Finger in ihre Scheide gesteckt. In der Folge nahm er bis zu ihrem 14. Geburtstag eine Vielzahl, ihrer Art nach im einzelnen geschilderter, unterschiedlicher sexueller Handlungen mit und vor der Geschädigten vor. Nach ihrem 14. Geburtstag hat er sie, wie teilweise auch schon zuvor, bis Sommer 2001 regelmäßig veranlaßt, ihm bei der Selbstbefriedigung zuzuschauen. Er wurde deshalb, hinsichtlich
der Zahl der Fälle nach Maßgabe des Zweifelssatzes, wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 361 Fällen (§ 176 StGB in der jeweils anzuwendenden Fassung) und wegen exhibitionistischer Handlungen in 80 Fällen (§ 183 StGB) verurteilt. Die Strafkammer hat mit differenzierten Erwägungen gegen den erheblich , auch einschlägig, vorbestraften und während mehrerer Jahre innerhalb des Tatzeitraums auch bewährungsbrüchigen Angeklagten in den Mißbrauchsfällen Einzelstrafen zwischen 15 Monaten und acht Monaten und im übrigen von jeweils sechs Monaten verhängt (Gesamtsumme 3.715 Monate) und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren gebildet. Die Revision des Angeklagten hat insoweit Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), als das Verfahren wegen Verjährung einzustellen ist, soweit der Angeklagte wegen exhibitionistischer Handlungen zwischen 1. Juli und 15. Oktober 1999 verurteilt worden ist. Im übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Die Revision sieht ein Verfahrenshindernis darin, daß die Angaben zu den einzelnen Taten in der unverändert zugelassenen Anklage weder datumsmäßig noch sonst genau genug seien. Die Anforderungen des Bundesgerichtshofs an die Konkretisierung derartiger Serientaten seien zu gering. Das behauptete Verfahrenshindernis liegt aus den vom Generalbundesanwalt im Antrag vom 20. April 2004 zutreffend dargelegten Gründen nicht vor. 2. Die erste zur Unterbrechung der für Vergehen gegen § 183 StGB dreijährigen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB) geeignete Handlung war der Erlaß eines Haftbefehls gegen den Angeklagten am 15. Oktober 2002 (§ 78 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Daher sind die zwischen 1. Juli und 15. Oktober 1999 begangenen Vergehen gemäß § 183 StGB verjährt.
Die Strafkammer geht davon aus, daß die genannten Taten jedenfalls einmal pro Woche stattgefunden haben. Aus im einzelnen dargelegten Gründen (z. B. Aufenthalten im Landschulheim) stellt sie im Hinblick auf den Zweifelssatz jedenfalls 40 derartiger Taten pro Jahr fest. Gebot der Zweifelssatz, beim Umfang der Verurteilung von so wenig Taten auszugehen, wie dies nach den Umständen in Betracht kommt, so gebietet er bei der Entscheidung darüber , wie viele der abgeurteilten Taten verjährt sind, von so vielen Taten auszugehen , wie dies nach den Umständen in Betracht kommt. Bei wöchentlich einer Tat und dem in Rede stehenden Zeitraum von etwas über 15 Wochen sind dies 16 Taten. In diesem Umfang stellt der Senat daher das Verfahren ein. 3. Die Strafkammer hat bei der Würdigung der Aussage der Geschädigten berücksichtigt, daß bei ihr typische Folgen langjährigen sexuellen Mißbrauchs vorlägen. Gestützt ist diese Annahme auf eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Aussagegenese - die Polizei wurde zunächst nicht durch eine Strafanzeige auf den Vorgang aufmerksam, sondern weil sie von dritter Seite wegen akuter Suizidgefahr der Geschädigten alarmiert worden war - ebenso wie auf die Vernehmung zahlreicher Zeugen aus dem Umfeld der Geschädigten , z. B. ihrer Psychotherapeutin, und auf die Beobachtungen, die die Strafkammer bei der Vernehmung der Geschädigten selbst gemacht hat. Die Annahme der Revision, all dies spreche gegen sexuellen Mißbrauch und für eine planmäßige Falschbelastung des Angeklagten durch die Geschädigte, was ein Gutachten über die Glaubhaftigkeit der Geschädigten bestätigt hätte, verdeutlicht unter diesen Umständen eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht. Auch insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden.
Auch im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung weder im Schuldspruch noch hinsichtlich der Einzelstrafen einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 4. Die auch im übrigen ohne den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren kann trotz des Wegfalls von 16 Einzelstrafen von je sechs Monaten ebenfalls bestehen bleiben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies bei Wegfall einer Einzelstrafe oder eines kleinen Teils von Einzelstrafen dann der Fall, wenn sich die Gesamtstrafe gleichwohl nach Sachlage, insbesondere im Hinblick auf Zahl und Höhe der übrigen Einzelstrafen ohne weiteres rechtfertigt , also ohne daß insoweit Raum für die Ausübung dem Tatrichter vorbehaltenen Ermessens durch das Revisionsgericht wäre (vgl. BGH, Beschl. vom 13. Februar 2004 - 1 StR 571/03; BGH wistra 1999 28, 29; w. N. b. Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 21). So verhält es sich hier. Dies ergibt sich schon aus den verbleibenden 425 (statt 441) Einzeltaten, für die 3.619 (statt 3.715) Monate Freiheitsstrafe verhängt wurden. Hinzu kommt, daß die Strafkammer - auch - bei der Bildung der Gesamtstrafe maßgeblich auf Gesichtspunkte abgestellt hat, die im wesentlichen das Gesamtgeschehen prägen und nicht von der exakten Anzahl der Einzelfälle gekennzeichnet sind. Dies gilt für den strafmildernd berücksichtigten Gewöhnungseffekt ebenso wie für die strafschärfend berücksichtigte erhebliche Traumatisierung der Geschädigten. Unter diesen Umständen ist im dargelegten
Sinne ausgeschlossen, daß die Strafkammer, die im übrigen aus Rechtsgründen nicht gehalten gewesen wäre, verjährtes Geschehen bei der Strafzumessung völlig außer Betracht zu lassen, eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte, wenn sie erkannt hätte, daß ein kleiner Teil der abgeurteilten exhibitionistischen Handlungen verjährt ist. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt, so trifft das Gericht die in den §§ 56a bis 56d und 59a des Strafgesetzbuches bezeichneten Entscheidungen durch Beschluß; dieser ist mit dem Urteil zu verkünden.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn in dem Urteil eine Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt oder neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet wird und das Gericht Entscheidungen nach den §§ 68a bis 68c des Strafgesetzbuches trifft.

(3) Der Vorsitzende belehrt den Angeklagten über die Bedeutung der Aussetzung der Strafe oder Maßregel zur Bewährung, der Verwarnung mit Strafvorbehalt oder der Führungsaufsicht, über die Dauer der Bewährungszeit oder der Führungsaufsicht, über die Auflagen und Weisungen sowie über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung oder der Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 56f Abs. 1, §§ 59b, 67g Abs. 1 des Strafgesetzbuches). Erteilt das Gericht dem Angeklagten Weisungen nach § 68b Abs. 1 des Strafgesetzbuches, so belehrt der Vorsitzende ihn auch über die Möglichkeit einer Bestrafung nach § 145a des Strafgesetzbuches. Die Belehrung ist in der Regel im Anschluß an die Verkündung des Beschlusses nach den Absätzen 1 oder 2 zu erteilen. Wird die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt, so kann der Vorsitzende von der Belehrung über die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung absehen.