Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 476/13
vom
20. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2013 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Memmingen vom 11. April 2013 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Der zur Tatzeit heranwachsende Angeklagte wurde wegen Mordes in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung zu neun Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt.
2
Seine Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Der Schuldspruch beruht auf folgenden Feststellungen:
4
Der Angeklagte hatte in einer Kurklinik am 26. März 2012 mit der damals 39 Jahre alten H. den Geschlechtsverkehr ausüben wollen, ohne dass diese ihm zuvor hierauf irgendwelche Hoffnungen gemacht hätte. Er verschaffte sich unter dem Vorwand, dort die Toilette aufsuchen zu wollen, Zutritt zu ihrem Zimmer. Als sie keinen Geschlechtsverkehr wollte, versuchte er zu- nächst, gewaltsam zum Ziel zu kommen. Als sie schrie und drohte, von seinem Verhalten zu erzählen, tötete er sie, um ihre Schreie und das Bekanntwerden seiner Tat zu verhindern. Zunächst würgte er sie mehrere Minuten lang und warf sich dann mit voller Wucht mehrfach auf ihren Oberkörper, was u.a. zu Rippenreihenbrüchen führte. Weil ihre Augen noch offen waren, spritzte er ihr dann ein Desinfektionsmittel in die Augen. „Um sich des Todeseintritts endgültig zu versichern“, stach er ihr zunächst ein Fieberthermometer so heftig in den Hals, dass es zerbrach; anschließend versetzte er ihr noch mit einer Nagelschere mehrere heftige Stiche in den Hals und in die Brust, die - ebenso wie die sonstige Gewaltanwendung gegen den Oberkörper - zu schwersten inneren Verletzungen führten. Er verließ dann zunächst den Tatort, kehrte aber nach wenigen Minuten zurück und stieß der Verstorbenen mehrfach heftig den Stiel einer Toilettenbürste in die Scheide.
5
2. Die auf Grund der nicht näher ausgeführten Sachrüge gebotene Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Annahme von Tateinheit zwischen dem Vergewaltigungsversuch und dem zu dessen Verdeckung begangenen Mord (vgl. hierzu Fischer, StGB, 60. Aufl., § 211 Rn. 106 mwN) beschwert den Angeklagten nicht.
6
3. Der Strafausspruch ist nicht rechtsfehlerfrei. Die Jugendkammer hat (unter anderem) auch zum Nachteil des Angeklagten die Sachverhalte berücksichtigt , die drei - anderweitig beim Amtsgericht bzw. der Staatsanwaltschaft anhängig gewesenen, im Hinblick auf das vorliegende Verfahren aber gemäß § 154 StPO (vorläufig) eingestellten - Straf- bzw. Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten zu Grunde liegen. Danach soll er zweimal einen anderen mit der Faust geschlagen haben. Ein Opfer soll ein „Kumpel“ des Angeklagten ge- wesen sein, das andere Opfer soll der Angeklagte zuvor auch noch in der S-Bahn als „Scheiß Ausländer“ beleidigt haben. Einmal soll er mit Steinwürfen die Glasscheibe eines Wartehäuschens an einem Bahnhof zerstört haben.
7
a) Die Revision macht geltend, dass der Angeklagte auf die Möglichkeit der strafschärfenden Bewertung dieser Vorgänge nicht hingewiesen wurde. Der Senat teilt allerdings nicht ihre Auffassung, dass ein solcher Hinweis als wesentliche Verfahrensförmlichkeit aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ersichtlich sein müsste (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10 mwN). Ihr Vortrag, dass ein entsprechender „Hinweis in der Hauptverhandlung unterblieb … und … im Hauptverhandlungsprotokoll auch nicht enthalten (ist)“ ergibt jedoch mit genügender Klarheit die Behauptung, dass ein solcher Hinweis tatsächlich nicht erteilt wurde. Hiervon geht auch der Senat aus: Nachdem die Staatsanwaltschaft keine Revisionsgegenerklärung abgegeben hat und auch die Jugendkammer sich zu keiner dienstlichen Äußerung veranlasst gesehen hat, sieht er keinen Grund, das Vorbringen der Revision anzuzweifeln und von der ihm an sich offen stehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Ablauf der Hauptverhandlung in diesem Punkt freibeweislich zu klären (vgl. schon BGH, Beschluss vom 29. Februar 2000 - 1 StR 33/00).
8
b) Ob der unterbliebene Hinweis erforderlich gewesen wäre, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, ohne dass sich starre Regeln aufstellen ließen (BGH, Beschluss vom 23. September 2003 - 1 StR 292/03 mwN). Aus den Urteilsgründen, die die Beweislage zu jedem Detail sehr genau darlegen, sind Äußerungen des Angeklagten zu den in Rede stehenden Vorgängen nicht ersichtlich. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass er bei einem entsprechenden Hinweis hätte Gesichtspunkte darlegen können, die jene Vorgänge in einem milderen Licht erscheinen lassen.
9
4. Letztlich hat der Strafausspruch aber unabhängig von alledem Bestand , da der Senat die ausgeworfene Strafe für angemessen i.S.d. § 354 Abs. 1a StPO hält.
10
a) Gründe des Einzelfalles, die gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmung sprechen könnten, weil es um die Bemessung einer Jugendstrafe geht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 3 StR 404/09), vermag der Senat hier nicht zu erkennen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. März 2006 - 1 StR 75/06 zu einer ebenso wie hier wegen Mordes in Tateinheit mit einem Sexualdelikt verhängten Jugendstrafe).
11
b) Auch sonst bestehen hier keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmung. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass in einer neuen Verhandlung vor dem Tatgericht (die Rechtsfolgenentscheidung betreffende) weitere oder präzisere Feststellungen zu erwarten sind, oder dass bisher nicht berücksichtigte Umstände naheliegen, die ein neuer Tatrichter feststellen könnte und bei der Rechtsfolgenentscheidung berücksichtigen müsste (vgl. zusammenfassend Gericke in KK, StPO, 7. Aufl., § 354 Rn. 26g mwN). Die hier vorliegende Fallgestaltung ähnelt strukturell vielmehr der einer Fallgestaltung, dass nach BZRG nicht mehr berücksichtigungsfähige Vorverurteilungen strafschärfend berücksichtigt worden sind, in der § 354 Abs. 1a StPO angewendet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2006 - 1 StR 595/06).
12
c) In der Sache hält der Senat die von der Jugendkammer verhängte Strafe auch ohne Berücksichtigung der gemäß § 154 StPO behandelten Verfahren für angemessen. Dabei berücksichtigt er die zu seiner Person angefallenen Erkenntnisse (z.B. erhebliche Vernachlässigung im frühkindlichen Alter, die zu psychischen Beeinträchtigungen und mangels rechtzeitiger Behandlung zu einer dauerhaften Hörbehinderung geführt hat), wobei jedoch nach eingehender sachverständiger Beratung hinreichende Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung seiner Schuldfähigkeit nicht festgestellt werden konnten. Auch sein Geständnis der ihn offenbar deutlich belastenden Tat war zu berücksichtigen. Andererseits war auch zu sehen, dass er (neben den außer Acht bleibenden Vorgängen ) auch sonst schon nachteilig in Erscheinung getreten ist. So hat er etwa einmal einen 13 Jahre alten Jungen zunächst aus nichtigem Anlass zu Boden geworfen und ihm dann mehrfach einen Gegenstand aus Eisen auf den Kopf geschlagen und ihn so erheblich verletzt. Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte sowie des gesamten Tatbildes hat der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verteidigung im Rahmen der Anhörung zu einer möglichen Anwendung von § 354 Abs. 1a StPO entschieden, dass es bei der von der Jugendkammer verhängten Strafe verbleibt.
Wahl Rothfuß Cirener
RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert.
Radtke Wahl

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 157/10
vom
29. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 29. Oktober 2009 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte wurde wegen Diebstahls in 19 Fällen und versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die zu einer Tat näher ausgeführte Sachrüge und auf zwei den Strafausspruch betreffende Verfahrensrügen gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. In einem Fall haben der Angeklagte und ein Mittäter aus einem fremden Pkw arbeitsteilig mehrere Geräte ausgebaut und unter sich aufgeteilt. Der Angeklagte hat demgegenüber angegeben, er habe zwar in Kenntnis aller Umstände den Mittäter zum Tatort gefahren, dessen Tatbegehung abgesichert und einen Teil der Beute bekommen, aber nichts selbst ausgebaut. Es kann offen bleiben, ob diese im Urteil und von der Revision eingehend behandelte Differenz für den Strafausspruch oder sogar für den Schuldspruch bedeutsam sein könnte, da die Beweiswürdigung entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei ist. Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Mittäters, dessen Angaben sich auch in einem anderen vom Angeklagten nicht eingeräumten Fall im Blick auf die Aussagen eines weiteren Mittäters als zutreffend erwiesen haben. Soweit ergänzend ausgeführt ist, der Angeklagte sei nicht der „Typ“, der abseits des Tatorts wartet, ist mit dieser umgangssprachlich formulierten Erwägung offen- sichtlich auf die zu den übrigen Taten gewonnenen Erkenntnisse verwiesen. Auch sonst ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.
3
2. Gleiches gilt für den Strafausspruch. Zum Revisionsvorbringen bemerkt der Senat:
4
Hinsichtlich der dem Angeklagten in mehreren Fällen tateinheitlich zum Diebstahl zur Last gelegten Sachbeschädigung wurde in der Hauptverhandlung gemäß § 154a StPO verfahren. Die vom Angeklagten verschuldeten Schäden sind trotzdem ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt. In diesem Zusammenhang macht die Revision mehrere Mängel geltend:
5
a) Der Angeklagte sei nicht auf die mögliche strafschärfende Bewertung der Sachschäden hingewiesen worden.
6
b) In zwei Fällen seien die Schäden näher festgestellt und quantifiziert worden. Sachbeschädigung habe dem Angeklagten aber nicht nur in diesen, sondern auch in weiteren Fällen zur Last gelegen; da die Schäden strafschärfend berücksichtigt seien, sei zu besorgen, dass dies sämtliche gemäß § 154a StPO behandelten Schäden betreffe, auch soweit sie in den Urteilsgründen nicht überprüfbar dargelegt seien.
7
3. Dieses Vorbringen bleibt erfolglos.
8
a) Der Vortrag zu dem unterbliebenen Hinweis ist widersprüchlich (1); der Hinweis wurde erteilt (2).
9
(1) Bei den Ausführungen zur unzulänglichen Darlegung der Schäden in den Urteilsgründen heißt es, dieser Mangel sei „unabhängig davon, ob b z w . d a s s (Hervorhebung hier vorgenommen) die Kammer hinsichtlich der ausge- schiedenen Tatteile einen solchen Hinweis gegeben hat“.
10
Es ist als sowohl vorgetragen, dass der Hinweis nicht erteilt wurde, als auch, dass er doch erteilt wurde. In tatsächlicher Hinsicht widersprüchliches Vorbringen innerhalb der Revisionsbegründung - sei es auch in unterschiedlichen Zusammenhängen - kann aber schon im Ansatz nicht Grundlage einer erfolgreichen Verfahrensrüge sein (BGH NStZ 2008, 353; b. Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 1). Die auf den angeblich unterbliebenen Hinweis gestützte Rüge geht daher fehl, ohne dass es auf weiteres noch ankäme.
11
(2) Die Rüge bliebe aber auch sonst erfolglos. Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergibt sich zu dem Hinweis nichts, im Urteil heißt es, der Vorsitzende habe den Hinweis erteilt. Die Revision ist im Kern darauf gestützt, ein solcher Hinweis sei als wesentliche Verfahrensförmlichkeit gemäß § 274 StPO nur durch das Hauptverhandlungsprotokoll beweisbar (so ohne nähere Begründung auch OLG München NJW 2010, 1826, 1827; OLG Hamm NStZ-RR 2003, 368; Beulke in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 154 Rdn. 59), nicht aber durch die Urteilsgründe (BGH NJW 1976, 977, 978; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 274 Rdn. 3 m.w.N.). Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Ein nach Maßgabe des Einzelfalls erforderlicher (vgl. BGH NStZ 2004, 277, 278 m.w.N.) Hinweis auf die beabsichtigte Verwertung von gemäß §§ 154, 154a StPO ausgeschiedenem Verfahrensstoff bei der Beweiswürdigung oder Strafzumessung ist keine wesentliche Verfahrensförmlichkeit. Er betrifft die Tatsachengrundlage des Urteils. Bei einem anderweit erforderlichen Hinweis auf wesentliche Änderungen in tatsächlicher Hinsicht (§ 265 StPO) handelt es sich regelmäßig nicht um eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit (vgl. zusammenfassend Stuckenberg in KMR § 265 StPO Rdn. 57, 61 ff. m.w.N.). Für den hier in Rede stehenden, ebenfalls Tatsachen betreffenden Hinweis kann nichts anderes gelten (vgl. Rieß NStZ 1987, 134, 135 ; Schimansky MDR 1986, 283; im Ergebnis ebenso Pelchen JR 1986, 166, 167). Auch wenn die Aufnahme eines solchen Hinweises in das - zur Dokumentation von Verfahrensgeschehen eher als das Urteil geeignete - Hauptverhandlungsprotokoll dennoch zweckmäßig ist (vgl. Schimansky aaO 284), ist dieses also nicht das einzig zulässige Beweismittel. Angesichts der Urteilsgründe ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht zweifelhaft, dass der Hinweis hier erteilt wurde.
12
b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass im Urteil weder dem Grunde noch der Höhe nach festgestellte Schäden strafschärfend berücksichtigt wurden. Allein daraus, dass dem Angeklagten nicht nur in den Fällen, in denen Schäden festgestellt sind, ebenfalls gemäß § 154a Abs. 2 StPO behandelte Schäden zur Last lagen, folgt dies nicht. Erhärtet wird dies dadurch, dass die ausdrücklich am jeweiligen Beutewert orientierten Einzelstrafen trotz einer gegenüber sonstigen Taten nicht wertvolleren Beute in den Fällen etwas höher sind, in denen zusätzlich noch Schäden ausdrücklich festgestellt und strafschärfend bewertet sind. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 33/00
vom
29. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Februar 2000 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Memmingen vom 9. September 1999, soweit es ihn betrifft,
mit den Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO). In diesem
Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung
, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines gemeinschaftlich mit dem früheren Mitangeklagten K. begangenen schweren Raubes zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. K. wurde zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; die Strafkammer hat einen Beweisantrag nicht rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. 1. Im wesentlichen aufgrund der Angaben von K. ist folgendes festgestellt :
a) K. hat am 24. Februar 1999 ein Ehepaar unter Einsatz einer (ungeladenen ) Gaspistole und eines Messers "mit einer Gesamtlänge von 28 Zentimeter , Klingenlänge 17 Zentimeter, einseitig geschliffen und spitz zulaufend" in dessen Wohnung überfallen. Er erbeutete 3.300 DM, seine Erwartung, aus
dem Tresor einen größeren Geldbetrag erbeuten zu können - er rechnete mit 250.000 DM, tatsächlich befanden sich dort 170.000 DM - erfüllte sich letztlich nicht, da er sich in einer "Rangelei" mit dem Ehemann nicht durchsetzen konnte und daher floh.
b) Die Idee zur Tat stammte vom Angeklagten, der den zögerlichen K. nach wiederholtem Zureden und nachdem K. sc hon mehrere vergebliche Anläufe unternommen hatte, erst am Tattag zur endgültigen Tatbegehung veranlaßte. An der unmittelbaren Tatausführung war er nicht beteiligt, da er dem Geschädigten persönlich bekannt war. Er hat jedoch am Tattag K. das Messer und die Pistole gegeben und ihn mit seinem Pkw vor das Haus der Opfer gefahren. Es war vereinbart, daß er in einer nahgelegenen Seitenstraße auf K. warten sollte, um ihn - nach vorheriger Teilung der Beute - zum Flughafen zu bringen, von wo K. in die Türkei fliegen sollte. Tatsächlich hatte sich der Angeklagte aber bereits entfernt, als K. zum vereinbarten Treffpunkt kam. 2. Der Angeklagte hat eine Beteiligung an der Tat bestritten. Sein Bemühen , die Glaubhaftigkeit der Aussagen von K. zu erschüttern, ist gescheitert.
a) Eine Reihe von Alibizeugen sieht die Strafkammer als unglaubwürdig an.
b) Die vom Angeklagten in den Raum gestellte Möglichkeit, daß ein anderer Hintermann des K. gewesen sein könnte, hat die Strafkammer verneint. aa) Bei K. wurde ein vom Tattag stammender Busfahrschein mit einem Fahrtziel in der Nähe der Wohnung des Ko. gefunden. Ko. hatte durch ein Geschäft mit dem Geschädigten im Ergebnis hohe Verluste erlitten. Jedoch war Ko. ausweislich seines Passes am Tattag in Polen, K.
war am Morgen des Tattages zu einer in der Nähe von dessen Wohnung gelegenen Firma gefahren, wo er sich vergeblich um einen Arbeitsplatz bewarb. bb) K. hatte einen Teil der Beute dem D. überlassen. Diesen hatte er jedoch - offenbar zufällig - am Tag nach der Tat erstmals nach acht Jahren wieder getroffen.
c) Die Strafkammer hat auch die Möglichkeit verneint, daß nicht der Angeklagte K. die Pistole gegeben hat. In diesem Zusammenhang hat der Angeklagte geltend gemacht, daß K. sc hon früher im Besitz der Pistole war. Hierzu hat der Zeuge L. bekundet, K. habe ihm im Sommer 1998 eine Pistole zum Ausgleich von Schulden angeboten. Soweit er, L. , bei der Polizei angegeben habe, er habe diese Pistole auch von K. gezeigt bekommen, sei diese Angabe allerdings nicht richtig gewesen. Die Strafkammer hat aus dem Aussageverhalten L. s geschlossen, daß er insgesamt unglaubwürdig sei. 3. Der Angeklagte hat sich mit einem Beweisantrag auf das Zeugnis der Zeugen Ka. - Türsteher einer Diskothek - und B. berufen, daß diese das von K. bei der Tat verwendete Messer schon früher in dessen Besitz gesehen hätten. Ergänzend heißt es in dem Antrag, K. habe einen Raub zum Nachteil von B. begangen.
a) Diesen Antrag hat die Strafkammer abgelehnt, "weil auch nach näherer Erläuterung der Verteidigung die Beweistatsachen aufs geradewohl behauptet werden .... Soweit der Zeuge B. einen gegen ihn gerichteten Raub des Angeklagten K. bestätigen soll, wird dieser als wahr unterstellt".

b) Soweit dieser Beschluß auf nähere Erläuterungen der Verteidigung Bezug nimmt, ergibt die Niederschrift der Hauptverhandlung, daß der Verteidiger den Antrag vor dessen Bescheidung zweimal erläutert hat: aa) Der erste Vermerk sagt über den Inhalt der Erläuterungen nichts aus. bb) Ausweislich des zweiten Vermerks hat der Verteidiger erklärt, daß die genannten Zeugen "beim Angeklagten K. vor dem 24. Februar 1999 ein großes Messer gesehen haben sollen". 4. Gegen diesen Beschluß (vgl. oben 3a) wendet sich die Revision.
a) In tatsächlicher Hinsicht trägt sie vor, im Rahmen der Erläuterung des Beweisantrags habe sie folgendes geltend gemacht: aa) Der Zeuge Ka. habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Türsteher einer Diskothek bei K. ein "ca. 30 cm großes, 'Rambo-Messer' ... gesehen und ihn aufgefordert, dieses Messer abzugeben, sonst werde ihm der Zutritt zur Diskothek verweigert". bb) Bei dem Raub zum Nachteil von B. habe K. ein ca. 30 cm langes "Rambo-Messer" bei sich geführt.
b) Wie dargelegt, ergibt sich dies aus der Niederschrift der Hauptverhandlung so nicht. Soweit diese - nur im zweiten Vermerk - überhaupt inhaltliche Ausführungen enthält (vgl. oben 3b), stehen sie zu dem jetzigen Vorbringen nicht in Widerspruch, sondern präzisieren es. Die absolute Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) bezieht sich nicht auf die Begründung von Anträgen (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 273 Rdn. 10 m.w.Nachw.). Von der Mög-
lichkeit, eine Revisionsgegenerklärung abzugeben (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO; vgl. auch Nr. 162 Abs. 2 RiStBV), hat die Staatsanwaltschaft keinen Gebrauch gemacht. Auch der Generalbundesanwalt hat seinem Antrag vom 26. Januar 2000 das Revisionsvorbringen zugrundegelegt. Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Veranlassung, die Richtigkeit des Revisionsvorbringens zum Inhalt der Erläuterungen in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, obwohl sie von der Niederschrift der Hauptverhandlung nicht belegt wird. 5. Die Rüge hat Erfolg.
a) Ein auf die Vernehmung eines Zeugen gerichteter Beweisantrag verlangt sowohl die Behauptung einer konkreten Tatsache als auch die Behauptung , daß der Zeuge diese Tatsache aus eigener Wahrnehmung bekunden kann. Darüber hinaus muß erkennbar sein - hierauf hebt der Generalbundesanwalt ab -, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll. In Fällen, in denen sich dieser Zusammenhang nicht von selbst versteht, ist die "Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel" näher darzulegen (BGHSt 43, 321, 329 f. m.w.Nachw.).
b) Jedenfalls nach den dargelegten Erläuterungen war klargestellt, woher die Zeugen wissen sollten, daß K. schon bei vor der Tat liegenden mehreren Gelegenheiten im Besitz eines ca. 30 cm langen Messers war. Freilich heißt es in dem Beweisantrag auch, daß die Zeugen bekunden sollten, daß es sich bei dem von ihnen gesehenen Messer um das bei der Tat verwendete Messer gehandelt hat. Bei der Tat waren die Zeugen offensichtlich nicht anwesend , woher sie dies sonst wissen sollten, ist nicht erkennbar. Bei sinngerechtem Verständnis handelt es sich bei diesem Vorbringen jedoch nicht um die
Beweisbehauptung, sondern um das Beweisziel (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Nach dem Willen des Antragstellers sollte die Strafkammer im Falle des Gelingens des angebotenen Beweises aus der Feststellung, daß K. schon früher im Besitz eines Messers war, den Schluß ziehen, daß er entgegen seinen Angaben das bei der Tat verwendete Messer nicht erst am Tattag vom Angeklagten erhalten hatte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß das bei der Tat verwendete Messer - wie sich schon aus dessen genauer Beschreibung in den Urteilsgründen (vgl. oben 1a) ergibt und was im übrigen die Niederschrift der Hauptverhandlung bestätigt - dem Gericht vorlag. Eine Aussage der Zeugen, daß dieses Messer in seinem Aussehen dem Messer entspricht , das sie früher bei K. gesehen haben, erscheint daher möglich.
c) Letztlich war der Beweisantrag damit auf die Feststellung einer vielfach als "Hilfstatsache" bezeichneten Tatsache gerichtet, da sie die Bewertung eines anderen Beweisergebnisses (hier: Glaubwürdigkeit der Aussage K. s, er habe das Messer erst am Tattag vom Angeklagten erhalten) ermöglichen sollte (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 219 m.w. Nachw.), ohne daß sich selbst im Falle des Gelingens des Beweises hieraus zwingend eine für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerung ergeben müßte. Selbst wenn sich ergeben sollte, daß schon früher ein ähnliches Messer im Besitz von K. war, wäre die Strafkammer nicht gehindert gewesen, gleichwohl die Überzeugung zu gewinnen, daß er das bei der Tat verwendete Messer erst am Tattag vom Angeklagten erhalten hat.
d) Die Strafkammer hätte den Beweisantrag daher als bedeutungslos (§ 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative StPO) ablehnen können. Da die Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache aber nicht offenkundig ist, hätte sie in einem Ablehnungsbeschluß (§ 244 Abs. 6 StPO) konkret begrün-
den müssen, warum sie selbst im Fall des Gelingens des Beweises die erhoffte Schlußfolgerung nicht ziehen würde (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 15 m.w.Nachw.). All dies ist nicht geschehen.
e) Grundsätzlich kann das Revisionsgericht eine fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages nicht durch eine andere Begründung ersetzen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 86; Gollwitzer aaO Rdn. 364 jew. m.w.Nachw.). Es kann je nach den Umständen des Einzelfalles allenfalls ausschließen, daß das Urteil auf der fehlerhaften Begründung des Ablehnungsbeschlusses beruht (vgl. Gollwitzer aaO). Angesichts der gesamten Beweislage (vgl. oben 2) kann der Senat, dem eine eigene Beweiswürdigung versagt ist, hier aber nicht ausschließen, daß die Strafkammer insgesamt die Aussagen K. s in einer für den Angeklagten günstigeren Weise bewertet hätte , wenn sie zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß dessen Aussage hinsichtlich des Messers falsch ist. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Maul Granderath Wahl Boetticher Schluckebier

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 292/03
vom
23. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 29. Januar 2003 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


Der Angeklagte wurde wegen Vergewaltigung in vier Fällen, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine auf eine Verfahrensrüge und die zum Strafausspruch näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Folgendes ist festgestellt: Opfer sämtlicher Taten ist die Ehefrau des Angeklagten. Sie hat 1978 mit 14 Jahren den damals 18jährigen Angeklagten geheiratet. Sie war schon mit acht Jahren als Waise in die Familie des Angeklagten gekommen, die da-
mals in einem Dorf an der türkisch/syrischen Grenze lebte. Seit sie etwa neun Jahre alt war, übte der Angeklagte gegen ihren Willen häufig und in für sie schmerzhafter Weise Geschlechtsverkehr mit ihr aus. Weder die Eheschließung noch die 1992 erfolgte Übersiedlung in die Bundesrepublik änderten etwas ; sexuelle Handlungen machten ihm "mehr Spaß, wenn er dabei Gewalt ausüben mußte". Die ehelichen Beziehungen waren nicht nur dementsprechend von sexueller Gewalt, sondern darüber hinaus auch von sonstigen gewalttätigen Mißhandlungen - z.B. Schlägen, auch mit gefährlichen Werkzeugen oder Tritten - und schwerwiegenden Bedrohungen, z.B. sie umzubringen, gekennzeichnet. Auch seine Kinder wurden häufig von ihm mißhandelt. Die ganze Familie "lebte in einem Klima ständiger Angst und Einschüchterung". Zuletzt flüchtete die Ehefrau in eine andere Stadt, wo ihr der Angeklagte auf offener Straße mit einem Messer zahlreiche, vielfach tiefe, Schnittverletzungen zufügte , im Gesicht in der Nähe der Augen ebenso wie am übrigen Körper.

II.

Zur Verfahrensrüge: 1. Auf dieser Grundlage erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen einiger besonders markanter Vorfälle und stellte im übrigen das Verfahren hinsichtlich sämtlicher weiterer Delikte - hauptsächlich Sexualdelikte und Mißhandlungen zum Nachteil der Ehefrau, aber auch wegen Vergewaltigung einer Tochter, sowie wegen Verletzungen und Mißhandlungen der (offenbar fünf) Kinder - ein. Gestützt ist dies hinsichtlich solcher Taten, die vor bestimmten, näher dargelegten Zeitpunkten liegen, auf Verjährung, im übrigen auf § 154 Abs. 1 StPO.
2. Die Revision macht geltend, die Strafkammer hätte, ohne auf diese Möglichkeit zuvor hinzuweisen, die gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellten Taten bei der Beweiswürdigung und bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt. Sie konkretisiert dies damit, daß die Strafkammer von einem Klima der Angst und Einschüchterung in der Familie ausgegangen sei (vgl. oben I). Außerdem habe sie eine Bestätigung der Glaubwürdigkeit der Aussage der Ehefrau unter anderem auch darin gesehen, daß ein Sohn deren in diesem Punkt nicht zum Gegenstand der Anklage gewordenen Schilderung bestätigt habe, der Angeklagte habe einmal versucht, sie mit kochendem Wasser zu begießen. 3. Die Rüge bleibt erfolglos:
a) Hinsichtlich des Vorfalls mit dem kochenden Wasser ist schon entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt, wann er stattgefunden hat oder haben soll. Wie dargelegt (II 1), sind nämlich weite Teile des innerfamiliären Geschehens wegen Verjährung nicht verfolgt worden. Eine Notwendigkeit, auf die Verwertbarkeit prozeßordnungsgemäß festgestellten, wegen Verjährung aber nicht verfolgbaren Geschehens hinzuweisen, besteht nicht: Soweit ein Hinweis zur Verwertung von gemäß §§ 154, 154a StPO eingestellten Geschehens erforderlich ist, beruht dies darauf, daß anderenfalls das Verhalten der Justiz widersprüchlich und daher mißverständlich erscheinen kann (vgl. zusammenfassend Beulke in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 154 Rdn. 56 ff., 61 m.w.N.). Einerseits wird der insoweit bestehende weite Beurteilungsspielraum (vgl. hierzu Schoreit in KK 5. Aufl. § 154 Rdn. 19, 25 m.N.) dahin genutzt, bestimmte Vorgänge oder rechtliche Gesichtspunkte nicht abzuurteilen , obwohl dies an sich möglich wäre, andererseits werden diese Ge-
sichtspunkte oder Vorgänge in anderem Zusammenhang dann aber doch berücksichtigt. Demgegenüber folgt zwingend aus dem Gesetz, daß eine Bestrafung wegen verjährten Geschehens nicht möglich ist; ein Beurteilungsspielraum besteht insoweit nicht. Anders als bei einem Vergehen gemäß §§ 154, 154a StPO kann eine Einstellung wegen Verjährung nicht Grundlage eines nur durch einen Hinweis zu beseitigenden Mißverständnisses sein, verjährte Taten blieben in jeder Hinsicht unberücksichtigt (im Ergebnis ebenso Eisenberg, Beweisrecht der StPO 4. Aufl. Rdn. 412 f., 416).
b) Ob ein Klima von Angst und Einschüchterung nur auf der Grundlage der Feststellung von konkreten Straftaten bejaht werden kann - und hier bejaht worden ist - ist schon im Ansatz zweifelhaft. Der Senat braucht dem aber nicht näher nachzugehen. Schon allein die abgeurteilten, sich über mehrere Jahre hinziehenden rohen und zum Teil vor Zeugen begangenen Taten (z.B. schlug der Angeklagte einmal seine Frau mit einer Mineralwasserflasche zu Boden, einmal schlug und trat er auf dem Balkon so lange auf sie ein, bis Nachbarn mit der Polizei drohten) tragen ohne weiteres die Annahme eines Klimas von Angst und Einschüchterung.
c) Von alledem abgesehen war hier der von der Revision vermißte Hinweis aber auch sonst nicht geboten. Ein Hinweis auf die Verwertbarkeit von Feststellungen der in Rede stehenden Art ist entbehrlich, wenn die Gefahr eines Mißverständnisses (II 3a) - ein "Vertrauenstatbestand" - nicht besteht. Ein Vertrauen kann nur verletzt sein, wo es zuvor geschaffen wurde, wo also der Angeklagte in eine Lage versetzt wurde, die sein Verteidigungsverhalten beeinflußt hat und bei verständiger Einschätzung der Verfahrenslage auch beeinflussen konnte (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 154 Abs. 1 Hinweispflicht 1, StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 2, 3, 4 m. zahlr. N.). Es lassen sich insoweit
keine starren Regeln aufstellen, maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Verfahrens (vgl. BGHR StPO § 154 Abs. 1 Hinweispflicht 1). (1) Eine rein isolierte Betrachtung der einzelnen Geschehnisse würde offensichtlich weder den Taten noch dem Angeklagten gerecht. Dem entspricht im übrigen auch, daß auch die Revision - in ihren Ausführungen zum Strafausspruch - die nach ihrer Auffassung gebotene Bewertung des Eheverlaufs ("kein jahrelanges Martyrium") und der Situation des Angeklagten innerhalb der Familie ("Machtstellung als Familienoberhaupt sichern") im einzelnen darlegt. Jedenfalls wäre ein Vertrauen darauf, daß das Gericht mit einer isolierten Bewertung einen erkennbar unzulänglichen Maßstab anlegt, selbst dann, wenn es bestanden haben sollte, nicht geschützt. (2) Hinzu kommt, daß sowohl die Ehefrau als auch fünf Kinder als Zeugen zu den innerfamiliären Verhältnissen und Geschehnissen - auch über die angeklagten Taten hinaus - angehört wurden, wie auch die Revision ausführt. Schon durch diesen Umfang der Beweisaufnahme war daher für jeden Verfahrensbeteiligten offenkundig, daß die in Rede stehenden Gesichtspunkte von erheblichem Gewicht gerade auch für die Bewertung des Tatgeschehens selbst waren. (Auch) deshalb kann keine Rede davon sein, die Strafkammer habe einen entgegenstehenden Vertrauenstatbestand geschaffen (BGH aaO). (3) Hinzu kommt das Verteidigungsverhalten des Angeklagten: Der Verteidiger hat eine in den Urteilsgründen wiedergegebene schriftliche Erklärung abgegeben, die in der Hauptverhandlung verlesen wurde und die der Angeklagte "ausdrücklich als eigene Erklärung genehmigt hat". Sie befaßt sich näher mit der Messerattacke auf der Straße (vgl. I) und führt im übrigen eher pauschal aus, der Angeklagte habe "auch wegen Kleinigkeiten oft viel zu heftig
reagiert" und es sei "eine sehr unzufriedene Situation in der ganzen Familie" gewesen. Weitere Angaben hat der Angeklagte nicht gemacht. Mit dem Vorbringen der Revision, wenn erkennbar gewesen sei, daß das Gericht von einem Klima der Angst und Einschüchterung ausgehen könnte, wären zahlreiche (nicht näher genannte) Zeugen für das Gegenteil benannt worden, wird unter diesen Umständen nicht aufgezeigt, daß "bei verständiger Einschätzung" (BGH aaO) im Hinblick auf die Nichtverfolgung einzelner Taten das Verteidigungsverhalten beeinflußt gewesen sein könnte. Auch das Vorbringen der Revision, im Falle des von ihr vermißten Hinweises wäre eine Zustimmung zur Verlesung (nicht näher dargelegter) ärztlicher Atteste nicht erteilt worden, sondern es wäre auf dem Erscheinen der Ärzte bestanden worden, vermag die Möglichkeit einer erfolgversprechenden anderweitigen Verteidigung ebenfalls nicht zu verdeutlichen. Die genannte Erklärung des Angeklagten ist überwiegend pauschal gehalten. Ein Bestreiten der Vorwürfe - mit Ausnahme des dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwurfs eines versuchten Tötungsverbrechens bei der Messerattacke - und insbesondere die Behauptung, die Ehefrau (oder die Kinder) hätten in irgendeinem Punkt die Unwahrheit gesagt, kann ihr aber nicht einmal ansatzweise entnommen werden. Auch deshalb ist nicht erkennbar, daß der Angeklagte darauf vertraut und sein Verteidigungsverhalten darauf eingerichtet haben könnte, daß das Gericht bei der Bewertung der Aussage speziell den Vorgang mit dem kochenden Wasser (oder irgendein anderes strafbares, aber nicht abgeurteiltes Geschehen ) außer Betracht läßt.

d) Ob die Urteilsgründe, wie die Revision meint, überhaupt ergeben, daß die in Rede stehenden Gesichtspunkte auch bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt wurden - ausdrücklich ist dies jedenfalls nicht der Fall - kann offen bleiben, da dies aus den genannten Gründen ebenfalls rechtlich unbedenklich wäre.
e) Die Revision, die ausdrücklich rügt, daß hinsichtlich der gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellten Vorgänge kein Hinweis erteilt worden sei, schildert auch, daß hinsichtlich weiterer Sexualdelikte und Mißhandlungen der Ehefrau der Verfahrensstoff in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO und § 154a Abs. 2 StPO beschränkt wurde. Sie führt aus, daß auch in solchen Fällen ein - hier unterbliebener - Hinweis Voraussetzung für eine Verwertbarkeit sei, im Vergleich mit dem von ihr vermißten Hinweis sei er "aber nicht so wichtig". Ob damit auch im Zusammenhang mit den Vorgängen in der Hauptverhandlung eine Verfahrensrüge erhoben sein soll, erscheint fraglich, mag aber dahinstehen, da auch sie aus den bereits genannten Gründen erfolglos bliebe.

III.

Zur Sachrüge: 1. Der Schuldspruch ist ohne den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler. 2. Hinsichtlich des Strafausspruchs nimmt der Senat auf die durch die Revisionserwiderung (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräfteten Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug und bemerkt ergänzend: Die Strafkammer war aus Rechtsgründen nicht gehalten, die - im übrigen nicht näher mit Tatsachen belegte - Auffassung des zur Schuldfähigkeit des
Angeklagten gehörten Sachverständigen, im "Herkunftsmilieu des Angeklagten (gebe es eine) weit verbreitete Geringschätzung gegenüber weiblichen Personen" als erörterungsbedürftigen Strafmilderungsgrund anzusehen (vgl. BGH, Beschluß vom 22. Dezember 1998 - 3 StR 587/98; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 43a; in vergleichbarem Sinne ders. aaO § 211 Rdn. 14 jew. m.w.N.). Für den Gesichtspunkt, daß der Angeklagte gewaltsam seine "Machtstellung als Familienoberhaupt" aufrecht erhalten wollte, gilt nichts anderes (vgl. Tröndle/Fischer aaO m.w.N.). Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 404/09
vom
27. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 27. Oktober 2009 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 3. Juni 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte und wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
Die Strafkammer hat die Verhängung einer Jugendstrafe sowohl wegen schädlicher Neigungen des Angeklagten als auch wegen der Schwere der Schuld für erforderlich gehalten (§ 17 Abs. 2 JGG). Zur Begründung hat es jeweils u. a. darauf abgestellt, dass der Angeklagte bereits einmal für einen Ver- stoß gegen die Rechtsordnung mit jugendrechtlichen Maßnahmen belegt worden sei bzw. bereits die Folgen eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung zu spüren bekommen habe.
3
Diese Erwägung wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach war der Angeklagte zwar vor der Verurteilung in dem hiesigen Verfahren von dem Amtsgericht S. wegen des Diebstahls von 200 € aus der Klassenkasse verwarnt und mit einer Wiedergutmachungspflicht belegt worden. Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen jedoch nicht erkennen, wann diese Tat begangen wurde und ob die Verurteilung durch das Amtsgericht vor den hier verfahrensgegenständlichen Taten, die im Jahre 2007 begangen wurden, lag. Das mitgeteilte Aktenzeichen der amtsgerichtlichen Entscheidung ( Ds - 17/08) spricht dafür, dass die dortige Sache erst nach den hier abgeurteilten Taten beim Amtsgericht anhängig wurde.
4
Mit Blick auf die näheren Umstände des vorliegenden Falles - insbesondere die Intensität der Übergriffe auf die im Tatzeitraum erst fünf Jahre alte Geschädigte - ist zwar auszuschließen, dass die Annahme der Schwere der Schuld des Angeklagten durch das Landgericht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Jedoch hat sich dieses nicht ausschließbar auch bei der konkreten Bemessung der Jugendstrafe von der nicht belegten Erwägung leiten lassen , der Angeklagte habe schon vor den hiesigen Delikten zumindest eine andere Straftat begangen und sei bereits vor Erlass des hier angefochtenen Urteils jugendrechtlich sanktioniert worden. So hat es u. a. bei der Erörterung des Erziehungsbedarfs des Angeklagten ausgeführt, die Gesamtentwicklung lasse eine deutliche Steigerung von dessen Bereitschaft erkennen, auch "schwerste" Straftaten zu begehen.
5
Der Senat vermag entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift nicht dahin zu erkennen, dass die verhängte, nicht unerhebliche Jugendstrafe trotz des Rechtsfehlers angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO ist. Diese Vorschrift gilt zwar grundsätzlich auch bei der Prüfung der Angemessenheit einer Jugendstrafe (vgl. BGH NStZ 2006, 587 f.); allerdings ist insoweit aufgrund der Besonderheiten bei der Zumessung einer jugendrechtlichen Sanktion eine gewisse Zurückhaltung des Revisionsgerichts geboten (so zu Recht Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 26 g). Insbesondere mit Blick auf die weitere Entwicklung des zur Tatzeit 16 bzw. 17 Jahre alten Angeklagten und vor dem Hintergrund der in den Urteilsgründen mitgeteilten , plausibel begründeten Ausführungen des Sachverständigen, mit weiteren Sexualstraftaten des Angeklagten sei nicht zu rechnen, muss die Bestimmung der angemessenen Rechtsfolgen hier einem neuen Tatgericht vorbehalten bleiben.
Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 75/06
vom
22. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. März 2006 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 14. Oktober 2005
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Mordes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Vollstreckungsreihenfolge aufgehoben , soweit der Vorwegvollzug von zwei Jahren Jugendstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre der Jugendstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts zur Änderung des Schuldspruchs und des Maßregelausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen würgte der Angeklagte in einem dunklen Wiesengelände aufgrund eines aggressiven Affekts, nicht aus sexuellen Motiven, C. G. in Tötungsabsicht fünf bis sechs Minuten bis zur Bewusstlosigkeit. Da C. G. noch am Leben war, schleifte er sie zu einem nahe gelegenen Bach. Nunmehr spürte er sexuelles Verlangen. Er zog die besinnungslose C. G. teilweise aus und masturbierte bei gleichzeitigem Berühren von deren Scheide und After. Anschließend tötete er sein Opfer endgültig , indem er es so an den Bach legte, dass der Kopf sich unter Wasser befand.
4
Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfüllt. Dieser Tatbestand setzt voraus, dass das Opfer unter dem Eindruck seines schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 345/05). Im vorliegenden Fall war jedoch das bewusstlose Opfer nicht mehr in der Lage, seinen entgegenstehenden Willen dem des Täters unterzuordnen, weil es sich über das Vorgehen des Täters überhaupt keine Vorstellung mehr machen konnte. Die Tathandlung erfüllt daher lediglich den Straftatbestand des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der als Auffangtatbestand eingreift, wenn eine Beugung eines entgegenstehenden Willens des Opfers nicht vorliegt (BGH aaO).
5
Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es gleichwohl nicht, weil die wegen des im Mittelpunkt stehenden Mordes verhängte Jugendstrafe im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO angemessen erscheint.
6
2. Auch die vom Landgericht gemäß § 67 Abs. 2 StGB bestimmte Vollstreckungsreihenfolge hat keinen Bestand. Die gegebene Begründung vermag eine Abweichung von der Regel des § 67 Abs. 1 StGB, wonach zunächst die Maßregel zu vollstrecken ist, nicht zu rechtfertigen.
7
a) Richtschnur für die Frage des Vorwegvollzuges der Strafe ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB soll - auch bei hohen Freiheitsstrafen - möglichst umgehend mit der Behandlung des kranken oder süchtigen Rechtsbrechers begonnen werden , weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer muss es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig von seinem Hang zu befreien, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugszieles arbeiten kann. Eine Abweichung von der Regelabfolge des Vollzuges bedarf eingehender Begründung. Steht zu besorgen, dass der an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg wieder zunichte machen könnte , so müssen dafür überzeugende Gründe vorliegen (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 1 StR 481/00 - m.w.N.).
8
b) Diesen Anforderungen wird die vom Landgericht bestimmte Ausnahme nicht gerecht. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu zutreffend ausgeführt:
9
"Die Erwägung, dem Angeklagten müsse im Interesse des möglichen Therapieerfolges zunächst ein Bewusstsein vom Ausmaß seiner schweren Schuld mit Hilfe der vorherigen teilweisen Verbüßung der Jugendstrafe vermit- telt werden, da er durch sein Verhalten und seine Äußerungen in der Hauptverhandlung bis zuletzt gezeigt habe, er erwarte Nachsicht und Verständnis für seine Tat, lässt besorgen, dass die Jugendkammer davon ausging, der Angeklagte neige dazu, seine Taten zu bagatellisieren. Diese Erwägung lässt nicht nachvollziehen, inwiefern eine Konfrontation mit den Folgen seines strafbaren Handelns eher im Strafvollzug als bei der Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus erreicht werden kann oder die Strafhaft als Vorstufe der Behandlung für deren Zwecke therapeutisch erforderlich sein könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 26. April 2001 - 1 StR 109/01).
10
Das weitere Argument der Strafkammer durch den - wenigstens teilweisen - Vollzug der Jugendstrafe müsse der Therapiewille des Angeklagten gefestigt und sein Motivationsdruck erhöht werden, reicht für ein Abweichen von der Grundentscheidung des Gesetzgebers ebenfalls nicht aus, da keine konkreten Umstände im Einzelfall dargetan sind, die dies nahe legen (vgl. BGHR § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 10) und die hierzu durch die Anhörung des Sachverständigen gewonnenen Erkenntnisse ebenso wenig mitgeteilt werden (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 12)."
11
Zudem hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Therapiebereitschaft auch beim Vollzug der Maßregel gefördert werden kann (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 14), da es zu den wesentlichen Aufgaben des Maßregelvollzugs gehört, den Verurteilten zur Einsicht in die Notwendigkeit seiner Behandlung zu bringen. Das Landgericht hätte im Übrigen auch bedenken müssen, dass die vorhandene Therapiebereitschaft, die der Angeklagte in der Hauptverhandlung auch durch seinen Verteidiger erklären lassen konnte, während des Strafvollzugs wieder zerstört werden könnte (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 10; Vorwegvollzug, teilweiser

12).


12
c) Der Senat hält es nach alledem - auch nach nunmehr einjähriger Untersuchungshaft - für ausgeschlossen, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen für die Vorwegvollstreckung (eines Teils) der Strafe noch ergeben könnten. Er sieht deshalb von einer Zurückverweisung der Sache ab und lässt stattdessen die Anordnung des Vorwegvollzugs entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO). Wahl Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 595/06
vom
20. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2006 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 6. Juli 2006 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn
Monaten hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Generalbundesanwalt und ihm folgend auch der Beschwerdeführer
haben mit Recht beanstandet, dass das Landgericht bei dem 27
Jahre alten Angeklagten Eintragungen aus dem Erziehungsregister
in der angefochtenen Entscheidung angeführt hat und im Rahmen
der Strafzumessung eine Entscheidung des Amtsgerichts München
vom 30. Juli 1998 wie folgt gewürdigt hat:
"Der Angeklagte ist ein Mal einschlägig vorbestraft und hat dadurch
gezeigt, dass er sich die Untersuchungshaft im damaligen Verfahren
nicht hat zur Warnung dienen lassen. Allerdings wurde die Vorverurteilung
nicht allzu schwer gewertet, da sie bereits einige Jahre zurück
liegt und nicht zu gravierend war."
Die vorbezeichnete Entscheidung betraf unerlaubtes gemeinschaftliches
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, wobei gegen den Angeklagten
vier Wochen Jugendarrest ausgesprochen wurde und eine
richterliche Weisung erging.
Gemäß § 63 Abs. 1 BZRG waren die beiden in der angefochtenen
Entscheidung aufgeführten Eintragungen im Erziehungsregister zu
entfernen, sobald der Betroffene das 24. Lebensjahr vollendet hatte.
Eine Entfernung hatte auch nicht gemäß § 63 Abs. 2 BZRG zu unterbleiben
, da zu diesem Zeitpunkt keine Eintragung im Bundeszentralregister
vorhanden war.
Damit war hinsichtlich der angeführten Eintragung ein Verwertungsverbot
gegeben, welches den Tatrichter nicht nur an der Berücksichtigung
der Vorverurteilung als solcher, sondern auch an der strafschärfenden
Erwägung hinderte, dass der Angeklagte sich die Untersuchungshaft
im damaligen Verfahren nicht habe zur Warnung
dienen lassen.
Der Verstoß gegen das Verwertungsverbot erfordert jedoch nicht die
Aufhebung des Strafausspruchs, da die Verhängung einer Freiheitsstrafe
von sieben Jahren und zehn Monaten trotz des Strafzumessungsfehlers
angemessen ist (vgl. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Nach
§ 354 Abs. 1a StPO soll von einer Aufhebung des Urteils auch dann
abgesehen werden, wenn das Revisionsgericht die verhängte Strafe
trotz des Rechtsfehlers bei ihrer Zumessung im Ergebnis für angemessen
hält, selbst wenn nicht festgestellt werden kann, dass der
Tatrichter ohne den Fehler auf dieselbe Strafe erkannt hätte (BGH
NJW 2005, 913, 914; NStZ 2006, 587; Maier/Paul NStZ 2006, 82 f.
m.w.N.). Ob die Beurteilung der Angemessenheit allein aufgrund der
Urteilsgründe möglich ist oder ob es etwa in besonderem Maße auf
den persönlichen Eindruck vom Angeklagten ankommt und deshalb
die Aufhebung des Strafausspruchs und die Zurückverweisung der
Sache geboten ist, ist eine Frage des Einzelfalls (BGH NJW 2005,
1813, 1814).
Das Landgericht hat vorliegend die für die Strafzumessung relevanten
Umstände festgestellt. Im Rahmen der Strafzumessung hat das
Landgericht zu Recht herausgestellt, dass es sich bei Heroin um eine
sehr gefährliche Droge handelt und die vom Angeklagten beschaffte
Menge von 2.819 Gramm ausgesprochen groß ist, welche zudem einen
recht hohen Wirkstoffgehalt zwischen 33 % und 36,3 % aufwies,
sodass es sich um insgesamt 976,6 Gramm Heroinhydrochlorid handelte.
Zudem verwirklichte der Angeklagte neben dem Tatbestand
des unerlaubten Handeltreibens tateinheitlich auch den Straftatbestand
der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln.
Zu Gunsten des Angeklagten hat die Kammer im Rahmen der Strafzumessung
hervorgehoben, dass er geständig war und zudem selbst
Drogen konsumierte. Auch wurde berücksichtigt, dass die ganze
Menge des Heroins sichergestellt werden konnte.
Bei einer Gesamtwürdigung sind das Handeltreiben mit einer Menge
von knapp drei Kilogramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von
33 % sowie die Anstiftung des anderweit strafverfolgten K. zur
unerlaubten Einfuhr als ausgesprochen schwerwiegend einzustufen.
Auch bei der rechtlich gebotenen Nichtberücksichtigung der Eintragungen
im Erziehungsregister stellt sich eine Freiheitsstrafe von sieben
Jahren und zehn Monaten als tat- und schuldangemessen dar.
Nack Boetticher Hebenstreit
Elf Graf

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.