Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2006 - 1 StR 306/06

bei uns veröffentlicht am29.08.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 306/06
vom
29. August 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2006 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts
Amberg vom 24. März 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gem. § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Verurteilten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
Dem Urteil des Landgerichts liegt Folgendes zugrunde:
3
1. Der 51-jährige Verurteilte ist durch 14 Strafurteile, davon zwölf ausgesprochen durch Gerichte der ehemaligen DDR, überwiegend wegen Eigentums , Körperverletzungs- und Sexualdelikten vorgeahndet. Er befindet sich seit dem Jahr 1974 fast durchgehend in Straf- und Untersuchungshaft, unterbrochen durch nur kurze Zeiträume zwischen Haftentlassung und der Inhaftierung wegen erneuter Straftaten.
4
Einer Verurteilung durch das Kreisgericht Glauchau vom 4. April 1978 lag unter anderem zugrunde, dass der zweieinhalb Monate zuvor aus dem Strafvollzug entlassene Verurteilte sich Zugang zur Wohnung einer ihm unbekannten Frau verschaffte und diese bis zur Bewusstlosigkeit würgte. In einem weiteren, durch das Kreisgericht Glauchau am 7. Juni 1985 abgeurteilten Fall bedrohte der Verurteilte zwei Monate nach seiner letzten Haftentlassung die Angestellte eines Elektrogeschäftes mit einem Messer. Im Januar 1990, fünf Monate nach seiner letzten Entlassung aus Strafhaft, zwang der Verurteilte in seiner Wohnung eine Versicherungsvertreterin mit einem Messer, sich zu entkleiden und sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. Er wurde wegen dieser Tat am 2. Juli 1990 vom Landgericht Amberg wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
5
2. Der Anlassverurteilung für das Verfahren zur nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung lag folgendes Geschehen zugrunde: Am 7. April 1993 - fünf Monate nach seiner letzten Entlassung aus Strafhaft - begab sich der Verurteilte in das Büro seiner Rechtsanwältin in S. und traf dort allein eine Kanzleiangestellte an. Der Verurteilte bedrohte die Angestellte mit einem mitgeführten Messer, fesselte sie mit Handschellen und führte den ungeschützten Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss mit ihr aus. Hiernach drückte er der am Boden liegenden Frau den Hals zu, bis sie das Bewusstsein verlor. Das Landgericht Amberg verhängte gegen den Verurteilten deshalb am 12. April 1994 wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: zehn und drei Jahre).
6
In dem Verfahren ließ das Landgericht den Verurteilten zur Frage seiner Schuldfähigkeit durch eine psychiatrische Sachverständige begutachten. Die Sachverständige sah keine Hinweise auf eine Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Verurteilten. Nach den Ausführungen in einem psychologischen Zusatzgutachten handelt es sich bei dem Verurteilten allerdings um eine dissoziale, haltschwache Persönlichkeit, die keine soziale Bindungsfähigkeit aufweise und Affekte nur mangelhaft steuern könne. Die Sachverständige kam weiterhin zu dem Ergebnis, "dass die der Straftat zugrundeliegende Entwicklung (…) und die sich daraus ableitenden Probleme in der Lebensbewältigung auch nach einer Haftstrafe weiter bestehen werden (…). Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit gleichen Straftaten auch nach verbüßter Haftstrafe zu rechnen, insbesondere auch sexuellen Straftaten, falls keine entsprechenden psychotherapeutischen bzw. soziotherapeutischen Maßnahmen erfolgen."
7
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hatte die Staatsanwaltschaft nicht beantragt. Die Urteilsgründe verhalten sich zu dieser Frage nicht. Grund hierfür ist - wie das Landgericht nunmehr feststellt -, dass die gegen den Verurteilten in der ehemaligen DDR verhängten Vorstrafen, die bei Anwendung von § 66 Abs. 1 StGB aF heranzuziehen gewesen wären, seitens der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts als ungerechtfertigt hoch eingeschätzt wurden.
8
3. Der Verurteilte verbüßte die verhängte Freiheitsstrafe vollständig. Er bemühte sich erfolglos um die Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt mit einer sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualtäter, um sich einer entsprechenden Therapie zu unterziehen. Seine Gesuche an verschiedene Justizvollzugsanstalten wurden zunächst mit der Begründung abgelehnt, dass eine Sozialtherapie wegen der langen Strafzeit verfrüht, später damit, dass es für sie wegen des nahen Strafendes zu spät sei. Während des laufenden Strafvollzuges nahm der Verurteilte an Gruppentherapien für Sexualstraftäter teil; zu einer hinreichenden Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit und seinen Delikten kam es dabei nach Einschätzung der behandelnden Psychologen allerdings nicht. Im Vollzugsalltag ist der Verurteilte wegen Disziplinarverstößen in insgesamt neun Fäl- len geahndet worden. Wegen aggressiven Verhaltens ist er während des gesamten Strafvollzuges nicht aufgefallen.
9
4. Das Landgericht geht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB aus. Es hat zwei psychiatrische Gutachten eingeholt, die beide zu dem Ergebnis kommen, dass bei dem Verurteilten eine Minderbegabung in Verbindung mit einer verfestigten dissozialen Persönlichkeitsstörung vorliege und von ihm unverändert weitere Straftaten zu erwarten seien. Umstände seit der Anlassverurteilung, die zu einer weiteren Verschlechterung der Prognose oder dazu geführt hätten, dass die Gefährlichkeit des Verurteilten in einem neuen Licht erschiene, vermochten die Sachverständigen nicht zu erkennen.
10
Als "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB hat das Landgericht gewertet , - dass der Verurteilte während des Strafvollzuges 1,3 Gramm Haschisch an einen anderen Strafgefangenen übergeben hat; - dass er seine Verlobte nur darüber informiert hat, dass er wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, er sie über seine sonstige kriminelle Vergangenheit, insbesondere die gegen Frauen gerichteten früheren Gewalttaten dagegen nicht aufgeklärt hat; - dass es während des Strafvollzuges zu einvernehmlichen homosexuellen Kontakten zu einem Mithäftling gekommen ist; das Landgericht schließt hieraus, dass die Beziehungsfähigkeit des Verurteilten zu Frauen über sein bekanntes Persönlichkeitsbild hinaus gestört sei.

II.

11
Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die formellen Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB zwar zu Recht bejaht. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung kann jedoch keinen Bestand haben, weil den vom Landgericht herangezogenen Umständen nicht die Qualität "neuer Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB zukommt.
12
1. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt betont hat, kommt der Vorschrift des § 66b StGB nur ein eng umgrenzter Anwendungsbereich zu (BGHSt 50, 121, 125; BGH NJW 2006, 1442, 1443 f. m.w.N.). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung besonderen Ausnahmefällen vorbehalten und auf wenige extrem gefährliche Verurteilte beschränkt bleiben (BTDrucks. 15/2887, S. 10, 12 f.). Auch von Verfassungs wegen ist die Verhängung der Maßregel in Anbetracht der Schwere des damit verbundenen Eingriffs äußerst restriktiv zu handhaben (BVerfGE 109, 190, 236, 242; BVerfG, Kammer, Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06). Hiernach bestimmen sich zugleich die Anforderungen, die an die von § 66b StGB vorausgesetzte Tatsachengrundlage zu stellen sind.
13
2. "Neue" Tatsachen der von § 66b Abs. 1 StGB umschriebenen Art sind zunächst nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind, und die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Umstände, die dem ersten Tatrichter bekannt waren oder die er hätte erkennen können und erforderlichenfalls aufklären müssen, scheiden als "neue" Tatsachen aus (BGHSt 50, 121, 125 f.; 180, 187; 275, 278; BGH NJW 2006, 1442, 1444; zuletzt BGH, Urteil vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06).
14
a) Danach reicht es nicht aus, wenn bereits im Ausgangsverfahren bekannte oder erkennbare Tatsachen im Verfahren nach § 66b StGB lediglich eine Neu- oder Umbewertung erfahren (BGHSt 50, 275, 279; BGH NStZ 2006, 276, 278; NJW 2006, 1442, 1445; BGH, Beschluss vom 24. März 2006 - 1 StR 27/06). Ebenso wenig können Tatsachen, die zwar nach der Anlassverurteilung auftreten, durch die sich ein im Ausgangsverfahren bekannter Zustand aber lediglich bestätigt, als "neu" im Sinne des § 66b StGB gelten (BGHSt 50, 275, 279; BGH, Urteil vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06). Dies gilt insbesondere für persönlichkeits- oder krankheitsbedingte Auffälligkeiten bei dem Verurteilten, die sich in seinem Verhalten nach der Anlassverurteilung lediglich fortsetzen. "Neu" und damit prognoserelevant im Rahmen von § 66b StGB wären derartige Tatsachen nur dann, wenn sie belegen, dass sich eine bekannte Störung des Verurteilten in nicht vorhersehbarer Weise vertieft oder verändert hat, und sie seine Gefährlichkeit daher in einem grundsätzlich anderen Licht erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Kammer, Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06).
15
Um einen solchen Fall nur fortgesetzter Auffälligkeiten auf Grundlage eines bekannten Störungsbildes handelt es sichhier. Dem früheren Tatrichter war bekannt, dass die Persönlichkeit des Verurteilten von ausgeprägten dissozialen Zügen gekennzeichnet war. Nach Einschätzung der im jetzigen Verfahren gehörten Sachverständigen, der sich das Landgericht angeschlossen hat, ist das Verhalten des Verurteilten im Vollzug nur Ausdruck dieser Persönlichkeitsdefizite. Danach steht die Beteiligung an einem Rauschgiftgeschäft innerhalb der Justizvollzugsanstalt mit der Dissozialität des Verurteilten im Einklang; auch die fehlende Offenheit gegenüber seiner Verlobten und die homosexuellen Kontakte im Vollzug belegen allenfalls eine mangelnde Beziehungsfähigkeit des Verurteilten als typisches Symptom seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung.
16
Dass der bereits im Ursprungsverfahren bekannte Zustand des Verurteilten und sein darauf beruhendes Gefährlichkeitspotential aufgrund seines Vollzugsverhaltens grundsätzlich neu einzuschätzen ist, hat das Landgericht nicht dargetan. Eine solche Bewertung stünde auch im Widerspruch zu der Einschät- zung der Sachverständigen, wonach das Verhalten des Verurteilten zu keiner weiteren Verschlechterung der Prognose geführt oder seine Gefährlichkeit auch nur entscheidend neu belegt hätte.
17
b) Das Landgericht bewertet unter Berufung auf eine in der Literatur vertretene Auffassung (Veh NStZ 2005, 310) die angeführten Tatsachen auch deshalb als "neu" im Sinne des § 66b StGB, weil sie für den ursprünglichen Tatrichter nicht "rechtlich erkennbar" gewesen seien; denn dieser sei in einen die Frage der Sicherungsverwahrung betreffenden Erkenntnisprozess überhaupt nicht eingetreten und habe für den Verurteilten daher auch keinen schützenswerten Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Senat vermag dem nicht zu folgen.
18
Ob Sicherungsverwahrung bei Aburteilung der Anlasstat bereits obligatorisch nach § 66 Abs. 1 StGB aF hätte verhängt werden müssen oder Anhaltspunkte bestanden, dass die Strafverurteilungen aus der ehemaligen DDR als unangemessen hart anzusehen waren und daher nicht hätten berücksichtigt werden können (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 10), kann auf sich beruhen. Jedenfalls lagen - wie auch das Landgericht nicht verkennt - bei der Anlassverurteilung die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gem. § 66 Abs. 2 StGB aF vor. Angesichts der Vorstrafen des Verurteilten und der Ausführungen der damaligen Sachverständigen hätte die Anordnung der Maßregel auch nahe gelegen.
19
Das Verfahren nach § 66b StGB dient jedoch nicht der Korrektur früherer Entscheidungen, in denen Tatsachen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 66 StGB unberücksichtigt geblieben sind (BGHSt 50, 121, 126; 180, 188). Dies gilt erst recht, wenn eine Prüfung der Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung im Ausgangsverfahren rechtsfehlerhaft gänzlich unterblieben ist. Selbst wenn ein Verurteilter sich unter solchen Umständen am Ende der Strafhaft unverändert als hochgefährlich erweist, scheidet eine Abhilfe mit dem Institut der nachträglichen Sicherungsverwahrung aus zwingenden rechtlichen Gründen aus.
20
3. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung setzt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weiterhin voraus, dass die nachträglich erkennbaren Tatsachen jenseits einer gewissen Erheblichkeitsschwelle liegen (vgl. BTDrucks. 15/2887, S. 10, 12). Ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung müssen sie bereits für sich Gewicht haben und auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten schließen lassen (BGHSt 50, 284, 296 f. m.w.N.). Vorfälle im Vollzug können die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung daher nur rechtfertigen, wenn sie auf eine Bereitschaft des Verurteilten hinweisen, schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit , die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer zu begehen. Verhaltensweisen , die sich auf die Vollzugssituation zurückführen lassen und sich für Strafgefangene als typisch oder doch weit verbreitet darstellen, fallen nicht darunter (BVerfG, Kammer, Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06; BGHSt 50, 284, 297; BGH NJW 1446, 1447 f.).
21
Auch dieser Anforderung werden die von dem Landgericht herangezogenen Umstände nicht gerecht. Sie sind nicht derart bedeutsam, dass ihnen eine tragfähige Indizwirkung für die Gefährlichkeit des Verurteilten zukommt. Die Weitergabe einer geringen Menge Haschisch stellt eine Straftat im unteren Bereich dar, aus der sich eine Gewaltbereitschaft des Verurteilten ebenso wenig ablesen lässt wie aus der vom Landgericht vermissten Offenlegung seines gesamten kriminellen Lebenslaufes gegenüber seiner Verlobten, zumal diese Kenntnis von den Anlasstaten hatte. Die einvernehmlichen homosexuellen Handlungen lassen für sich genommen gleichfalls keinen Rückschluss auf aggressive Tendenzen des Verurteilten zu. Auch in ihrer Zusammenschau gewinnen die einzelnen Umstände keine erhebliche Bedeutung. Das Vollzugsverhalten des Verurteilten fällt insgesamt nicht aus dem für Langzeitstrafgefangene typischen Rahmen, wie das Landgericht im Anschluss an die Ausführungen der Sachverständigen selbst feststellt.

III.

22
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Er vermag nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass sich in einer erneuten Hauptverhandlung Gesichtspunkte ergeben, die die Annahme hinreichender neuer Tatsachen im Sinne des § 66b StGB und eine darauf gestützte Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung rechtfertigen können.
23
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Richter wird alsbald darüber zu befinden haben, ob die Fortdauer der vorläufigen Unterbringung des Verurteilten aus dringenden Gründen weiterhin gerechtfertigt ist (§ 275a Abs. 5, § 126a Abs. 3 StPO). Sollte eine Aufhebung des Unterbringungsbefehles - auch im Falle der Ablehnung des staatsanwaltschaftlichen Antrages auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung - in Betracht kommen, werden organisatorische Maßnahmen angezeigt sein, die bei Entlassung des Verurteilten greifen und geeignet sind, das Rückfallrisiko zu mindern (vgl. näher BGH NJW 2006, 1442, 1445 f.). Im Einzelfall können solche Maßnahmen nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch als milderes Mittel an die Stelle der nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung treten (BVerfG, Kammer , Beschluss vom 23. August 2006 - 2 BvR 26/06). Neben der Entlassenenhilfe (§§ 74 f., 126 StVollzG) bietet sich insbesondere eine engmaschige Leitung des Verurteilten durch Ausschöpfung der Möglichkeiten der hier gem. § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht an (§§ 68 ff. StGB).
Hierdurch wird zu vermeiden sein, dass der noch immer als hochgefährlich eingeschätzte Verurteilte nach langjähriger Haft ohne Unterkunft, soziale Anbindung - das Verlöbnis ist zwischenzeitlich aufgelöst - und weitere therapeutische Unterstützung unvermittelt in Freiheit entlassen wird und sich dort selbst überlassen bleibt. Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit Elf

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Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

5 StR 125/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. August 2005 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die nachträgliche Anordnung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB) abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Der Verurteilte wurde mit Urteil des Jugendsenats des Bezirksgerichts Potsdam vom 27. Juni 1991 wegen Mordes in zwei Fällen (begangen am 28. August 1988 und am 26. Februar 1989) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Der Verurteilte hatte zwei Frauen jeweils nach vorhergehenden Vergewaltigungsversuchen getötet.
3
Die Strafhaft endete am 5. Januar 2005. Anschließend war der Verurteilte bis zum 23. August 2005 nach § 275a Abs. 5 StPO untergebracht.
4
Während des Strafvollzuges wurde der Verurteilte zweimal wegen Betäubungsmitteldelikten zu Freiheitsstrafen von drei und fünf Monaten verurteilt , weil er im September 1998 im Besitz von 20 Amphetamintabletten gewesen war und er zwei Jahre später Haschisch an Mitgefangene verkaufen wollte. In den ersten acht bis neun Jahren erwies sich der Verurteilte als besonders schwieriger Gefangener, gegen den zahlreiche Disziplinarverfahren wegen verschiedener Vorfälle (u. a. Besitz verbotener Gegenstände, Alkoholund Betäubungsmittelkonsum, Misshandlung eines Mitgefangenen, verbale Entgleisungen gegenüber männlichen Bediensteten der Vollzugsanstalt) durchgeführt werden mussten. Sexuelle Übergriffe während der Haftzeit wurden nicht bekannt. Seit 1995 besserte sich sein Verhalten, nachdem er dem Alkohol gänzlich entsagt hatte. Es kam nurmehr vereinzelt noch zu undisziplinierten Verhaltensweisen des Verurteilten, die sich jedoch in lautstarken Protesten und Forderungen erschöpften.
5
Die psychiatrischen Gutachten erbrachten unterschiedliche Ergebnisse. Während der Sachverständige W. meint, dass der Verurteilte infolge seiner antisozialen Fehlentwicklung und der damit einhergehenden sexuell devianten Entwicklung im Sinne eines sexuellen Sadismus weiterhin gefährlich sei, hält der Sachverständige L. die Prognose für unsicher und meint, dass ein Rückfall eher nicht zu erwarten sei. Die seit Inhaftierung des Verurteilten beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten korrespondierten mit den schon von der ebenfalls gehörten Sachverständigen Ho. bereits 1991 beschriebenen Persönlichkeitsauffälligkeiten, die aus psychiatrischer Sicht die Annahme einer Persönlichkeitsstörung zuließen, wobei er allerdings eher von Empathiedefiziten als vom Vorliegen eines sexuellen Sadismus ausgehe. Insgesamt hätten sich keine neuen psychologischen bzw. psychopathologischen Befund- oder Anknüpfungstatsachen ergeben, die zu einer Neubewertung der Gesamtproblematik oder zur Feststellung einer überhöhten Gefährlichkeit drängten.
6
Das Landgericht hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen und hat die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt , weil keine neuen Tatsachen erkennbar geworden seien, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten hinwiesen. Die gemäß § 66b Abs. 1 und 2 StGB gebotene Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergebe überdies nicht, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft erhebliche Straftaten begehen werde.

II.


7
Die Entscheidung des Landgerichts hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Wie die Bundesanwaltschaft in der Antragschrift vom 10. April 2006 zutreffend ausgeführt hat, ist die Auffassung der Strafkammer, dass die für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, frei von Rechtsfehlern.
8
Allerdings hinderte der Umstand, dass für die noch unter Geltung von DDR-Recht begangenen Anlasstaten zur Zeit ihrer Aburteilung keine Sicherungsverwahrung verhängt werden durfte, die Anwendung jedenfalls des § 66b Abs. 2 StGB nicht (vgl. BGH NJW 2006, 1442, 1443; 1446, 1447; NStZ 2006, 276, 277). Indes bedarf es auch in diesem Fall neuer Tatsachen, die nicht allein in der Änderung der Rechtslage gefunden werden können (vgl. BGHSt 50, 284, 296).
9
„Neue Tatsachen“ der in § 66b StGB genannten Art sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind (vgl. BGHSt 50, 180, 187; BGH NJW 2006, 1442, 1444). Ob diese Tatsachen bereits im Ausgangs- oder einem früheren Verfahren Grundlage einer sachverständigen Bewertung waren, ist ohne Belang (vgl. BGH NStZ 2006, 276, 278). Maßgeblich ist nicht die neue oder sogar erstmalige Bewertung von Tatsachen. Entscheidend ist vielmehr, ob die dieser Bewertung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen und bekannt oder erkennbar waren (vgl. BGHSt 50, 275, 278; BGH NJW 2006, 1442, 1444). Hiervon durfte das Landgericht ausgehen. Denn die Sachverhalte, die der Verurteilung vom 27. Juni 1991 zugrunde lagen, belegen ausreichend, dass die nunmehr festgestellten Persönlichkeitsdefizite des Verurteilten und sein Gefährlichkeitspotenzial bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung vorlagen und erkennbar waren.
10
Abweichend von der Auffassung der Beschwerdeführerin sieht die Strafkammer zutreffend auch in den Vorfällen während der Haftzeit überwiegend keine neuen Tatsachen gemäß § 66b Abs. 1 und 2 StGB (vgl. dazu BGHSt 50, 284, 297 f.; BGH NJW 2006, 1446, 1448; BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 – 4 StR 393/05). Der Verurteilte habe bereits vor seiner Inhaftierung im Übermaß dem Alkohol zugesprochen. Weder seine zahlreichen verbalen Ausfälle noch seine Angriffe gegen Sachen sowie die Verstöße gegen die Anstaltsordnung könnten als „neue Tatsachen“ herangezogen werden. Dieses Auftreten des Verurteilten habe seiner Erfahrung entsprochen, dass derjenige besonders viel gelte, der Regeln breche und sich lauthals widersetze oder lautstark Forderungen stelle. Damit folgt die Kammer auch insoweit dem Gutachten von L. , wonach die beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten den schon früher erkennbaren Persönlichkeitsdefiziten des Verurteilten entsprächen.
11
Ob der Umstand, dass der Verurteilte eine Therapie abgebrochen hat, als neue Tatsache bewertet werden kann, ist hier schon deshalb zweifelhaft, weil Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Verurteilte während der früheren Hauptverhandlung seine Therapiewilligkeit bekundet hat (vgl. BGHSt 50, 275, 280 f.; 284, 298). In diesem Zusammenhang weist die Strafkammer auch darauf hin, dass der Verurteilte zwei Therapieangebote angenommen hat, die aus Gründen, die er nicht zu vertreten hatte, beendet werden mussten. Dass er dann eine weitere Therapie abgelehnt habe, weil er keine Aus- sicht auf eine vorzeitige Entlassung gesehen habe, sei nachvollziehbar und wiege nicht so schwer, dass dem Abbruch die Bedeutung einer „neuen Tatsache“ im Sinne des § 66b StGB zugemessen werden könne. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
12
Als neue Tatsache bewertet das Landgericht allerdings, dass der Verurteilte sich zweimal nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht hat. Dass die Strafkammer diese Verfehlungen nicht als ausreichend erachtet hat, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, ist nicht zu beanstanden. Denn die neuen Tatsachen, die die Einleitung eines Verfahrens zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung rechtfertigen können, müssen im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips schon für sich und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände Gewicht haben im Hinblick auf mögliche erhebliche Beeinträchtigungen des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der sexuellen Selbstbestimmung anderer (vgl. BGHSt 50, 284, 297; NJW 2006, 1446, 1448). Dies trifft hier ersichtlich nicht zu. Bis auf einen Vorfall im Jahre 1993, der im Übrigen strafrechtlich nicht geahndet worden ist, sind keine weiteren körperlichen Übergriffe des Verurteilten auf Mitgefangene mehr festgestellt worden.
13
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft lässt das Urteil auch nicht die gebotene Gesamtwürdigung vermissen. Das Landgericht hat vielmehr mit sorgfältiger Begründung und unter angemessener Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten dargelegt, warum die für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderlichen Voraussetzungen bei dem Verurteilten nicht vorliegen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 27/06
vom
24. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2006 beschlossen:
Die Revision des Betroffenen gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19. September 2005 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung gem. § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Betroffenen mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
1. Der Betroffene war vom Landgericht Augsburg - Jugendkammer - am 6. November 1991 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten, sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch von Kindern, sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung, ferner wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden. Als höchste Einzelstrafe verhängte die Kammer für das tateinheitlich verwirklichte Verbrechen gem. § 177 StGB aF eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren. Hauptsächlicher Gegenstand des Urteils waren etwa 1.500 bis 2.000 massive sexuelle Übergriffe des Betroffenen auf seine Frau und seine am 28. Oktober 1974 geborene Tochter im Zeitraum zwischen Juni 1981 und November 1991. Der Betroffene hatte mit seiner Tochter gegen deren Willen bis zu fünf Mal täglich den Vaginal-, Oral- und Analverkehr ausgeübt und sie und ihre Mutter sowohl zu lesbischen Sexualpraktiken als auch zur Duldung sodomitischer Handlungen, die er von den Hunden der Familie an ihnen ausüben ließ, gezwungen. Daneben kam es zu Gewalttätigkeiten, indem der Betroffene seine Ehefrau und Tochter grundlos schlug, an ihrem Körper Zigaretten ausdrückte oder seine Tochter bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit würgte.
3
Die Jugendkammer hatte von der Unterbringung des - in der damaligen Hauptverhandlung geständigen - Betroffenen in der Sicherungsverwahrung Abstand genommen. Trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB sei zu berücksichtigen, dass keine Erfahrungen mit dem Betroffenen vorlägen, aus denen daraus geschlossen werden könne, dass er durch Haft nicht zu beeindrucken sei. Zudem sei zu erwarten, dass sich während der langjährigen Verbüßung der Haftstrafe neue Lebensbedingungen für die Tatopfer herausbilden würden und der Betroffene innere Distanz zu seiner Familie finden würde; gerade vor dem Hintergrund, dass der Betroffene im Wesentlichen im Familienbereich straffällig geworden sei, spreche dies gegen seine Gemeingefährlichkeit.
4
2. Nach den Feststellungen der nunmehr befassten Jugendkammer hat sich diese Prognose nicht bestätigt. Der Betroffene lebte in der Justizvollzugsanstalt zurückgezogen und einzelgängerisch. Er hatte zu niemandem Kontakt, weder zu Mitgefangenen noch zum Sozial-, psychologischen oder kirchlichen Dienst der Anstalt. Eine ihm angebotene Sexualtherapie lehnte er ab, weil sie bei ihm nicht nötig sei. Seit Beginn des Strafvollzuges leugnete er seine Straftaten und versuchte, zu seiner - von ihm mittlerweile geschiedenen - Ehefrau und seiner Tochter Briefkontakt herzustellen. Er war der Auffassung, dass seine Ehefrau und Tochter ihn lieben und vermissen, und er nach seiner Haftentlassung zu ihnen zurückkehren könne. Während des Strafvollzuges erkrankte der Betroffene an einer paranoid halluzinatorischen Schizophrenie. Aufgrund dieser psychiatrischen Erkrankung war er nicht für eine sozialtherapeutische Behandlung geeignet und wurde deshalb nicht in diese Abteilung verlegt. Es bestehen keine Sozialkontakte mehr, der Betroffene hat weder Wohnung noch Arbeitsstelle in Aussicht. Seine geschiedene Ehefrau und seine Tochter meiden den Kontakt mit dem Betroffenen, weil sie noch immer große Angst vor ihm haben und mit ihm nichts mehr zu tun haben möchten.
5
3. Das Landgericht hat die Voraussetzungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung bejaht (§ 66b Abs. 2 StGB). Als neue Tatsache im Sinne der Vorschrift hat es die im Jahr 1995 während der Verbüßung der Haft bei dem Betroffenen aufgetretene Psychose gewertet. Gestützt auf die Gutachten der angehörten Sachverständigen hat es insoweit festgestellt, dass sich bei dem Betroffenen ein systematischer Wahn mit hoher Aggressivität bei fehlender Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation entwickelt habe. Im Hinblick auf seine Familie und die zu ihren Lasten begangenen Straftaten bestehe ein vollständiger Wahrnehmungsverlust. Der Betroffene halte sich für unschuldig und sehe sich als Opfer eines Justizkomplottes. Er sei krankheitsbedingt der Überzeugung , dass auch seine Frau und Tochter an seine Unschuld glauben und allein die Justiz für den Abbruch des Kontaktes zu ihnen verantwortlich sei. Bei der von ihm beabsichtigten Rückkehr zu seiner Familie werde es ihm darum gehen, die aus seiner Sicht seit 15 Jahren gegen ihn gerichtete Verschwörung zu beseitigen und seine Familie dem vermeintlichen Einfluss und Druck staatlicher Stellen zu entziehen.
6
In seiner Gesamtwürdigung kommt das Landgericht sachverständig beraten zu der Einschätzung, dass der Betroffene ein hohes Gewaltpotential aufweise , das mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Durchbruch kommen werde, wenn der Betroffene in Freiheit feststelle, dass die durch sein Wahnsystem aufgebauten Erwartungen sich nicht erfüllen; es werde dann zu Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Ehefrau, seiner Tochter und eines jeden Dritten kommen, der seinen wahnhaften Vorstellungen entgegentrete.
7
4. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
8
a) Das Landgericht hat die Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB zu Recht bejaht. Der Betroffene ist durch das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. November 1991 wegen Vergewaltigung, d.h. wegen eines mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren sanktionierten Verbrechens gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt worden.
9
b) Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung setzt weiterhin voraus, dass nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (BGH NJW 2005, 3078, 3080; NStZ 2005, 561, 562; NStZ 2006, 155 f.). Demgegenüber scheiden Umstände, die dem ersten Tatrichter bekannt waren oder die er hätte erkennen und erforderlichenfalls aufklären müssen, als "neue" Tatsachen aus. Das Verfahren nach § 66b StGB dient nicht der Korrektur früherer Entscheidungen, in denen derartige Tatsachen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 66 StGB unberücksichtigt geblieben sind.
10
Nach diesen Kriterien ist das Landgericht rechtsfehlerfrei vom Vorliegen "neuer" Tatsachen im Sinne des § 66b StGB ausgegangen.
11
aa) Im Einzelfall können auch psychiatrische Befundtatsachen "neue" Tatsachen im Sinne des § 66b StGB darstellen (BGH NStZ 2006, 155; BGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 2 StR 4/06). Voraussetzung hierfür ist allerdings , dass die zugrunde liegenden (Anknüpfungs-)Tatsachen nicht bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung vorlagen und für den früheren Tatrichter erkennbar gewesen sind. Nicht ausreichend für eine Anwendung von § 66b StGB wäre auch eine bloße Umbewertung bereits im Ausgangsverfahren erkannter und gewürdigter Tatsachen; eine bloße Änderung der psychiatrischen Diagnose kann nicht als "neue" Tatsache gelten, wenn sie nicht auf einer neuen tatsächlichen Grundlage (Anknüpfungstatsachen) beruht (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05).
12
bb) Zwar hatten bereits die vom früheren Tatrichter angehörten Sachverständigen bei dem Betroffenen psychische Auffälligkeiten diagnostiziert, die sie als Persönlichkeitsstörung mit Gamma-Alkoholismus und Sexualdeviation eingestuft hatten. Die Feststellungen des Landgerichtes zur Entwicklung des Betroffenen im Strafvollzug belegen jedoch hinreichend, dass die nunmehrige Diagnose einer paranoiden Schizophrenie sich auf Anknüpfungstatsachen - halluzinatorische Wahrnehmungen des Betroffenen, wahnhafte Äußerungen, Verwirrtheitszustände - gründet, die im Zeitpunkt der Anlassverurteilung noch nicht aufgetreten waren. Zu dieser Symptomatik zählt auch, dass der Betroffene seine Taten nunmehr leugnet und in sein wahnhaftes Gedankengebäude einer Justizverschwörung einbezogen hat. Es ist daher nicht zu besorgen, dass die Diagnose der vom Landgericht gehörten Sachverständigen lediglich eine Umbewertung von bereits bei der Anlassverurteilung erkennbaren Tatsachen darstellt. Hieran ändert nichts, dass der Sachverständige nunmehr zu der Einschätzung gelangt, dass in den Jahren vor der Inhaftierung möglicherweise bereits ein Prodromal-Stadium der in der Haft aufgetretenen paranoiden Schizophrenie vorgelegen hat. Auch diese Bewertung des Sachverständigen ist ersichtlich getragen von der im Vergleich zum Verurteilungszeitpunkt geänderten tatsächlichen Beurteilungsgrundlage; dadurch ist nicht in Frage gestellt, dass die Krankheit erst im Zeitraum des Strafvollzuges zum Ausbruch gelangt ist.
13
c) Als weitere Voraussetzung für die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung müssen die nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten und in einem prognoserelevanten symptomatischen Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen (BGH NStZ 2006, 155, 156; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05). In Anbetracht der Schwere des den Betroffenen treffenden Eingriffs, der nach dem Willen des Gesetzgebers restriktiv, auf wenige Einzelfälle beschränkt gehandhabt werden soll (BTDrucks. 15/2887, Seite 10, 12 f.; BVerfGE 109, 190, 236, 242), müssen "neue Tatsachen" schon für sich Gewicht haben und auf eine erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung anderer durch den Betroffenen hindeuten (BGH NJW 2006, 531, 535). Im Falle einer psychischen Erkrankung des Betroffenen ist zu verlangen, dass diese sich während der Strafhaft nach außen manifestiert hat (Senat, Urteil vom 23. März 2006 - 1 StR 476/05).
14
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils bestehen hieran keine Zweifel. Der Ausbruch der Psychose stellt hier deshalb eine "neue" Tat- sache dar, weil sich das vom Betroffenen aufgrund seiner vom Landgericht festgestellten negativen Entwicklung im Strafvollzug ausgehende Risiko noch erhöht hat. Der Betroffene lebt aufgrund eines paranoiden Wahnsystems selbst unter Medikation in seiner eigenen Welt. Aufgrund der Psychose hängt er verstärkt seiner Verschwörungstheorie an und glaubt, seine geschiedene Frau und Tochter ständen unter staatlichem Einfluss und Druck; in Wahrheit liebten sie ihn noch und warteten nach seiner Entlassung darauf, dass er zu ihnen zurückkehre. Bei dem krankheitsuneinsichtigen Betroffenen würde es im Falle seiner Entlassung zu einem Absetzen der Medikamente und damit zu einem Rezidiv des paranoiden Syndroms kommen. Er würde wieder Kontakt mit beiden aufnehmen , bei einer Konfrontation mit den früheren Erlebnissen affektiv entgleisen und fremdaggressiv reagieren. Zu erwarten ist insbesondere, dass der Betroffene seine wahnhaften Vorstellungen mit gewalttätigen Mitteln durchsetzen wird und hiervon nicht nur seine Familie, sondern auch Dritte, insbesondere staatliche Organe betroffen sein werden, die der Betroffene für seine Inhaftierung verantwortlich macht. Die Krankheit des Betroffenen ist auch durch sein Verhalten, insbesondere seine Äußerungen im Vollzug, den Inhalt von an seine Tatopfer gerichteten Briefen und den Verlauf eines Besuches seiner Tochter in der Justizvollzugsanstalt hinreichend nach außen getreten.
15
d) Das Landgericht hat diese Gesichtspunkte auch in eine umfangreiche Gesamtwürdigung einbezogen und ist unter Berücksichtigung der Person des Betroffenen, insbesondere seiner bereits ungeachtet der psychischen Erkrankung bestehenden Persönlichkeitsstörung, der Anlasstaten sowie ergänzend seiner Entwicklung im Strafvollzug zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene in Freiheit mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten im Sinne des § 66b Abs. 2 StGB begehen wird. Auch dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
16
5. Der Senat weist darauf hin, dass es sich angesichts des Krankheitsbildes des Betroffenen für die nach Vollzugsbeginn zuständige Strafvollstreckungskammer empfehlen wird, die nachträgliche Überweisung in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 67a Abs. 2 StGB zu prüfen (zur fehlenden gesetzlichen Grundlage einer zugleich mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung "uno actu" vorgenommenen Überweisung vgl. Senat, Urteil vom 23. März 2006, - 1 StR 476/05).

II.


17
Das Landgericht hat die Tochter des Betroffenen, die bereits im Erkenntnisverfahren als Nebenklägerin zugelassen war, erneut als Nebenklägerin zugelassen und die ihr entstandenen notwendigen Auslagen gem. § 472 Abs. 1 StPO dem Betroffenen auferlegt. Vor der für das Revisionsverfahren veranlassten Kostenentscheidung hatte der Senat von Amts wegen die Berechtigung zum Anschluss der Nebenklage zu überprüfen (vgl. BGHSt 47, 202; Franke in KK 5. Aufl. § 473 Rdn. 9). Dies führt zu dem Ergebnis, dass dem Betroffenen die durch sein erfolgloses Rechtsmittel der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen nicht aufzuerlegen sind, da die Nebenklage im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht zulässig ist (so bereits OLG Brandenburg NStZ 2006, 183).
18
Nach der gesetzlichen Regelung des § 395 Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Nebenklage bei erhobener öffentlicher Klage oder einem Antrag im Sicherungsverfahren statthaft. Die ausdrückliche Zulassung der Nebenklage im Sicherungsverfahren geht dabei auf das im Anschluss an die Senatsentscheidung vom 18. Dezember 2001 (BGHSt 47, 202), in welcher in Abkehr von der bishe- rigen Rechtsprechung die Nebenklagefähigkeit des Sicherungsverfahrens anerkannt wurde, ergangene Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl. I Seite 1354) zurück; sie bezieht sich demnach allein auf das in §§ 413 ff. StPO geregelte Verfahren zur selbständigen Anordnung von Maßnahmen der Besserung und Sicherung. Die für das Verfahren der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1838) eingeführten Vorschriften der § 66b StGB, § 275a StPO, § 74f GVG enthalten demgegenüber keinen Verweis auf die Vorschriften über die Zulassung der Nebenklage. Gegen eine planwidrige, im Wege der Analogie zu schließende Gesetzeslücke spricht bereits die kurze Abfolge der Gesetzgebungsverfahren (vgl. OLG Brandenburg aaO); zudem ergeben sich aus der amtlichen Begründung des Gesetzes über die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (BTDrucks. 15/2887) keine Hinweise, dass den Opfern der im Ausgangsverfahren abgeurteilten Straftaten gesonderte Beteiligungsbefugnisse eingeräumt werden sollten. Das Tatopfer hatte im Übrigen bereits im Ausgangsverfahren Gelegenheit, durch Erhebung der Nebenklage wegen der zu seinem Nachteil begangenen Taten seine persönlichen Interessen wahrzunehmen , wie dies auch hier der Fall war. Wahl Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

5 StR 125/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. August 2005 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die nachträgliche Anordnung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB) abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Der Verurteilte wurde mit Urteil des Jugendsenats des Bezirksgerichts Potsdam vom 27. Juni 1991 wegen Mordes in zwei Fällen (begangen am 28. August 1988 und am 26. Februar 1989) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Der Verurteilte hatte zwei Frauen jeweils nach vorhergehenden Vergewaltigungsversuchen getötet.
3
Die Strafhaft endete am 5. Januar 2005. Anschließend war der Verurteilte bis zum 23. August 2005 nach § 275a Abs. 5 StPO untergebracht.
4
Während des Strafvollzuges wurde der Verurteilte zweimal wegen Betäubungsmitteldelikten zu Freiheitsstrafen von drei und fünf Monaten verurteilt , weil er im September 1998 im Besitz von 20 Amphetamintabletten gewesen war und er zwei Jahre später Haschisch an Mitgefangene verkaufen wollte. In den ersten acht bis neun Jahren erwies sich der Verurteilte als besonders schwieriger Gefangener, gegen den zahlreiche Disziplinarverfahren wegen verschiedener Vorfälle (u. a. Besitz verbotener Gegenstände, Alkoholund Betäubungsmittelkonsum, Misshandlung eines Mitgefangenen, verbale Entgleisungen gegenüber männlichen Bediensteten der Vollzugsanstalt) durchgeführt werden mussten. Sexuelle Übergriffe während der Haftzeit wurden nicht bekannt. Seit 1995 besserte sich sein Verhalten, nachdem er dem Alkohol gänzlich entsagt hatte. Es kam nurmehr vereinzelt noch zu undisziplinierten Verhaltensweisen des Verurteilten, die sich jedoch in lautstarken Protesten und Forderungen erschöpften.
5
Die psychiatrischen Gutachten erbrachten unterschiedliche Ergebnisse. Während der Sachverständige W. meint, dass der Verurteilte infolge seiner antisozialen Fehlentwicklung und der damit einhergehenden sexuell devianten Entwicklung im Sinne eines sexuellen Sadismus weiterhin gefährlich sei, hält der Sachverständige L. die Prognose für unsicher und meint, dass ein Rückfall eher nicht zu erwarten sei. Die seit Inhaftierung des Verurteilten beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten korrespondierten mit den schon von der ebenfalls gehörten Sachverständigen Ho. bereits 1991 beschriebenen Persönlichkeitsauffälligkeiten, die aus psychiatrischer Sicht die Annahme einer Persönlichkeitsstörung zuließen, wobei er allerdings eher von Empathiedefiziten als vom Vorliegen eines sexuellen Sadismus ausgehe. Insgesamt hätten sich keine neuen psychologischen bzw. psychopathologischen Befund- oder Anknüpfungstatsachen ergeben, die zu einer Neubewertung der Gesamtproblematik oder zur Feststellung einer überhöhten Gefährlichkeit drängten.
6
Das Landgericht hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen und hat die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt , weil keine neuen Tatsachen erkennbar geworden seien, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten hinwiesen. Die gemäß § 66b Abs. 1 und 2 StGB gebotene Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergebe überdies nicht, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft erhebliche Straftaten begehen werde.

II.


7
Die Entscheidung des Landgerichts hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Wie die Bundesanwaltschaft in der Antragschrift vom 10. April 2006 zutreffend ausgeführt hat, ist die Auffassung der Strafkammer, dass die für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, frei von Rechtsfehlern.
8
Allerdings hinderte der Umstand, dass für die noch unter Geltung von DDR-Recht begangenen Anlasstaten zur Zeit ihrer Aburteilung keine Sicherungsverwahrung verhängt werden durfte, die Anwendung jedenfalls des § 66b Abs. 2 StGB nicht (vgl. BGH NJW 2006, 1442, 1443; 1446, 1447; NStZ 2006, 276, 277). Indes bedarf es auch in diesem Fall neuer Tatsachen, die nicht allein in der Änderung der Rechtslage gefunden werden können (vgl. BGHSt 50, 284, 296).
9
„Neue Tatsachen“ der in § 66b StGB genannten Art sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind (vgl. BGHSt 50, 180, 187; BGH NJW 2006, 1442, 1444). Ob diese Tatsachen bereits im Ausgangs- oder einem früheren Verfahren Grundlage einer sachverständigen Bewertung waren, ist ohne Belang (vgl. BGH NStZ 2006, 276, 278). Maßgeblich ist nicht die neue oder sogar erstmalige Bewertung von Tatsachen. Entscheidend ist vielmehr, ob die dieser Bewertung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen und bekannt oder erkennbar waren (vgl. BGHSt 50, 275, 278; BGH NJW 2006, 1442, 1444). Hiervon durfte das Landgericht ausgehen. Denn die Sachverhalte, die der Verurteilung vom 27. Juni 1991 zugrunde lagen, belegen ausreichend, dass die nunmehr festgestellten Persönlichkeitsdefizite des Verurteilten und sein Gefährlichkeitspotenzial bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung vorlagen und erkennbar waren.
10
Abweichend von der Auffassung der Beschwerdeführerin sieht die Strafkammer zutreffend auch in den Vorfällen während der Haftzeit überwiegend keine neuen Tatsachen gemäß § 66b Abs. 1 und 2 StGB (vgl. dazu BGHSt 50, 284, 297 f.; BGH NJW 2006, 1446, 1448; BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 – 4 StR 393/05). Der Verurteilte habe bereits vor seiner Inhaftierung im Übermaß dem Alkohol zugesprochen. Weder seine zahlreichen verbalen Ausfälle noch seine Angriffe gegen Sachen sowie die Verstöße gegen die Anstaltsordnung könnten als „neue Tatsachen“ herangezogen werden. Dieses Auftreten des Verurteilten habe seiner Erfahrung entsprochen, dass derjenige besonders viel gelte, der Regeln breche und sich lauthals widersetze oder lautstark Forderungen stelle. Damit folgt die Kammer auch insoweit dem Gutachten von L. , wonach die beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten den schon früher erkennbaren Persönlichkeitsdefiziten des Verurteilten entsprächen.
11
Ob der Umstand, dass der Verurteilte eine Therapie abgebrochen hat, als neue Tatsache bewertet werden kann, ist hier schon deshalb zweifelhaft, weil Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Verurteilte während der früheren Hauptverhandlung seine Therapiewilligkeit bekundet hat (vgl. BGHSt 50, 275, 280 f.; 284, 298). In diesem Zusammenhang weist die Strafkammer auch darauf hin, dass der Verurteilte zwei Therapieangebote angenommen hat, die aus Gründen, die er nicht zu vertreten hatte, beendet werden mussten. Dass er dann eine weitere Therapie abgelehnt habe, weil er keine Aus- sicht auf eine vorzeitige Entlassung gesehen habe, sei nachvollziehbar und wiege nicht so schwer, dass dem Abbruch die Bedeutung einer „neuen Tatsache“ im Sinne des § 66b StGB zugemessen werden könne. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
12
Als neue Tatsache bewertet das Landgericht allerdings, dass der Verurteilte sich zweimal nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht hat. Dass die Strafkammer diese Verfehlungen nicht als ausreichend erachtet hat, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, ist nicht zu beanstanden. Denn die neuen Tatsachen, die die Einleitung eines Verfahrens zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung rechtfertigen können, müssen im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips schon für sich und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände Gewicht haben im Hinblick auf mögliche erhebliche Beeinträchtigungen des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der sexuellen Selbstbestimmung anderer (vgl. BGHSt 50, 284, 297; NJW 2006, 1446, 1448). Dies trifft hier ersichtlich nicht zu. Bis auf einen Vorfall im Jahre 1993, der im Übrigen strafrechtlich nicht geahndet worden ist, sind keine weiteren körperlichen Übergriffe des Verurteilten auf Mitgefangene mehr festgestellt worden.
13
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft lässt das Urteil auch nicht die gebotene Gesamtwürdigung vermissen. Das Landgericht hat vielmehr mit sorgfältiger Begründung und unter angemessener Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten dargelegt, warum die für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderlichen Voraussetzungen bei dem Verurteilten nicht vorliegen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig vollstreckt worden, tritt mit der Entlassung der verurteilten Person aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Dies gilt nicht, wenn im Anschluss an die Strafverbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.

(2) Ist zu erwarten, dass die verurteilte Person auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, ordnet das Gericht an, dass die Maßregel entfällt.