Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 125/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. August 2005 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die nachträgliche Anordnung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB) abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Der Verurteilte wurde mit Urteil des Jugendsenats des Bezirksgerichts Potsdam vom 27. Juni 1991 wegen Mordes in zwei Fällen (begangen am 28. August 1988 und am 26. Februar 1989) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Der Verurteilte hatte zwei Frauen jeweils nach vorhergehenden Vergewaltigungsversuchen getötet.
3
Die Strafhaft endete am 5. Januar 2005. Anschließend war der Verurteilte bis zum 23. August 2005 nach § 275a Abs. 5 StPO untergebracht.
4
Während des Strafvollzuges wurde der Verurteilte zweimal wegen Betäubungsmitteldelikten zu Freiheitsstrafen von drei und fünf Monaten verurteilt , weil er im September 1998 im Besitz von 20 Amphetamintabletten gewesen war und er zwei Jahre später Haschisch an Mitgefangene verkaufen wollte. In den ersten acht bis neun Jahren erwies sich der Verurteilte als besonders schwieriger Gefangener, gegen den zahlreiche Disziplinarverfahren wegen verschiedener Vorfälle (u. a. Besitz verbotener Gegenstände, Alkoholund Betäubungsmittelkonsum, Misshandlung eines Mitgefangenen, verbale Entgleisungen gegenüber männlichen Bediensteten der Vollzugsanstalt) durchgeführt werden mussten. Sexuelle Übergriffe während der Haftzeit wurden nicht bekannt. Seit 1995 besserte sich sein Verhalten, nachdem er dem Alkohol gänzlich entsagt hatte. Es kam nurmehr vereinzelt noch zu undisziplinierten Verhaltensweisen des Verurteilten, die sich jedoch in lautstarken Protesten und Forderungen erschöpften.
5
Die psychiatrischen Gutachten erbrachten unterschiedliche Ergebnisse. Während der Sachverständige W. meint, dass der Verurteilte infolge seiner antisozialen Fehlentwicklung und der damit einhergehenden sexuell devianten Entwicklung im Sinne eines sexuellen Sadismus weiterhin gefährlich sei, hält der Sachverständige L. die Prognose für unsicher und meint, dass ein Rückfall eher nicht zu erwarten sei. Die seit Inhaftierung des Verurteilten beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten korrespondierten mit den schon von der ebenfalls gehörten Sachverständigen Ho. bereits 1991 beschriebenen Persönlichkeitsauffälligkeiten, die aus psychiatrischer Sicht die Annahme einer Persönlichkeitsstörung zuließen, wobei er allerdings eher von Empathiedefiziten als vom Vorliegen eines sexuellen Sadismus ausgehe. Insgesamt hätten sich keine neuen psychologischen bzw. psychopathologischen Befund- oder Anknüpfungstatsachen ergeben, die zu einer Neubewertung der Gesamtproblematik oder zur Feststellung einer überhöhten Gefährlichkeit drängten.
6
Das Landgericht hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen und hat die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt , weil keine neuen Tatsachen erkennbar geworden seien, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten hinwiesen. Die gemäß § 66b Abs. 1 und 2 StGB gebotene Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergebe überdies nicht, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft erhebliche Straftaten begehen werde.

II.


7
Die Entscheidung des Landgerichts hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Wie die Bundesanwaltschaft in der Antragschrift vom 10. April 2006 zutreffend ausgeführt hat, ist die Auffassung der Strafkammer, dass die für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, frei von Rechtsfehlern.
8
Allerdings hinderte der Umstand, dass für die noch unter Geltung von DDR-Recht begangenen Anlasstaten zur Zeit ihrer Aburteilung keine Sicherungsverwahrung verhängt werden durfte, die Anwendung jedenfalls des § 66b Abs. 2 StGB nicht (vgl. BGH NJW 2006, 1442, 1443; 1446, 1447; NStZ 2006, 276, 277). Indes bedarf es auch in diesem Fall neuer Tatsachen, die nicht allein in der Änderung der Rechtslage gefunden werden können (vgl. BGHSt 50, 284, 296).
9
„Neue Tatsachen“ der in § 66b StGB genannten Art sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind (vgl. BGHSt 50, 180, 187; BGH NJW 2006, 1442, 1444). Ob diese Tatsachen bereits im Ausgangs- oder einem früheren Verfahren Grundlage einer sachverständigen Bewertung waren, ist ohne Belang (vgl. BGH NStZ 2006, 276, 278). Maßgeblich ist nicht die neue oder sogar erstmalige Bewertung von Tatsachen. Entscheidend ist vielmehr, ob die dieser Bewertung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen und bekannt oder erkennbar waren (vgl. BGHSt 50, 275, 278; BGH NJW 2006, 1442, 1444). Hiervon durfte das Landgericht ausgehen. Denn die Sachverhalte, die der Verurteilung vom 27. Juni 1991 zugrunde lagen, belegen ausreichend, dass die nunmehr festgestellten Persönlichkeitsdefizite des Verurteilten und sein Gefährlichkeitspotenzial bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung vorlagen und erkennbar waren.
10
Abweichend von der Auffassung der Beschwerdeführerin sieht die Strafkammer zutreffend auch in den Vorfällen während der Haftzeit überwiegend keine neuen Tatsachen gemäß § 66b Abs. 1 und 2 StGB (vgl. dazu BGHSt 50, 284, 297 f.; BGH NJW 2006, 1446, 1448; BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 – 4 StR 393/05). Der Verurteilte habe bereits vor seiner Inhaftierung im Übermaß dem Alkohol zugesprochen. Weder seine zahlreichen verbalen Ausfälle noch seine Angriffe gegen Sachen sowie die Verstöße gegen die Anstaltsordnung könnten als „neue Tatsachen“ herangezogen werden. Dieses Auftreten des Verurteilten habe seiner Erfahrung entsprochen, dass derjenige besonders viel gelte, der Regeln breche und sich lauthals widersetze oder lautstark Forderungen stelle. Damit folgt die Kammer auch insoweit dem Gutachten von L. , wonach die beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten den schon früher erkennbaren Persönlichkeitsdefiziten des Verurteilten entsprächen.
11
Ob der Umstand, dass der Verurteilte eine Therapie abgebrochen hat, als neue Tatsache bewertet werden kann, ist hier schon deshalb zweifelhaft, weil Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Verurteilte während der früheren Hauptverhandlung seine Therapiewilligkeit bekundet hat (vgl. BGHSt 50, 275, 280 f.; 284, 298). In diesem Zusammenhang weist die Strafkammer auch darauf hin, dass der Verurteilte zwei Therapieangebote angenommen hat, die aus Gründen, die er nicht zu vertreten hatte, beendet werden mussten. Dass er dann eine weitere Therapie abgelehnt habe, weil er keine Aus- sicht auf eine vorzeitige Entlassung gesehen habe, sei nachvollziehbar und wiege nicht so schwer, dass dem Abbruch die Bedeutung einer „neuen Tatsache“ im Sinne des § 66b StGB zugemessen werden könne. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
12
Als neue Tatsache bewertet das Landgericht allerdings, dass der Verurteilte sich zweimal nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht hat. Dass die Strafkammer diese Verfehlungen nicht als ausreichend erachtet hat, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, ist nicht zu beanstanden. Denn die neuen Tatsachen, die die Einleitung eines Verfahrens zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung rechtfertigen können, müssen im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips schon für sich und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände Gewicht haben im Hinblick auf mögliche erhebliche Beeinträchtigungen des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der sexuellen Selbstbestimmung anderer (vgl. BGHSt 50, 284, 297; NJW 2006, 1446, 1448). Dies trifft hier ersichtlich nicht zu. Bis auf einen Vorfall im Jahre 1993, der im Übrigen strafrechtlich nicht geahndet worden ist, sind keine weiteren körperlichen Übergriffe des Verurteilten auf Mitgefangene mehr festgestellt worden.
13
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft lässt das Urteil auch nicht die gebotene Gesamtwürdigung vermissen. Das Landgericht hat vielmehr mit sorgfältiger Begründung und unter angemessener Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten dargelegt, warum die für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderlichen Voraussetzungen bei dem Verurteilten nicht vorliegen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06 zitiert 3 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidu

Strafprozeßordnung - StPO | § 275a Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl


(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Jan. 2006 - 4 StR 393/05

bei uns veröffentlicht am 19.01.2006

BUNDESGERICHTSHOF URTEIL 4 StR 393/05 vom 19. Januar 2006 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar 2006, an der
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06.

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2006 - 1 StR 306/06

bei uns veröffentlicht am 29.08.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 306/06 vom 29. August 2006 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2006 beschlossen : 1. Auf

Referenzen

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

URTEIL
4 StR 393/05
vom
19. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 6. April 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 1 StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Der Verurteilte wurde am 15. Februar 2001 vom Landgericht Hagen wegen Vergewaltigung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Aus beiden Einzelstrafen bildete das Landgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Nach den Feststellungen jenes Urteils traf der Verurteilte an einem Abend im April 2000 die Geschädigte Michaela K. in einer Gaststätte und ging mit ihr, um gemeinsam einen "Joint" zu rauchen, nach draußen, wo es auch zum Austausch von Zärtlichkeiten kam. Als sie sich in einer nahegelegenen Unterführung zum Urinieren hinhockte, fühlte sich der deutlich alkoholisierte Verurteilte durch das distanzlose Verhalten der Frau „animiert“. Er zwang sie daraufhin unter Ausnutzung ihrer schutzlosen Lage , u.a. den Oralverkehr des Verurteilten an ihr zu dulden und an ihm auszuführen. In dem weiteren Fall lernte der Verurteilte am Tatabend im Mai 2000 die Geschädigte Angelika F. auf dem Bahnhofsvorplatz in Hagen kennen, von wo aus sie die Wohnung eines Bekannten aufsuchten. Dort und später auch auf dem Weg in die Hagener Innenstadt kam es zum einvernehmlichen Austausch von Zärtlichkeiten. Als die Geschädigte sich plötzlich weiteren Küssen des wiederum alkoholisierten Verurteilten widersetzte, akzeptierte dieser den Sinneswandel nicht. Vielmehr schubste er sie zu Boden, legte sich auf sie und faßte ihr, um ihre Hilferufe zu unterbinden, fest an den Hals, ließ dann aber auf ihre Bitte, sie nicht zu vergewaltigen, mit der Bemerkung von ihr ab: „Ich werde Dir nicht wehtun“.
3
2. Vor Begehung dieser Taten war der vielfach vorbestrafte Verurteilte bereits dreimal wegen sexueller Gewaltdelikte in Erscheinung getreten. Er wurde deshalb im November 1986 wegen einer im März jenes Jahres begangenen Vergewaltigung (der leicht alkoholisierte Verurteilte hatte eine Frau, die er zuvor in einer Discothek kennengelernt hatte, zu sich zum Frühstück eingeladen. Auf dem Weg zu seiner Wohnung führte er sie über einen Friedhof, wo er sie auf den Boden drückte und u.a. den Oralverkehr erzwang) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Nur knapp vier Monate nach vollständiger Verbüßung überfiel der nicht ausschließbar alkoholbedingt erheblich vermindert steuerungsfähige Verurteilte Ende Juli 1990 auf offener Straße eine Frau, um mit ihr geschlechtlich zu verkehren, und zerrte sie in ein Gebüsch; sie konnte ihm aber entkommen. Er wurde deshalb im Februar 1991 wegen versuchter Vergewaltigung zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Noch bevor diese Strafe vollstreckt wurde, kam es Ende Juli 1991 zu einer neuerlichen sexuel- len Gewalttat. Der wiederum nicht ausschließbar alkoholbedingt erheblich vermindert steuerungsfähige Verurteilte hatte sich mit einer Gruppe mehrerer sämtlich alkoholisierter Männer und Frauen, darunter auch die später Geschädigte , getroffen. Er veranlaßte sie, sich mit ihm von der Gruppe zu entfernen, wobei sie sich von ihm auch küssen ließ. Als sie aber weitere sexuelle Handlungen ablehnte, brachte der Verurteilte sie zu Fall und erzwang durch Schläge ins Gesicht und unter der Drohung, ihr mit einem Stein auf den Kopf zu schlagen , dass der Verurteilte den Oralverkehr an ihr ausüben und mit den Fingern in ihre Scheide eindringen konnte. Er wurde deshalb im Juni 1992 wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Vergewaltigung zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis Juni 1995 verbüßte.
4
3. Obwohl nach den Feststellungen des Ursprungsurteils sowohl die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB als auch – worauf das Landgericht allein abgestellt hat – die des Absatzes 3 der Vorschrift vorlagen, sah das Landgericht seinerzeit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung ab, da der Gefährlichkeit des Verurteilten aus aktueller Sicht erfolgreich dadurch entgegengewirkt werden könne, dass er in der Entziehungsanstalt nach § 64 StGB untergebracht werde (UA 18). Im Vollzug dieser durch das Landgericht angeordneten Maßregel verweigerte der Verurteilte jedoch eine therapeutische Zusammenarbeit zunehmend, worauf die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 12. August 2002 gemäß § 67 d Abs. 5 StGB bestimmte, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen sei. Nach Abbruch des Maßregelvollzugs lehnte der Verurteilte sämtliche Behandlungsangebote der Justizvollzugsanstalt, auch in Bezug auf seine Sexual- und Gewaltproblematik , als für sich „völlig unangemessen“ (UA 24) ab. Der Verurteilte verbüßte die verhängte Strafe vollständig bis zum 2. September 2004, verblieb aber weiterhin in Haft, nachdem das Landgericht am 1. September 2004 gemäß § 275 a Abs. 5 StPO seine einstweilige Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung angeordnet hatte.
5
Zum Verhalten des Verurteilten im Vollzug hat das Landgericht im angefochtenen Urteil im Übrigen folgende Feststellungen getroffen:
6
Ende Mai 2001 wurde der Verurteilte zur Vollstreckung der nach § 64 StGB angeordneten Maßregel in die Klinik verlegt. Dort suchte er alsbald den Kontakt und die Nähe zu Frau A., die erst seit kurzer Zeit als jüngste Pflegekraft auf seiner Station beschäftigt war. Der Verurteilte kam häufig zu ihr ins Dienstzimmer, machte ihr Komplimente und kochte sogar für sie, wenn sie Nachtdienst hatte. Da sie noch jung und unerfahren im Umgang mit Patienten war, den Verurteilten sympathisch und attraktiv fand und sich von seinen Komplimenten geschmeichelt fühlte (UA 19), unterhielt sie sich viel mit ihm und erzählte dabei auch von sehr persönlichen Umständen und durchaus auch sexualbetonten Gefühlen, so dass – auch wenn sie dabei keine Hintergedanken hegte – möglicherweise eine "knisternde Atmosphäre“ oder „erotische Spannung“ entstand (UA 20).
7
Spätestens Ende April 2002 beendete Frau A. diese "flirtive Situation" (UA 56) und ging auf Distanz zu dem Verurteilten. Dieser konnte mit ihrem Rückzug jedoch nicht umgehen. Seine bisherige Zuneigung schlug jetzt in Hass und Aggression um (UA 21). Dies zeigte sich in Drohungen und massiven Beleidigungen. So äußerte er noch Ende April 2002 zu dem Stationspsychologen, "wenn er enttäuscht werde, überlege er nur, wie er dem anderen schaden könne ; er habe sich für jeden aus dem Team eine Strafe überlegt". Als der Verurteilte wegen wiederholter Beleidigungen in den Kriseninterventionsraum verlegt wurde, fand man bei ihm ein Teppichmesser, welches er sich eigenmächtig be- schafft hatte und das er dazu benutzen wollte, sich selbst oder gegebenenfalls andere Personen zu verletzen (UA 22). Zudem fanden sich bei seiner persönlichen Habe die Adresse und Telefonnummer von Frau A. sowie "Briefe und Postkarten, in denen ein einseitiges, sehnsüchtiges Verliebtsein in Frau A. zum Ausdruck kam" (UA 22). Während eines Freigangs Anfang Juni 2002 traf er auf seinen früheren Bezugspfleger, dem gegenüber er äußerte, er werde "das Team von der Station 7 D in zwei Jahren, wenn er rauskomme, 'niedermetzeln'; ganz besonders … Frau A. und … Frau N. werde er übel mitspielen" (UA 23).

II.


8
Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Allerdings hat das Landgericht zutreffend die formellen Voraussetzungen des § 66 b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 StGB bejaht. Jedoch sind die materiellen Voraussetzungen des § 66 b Abs. 1 StGB nicht ausreichend dargetan.
9
1. Das Landgericht hat zur Frage der Gefährlichkeit des Angeklagten die ärztliche Direktorin am Zentrum für forensische Psychiatrie ( ) in , Dr. med. S. , sowie den ärztlichen Direktor der Klinik in H. und Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychotherapeutische Medizin, Prof. Dr. T. , als Sachverständige gehört. Beide Sachverständigen sind in ihren Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Verurteilten liege eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vor, die aufgrund ihrer typischen Merkmale maßgeblich für das Bestehen eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB spreche. Beide Sachverständigen sind ferner übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe nicht nur eine bestimmte, sondern eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte wieder sexuelle Gewalttaten begehen werde. Für ein solches hohes Risiko künftiger Sexualde- likte spreche auch, dass der Verurteilte zur Sexualisierung von Alltagssituationen und -beziehungen neige, erotische Signale nicht relativieren könne und Situationen sexuell übersteigert interpretiere (UA 56). Dies habe sich insbesondere in dem Verhalten des Verurteilten in der Klinik in Bezug auf Frau A. gezeigt. Dadurch sei auch die auf das seinerzeit erstattete Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Sch. gestützte Einschätzung des Landgerichts Hagen in seinem Urteil vom 15. Februar 2001 widerlegt, wonach die Straftaten des Verurteilten "maßgeblich" auf seinen jahrelangen Missbrauch von Alkohol und den jeweils aktuell genossenen Alkohol zurückzuführen seien. Vielmehr sei nunmehr deutlich geworden, dass der Verurteilte auch unabhängig von einer tatzeitbezogenen Alkoholintoxikation zu gleichen Verhaltensweisen wie bei seinen Sexualstraftaten neige und er somit unabhängig von einer akuten Alkoholisierung allein aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur gefährlich sei (UA 42).
10
Davon ausgehend, hat das Landgericht die für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung erforderlichen „neuen Tatsachen“ in dem „Verhalten des Verurteilten in der Klinik in in Bezug auf die Zeugin A.“ gesehen; „denn dadurch (habe) sich gezeigt, dass er unabhängig von dem konstellativen Faktor einer tatzeitbezogenen Alkoholintoxikation gefährlich ist“ (UA 42). Dies begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
2. Allerdings ergeben sich vorliegend aus dem Vollzugsverhalten des Verurteilten in der Unterbringung nach § 64 StGB gegenüber dem Ausgangsurteil „neue Tatsachen" (vgl. zu diesem Begriff BGH, Urteile vom 1. Juli 2005 - 2 StR 9/05 -, NJW 2005, 3078, und vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05 -, zum Abdruck in BGHSt bestimmt; Senatsbeschlüsse vom 9. November 2005 – 4 StR 483/05 – und vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05), die im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen nach § 66 b Abs. 1 StGB Bedeutung erlangen können. Doch kommt den hierzu festgestellten Umständen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit das Gewicht erheblicher neuer Tatsachen zu, das erst den Weg zu der in § 66 b StGB geforderten Gesamtwürdigung des Verurteilten eröffnet (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 9. November 2005 – 4 StR 483/05).
12
Das Landgericht hat nicht ausreichend dargetan, dass das Verhalten des Verurteilten in der Klinik auf eine Bereitschaft des Verurteilten hinweist, schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer zu begehen, wie sie die Annahme erheblicher neuer Tatsachen im Sinne des § 66 b StGB voraussetzt (BGH, Urteil vom 25. November 2005 – 2 StR 272/05). Insbesondere begegnet die auf die Gutachten der beiden gehörten Sachverständigen gestützte Wertung des Landgerichts, das Verhalten des Verurteilten gegenüber Frau A. sei eine "Reinszenierung" seiner bisherigen, recht stereotyp verlaufenden Sexualstraftaten (UA 43), durchgreifenden Bedenken. Zwar war das Verhalten des Verurteilten von Hass und Aggression geprägt, nachdem Frau A. Ende April 2002 zu ihm auf Distanz gegangen war. Auch können die von dem Verurteilten angedeuteten oder ausdrücklich ausgesprochenen Drohungen unter Einbeziehung des bei ihm vorgefundenen Teppichmessers „neue Tatsachen“ von Gewicht im Sinne des § 66 b StGB sein. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollen auch "wiederholte verbal-aggressive Angriffe" ebenso "wie die Drohung des Verurteilten, nach der Entlassung weitere Straftaten zu begehen", als Anknüpfungspunkt für eine weitere Prüfung in Betracht kommen (BTDrucks. 15/2887 S. 12). Doch ist bei der Frage der Erheblichkeit immer in Rechnung zu stellen, ob und inwieweit diese Umstände ihre Ursache nicht nur in der Vollzugssituation haben (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05).
Insoweit hätte das Landgericht hier berücksichtigen müssen, dass das Verhalten des Verurteilten eine nicht völlig unverständliche Reaktion auf die Zurückweisung durch Frau A. darstellte, nachdem sie die "notwendige professionelle Distanz" außer acht gelassen und durch diese "beruflichen Fehler" (UA 29) maßgeblich die "erotische Spannung" und die "Wunschfantasien" des Verurteilten (UA 20) mit verursacht hatte. Gegen die Wertung des Verhaltens des Verurteilten als „Reinszenierung“ seiner früheren Sexualstraftaten spricht schließlich, dass diesen nach den dazu im Urteil mitgeteilten Sachverhalten jeweils ein spontaner Entschluss des Verurteilten zur alsbaldigen Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse zugrunde lag. Davon unterscheidet sich das monatelange „werbende“, von gegenseitiger Sympathie getragene Verhalten des Verurteilten gegenüber Frau A. grundlegend.
13
Zudem hat das Landgericht nicht ausreichend dargetan, dass die Drohungen auch naheliegend Ausdruck der konkreten Gefahr sind, der Verurteilte werde seine im Vollzug geäußerten Drohungen auch in die Tat umsetzen (zur Bedeutung des Vollzugsverhaltens einschließlich des Auffindens verbotener Gegenstände (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2005 – 2 StR 272/05). Auch vor dem Hintergrund der Anlasstaten ergeben die Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht, dass der Verurteilte etwa nur wegen der Situation im Vollzug an gewalttätigen Übergriffen gegenüber Frau A. oder anderen Personen gehindert gewesen wäre. Die Feststellungen legen vielmehr nahe, schließen es jedenfalls aber nicht aus, dass der Verurteilte sehr wohl des öfteren insbesondere auch mit Frau A. allein war, ohne dass jeweils andere Personen zu ihrem Schutz unmittelbar hätten eingreifen können. Die Annahme des Landgerichts, zu einer tatsächlichen Anwendung von Gewalt durch den Verurteilten – wie bei seinen früheren Straftaten – sei es nur deshalb nicht gekommen, weil sich das Geschehen diesmal im Maßregelvollzug und damit in einem „geschützten Raum“ abspielte (UA 43), stellt deshalb eine bloße Vermutung zu Lasten des Verurteilten dar.
14
Die Sache bedarf schon deshalb insgesamt neuer Prüfung und Entscheidung.

III.


15
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
16
1. Soweit das Landgericht mit den beiden gehörten Sachverständigen die Gefährlichkeit des Verurteilten als "allein aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur" und "unabhängig von einer akuten Alkoholisierung" bestehend angesehen hat (UA 42), liegt in diesen Umständen hier für sich noch keine für die Prüfung der Voraussetzungen des § 66 b StGB erforderliche „neue Tatsache“. Zwar weicht die jetzige Beurteilung der Sachverständigen, der sich das Landgericht im angefochtenen Urteil angeschlossen hat, von derjenigen im Ausgangsverfahren insoweit ab, als danach das den Sexualdelikten des Verurteilten zu Grunde liegende Verhaltensmuster "primär" auf seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung beruhe, während eine akute Alkoholintoxikation nur ein zusätzlich enthemmender, nicht aber per se der tatauslösende Faktor sei (UA 44). Die Abweichung betrifft aber lediglich die Bewertung prognoserelevanter Ursachen der Sexualdelinquenz des Verurteilten, ohne dass damit neue Ursachen selbst zu Tage getreten wären (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 – 4 StR 483/05). Die vom psychiatrisch-psychologischen Sachverständigen zu verantwortende Diagnose einer Persönlichkeitsstörung als solche stellt auch dann, wenn sie von einem der international gebräuchlichen Klassifikationen (ICD oder DSM) erfasst wird, keine Tatsache dar; "nova" können sich immer nur auf die eine solche Diagnose begründenden Anknüpfungstatsachen beziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05). Zudem weist das angefochtene Urteil selbst aus, dass auch die jetzige psychiatrisch-psychologische Beurteilung des Verurteilten nicht "neu" ist. Denn bereits der psychiatrische Gutachter im Ausgangsverfahren hatte bei dem Verurteilten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit einer psychischen und Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen diagnostiziert (UA 17). Auch hatte der psychologische Sachverständige F. in dem Strafverfahren beim Landgericht Arnsberg schon 1992 die Sexualdelinquenz des Verurteilten "maßgeblich" auf seine "dissozialen Interaktionsmuster" (UA 44) zurückgeführt, was der jetzigen Beurteilung der Sachverständigen entspricht.
17
2. Eine berücksichtigungsfähige „neue Tatsache“ kann hier allerdings die Therapieverweigerung des Verurteilten sein, wenn das Ursprungsgericht zum Zeitpunkt seiner Verurteilung davon ausgehen konnte, der Verurteilte werde sich im Vollzug einer Erfolg versprechenden Therapie unterziehen (Senatsbeschluss vom 9. November 2005 aaO). Im Rahmen der dadurch eröffneten Gesamtwürdigung (vgl. dazu zuletzt BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2005 – 1 StR 482/05) darf der Tatrichter jedoch nicht allein auf eine derartige Verweigerungshaltung abstellen (BVerfGE 109, 190 = NJW 2004, 750, 758; BGH NJW 2005, 2022). Vielmehr hat er dazu die Persönlichkeit des Verurteilten, seine bisherigen Straftaten und seine Entwicklung bis zur letzten tatrichterlichen Verhandlung in den Blick zu nehmen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.