Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 294/10
vom
29. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. März 2010 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte in dem in den Urteilsgründen als "Tat Nr. 1" bezeichneten Fall der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Steuerhehlerei schuldig ist. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei in fünf Fällen und wegen schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es ihn wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei in drei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Mit seiner nicht näher ausgeführten Revision beanstandet der Angeklagte allgemein die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revision führt mit der Sachrüge in dem in den Urteilsgründen als "Tat Nr. 1" bezeichneten Fall zu einer Schuldspruchänderung. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

I.


2
Der Schuldspruch ist, wie aus dem Tenor ersichtlich, abzuändern. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils bezüglich des Schuldspruchs keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten außer wegen zweifachen schweren Bandendiebstahls in insgesamt acht Fällen der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei schuldig gesprochen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand, soweit der Angeklagte die Steuerdelikte nach dem 31. Dezember 2007 begangen hat. Demgegenüber kann das Urteil keinen Bestand haben, soweit der Angeklagte in dem als "Tat Nr. 1" bezeichneten Fall wegen tateinheitlich zu Steuerhinterziehung begangener gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden ist. Denn diese Tat fand bereits im Dezember 2007 statt. In der zu diesem Zeitpunkt geltenden Gesetzesfassung , die gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Gesetz Anwendung finden muss, enthielten jedoch die Steuerstrafnormen der §§ 373, 374 AO keinen Straftatbestand der Steuerhehlerei als Mitglied einer Bande. Erst durch Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3198) wurde der Tatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhehlerei in die Abgabenordnung eingefügt. Die Kennzeichnung der Steuerhehlerei im Fall "Tat Nr. 1" als bandenmäßig begangen hat deshalb im Schuldspruch zu entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 - 5 StR 87/07, wistra 2007, 311).

II.


4
Trotz Änderung des Schuldspruchs hat der Strafausspruch insgesamt Bestand. Sowohl die Einzelstrafe im Fall "Tat Nr. 1" von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe als auch der Gesamtstrafenausspruch können bestehen bleiben.
5
1. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht noch mildere Strafen verhängt hätte, wenn es den Angeklagten im Fall "Tat Nr. 1" tateinheitlich zu Steuerhinterziehung lediglich wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei gemäß § 374 AO aF verurteilt hätte. Zwar ist die Strafkammer vom wesentlich verschärften Strafrahmen des § 374 Abs. 2 AO nF ausgegangen. Bei der Straffindung hat sie sich jedoch ersichtlich nicht an der danach vorgegebenen Mindest - oder Höchststrafe orientiert. Auch hat sie der außerordentlichen Gefährlichkeit der bandenmäßigen Begehung im Rahmen der konkreten Strafzumessung keine strafschärfende Bedeutung beigemessen (UA S. 25), was ihr aber bei Beachtung des milderen Strafrahmens der §§ 374, 373 AO nicht gemäß § 46 Abs. 3 StGB untersagt gewesen wäre.
6
2. Auch im Übrigen enthält die Strafzumessung keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler. Das Landgericht hat die verkürzte deutsche Tabaksteuer und - im Hinblick auf die Verurteilung wegen Steuerhehlerei - die von Vortätern bereits in Litauen verkürzten Einfuhrabgaben zutreffend berechnet. Eine Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a StPO auf die bei der Einfuhr nach Litauen und dabei zugleich in die Europäische Union hinterzogenen Einfuhrabgaben Zoll und Einfuhrumsatzsteuer sowie die beim Verbringen in das deutsche Verbrauchsteuergebiet hinterzogene deutsche Tabaksteuer (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 StR 635/09, wistra 2010, 226, 228) war daher nicht zwingend geboten. Zwar hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nicht in den Blick genommen, dass hier vom tatbestandlichen Schuldumfang sowohl die Verkürzung deutscher als auch litauischer Tabaksteuer erfasst wird (zur Bedeutung dieser Erwägung vgl. BGH aaO). Der Senat kann jedoch ausschließen, dass die Strafen noch milder ausgefallen wären , wenn das Landgericht bei der Strafzumessung die von den Vortätern verkürzte litauische Tabaksteuer außer Betracht gelassen hätte. Nack Wahl Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Jäger Nack

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(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Schusswaffe bei sich führt,
2.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder des Bannbruchs verbunden hat, eine solche Tat begeht.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 gilt entsprechend.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

5 StR 87/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2007

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 7. Juli 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO in sämtlichen Rechtsfolgenaussprüchen, hinsichtlich der Art und Höhe der hinterzogenen Einfuhrabgaben auch mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben. Die Verfallsanordnung entfällt.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe der nachfolgenden Neufassung der Schuldsprüche.
Es sind schuldig:
a) der Angeklagte D. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in fünf Fällen, des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in vier Fällen sowie der Unterschlagung in zwei Fällen,
b) der Angeklagte K. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in vier Fällen, des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in fünf Fällen sowie der Unterschlagung in zwei Fällen,
c) der Angeklagte S. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei in drei Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in fünf Fällen,
d) der Angeklagte Sa. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in drei Fällen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten D. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei in fünf Fällen, wegen Betrugs in vier Fällen und wegen Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den Angeklagten K. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen, wegen Betrugs in fünf Fällen und wegen Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den Angeklagten S. (unter Freispruch im Übrigen) wegen gewerbsund bandenmäßiger Steuerhehlerei in drei Fällen und wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie den Angeklagten Sa. (unter Freispruch im Übrigen) wegen gewerbs- und bandenmäßiger Steuerhehlerei und wegen Betrugs in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zu Lasten des Angeklagten Sa. hat das Landgericht den Verfall von sichergestellten Bargeldbeträgen in Höhe von 4.500 Euro, 4.750 US-Dollar und 185 britischen Pfund angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. Februar 2007 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Schuldsprüche sind, wie aus dem Tenor ersichtlich, zu berichtigen. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils bezüglich der Schuldsprüche keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3
a) Die Feststellungen tragen die Schuldsprüche wegen Steuerhehlerei (§ 374 AO) in den Fällen III. 1 Buchstaben a bis e, in denen die Angeklagten Absatzhilfe im Auftrag der unbekannt gebliebenen Hinterleute jeweils nach Abschluss der Vortaten leisteten (vgl. dazu BGH NJW 2007, 1294). Der Senat kann den Feststellungen noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sich die Taten auf Zigaretten bezogen haben, hinsichtlich derer Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) im Sinne des § 374 Abs. 1, Abs. 2 AO hinterzogen wurden.
4
b) Die Steuerstrafnormen §§ 374, 373 AO sehen keine bandenmäßige Steuerhehlerei vor. Denn § 374 Abs. 1 AO verweist hinsichtlich des anzuwendenden Strafrahmens nur für den Fall einer gewerbsmäßigen Tatbegehung auf die Rechtsfolge des § 373 AO. Die Kennzeichnung der Taten der Steuerhehlerei als bandenmäßig begangen hat deshalb in den Schuldsprüchen zu entfallen.
5
c) Das Landgericht hätte nach rechtsfehlerfrei angenommener gewerbs - und bandenmäßigen Begehung der Betrugstaten (§ 263 Abs. 5 StGB) diese Verbrechensqualifikation entsprechend tenorieren müssen. Dies holt der Senat nach.
6
2. Die Einzel- und Gesamtstrafen haben keinen Bestand.
7
a) Die Strafzumessung in den Steuerhehlereifällen leidet jedenfalls an folgenden durchgreifenden Rechtsfehlern: Das Landgericht hat ungeachtet der Besonderheiten der Einzelfälle und der teilweise um ein Mehrfaches voneinander abweichenden Höhe der Hinterziehungsbeträge bei jedem Angeklagten ohne weitere Begründung stets für ihn identische Einzelstrafen verhängt. Bereits dies begegnet hier Bedenken, weil das Landgericht bei der Strafzumessung maßgeblich auf die Höhe der hinterzogenen Abgaben abgestellt hat. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, warum sich diese Differenzen nicht auf die Bemessung der Einzelstrafen ausgewirkt haben. Zudem sind die Beteiligungen in den Fällen III. 1 Buchstaben b und d, in denen die Zigaretten vor Auslieferung an die englischen Abnehmer sichergestellt wurden , mit den gleichen Strafen wie in den übrigen Fällen geahndet worden. Einer Auseinandersetzung mit dem entlastenden Umstand der Sicherstellung hätte es bei der Verhängung gleich hoher Strafen indes bedurft.
8
b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die rechtsfehlerhafte Strafzumessung im Tatkomplex III. 1 die Straffindung in den übrigen Fällen der Unterschlagungen und Betrugstaten beeinflusst hat, zumal auch bei den Betrugstaten ungeachtet des zum Teil deutlich unterschiedlichen Schadensumfanges jeweils die gleichen Einzelstrafen verhängt wurden. Um dem nunmehr berufenen Tatrichter eine insgesamt neue und in sich stimmige Strafenbildung zu ermöglichen, hebt der Senat daher sämtliche Strafen auf.
9
3. Der nach § 73 StGB angeordnete Verfall des beim Angeklagten Sa. sichergestellten Geldes kann ebenfalls keinen Bestand haben. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass es sich bei diesen Geldbeträgen um die Belohnung des Angeklagten für seine Beteiligung an den verfahrensgegenständlichen Taten handelt. Indes hat das Landgericht nicht bedacht, dass die erheblich höheren zivilrechtlichen Ansprüche der durch die Betrugstaten geschädigten Firmen L. S. GmbH, M. GmbH und U. sowie der Anspruch des Steuerfiskus gemäß § 71 AO i.V.m. § 374 AO (vgl. dazu BGH wistra 2001, 96, 97 f.) den Verfall hier gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausschließen.
10
4. Das neue Tatgericht wird bei der insgesamt neu vorzunehmenden Strafzumessung die Strafen für die Unterschlagungen dem Strafrahmen des § 246 Abs. 1 StGB zu entnehmen haben. Die bisherigen Feststellungen belegen nicht ausreichend, dass die Sattelzüge auch den Angeklagten D.
und K. im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB anvertraut waren. Weitere Feststellungen hierzu sind angesichts des Zeitablaufs und der Besonderheiten des Einzelfalls auszuschließen. Zudem wird der neue Tatrichter Art und Höhe der hinterzogenen Einfuhrabgaben – selbst wenn er nur den Mindestschaden annehmen will – in einer Weise darzulegen haben, die den vom Bundesgerichtshof hierzu aufgestellten Grundsätzen (vgl. nur BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 4, 10) genügt.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Jäger

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Wer gewerbsmäßig Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben hinterzieht oder gewerbsmäßig durch Zuwiderhandlungen gegen Monopolvorschriften Bannbruch begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Schusswaffe bei sich führt,
2.
eine Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder einen Bannbruch begeht, bei denen er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder des Bannbruchs verbunden hat, eine solche Tat begeht.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 gilt entsprechend.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 635/09
vom
2. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 9. Juli 2009
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass in den Fällen 1, 2, 3, 4, 6 und 7 der Urteilsgründe die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung entfällt, insoweit wird die Angeklagte freigesprochen;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass die nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei und wegen Steuerhinterziehung in jeweils sechs Fällen sowie wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ihre auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Urteils erwarb die Angeklagte zwischen März 2007 und Juni 2007 in sechs Fällen von dem gesondert verfolgten W. bzw. von anderen Personen, die einer Tätergruppierung um W. angehören, in einer Lagerhalle in H. Zigaretten der Marke "Jin Ling".
3
Die Zigaretten waren zuvor zunächst aus Russland und der Ukraine unter Verstoß gegen die Gestellungspflicht gemäß Art. 40 Zollkodex von anderen Personen nach Polen verbracht und dort zur Vorbereitung des Weitertransportes gelagert worden. Im Anschluss daran wurden sie von Mitgliedern der Tätergruppierung um W. übernommen und entgegen § 12 Abs. 1 TabStG ohne deutsche Steuerzeichen in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Die Verbringer der Zigaretten gaben dabei in Deutschland nicht gemäß § 19 Satz 3 TabStG unverzüglich eine Steuererklärung ab. Die Zigaretten wurden in der vorgenannten Lagerhalle, die allein von W. genutzt und verwaltet wurde und zu der keine anderen, außerhalb der Tätergruppierung stehenden Personen Zutritt hatten, bis zum Weiterverkauf der Zigaretten durch W. oder andere Personen, die der Tätergruppierung angehörten, gelagert.
4
Neben dem Erwerb von Zigaretten unterstützte die Angeklagte in einem Fall W. bei der Anlieferung von Zigaretten in einem Zwischenla- ger, indem sie auf dessen Bitte die Umgebung beobachtete und verdächtige Ereignisse über Mobiltelefon mitteilte.

II.

5
1. Die Sachrüge bleibt erfolglos, soweit die Angeklagte in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt wurde, sowie im Fall 5 der Urteilsgründe insgesamt. All dies hat der Generalbundesanwalt, auch schon in seinem Antrag vom 7. Dezember 2009, zutreffend ausgeführt. Hierauf nimmt der Senat Bezug.
6
2. Dagegen kann der Schuldspruch wegen (jeweils tatmehrheitlich begangener ) Steuerhinterziehung in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 keinen Bestand haben. In diesen Fällen war die Angeklagte nicht verpflichtet gemäß § 19 Satz 3 TabStG unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben, da sie - unbeschadet ihrer Haftung gemäß § 71 AO - nicht Steuerschuldner i.S.v. § 19 Satz 2 TabStG war. Daher hat sie den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt.
7
a) Nach § 19 Satz 1 TabStG entsteht die Tabaksteuer, wenn - wie hier - Tabakwaren unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 1 TabStG) verbracht oder versandt werden, mit dem Verbringen oder Versenden in das Steuergebiet. Steuerschuldner ist, wer verbringt oder versendet und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Allein diese Steuerschuldner sind nach § 19 Satz 3 TabStG verpflichtet, unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben.
8
b) Die Angeklagte war weder Verbringer noch Versender. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war sie auch nicht Empfängerin der vorschrifts- widrig in das Steuergebiet verbrachten Tabakwaren i.S.v. § 19 Satz 2 TabStG. Gemäß § 19 Satz 1 TabStG knüpft das Entstehen der Tabaksteuerschuld an das Verbringen oder Versenden der Tabakwaren aus einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland an. Aus dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift ergibt sich, dass als weiterer Steuerschuldner neben dem Verbringer und dem Versender allein derjenige "Empfänger" der Ware in Betracht kommt, der im Rahmen des Verbringungs- bzw. Versendungsvorgangs selbst den Besitz an den Tabakwaren erlangt. Dies bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
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Empfänger im Sinne dieser Vorschrift kann aber nicht mehr sein, wer den Besitz an den Tabakwaren erst dann erlangt, wenn der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang bereits beendet ist. Beendigung in diesem Sinne ist - ebenso wie z.B. bei der Einfuhr i.S.v. § 21 Satz 1 TabStG - dann gegeben, wenn die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und "zur Ruhe gekommen" sind (vgl. insoweit für Fälle der Einfuhr BGHSt 3, 40, 44; BGH wistra 2007, 262; 2000, 425). Dies ist auch beim Verbringen oder Versenden i.S.v. § 19 Satz 1 TabStG erst dann der Fall, wenn die Tabakwaren die "gefährliche" Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer bzw. Versender sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat (vgl. BGH aaO). In der Regel wird das Verbringen oder Versenden erst dann beendet sein, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben (vgl. auch BGH NStZ 2007, 590, 592; wistra 2000, 425).
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c) Nach diesen Grundsätzen kommen in den vorliegenden Fällen als Empfänger allein der gesondert verfolgte W. und die Personen, die seiner Tätergruppierung angehören, in Betracht. Denn diese Personen nahmen die Zigaretten in der Lagerhalle in Empfang, wodurch die Zigaretten bestimmungsgemäß zur Ruhe kamen. Der sich anschließende Weiterverkauf der Zigaretten an die Angeklagte war nicht mehr Teil des Verbringungsvorgangs.
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War die Angeklagte aber nicht Empfängerin der Zigaretten, geht der konkurrenzrechtliche Hinweis der Strafkammer auf den anders gelagerten Fall, der dem Beschluss des Senats vom 28. August 2008 (1 StR 443/08 = wistra 2008, 470) zu Grunde lag, ins Leere.
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3. Im Hinblick darauf, dass das Landgericht zwischen der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und der von ihm zu Unrecht angenommenen Steuerhinterziehung jeweils Tatmehrheit angenommen hat, lässt der Senat nicht lediglich den fehlerhaften Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung entfallen, sondern spricht zur Klarstellung die Angeklagte teilweise - nämlich vom Vorwurf der Steuerhinterziehung - frei.
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4. Der Wegfall der Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung führt zugleich zum Entfallen der hierfür jeweils verhängten Einzelstrafen (zwischen sechs und zehn Monaten) und zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Auffassung , dass darüber hinaus zugleich die in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verhängten Einzelstrafen (jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe) aufzuheben seien, um bei insgesamt im Tatgeschehen gleich bleibendem Gesamtschuldgehalt für die einzelnen Taten höhere Einzelstrafen zu ermöglichen, teilt der Senat nicht.
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a) Anhaltspunkte dafür, dass die Einzelstrafen für die Fälle der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei zum Nachteil der Angeklagten von der fehlerhaften Verurteilung wegen Steuerhinterziehung beeinflusst worden sein könnten, bestehen nicht.
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b) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, dass diese Einzelstrafen deshalb aufzuheben seien, weil sie - vergleichbar Fällen einer Schuldspruchänderung wegen abweichender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses bei gleich bleibendem Schuldumfang (z.B. in Fällen sog. Bewertungseinheit vor allem bei Rauschgifthandel, vgl. BGH NStZ 1996, 93; NStZ-RR 1999, 218; vgl. auch die Nachw. b. Kuckein in KK 6. Aufl. § 358 Rdn. 30) - unbeschadet § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO bis zur Summe der jeweiligen Einzelstrafen erhöht werden könnten.
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Eine solche Fallgestaltung liegt hier nach Auffassung des Senats nicht vor. Es geht hier nicht nur um eine Änderung der Konkurrenzverhältnisse. Da die Angeklagte in den in Rede stehenden Fällen keine Steuerhinterziehung begangen hat, kann sich auch nicht die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis hinsichtlich der abgeurteilten gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und Steuerhinterziehung stellen.
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Es verbleibt daher bei den auch sonst ohne Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten gebildeten Einzelstrafen wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 sowie wegen Beihilfe zu gewerbsmäßiger Steuerhehlerei und Steuerhinterziehung im Fall 5 der Urteilsgründe.
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5. Ausgehend von ihrer rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer bei der Bemessung der Einzelstrafen wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei die bei der Verbringung der Zigaretten in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland hinterzogene deutsche Tabaksteuer nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer auch auf den durch die Taten verursachten Gesamtsteuerschaden abgestellt. Hierzu bemerkt der Senat :
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Bei der gegebenen Sachlage bedarf es hier keiner Entscheidung, ob das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei die in Polen und die in Deutschland verkürzten Verbrauchsteuern auf Tabakwaren der Angeklagten kumulativ hätte zur Last legen dürfen.
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Für den tatbestandlichen Schuldumfang in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 der Urteilsgründe bestehen gegen die kumulative Heranziehung dieser Abgaben keine Bedenken, weil der Steuerhehlerei gemäß § 374 AO jeweils zwei Vortaten zugrundelagen. Einerseits ist dies die Hinterziehung der bei Einfuhr der Zigaretten nach Polen angefallenen Einfuhrabgaben, nämlich Zoll, polnische Einfuhrumsatzsteuer und polnische Tabaksteuer. Andererseits ist dies die beim dem Verbringen der Zigaretten in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland hinterzogene deutsche Tabaksteuer. Die in Polen verkürzten Abgaben sind auch nicht nachträglich durch das Verbringen der Zigaretten nach Deutschland entfallen.
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Allerdings ist im Blick zu behalten, dass das gemeinschaftsrechtliche Verbrauchsteuersystem - jedenfalls für den Fall normgemäßen Verhaltens - davon ausgeht, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren im Ergebnis grundsätzlich nicht mit den Verbrauchsteuern mehrerer Mitgliedstaaten belastet sein sollen. Das Gemeinschaftsrecht sieht deshalb die Möglichkeit der Erstattung von in anderen Mitgliedstaaten entstandenen und auch erhobenen Verbrauchsteuern vor (vgl. Art. 7 Abs. 6 und Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [ABl. EG Nr. L 76/1 - "Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie"] sowie Art. 33 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie die dortigen Erwägungsgründe Nr. 12, 30 und 31; ABl. EU 2009 Nr. L 9/12).
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Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, in zukünftigen, dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fällen der Steuerhehlerei oder Steuerhinterziehung die Strafverfolgung hinsichtlich der verkürzten Abgaben gemäß §§ 154, 154a StPO auf die bei der Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat hinterzogenen Einfuhrabgaben Zoll und Einfuhrumsatzsteuer sowie die bei dem Verbringen in das deutsche Verbrauchsteuergebiet hinterzogene deutsche Tabaksteuer zu beschränken. Es bedarf dann auch nicht der sonst erforderlichen Feststellung und Anwendung der tabaksteuerrechtlichen Vorschriften anderer Mitgliedstaaten sowie der zuweilen schwierigen Berechnung und Darstellung der in anderen Mitgliedstaaten hinterzogenen Tabaksteuer (vgl. insoweit BGH NStZ 2007, 595; siehe auch Jäger NStZ 2008, 21, 24).
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6. Der Senat verweist die Festsetzung der allein noch zu bildenden neuen Gesamtstrafe gemäß § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO in das Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO. Somit obliegt die Bildung der Gesamtstrafe dem gemäß § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (auch) zulässig, wenn - wie hier - eine neue Gesamtstrafe wegen eines im Revisionsverfahren erfolgten Teilfreispruchs gebildet werden muss (vgl. BGH, Beschl. vom 10. Oktober 2006 - 1 StR 377/06). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander