Bundesgerichtshof Beschluss, 23. März 2006 - 1 StR 20/06

bei uns veröffentlicht am23.03.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 20/06
vom
23. März 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betrugs
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. März 2006 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 27. Juli 2005 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten, beide sind Apotheker, wegen Betruges zu Freiheitsstrafen verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts rechneten sie in einer Vielzahl von Fällen von dem mitangeklagten Arzt Dr. S. ausgestellte Rezepte über hochpreisige Fertigarzneimittel ab, um den Kostenträger, die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Bayern, zur Auszahlung des Arzneimittelpreises zu veranlassen. Tatsächlich wurden die Arzneimittel nicht an bei der AOK versicherte Patienten abgegeben, wovon die Angeklagten Kenntnis hatten. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen haben keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Näherer Erörterung bedarf allein die von beiden Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen Verletzung von § 338 Nr. 1 StPO, die Strafkammer sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil die Auslosung der Reihenfolge der Schöffen entgegen §§ 77 Abs. 1, 45 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht in öffentlicher Sitzung stattgefunden habe.
3
1. Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:
4
a) Am 26. Oktober 2004 fand im Dienstzimmer des Präsidenten des Landgerichts die Auslosung der Reihenfolge der Hauptschöffen für die Strafkammern für das Jahr 2005 statt. Laut Protokoll über die Auslosung und einer dienstlichen Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts vom 6. Juni 2005 geschah dies in öffentlicher Sitzung. Durch einen Aushang am Türschild des Dienstzimmers sei auf die Sitzung und ihre Öffentlichkeit hingewiesen worden. Jedermann habe Gelegenheit gehabt, an der Sitzung teilzunehmen. Aus der dienstlichen Stellungnahme der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 6. Juni 2005 ergibt sich, dass der Aushang an der Außenseite der Zimmertür des Präsidenten befestigt worden war.
5
Der Präsident des Landgerichts erklärte in einer weiteren dienstlichen Stellungnahme vom 6. Juni 2005, die Öffentlichkeit habe zu dem Gebäudeteil, in dem sich sein Dienstzimmer befinde, uneingeschränkten freien Zugang. Dort befänden sich zahlreiche Dienstzimmer von Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Geschäftsstellen und die Landgerichtsbibliothek. In den hier gelegenen Dienstzimmern fänden immer wieder öffentliche Sitzungen in Zivilverfahren statt. Auch in seinem Dienstzimmer seien bereits Sitzungen der Berufungszivilkammer abgehalten worden. An seinem Türschild befinde sich ein Hinweis auf das daneben liegende Vorzimmer, das ständig, auch am 26. Oktober 2004, besetzt sei. Durch das Vorzimmer könne jedermann sein Dienstzimmer betreten. Wenn an seiner Zimmertüre geklopft werde, öffne er diese stets selbst.
6
b) Die Revision trägt vor, auf dem Aushang sei nicht angegeben, zu welcher Uhrzeit die Auslosung erfolgen solle; aus der dienstlichen Stellungnahme der Urkundsbeamtin ergebe sich, dass der Aushang erst unmittelbar vor Beginn der Auslosung an der Zimmertür angebracht worden sei. Die Tür zum Dienst- zimmer des Präsidenten verfüge nicht über eine Türklinke, sondern über einen Knauf; sie sei von außen nur mit einem Schlüssel zu öffnen. Neben der Tür sei ein Blechschild mit der Aufschrift „Anmeldung in Zimmer 213“ angebracht, die, ebenso wie der Aushang, vom Treppenaufgang nicht zu lesen sei.
7
Die Revision ist der Auffassung, „aufgrund der mit einem Knauf versehenen , verschlossenen Dienstzimmertür des Präsidenten des Landgerichts ist die Öffentlichkeit verletzt. Die Öffentlichkeit ist nur dann gewahrt, wenn diese jederzeit ungehinderten Zugang zu dem Sitzungssaal habe, ohne hierbei irgendwelche Barrieren wie z.B. eine Anmeldung oder Ähnliches überwinden zu müssen.“
8
2. Die Verfahrensrügen sind erfolglos.
9
a) Der Senat kann offen lassen, ob die Verfahrensrügen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen. Es bestehen Zweifel, ob der Revisionsvortrag beider Angeklagter zur form- und fristgemäßen Geltendmachung des Besetzungseinwands nach § 222b StPO vollständig ist. Weder wird der Ablauf der am 31. Mai 2005 begonnenen, am 1. Juni 2005 ausgesetzten und am 6. Juni 2006 neu begonnenen Hauptverhandlung vollständig mitgeteilt, noch ist dargelegt, ob der Besetzungseinwand schon in der ersten Hauptverhandlung hätte erhoben werden können und wo rauf die Entscheidung über die Aussetzung beruhte.
10
b) Die Verfahrensrügen sind jedenfalls unbegründet, weil nach dem Revisionsvorbringen den Anforderungen an die Herstellung der Öffentlichkeit bei der Schöffenauslosung genügt worden ist.
11
Für die Auslosung der Reihenfolge der Hauptschöffen nach § 77 Abs. 1 GVG i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 1 GVG gelten dieselben Bedingungen wie für die Verfahrensöffentlichkeit vor dem erkennenden Gericht nach § 169 GVG (BGH NStZ 1984, 89). Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt, dass jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen des Gerichts als Zuhörer teilzunehmen (BGHSt 27, 13, 14, st. Rspr.).
12
Unbeschadet der Tatsache, dass es zur Vermeidung von Verfahrensbeschwerden wie diesen angezeigt ist, generell die Schöffenauslosung ebenso wie eine Hauptverhandlung in Strafsachen anzukündigen und - regelmäßig in einem Sitzungssaal - durchzuführen, ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden , gewisse Anforderungen an den interessierten Bürger, der sich den Zugang zu einer öffentlichen Verhandlung in einem Gericht verschaffen will, zu stellen. Die Möglichkeit, ohne besondere Schwierigkeiten an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung teilzunehmen, bedeutet nicht, dass dem Bürger, der heute bei vielen Gerichten aus Sicherheitsgründen durch Bedienstete kontrolliert wird, nicht zuzumuten wäre, ein Richterzimmer oder einen Verhandlungssaal entweder über ein Vorzimmer zu betreten oder den Einlass durch Klopfen zu erlangen. Dem entspricht es, dass die Öffentlichkeit in einem Verhandlungssaal auch dann als gewahrt anzusehen ist, wenn zwar die unmittelbare Tür verschlossen ist, potentielle Zuhörer aber durch die geöffnete Saaltür den Zuhörerraum betreten können (Senatsurteil vom 14. Juli 1970 - 1 StR 102/70; Kissel/ Mayer, GVG 4. Aufl. § 169 Rdn. 22). Die Voraussetzungen für eine „öffentliche“ Verhandlung liegen auch dann vor, wenn die Eingangstür des Gerichtsgebäudes - etwa aus Sicherheitsgründen - verschlossen ist, der Zuhörer sich aber mit Hilfe einer Klingel Einlass verschaffen kann (BVerwG NVwZ 2000, 1298).
13
So liegt der Fall auch hier. Nach den dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts, die für das Revisionsgericht hinsichtlich der Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse grundsätzlich maßgeblich sind (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - 1 StR 527/05), liegt sein Dienstzimmer in einem für den Besucherverkehr frei zugänglichen Teil des Landgerichts. Zwar ist sein Dienstzimmer, in dem bisher nicht nur Schöffenwahlen, sondern auch andere Sitzungen stattfinden, mit einem (nicht drehbaren) Knauf und nicht mit einer Klinke gegen einen gänzlich ungehinderten Eintritt gesichert. Es bereitet dem interessierten Zuhörer keine besonderen Schwierigkeiten, entsprechend dem hier angebrachten Hinweisschild das Präsidentenzimmer durch das regelmäßig besetzte Vorzimmer zu betreten oder durch Klopfen an der Tür Einlass zu erlangen (vgl. in ähnlichem Sinne schon Senat NStZ 1985, 514).
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

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(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihre

Strafprozeßordnung - StPO | § 222b Besetzungseinwand


(1) Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden, so kann der Einwand, daß das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur innerhalb einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung oder, soweit eine Zustellung nicht erfolgt ist, i

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(1) Für die Schöffen der Strafkammern gelten entsprechend die Vorschriften über die Schöffen des Schöffengerichts mit folgender Maßgabe: (2) Der Präsident des Landgerichts verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen für die Strafkammern au

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 45


(1) Die Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für das ganze Jahr im voraus festgestellt. (2) Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öf

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2006 - 1 StR 527/05

bei uns veröffentlicht am 10.01.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 527/05 vom 10. Januar 2006 in der Strafsache gegen BGHSt: nein BGHR: ja Veröffentlichung: ja ____________________________ StPO § 338 Nr. 6, § 344 Abs. 2 Satz 2; GVG § 169 Abs. 1, § 176 1. Die Entscheidung über die

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Für die Schöffen der Strafkammern gelten entsprechend die Vorschriften über die Schöffen des Schöffengerichts mit folgender Maßgabe:

(2) Der Präsident des Landgerichts verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen für die Strafkammern auf die zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichtsbezirke. Die Ersatzschöffen wählt der Ausschuß bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat. Hat das Landgericht seinen Sitz außerhalb seines Bezirks, so bestimmt die Landesjustizverwaltung, welcher Ausschuß der zum Bezirk des Landgerichts gehörigen Amtsgerichte die Ersatzschöffen wählt. Ist Sitz des Landgerichts eine Stadt, die Bezirke von zwei oder mehr zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichten oder Teile davon umfaßt, so gilt für die Wahl der Ersatzschöffen durch die bei diesen Amtsgerichten gebildeten Ausschüsse Satz 1 entsprechend; die Landesjustizverwaltung kann bestimmte Amtsgerichte davon ausnehmen. Die Namen der gewählten Hauptschöffen und der Ersatzschöffen werden von dem Richter beim Amtsgericht dem Präsidenten des Landgerichts mitgeteilt. Der Präsident des Landgerichts stellt die Namen der Hauptschöffen zur Schöffenliste des Landgerichts zusammen.

(3) An die Stelle des Richters beim Amtsgericht tritt für die Auslosung der Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen teilnehmen, und der Reihenfolge, in der die Ersatzschöffen an die Stelle wegfallender Schöffen treten, der Präsident des Landgerichts; § 45 Abs. 4 Satz 3, 4 gilt entsprechend. Ist der Schöffe verstorben oder aus dem Landgerichtsbezirk verzogen, ordnet der Vorsitzende der Strafkammer die Streichung von der Schöffenliste an; in anderen Fällen wird die Entscheidung darüber, ob ein Schöffe von der Schöffenliste zu streichen ist, sowie über die von einem Schöffen vorgebrachten Ablehnungsgründe von einer Strafkammer getroffen. Im übrigen tritt an die Stelle des Richters beim Amtsgericht der Vorsitzende der Strafkammer.

(4) Ein ehrenamtlicher Richter darf für dasselbe Geschäftsjahr nur entweder als Schöffe für das Schöffengericht oder als Schöffe für die Strafkammern bestimmt werden. Ist jemand für dasselbe Geschäftsjahr in einem Bezirk zu mehreren dieser Ämter oder in mehreren Bezirken zu diesen Ämtern bestimmt worden, so hat der Einberufene das Amt zu übernehmen, zu dem er zuerst einberufen wird.

(5) § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 findet keine Anwendung.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden, so kann der Einwand, daß das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur innerhalb einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung oder, soweit eine Zustellung nicht erfolgt ist, ihrer Bekanntmachung in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. Die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, sind dabei anzugeben. Alle Beanstandungen sind gleichzeitig vorzubringen. Außerhalb der Hauptverhandlung ist der Einwand schriftlich geltend zu machen; § 345 Abs. 2 und für den Nebenkläger § 390 Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Über den Einwand entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. Hält es den Einwand für begründet, so stellt es fest, daß es nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. Führt ein Einwand zu einer Änderung der Besetzung, so ist auf die neue Besetzung § 222a nicht anzuwenden.

(3) Hält das Gericht den Einwand für nicht begründet, so ist er spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Rechtsmittelgericht vorzulegen. Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ergeht ohne mündliche Verhandlung. Den Verfahrensbeteiligten ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Erachtet das Rechtsmittelgericht den Einwand für begründet, stellt es fest, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist.

(1) Für die Schöffen der Strafkammern gelten entsprechend die Vorschriften über die Schöffen des Schöffengerichts mit folgender Maßgabe:

(2) Der Präsident des Landgerichts verteilt die Zahl der erforderlichen Hauptschöffen für die Strafkammern auf die zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichtsbezirke. Die Ersatzschöffen wählt der Ausschuß bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat. Hat das Landgericht seinen Sitz außerhalb seines Bezirks, so bestimmt die Landesjustizverwaltung, welcher Ausschuß der zum Bezirk des Landgerichts gehörigen Amtsgerichte die Ersatzschöffen wählt. Ist Sitz des Landgerichts eine Stadt, die Bezirke von zwei oder mehr zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichten oder Teile davon umfaßt, so gilt für die Wahl der Ersatzschöffen durch die bei diesen Amtsgerichten gebildeten Ausschüsse Satz 1 entsprechend; die Landesjustizverwaltung kann bestimmte Amtsgerichte davon ausnehmen. Die Namen der gewählten Hauptschöffen und der Ersatzschöffen werden von dem Richter beim Amtsgericht dem Präsidenten des Landgerichts mitgeteilt. Der Präsident des Landgerichts stellt die Namen der Hauptschöffen zur Schöffenliste des Landgerichts zusammen.

(3) An die Stelle des Richters beim Amtsgericht tritt für die Auslosung der Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen teilnehmen, und der Reihenfolge, in der die Ersatzschöffen an die Stelle wegfallender Schöffen treten, der Präsident des Landgerichts; § 45 Abs. 4 Satz 3, 4 gilt entsprechend. Ist der Schöffe verstorben oder aus dem Landgerichtsbezirk verzogen, ordnet der Vorsitzende der Strafkammer die Streichung von der Schöffenliste an; in anderen Fällen wird die Entscheidung darüber, ob ein Schöffe von der Schöffenliste zu streichen ist, sowie über die von einem Schöffen vorgebrachten Ablehnungsgründe von einer Strafkammer getroffen. Im übrigen tritt an die Stelle des Richters beim Amtsgericht der Vorsitzende der Strafkammer.

(4) Ein ehrenamtlicher Richter darf für dasselbe Geschäftsjahr nur entweder als Schöffe für das Schöffengericht oder als Schöffe für die Strafkammern bestimmt werden. Ist jemand für dasselbe Geschäftsjahr in einem Bezirk zu mehreren dieser Ämter oder in mehreren Bezirken zu diesen Ämtern bestimmt worden, so hat der Einberufene das Amt zu übernehmen, zu dem er zuerst einberufen wird.

(5) § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 findet keine Anwendung.

(1) Die Tage der ordentlichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für das ganze Jahr im voraus festgestellt.

(2) Die Reihenfolge, in der die Hauptschöffen an den einzelnen ordentlichen Sitzungen des Jahres teilnehmen, wird durch Auslosung in öffentlicher Sitzung des Amtsgerichts bestimmt. Sind bei einem Amtsgericht mehrere Schöffengerichte eingerichtet, so kann die Auslosung in einer Weise bewirkt werden, nach der jeder Hauptschöffe nur an den Sitzungen eines Schöffengerichts teilnimmt. Die Auslosung ist so vorzunehmen, daß jeder ausgeloste Hauptschöffe möglichst zu zwölf Sitzungstagen herangezogen wird. Satz 1 gilt entsprechend für die Reihenfolge, in der die Ersatzschöffen an die Stelle wegfallender Schöffen treten (Ersatzschöffenliste); Satz 2 ist auf sie nicht anzuwenden.

(3) Das Los zieht der Richter beim Amtsgericht.

(4) Die Schöffenlisten werden bei einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (Schöffengeschäftsstelle) geführt. Er nimmt ein Protokoll über die Auslosung auf. Der Richter beim Amtsgericht benachrichtigt die Schöffen von der Auslosung. Zugleich sind die Hauptschöffen von den Sitzungstagen, an denen sie tätig werden müssen, unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in Kenntnis zu setzen. Ein Schöffe, der erst im Laufe des Geschäftsjahres zu einem Sitzungstag herangezogen wird, ist sodann in gleicher Weise zu benachrichtigen.

(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann von dem Gericht zugelassen werden. Die Tonübertragung kann zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens teilweise untersagt werden. Im Übrigen gilt für den in den Arbeitsraum übertragenen Ton Satz 2 entsprechend.

(2) Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen teilweise untersagt werden. Die Aufnahmen sind nicht zu den Akten zu nehmen und dürfen weder herausgegeben noch für Zwecke des aufgenommenen oder eines anderen Verfahrens genutzt oder verwertet werden. Sie sind vom Gericht nach Abschluss des Verfahrens demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden.

(4) Die Beschlüsse des Gerichts nach den Absätzen 1 bis 3 sind unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 527/05
vom
10. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
1. Die Entscheidung über die Anzahl der bei einem Augenschein an beengter
Örtlichkeit (hier: schmales Treppenhaus) zugelassenen Zuhörer ist vom Revisionsgericht
nur auf Ermessensfehler überprüfbar.
2. Ein Teil der bei öffentlichen Verhandlungen der Allgemeinheit zur Verfügung
stehenden Plätze kann Pressevertretern vorbehalten bleiben.
3. Zum notwendigen Revisionsvortrag, wenn eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes
bei einem Augenschein an beengter Örtlichkeit im Hinblick
auf die Auswahl der konkret zugelassenen Zuhörer gerügt wird.
BGH, Beschl. vom 10. Januar 2006 - 1 StR 527/05 - LG Ingolstadt
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. und 3.: Totschlags
zu 2. und 4.: Beihilfe zum Totschlag
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ingolstadt vom 13. Mai 2005 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Die Angeklagte H. R. ist die Mutter der Angeklagten M. R. und A. R. . Die Angeklagte M. R. ist die Freundin des Angeklagten E. . Die Angeklagten H. R. und E. wurden wegen Totschlags, begangen zum Nachteil von R. R. - Ehemann von H. R. und Vater von M. und A. R. - verurteilt, H. R. zu Freiheitsstrafe, der zur Tatzeit 18 Jahre alte E. zu Jugendstrafe. Die zur Tatzeit 16 und 15 Jahre alten Angeklagten M. und A. R. wurden wegen Beihilfe zu dieser Tat zu Jugendstrafe verurteilt.
2
Sämtliche Revisionen, die jeweils auf eine Reihe von Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützt sind, bleiben erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
Der näheren Ausführung bedarf dies nur hinsichtlich sämtlicher Verfahrensrügen der Angeklagten A. R. und hinsichtlich der von allen Angeklagten erhobenen Rüge einer Verletzung der Öffentlichkeit (§ 169 Satz 1 GVG, § 338 Nr. 6 StPO).
4
1. Hinsichtlich der für die Angeklagte A. R. erhobenen Verfahrensrügen , die von der Revision nur abstrakt gekennzeichnet sind (z. B. "Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO"; "Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes , § 250 StPO"), ist zur Begründung ausschließlich "auf die Revisionsbegründung des Kollegen St. " verwiesen, dessen Ausführungen "zum Inhalt … eigenen Vortrags" gemacht würden.
5
Der Generalbundesanwalt hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die bloße Bezugnahme auf Ausführungen eines anderen Verfahrensbeteiligten den Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung von Verfahrensrügen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1983 - 2 StR 151/83 ; Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 39; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 83 m. w. N.). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Vorbringens der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) fest. Die von der Revision in diesem Zusammenhang angesprochene Gefahr einer "Aufblähung der Verfahrensakten" ist damit nicht notwendig verbunden. Die Darstellung von Verfahrensrügen in nur einem von mehreren Verteidigern mehrer Angeklagter gemeinsam eingereichten und gemeinsam unterzeichneten Schriftsatz ist ohne weiteres möglich (vgl. BGH NStZ 1998, 99 mit zustimmender Anmerkung Widmaier).
6
2. Soweit für die Angeklagte M. R. die Verletzung der Öffentlichkeit gerügt ist, geht dies schon im Ansatz ins Leere. Gegen die zur Tatzeit jugendliche Angeklagte wurde entgegen § 48 Abs. 1 JGG nur deshalb öffentlich verhandelt, weil sich das Verfahren auch gegen einen Erwachsenen (H. R. ) und einen Heranwachsenden (E. ) richtete, § 48 Abs. 3 Satz 1 JGG. Nur diese könnten durch eine verfahrensrechtlich zu beanstandende Ausschließung oder Einschränkung der Öffentlichkeit beschwert sein, nicht aber die jugendliche Angeklagte. Da sich aber nur solche Verfahrensbeteiligte auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften berufen können, denen gegenüber vorschriftswidrig verfahren worden ist, kann ein jugendlicher Angeklagter eine Verletzung der Öffentlichkeit auch dann nicht rügen, wenn gegen ihn im Hinblick auf erwachsene oder heranwachsende Mitangeklagte öffentlich verhandelt worden ist (BGHSt 10, 119, 120 f.; BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - 4 StR 412/02 m. w. N.).
7
3. Die Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit bleibt aber auch erfolglos, soweit sie (mit identischen Ausführungen) für die Angeklagten H. R. und E. erhoben ist.
8
Folgendes liegt zu Grunde:
9
Am 4. Hauptverhandlungstag wurde das Treppenhaus und ein Kellerraum im Wohnhaus der Familie R. in Augenschein genommen. Wie die Revision vorträgt und durch Vorlage von Lichtbildern untermauert, waren aus diesem Anlass sehr viele Menschen auf der Straße in der Nähe des Hauses.
10
Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls war das nicht einmal einen Meter breite Treppenhaus schon allein durch die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten "nahezu überfüllt". Gleichwohl wurden "zur Wahrung der Öffentlichkeit … zwei Personen aus dem Publikum zur Augenscheinnahme zugelassen. Mehr war aus räumlichen Gründen und zur Aufrechterhaltung der Kommunikation nicht möglich". Außerdem ist im Protokoll festgehalten, dass die Haustüre offen blieb und den "Pressevertretern ... die Möglichkeit gegeben (wurde), vor der Haustüre die Augenscheinnahme des Treppenhauses zu verfolgen …".
11
Nach Abschluss der Augenscheinnahme wurde, wie ebenfalls aus dem Protokoll ersichtlich, darüber hinaus "sämtlichen vor Ort befindlichen Pressevertretern sowie zehn Personen aus dem Publikum (zufällige Auswahl) … . Gelegenheit gegeben …, die in Augenschein genommenen Örtlichkeiten ebenfalls in Augenschein zu nehmen".
12
Dieser letztgenannte Vorgang ist nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge und auch von der Revision nicht vorgetragen.
13
Im Übrigen sehen die Revisionen den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens durch das geschilderte Geschehen in mehrfacher Richtung als verletzt an.
14
a) Eingehend und unter Vorlage von Lichtbildern wird vorgetragen, wie und warum - in, wie auch die Revision nicht verkennt, "begrenztem Umfang" - mehr Personen zum Augenschein hätten zugelassen werden können. Näher dargelegt ist etwa, welche Türen hätten geöffnet werden können und dass jedenfalls in dem Keller - Größe: 4,3 m x 4 m - , in dem sich ein Tisch von 1,34 m x 0,69 m befand, mehr Personen Platz gehabt hätten.
15
Mit alledem kann die Revision nicht gehört werden.
16
Selbst wenn Teile eines Sitzungssaales (z. B. Logen oder Galerien) für Zuhörer unzugänglich bleiben und deshalb Interessenten abgewiesen werden müssen, sind dadurch nicht notwendig Grundsätze zur Gewährleistung der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen verletzt (BGH DRiZ 1971, 206, 207 m. w. N.). Unter den hier gegebenen Umständen kann erst recht nichts anderes gelten. Die Revision verkennt im Übrigen, dass bei der Entscheidung über den Umfang einer im Hinblick auf die räumlichen Verhältnisse erforderlichen faktischen Begrenzung der Öffentlichkeit auch die Notwendigkeit einer geordneten und ungestörten Durchführung der Verhandlung zu berücksichtigen ist. Ebenso wichtig wie die Kontrolle der Gerichtsverhandlung durch die Öffentlichkeit ist, dass die äußere Ordnung des Verhandlungsablaufs durch die Öffentlichkeit unbeeinträchtigt bleibt (vgl. nur BGHSt 29, 258, 259 f.; BGH NStZ 1984, 134, 135; Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. vor § 169 GVG Rdn. 11 jew. m. w. N.). Dies ist hier zutreffend erkannt, da auch auf die "Aufrechterhaltung der Kommunikation" abgestellt ist. Das Vorbringen der Revision erschöpft sich letztlich in der Darlegung, warum nach ihrer Wertung der tatsächlichen Verhältnisse einige wenige Zuhörer mehr an der Augenscheinseinnahme hätten teilnehmen können. Die Würdigung der (oft nur schwer rekonstruierbaren) tatsächlichen Verhältnisse anlässlich eines Augenscheins und die danach unter Berücksichtigung der Wahrung der Ordnung der Sitzung (§ 176 GVG) zu fällende Entscheidung über den Umfang, in dem Öffentlichkeit zugelassen werden kann, obliegt dem Vorsitzenden. Sie ist vom Revisionsgericht nicht in tatsächlichen Details zu überprüfen - hier etwa in dem Sinne, ob nicht doch noch einige wenige weitere Personen in Keller oder Treppenhaus hätten Platz finden können -, sondern nur auf Rechtsfehler bei der Ermessensausübung (vgl. generell zum revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab bei der Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit Wickern aaO § 169 GVG Rdn. 63; Kuckein in KK 5. Aufl. § 338 Rdn. 90 m. w. N.). Ein derartiger Fehler ist jedoch weder von der Revision aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
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b) Ebenso wenig liegt eine ungesetzliche Einschränkung der Öffentlichkeit darin, dass die - offensichtlich sehr wenigen - "Stehplätze" außen vor der Haustür Journalisten vorbehalten blieben, damit diese den Augenschein im Treppenhaus von außen beobachten konnten.
18
Die von der Revision herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. März 1975 - 4 StR 7/75 ergibt nichts anderes. Hier ist die - auch in jenem Fall tatsächlich nicht vorliegende - Situation behandelt, dass nur Polizeischüler in einem Gerichtssaal waren, da für sie dort die Plätze reserviert waren und andere vor den Polizeischülern erschienene Interessenten deshalb fortgeschickt wurden. Diese Fallgestaltung ist mit der hier gegebenen Fallgestaltung selbst dann nicht zu vergleichen, wenn man das vorliegend zu Grunde liegende Geschehen mit der Reservierung von Sitzplätzen in einem Gerichtssaal gleichsetzt. Im Hinblick auf die besondere Funktion der Presse, deren Anwesenheit schon im Ansatz die öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen nicht einschränkt sondern fördert, ist es nicht zu beanstanden, wenn einige Zuschauerplätze - nicht alle Plätze (vgl. hierzu BGH bei Dallinger MDR 1970, 559, 561) - Pressevertretern vorbehalten bleiben (vgl. Wickern aaO § 169 GVG Rdn. 13; Kissel/Mayer, GVG 4. Aufl. § 169 Rdn. 33; Foth DRiZ 1980, 103). Dass hier anderes geschehen sei, ist dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen.
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c) Hinsichtlich der beiden zum Augenschein zugelassenen Zuhörer trägt die Revision vor, das "Reihenfolgeprinzip" sei nicht eingehalten worden und die Auswahl dieser beiden Zuhörer sei willkürlich erfolgt. Mit Tatsachen unterlegt ist dies nicht.
20
Dieser Vortrag genügt nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an die ordnungsgemäße Begründung der Verfahrensrüge.
21
Es fehlt der Vortrag, auf welche konkrete Weise die beiden Zuhörer ausgewählt wurden, die am Augenschein teilnehmen konnten. Dies wäre nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn die Behauptung, das "Reihenfolgeprinzip" sei nicht eingehalten worden, schon für sich genommen schlüssig die Behauptung eines Rechtsfehlers enthielte. So verhält es sich nicht. Die Grundsätze, die bei dem Einlass in einen Gerichtssaal ohne weiteres sinnvoll und praktisch durchführbar sind - Einlass nach Reihenfolge des Erscheinens am Eingang - , können offensichtlich nicht in vollem Umfang auf die hier gegebene Situation übertragen werden, in der sich eine große Menge von Menschen auf offener Straße befand. Es versteht sich keinesfalls von selbst, dass alle Personen, die auf der Straße waren, darauf Wert legten, zu den jedenfalls ganz Wenigen zu gehören, die anlässlich eines gerichtlichen Augenscheins einen Blick in das Treppenhaus werfen können. Nicht weniger nahe liegt, dass eine Reihe von ihnen erschienen war, weil frühere Bewohner des Hauses, die eines spektakulären Kapitalverbrechens verdächtig waren, vorgeführt wurden und dadurch auf der Straße zu sehen waren. Eine gerichtliche Prüfung, wer hier wann und mit welchem Ziel wo auf der Straße war, wäre offenbar unverhältnismäßig und mit vertretbarem Aufwand nicht durchführbar gewesen. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Zugang zu dem Augenschein nicht gesetzeswidrig von persönlichen Eigenschaften abhing, sondern ob er - nach Maßgabe der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse - im Prinzip jedermann offen stand (vgl. nur BGHSt 27, 13, 14; Diemer in KK 5. Aufl. § 169 GVG Rdn. 6 m. w. N.). Ob dies der Fall war oder nicht, kann allein an Hand des Vortrages, das Reihenfolgeprinzip sei nicht eingehalten worden, nicht zuverlässig beurteilt werden, da tatsächliche Angaben, wie es dazu kam, dass gerade diesen speziellen beiden Personen die Anwesenheit im Treppenhaus gestattet wurde, fehlen. Der zusätzliche Vortrag, dass deren Auswahl "willkürlich" erfolgt sei, kann daran nichts ändern. Die Bewertung eines Geschehens als willkürlich kann Ergebnis der rechtlichen Überprüfung eines bestimmten Sachverhalts sein, die konkrete Angabe von Tatsachen, die diese Bewertung tragen sollen , aber nicht ersetzen.
22
Letztlich wurde, wie dargelegt, nach der gerichtlichen Augenscheinseinnahme noch Pressevertretern und weiteren, nach dem "Zufallsprinzip" ausgewählten Personen die Anwesenheit in dem Haus gestattet. Dies belegt, dass das Landgericht sowohl überobligationsmäßig bemüht war, Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Augenscheinseinnahme in dem Haus zu ermöglichen, ebenso belegt es, dass es sich des maßgeblichen Grundsatzes bei aus faktischen Gründen nicht unbeschränkt möglicher Öffentlichkeit ("Zufallsprinzip") bewusst war. Dies erhärtet das Ergebnis, dass die nicht mit konkreten Sachverhaltsschilderungen unterlegte Behauptung, es sei das - hier nicht notwendig einzuhaltende - "Reihen-folgeprinzip" nicht beachtet und willkürlich gehandelt worden, nicht in der erforderlichen Weise aufzeigt, in welchen Tatsachen der gerügte Verfahrensmangel gesehen wird (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Senat sieht daher keinen Anlass, dem in Rede stehenden Vorgang in tatsächlicher Hinsicht näher nachzugehen.

II.

23
Auch im Übrigen sind die Revisionen unbegründet. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Generalsbundesanwalts Bezug, die auch durch die Erwiderungen der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden. Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf