Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2010 - 1 StR 181/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Ergänzend bemerkt der Senat: Es kann dahinstehen, ob die Rüge (Nr. III) der Verletzung des § 244 Abs. 5 StPO im Hinblick auf die Darlegungserfordernisse des § 344 Absatz 2 Satz 2 StPO in zulässiger Form erhoben wurde.
Denn es kann jedenfalls ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf einer Nichtberücksichtigung des in der Revisionsbegründung zitierten Gesprächsteils beruhen kann. Die Strafkammer hat aufgrund einer sehr ausführlichen und sorgfältigen Beweiswürdigung ihre Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der umfassenden und sehr differenzierten Angaben der Geschädigten gewonnen, insbesondere von deren Erlebnisbezug. Das Landgericht hat sich dabei mit allen in Frage stehenden Gegenhypothesen auseinandergesetzt, so auch mit der Möglichkeit einer Fremdsuggestion. Dafür, so die Strafkammer, wäre die Mutter der Geschädigten grundsätzlich in Betracht gekommen. Die Strafkammer hat es jedoch schon rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, dass es in der Kürze der für eine Einflussnahme zur Verfügung stehenden Zeit möglich gewesen wäre, eine derartig komplexe Aussage der Tochter zu suggerieren (UA S. 67). Außerdem ergab die in der Hauptverhandlung umfassend angehörte (Privat-)aufzeichnung der Befragung der Geschädigten am 21. September 2009 durch die Mutter und die Zeugin K. ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 68) „nicht, dass die Zeugin [die Geschädigte] in suggestiver Weise befragt wurde“. Darauf, dass sich die Mutter in dem in Frage stehenden Gesprächsausschnitt vom Tag zuvor einer entsprechenden Einflussmöglichkeit zu berühmen scheint, kommt es daher nicht an. Der Senat weist erneut darauf hin, dass es bei einer nur ausschnittsweisen Verlesung eines Schriftstücks - bzw., wie hier, einer nur teilweisen Anhörung eines aufgenommenen Gesprächs - der genauen Bezeichnung der verlesenen bzw. angehörten Abschnitte in der Sitzungsniederschrift bedarf. Die bloße Dokumentation einer „teilweisen“ Verlesung oder Anhörung genügt in aller Regel nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Juli 2003 - 1 StR 34/03; 25. Oktober 2006 - 1 StR 424/06; 21. November 2006 - 1 StR 477/06).
Eine Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) hätte im vorliegenden Fall möglicherweise zur Klärung des Umfangs der Anhörung des aufgezeichneten Gesprächs in der Hauptverhandlung beitragen können und wäre deshalb zweckmäßig gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 - 1 StR 503/06 Rdn. 10; 11. April 2007 - 3 StR 114/07 Rdn. 11; 19. Februar 2008 - 1 StR 62/08). Nack Rothfuß Hebenstreit Graf Sander
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und sind die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form angebracht, so ist die Revisionsschrift dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. Diesem steht frei, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen. Wird das Urteil wegen eines Verfahrensmangels angefochten, so gibt der Staatsanwalt in dieser Frist eine Gegenerklärung ab, wenn anzunehmen ist, dass dadurch die Prüfung der Revisionsbeschwerde erleichtert wird. Der Angeklagte kann die Gegenerklärung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgeben.
(2) Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Ablauf der Frist sendet die Staatsanwaltschaft die Akten an das Revisionsgericht.