BFH VII R 40/09
Gericht
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führt mit Hubschraubern Krankentransporte gegen Entgelt durch. Hinsichtlich der dabei verwendeten Luftfahrtbetriebsstoffe erstattet der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) die auf diesen lastende Mineralölsteuer. Für den Transport von Hubschrauberpiloten und Ärzten oder von medizinischen Ersatz- und Austauschteilen hat die Klägerin von einem anderen Unternehmen ein Flugzeug gechartert. Eine Betriebsgenehmigung als Luftfahrtunternehmen besitzt die Klägerin nicht.
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Den Antrag auf Vergütung der Mineralölsteuer für das im Rahmen der eigenbetrieblichen Flüge im Kalenderjahr 2005 verbrauchte Flugbenzin lehnte das HZA ab; den daraufhin eingelegten Einspruch wies es als unbegründet zurück. Die Klage hatte zum größten Teil Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Klägerin hinsichtlich der betrieblich veranlassten Flüge ein Anspruch auf Vergütung der Mineralölsteuer unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom --EnergieStRL-- (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) zustehe. Eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf Luftfahrtunternehmen oder ein Ausschluss des Werkverkehrs sei dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Deutschland habe das Gemeinschaftsrecht unzutreffend umgesetzt, da gemäß § 50 Abs. 1 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) --jeweils in den im Streitjahr geltenden Fassungen-- nur Luftfahrtunternehmen eine Entlastung beantragen könnten.
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Mit seiner Revision rügt das HZA, die Entscheidung des FG widerspreche dem klaren Wortlaut der nationalen Vorschriften. Die Beschränkung der Steuerbefreiung für Luftfahrtbetriebsstoffe auf Luftfahrtunternehmen und der Ausschluss des Werkverkehrs entsprächen auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Die in Art. 14 Abs. 1 EnergieStRL festgelegte Begünstigung trage den Regelungen in internationalen Abkommen Rechnung und erfasse mit dem Ziel der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen nur die Luftverkehrsbranche.
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Soweit sich die Klägerin auf eine ihr erteilte luftverkehrsrechtliche Genehmigung berufe, erfasse diese ausschließlich die für den Krankentransport eingesetzten Hubschrauber, nicht jedoch das Flugzeug. Im Übrigen stehe es dem deutschen Gesetzgeber nach den unionsrechtlichen Vorgaben frei, Flugbenzin zu besteuern.
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Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als das FG das HZA verpflichtet habe, der Klägerin Mineralölsteuer in Höhe von 1.711,47 € zu vergüten.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie schließt sich weitgehend der Auffassung des FG an. Aufgrund der unzureichenden Umsetzung von Richtlinienrecht könne sich das HZA nicht auf die Besteuerungsmöglichkeit für Flugbenzin berufen.
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Zudem trägt die Klägerin vor, sie betreibe ein gewerbliches Luftfahrtunternehmen im Sinne des deutschen Luftverkehrsrechts. Die Bezirksregierung X des Landes Y habe ihr die Genehmigung erteilt, Fluggäste, Post oder Fracht im gewerblichen Luftverkehr zu befördern. Unabhängig von einer solchen Genehmigung sei die Steuerbefreiung für jede gegen Entgelt erbrachte Luftfahrt-Dienstleistung zu gewähren.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des HZA ist begründet und führt unter Abweisung der Klage zur Aufhebung des Urteils des FG. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Befreiung von der Mineralölsteuer zu, denn sie erbringt mit dem von ihr eingesetzten Flugzeug keine entgeltlichen Luftfahrt-Dienstleistungen.
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1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a MinöStG 1993 i.V.m. § 50 Abs. 1 MinöStV wird eine steuerliche Begünstigung nur für Luftfahrtbetriebsstoffe gewährt, die von Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen eingesetzt werden. Diese Regelung entspricht dem Unionsrecht. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs "Luftfahrt" in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 2 EnergieStRL hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 1. Dezember 2011 C-79/10 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2012, 20) entschieden, dieser Begriff verlange, dass die entgeltliche Dienstleistung unmittelbar mit dem Flug des Luftfahrzeugs zusammenhänge. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die begünstigten Flüge unmittelbar der Erbringung einer entgeltlichen Luftfahrt-Dienstleistung dienen müssen. Denn nach den unionsrechtlichen Vorgaben wird die Steuerbefreiung nicht bestimmten Unternehmen gewährt, sondern es handelt sich um eine verwendungsorientierte Steuerbegünstigung, deren Gewährung die Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen zu den in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL bezeichneten Zwecken voraussetzt.
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Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des FG befördert die Klägerin mit dem Flugzeug Hubschrauberpiloten und Ärzte sowie Ersatz- und Austauschteile zu eigenbetrieblichen Zwecken. Hierzu hat das FG ausgeführt, die Flüge dienten nicht unmittelbar dem Hauptzweck der Klägerin, sondern sie förderten lediglich mittelbar diesen Zweck. Es handelt sich somit bei den Werkflügen nicht um Flüge, mit denen unmittelbar Dienstleistungen im Auftrag eines Kunden erbracht werden. Vielmehr erfolgen die Flüge nach unternehmensinternen Anweisungen zur Vorbereitung einer noch zu erbringenden Dienstleistung, die in einem Krankentransport besteht. Daran ändert nichts, dass die Kosten für diese Flüge in die Kalkulation der Preise für die Hubschrauberflüge mit einfließen mögen. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass eine Luftbeförderung der Mitarbeiter oder des Materials zur Erreichung des Unternehmenszwecks zwingend erforderlich ist, so dass unentschieden bleiben kann, ob dies eine Steuerentlastung rechtfertigen könnte. Der eigentliche Unternehmenszweck und die von der Klägerin angebotene Dienstleistung bestehen in der Beförderung von erkrankten Personen auf dem Luftweg. Da die Werkflüge nicht unmittelbar mit der Erbringung dieser Dienstleistung zusammenhängen, kommt für sie eine mineralölsteuerrechtliche Begünstigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a MinöStG 1993 i.V.m. § 50 Abs. 1 MinöStV nicht in Betracht.
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2. Ein Anspruch auf die mineralölsteuerliche Freistellung von Werkflügen ergibt sich auch deshalb nicht aus der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht, weil die Klägerin das Flugzeug nicht mit Kerosin, sondern mit Flugbenzin betankt.
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Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbegünstigung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und –vermeidung oder Missbrauch festlegen, Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der Steuer zu befreien. Die Mitgliedstaaten können jedoch die Steuerbefreiung auf Lieferungen von Flugturbinenkraftstoff (KN-Code 2710 19 21) beschränken (Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. 3 EnergieStRL).
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Nach den Feststellungen des FG begehrt die Klägerin eine Befreiung für Flugbenzin. Dabei handelt es sich nicht um Flugturbinenkraftstoff (Kerosin) der Unterposition 2710 19 21 KN, so dass die unionsrechtlichen Vorgaben eine Steuerverschonung nicht erzwingen. Auf Flugbenzin oder leichten Flugturbinenkraftstoff kann eine Steuer erhoben werden. Bereits aus diesem Grund scheitert die Annahme des FG, der von der Klägerin begehrte Vergütungsanspruch lasse sich ohne weiteres unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EnergieStRL ableiten. Da den Mitgliedstaaten ein steuerlicher Gestaltungsspielraum zusteht, ist diese Bestimmung in Bezug auf Flugbenzin inhaltlich nicht unbedingt und hinreichend genau, so dass der Einzelne sich auf sie berufen könnte (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Juli 2008 C-227/07, Slg. 2008, I-5999).
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3. Da das FG zu einer davon abweichenden Rechtsauffassung gelangt ist, war das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als das FG der Klägerin einen Anspruch auf Steuerbefreiung für die von ihr im Streitjahr durchgeführten Werkflüge gewährt hat.