Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist der Vater der im Januar 1994 geborenen Tochter (T) und des im Juni 1997 geborenen Sohnes (S). Der Kläger war in Deutschland als Handelsvertreter selbständig tätig und erhält seit dem 1. Februar 2007 eine Regelaltersrente. In die Rentenversicherung für Angestellte zahlte er bis 1969 Pflichtbeiträge ein. Vom 1. Januar 1970 (Beginn der Handelsvertretertätigkeit) bis 31. Dezember 2005 zahlte der Kläger freiwillig Rentenversicherungsbeiträge.

2

Die Ehefrau des Klägers und Mutter der beiden Kinder ist österreichische Staatsangehörige und lebt mit den beiden Kindern seit Oktober 2000 in Österreich. Seit Anfang des Jahres 2006 ist die Ehefrau in Österreich nichtselbständig tätig.

3

Der Kläger erhielt während des sich bis einschließlich Januar 2006 erstreckenden Streitzeitraums das Kindergeld für seine beiden Kinder in gesetzlicher Höhe. Am 4. Juli 2007 teilte er der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) mit, dass seine Ehefrau und seine Kinder nach Österreich gezogen seien und dass seine Ehefrau dort seit Januar 2007 berufstätig sei. Später legte er den Vordruck E 411 vor, in dem das zuständige österreichische Finanzamt bescheinigte, dass die Ehefrau des Klägers ab dem 2. Januar 2006 laufend eine berufliche Tätigkeit ausgeübt habe und ihr für den gleichen Zeitraum ein Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige zustehe.

4

Mit Bescheid vom 9. Juli 2008 änderte die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung wie folgt:

für die Zeit von November 2000 bis Dezember 2001: je Kind 69,02 € pro Monat;

für die Zeit von Januar 2002 bis Januar 2006: je Kind 77 € pro Monat.

5

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass mangels Anwendbarkeit der speziellen gemeinschaftsrechtlichen Konkurrenzvorschriften für Familienleistungen auf die allgemeine Konkurrenzvorschrift des Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 --VO Nr. 118/97-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1997 Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 --VO Nr. 647/2005-- (Amtsblatt der Europäischen Union 2005 Nr. L 117, S. 1), in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) in ihrer durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die VO Nr. 647/2005, zurückzugreifen sei. Danach könne in Deutschland (nur) das hälftige Kindergeld gezahlt werden.

6

Den hiergegen erhobenen Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2008 als unbegründet zurück.

7

Das Finanzgericht (FG) hob den Bescheid vom 9. Juli 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2008 hinsichtlich des Zeitraumes von November 2000 bis Dezember 2003 auf und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab.

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils, den Rückforderungsbescheid vom 9. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2008 insoweit aufzuheben, als das Kindergeld für die Zeit von Januar 2004 bis Januar 2006 von der Familienkasse zurückgefordert wird.

10

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils hinsichtlich des Kindergelds für den Zeitraum Januar 2004 bis Januar 2006 und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

12

1. Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein etwaiger Anspruch des Klägers auf das volle Kindergeld nach den §§ 62 f. des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) für seine Kinder jedenfalls nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen sei. Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings keine abschließende Entscheidung dazu, ob § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im vorliegenden Fall überhaupt zur Anwendung gelangt.

13

2. a) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 durch den Anhang I Teil I Buchst. D der VO Nr. 1408/71 (entspricht Buchst. E in der ab 2007 geltenden Fassung) ausgeschlossen wird.

14

aa) Wie der Senat mit Urteil vom 4. August 2011 III R 55/08 (BFHE 234, 316) dargelegt hat, wird der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Titels I in Art. 2 der VO Nr. 1408/71 festgelegt. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung insbesondere für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe "Arbeitnehmer" und "Selbständiger" werden in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 definiert. Sie bezeichnen jede Person, die im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 aufgeführten Systeme der sozialen Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift angegebenen Risiken unter den dort genannten Voraussetzungen versichert ist. Eine Person besitzt somit z.B. die Eigenschaft eines Selbständigen im Sinne der VO Nr. 1408/71, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist. Dabei ist nicht die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit maßgeblich, sondern der Versichertenstatus (z.B. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 7. Juni 2005 C-543/03, Dodl und Oberhollenzer, Slg. 2005, I-5049 Rdnrn. 29 ff.; vom 10. März 2011 C-516/09, Borger, Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht 2011, 436 Rdnrn. 28 ff.).

15

bb) Für die Frage, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, kommt es dagegen nicht darauf an, ob der Selbständige auch die Voraussetzungen erfüllt, die in ihrem Anhang I Teil I Buchst. D aufgeführt sind. Denn die in dieser Bestimmung enthaltenen Einschränkungen gelten nur für die Vorschriften des Titels III Kapitel 7 der VO Nr. 1408/71, d.h. bei Anwendung ihrer Art. 72 ff. Das setzt voraus, dass die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 bereits bejaht wurde (vgl. Senatsurteil in BFHE 234, 316, m.w.N).

16

cc) Unter den Begriff des Selbständigen sind nach Art. 1 Buchst. a Ziff. i der VO Nr. 1408/71 sowohl Personen zu erfassen, die bei der deutschen Rentenversicherung zunächst pflichtversichert und anschließend freiwillig weiterversichert waren, als auch nach Art. 1 Buchst. a Ziff. iv der VO Nr. 1408/71 Personen, die bei der deutschen Rentenversicherung freiwillig versichert sind und eine selbständige Tätigkeit ausüben. Das FG hat den genauen Versicherungsstatus des Klägers bislang nicht festgestellt. Nach Aktenlage spricht jedoch einiges dafür, dass der Kläger als freiwillig versicherter Selbständiger jedenfalls von einer der beiden Alternativen erfasst wird.

17

b) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung auch ihrem sachlichen Geltungsbereich (vgl. Senatsurteil in BFHE 234, 316, m.w.N).

18

3. Sollten die noch erforderlichen Ermittlungen des FG ergeben, dass der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird, ist das auf ihn anzuwendende Recht nach den Vorschriften des Titels II dieser Verordnung (Art. 13 ff.) zu bestimmen.

19

Insoweit sieht Art. 13 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 vor, dass vorbehaltlich der Art. 14c und 14f der VO Nr. 1408/71 Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen und sich nach Titel II der VO Nr. 1408/71 bestimmt, welche Rechtsvorschriften dies sind. Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 bestimmt, dass vorbehaltlich der Regelungen der Art. 14 bis 17 der VO Nr. 1408/71 eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses (Tätigkeits-)Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Den Feststellungen des FG lässt sich nicht entnehmen, bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger in Deutschland als Handelsvertreter selbständig tätig war oder noch ist. Jedenfalls würde er während der Zeit der Ausübung der selbständigen Tätigkeit in Deutschland den deutschen Rechtsvorschriften unterliegen, sofern sich nicht im zweiten Rechtsgang Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der Ausnahmetatbestände der Art. 14 bis 17 der VO Nr. 1408/71 ergeben. Sollte der Kläger die selbständige Tätigkeit vor oder bei Renteneintritt beendet haben, wären nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der VO Nr. 1408/71 die deutschen Rechtsvorschriften weiterhin anwendbar, sofern der Wohnsitz in Deutschland fortbestanden hat (Recht des Wohnsitzstaats) und sich nicht aufgrund Art. 13 Abs. 2, Art. 14 bis 17 der VO Nr. 1408/71 die Anwendbarkeit des Rechts eines anderen Mitgliedstaats ergibt (z.B. Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit oder selbständigen Tätigkeit in Österreich).

20

4. a) Soweit sich aufgrund des Art. 13 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 ergibt, dass auf den Kläger deutsche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, müsste noch geprüft werden, wie die sich dann ergebende Anspruchskumulierung vermieden wird.

21

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG bestand für die Ehefrau des Klägers während des Zeitraums Januar 2004 bis Januar 2006 für beide Kinder ein Anspruch auf Familienbeihilfe nach österreichischem Recht. Soweit daneben ein Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld bestand, wäre die dann gegebene Anspruchskumulierung grundsätzlich nach den Antikumulierungsvorschriften des Art. 10 der VO Nr. 574/72 aufzulösen, da die Gewährung von Familienleistungen im Wohnsitzstaat der Kinder (Österreich) nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängig ist (vgl. hierzu die Übersicht über die vergleichbaren Leistungen i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in dem für den Streitzeitraum geltenden Schreiben des Bundesamts für Finanzen vom 14. Februar 2002 St I 4 -S 2473- 9/2001, BStBl I 2002, 241) und somit die Antikumulierungsvorschrift des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 nicht eingreift.

22

b) aa) Allerdings sieht Anhang I Teil I Buchst. D der VO Nr. 1408/71 bei der Anwendung der für Familienleistungen geltenden Vorschriften des Titels III Kapitel 7 der VO Nr. 1408/71 eine Einschränkung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 vor. Danach gilt für den Fall, dass ein deutscher Träger der zuständige Träger für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7 der VO Nr. 1408/71 ist, i.S. des Art. 1 Buchst. a Ziff. ii der VO Nr. 1408/71 als Selbständiger, wer eine Tätigkeit als Selbständiger ausübt und in einer Versicherung der selbständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- oder beitragspflichtig ist oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.

23

bb) Insoweit hat das FG jedoch festgestellt, dass der Kläger weder in einer Versicherung der selbständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- oder beitragspflichtig noch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war. Entgegen der Auffassung des Klägers wird der Fall der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung von dieser Vorschrift nicht erfasst, da insoweit gerade keine Versicherungspflicht besteht. Die Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs bei der Anwendung der für Familienleistungen geltenden Vorschriften würde jedoch dazu führen, dass trotz einer grenzüberschreitenden Kumulation zweier Ansprüche die gemeinschaftsrechtliche Antikumulierungsvorschrift nicht zur Anwendung gelangen würde.

24

cc) Zur Reichweite der Bestimmungen des Anhangs I der VO Nr. 1408/71 hat der EuGH in der Rechtssache Schwemmer (Urteil vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht 2011, 235 Rdnr. 38) entschieden, dass auch in einem Fall, in dem die nach deutschem Recht Kindergeldberechtigte die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I Buchst. D der VO Nr. 1408/71 nicht erfüllt, die Antikumulierungsvorschrift des Art. 10 der VO Nr. 574/72 zur Anwendung kommen kann. Dies begründete er zum einen damit, dass es trotz der fehlenden Anwendbarkeitsvoraussetzungen zur Entstehung paralleler Ansprüche auf Familienleistungen für denselben Zeitraum kommen könne. Zum anderen verwies er unter Bezugnahme auf die Entscheidung in der Rechtssache Kromhout (EuGH-Urteil vom 4. Juli 1985 C-104/84, Slg. 1985, 2205 Rdnr. 15) darauf, dass die Kinder als Familienangehörige des Elternteils, der Arbeitnehmer (in der Schweiz) ist, in den persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 fallen.

25

Daraus ergibt sich, dass Art. 10 der VO Nr. 574/72 im Streitfall jedenfalls für den Monat Januar 2006 Anwendung finden würde, da die Mutter der Kinder in diesem Monat selbst Arbeitnehmerin war und daher die Kinder als Familienangehörige in den persönlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 fallen. Auch für die Monate Januar 2004 bis Dezember 2005 könnte sich eine Anwendbarkeit des Art. 10 der VO Nr. 574/72 daraus ergeben, dass die Mutter der Kinder in den persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 fällt, wofür erforderlich, aber auch ausreichend wäre, dass sie nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von dem sachlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der Europäischen Union versichert ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 234, 316). Danach wäre es für die Anwendbarkeit des Art. 10 der VO Nr. 574/72 bereits ausreichend, wenn die Ehefrau des Klägers im fraglichen Zeitraum oder in einem früheren Zeitraum (s. hierzu Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71) in irgendeinem Mitgliedstaat in einem der in Art. 1 der VO Nr. 1408/71 genannten Versicherungszweige (z.B. der Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung) versichert war.

26

dd) Kommt Art. 10 der VO Nr. 574/72 nach den noch durchzuführenden Feststellungen des FG zur Anwendung, wäre wegen der in der Bestimmung geregelten Anspruchsreihenfolge des Weiteren noch zu ermitteln, ob die Ehefrau des Klägers auch im Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2005 eine Berufstätigkeit ausgeübt hat. Die vorliegenden Bescheinigungen E 411 enthalten hierzu keine näheren Angaben. Hat die Ehefrau eine Berufstätigkeit ausgeübt (s. zur Reichweite des Begriffs der Berufstätigkeit Beschluss Nr. 119 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 24. Februar 1983 zur Auslegung des Art. 76 und des Art. 79 Abs. 3 der VO Nr. 1408/71 sowie des Art. 10 Abs. 1 der VO Nr. 574/72 bezüglich des Zusammentreffens von Familienleistungen oder -beihilfen, ABlEG 1983 Nr. C 295, S. 3), wäre nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der VO Nr. 574/72 vorrangig Österreich zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet. Deutschland müsste gegebenenfalls den Differenzbetrag zu einem höheren inländischen Kindergeldanspruch des Klägers leisten.

27

Soweit die Ehefrau im streitigen Zeitraum keine Berufstätigkeit ausgeübt hat, wäre nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 der Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld vorrangig.

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Bundesfinanzhof Urteil, 19. Apr. 2012 - III R 87/09 zitiert 4 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Einkommensteuergesetz - EStG | § 65 Andere Leistungen für Kinder


1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:1.Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus

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Bundesfinanzhof Urteil, 04. Aug. 2011 - III R 55/08

bei uns veröffentlicht am 04.08.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat zwei im April 1986 und im Juni 1990 geborene Kinde
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Bundesfinanzhof Urteil, 18. Juli 2013 - III R 71/11

bei uns veröffentlicht am 18.07.2013

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die mit ihrer Familie in Deutschland lebt, bezog für ihren minderjährigen Sohn fortlaufend deutsches Kinde

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:

1.
Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es für die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat zwei im April 1986 und im Juni 1990 geborene Kinder, die mit seiner Ehefrau in Polen leben. In Deutschland betreibt der Kläger ein Gewerbe.

2

Seinen Antrag, ihm für seine beiden Kinder Kindergeld zu gewähren, lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) im Oktober 2006 ab. Den Einspruch des Klägers wies sie durch Einspruchsentscheidung im Januar 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger seit 1991 bei der Sozialversicherung der Landwirte in Polen (KRUS) als Landwirt versichert sei und daher allein den polnischen Rechtsvorschriften unterliege.

3

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren, in dem er beantragte, ihm für seine beiden Kinder ab Januar 2006 Kindergeld zu gewähren, gab der Kläger u.a. an, er sei über seine Ehefrau bei der KRUS sozialversichert.

4

Mit Urteil vom 16. Januar 2008  2 K 623/07 (juris) hob das Finanzgericht (FG) den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung der Familienkasse auf und verwies die Sache nach § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur weiteren Sachaufklärung an die Familienkasse zurück.

5

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung der Art. 1, 2 und 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 --VO Nr. 118/97-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 --VO Nr. 647/2005-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2005 Nr. L 117, S. 1).

6

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Zur Begründung trägt er u.a. vor, die VO Nr. 1408/71 sei auf ihn nicht anzuwenden, da er weder in Deutschland noch in Polen sozialversichert sei. Da er in Polen keiner Tätigkeit nachgehe, könne er dort nicht versichert sein; dies ergebe sich aus Art. 5a Abs. 1 und Abs. 10 des polnischen Gesetzes über die Sozialversicherung der Landwirte vom 20. Dezember 1990. Richtig sei lediglich, dass er aufgrund eines Fehlers der KRUS bei dieser als Versicherter geführt werde, bis der Fehler entdeckt und das angeblich bestehende Versicherungsverhältnis rückabgewickelt werde. Die Bescheinigung der KRUS sei unrichtig, die Versicherung nichtig und daher als Anknüpfungspunkt ungeeignet.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

10

1. Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach den §§ 62 f. des Einkommensteuergesetzes (EStG) für seine Kinder allenfalls nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (bzw. für das 1986 geborene Kind auch deshalb, weil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG noch zu prüfen ist), nicht aber auch nach den vorrangigen Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 ausgeschlossen sein könne. Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings keine abschließende Entscheidung dazu, ob der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird und ob in diesem Fall deutsches oder polnisches Recht auf ihn anzuwenden wäre.

11

2. Ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach den §§ 62 f. EStG könnte durch die VO Nr. 1408/71 und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) in ihrer durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die VO Nr. 647/2005, ausgeschlossen sein.

12

a) Auf den Streitfall sind noch diese Verordnungen anzuwenden. Die VO Nr. 1408/71 wurde zwar ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit --VO Nr. 883/2004-- (ABlEU 2004 Nr. L 166, S. 1). Letztere gilt jedoch nach ihrem Art. 91 Abs. 2 erst ab dem Tag des Inkrafttretens der zu ihrer Durchführung erlassenen Verordnung. Diese --die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 --VO Nr. 987/2009-- (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1)-- trat nach ihrem Art. 97 Satz 2 erst am 1. Mai 2010 in Kraft. Die VO Nr. 574/72 wurde nach Art. 96 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009 erst mit Wirkung vom 1. Mai 2010 aufgehoben. Für den Streitfall gelten demnach noch die VO Nr. 1408/71 und die hierzu ergangene VO Nr. 574/72.

13

b) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung ihrem sachlichen Geltungsbereich (z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Schwemmer, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2011, 86 Rdnr. 33).

14

c) Die bisherigen Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger auch dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfällt.

15

aa) Der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 wird im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Titels I in Art. 2 der VO Nr. 1408/71 festgelegt. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung insbesondere für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

16

Die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe "Arbeitnehmer" und "Selbständiger" werden in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 definiert. Sie bezeichnen jede Person, die im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 aufgeführten Systeme der sozialen Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift angegebenen Risiken unter den dort genannten Voraussetzungen versichert ist. Eine Person besitzt somit z.B. die Arbeitnehmereigenschaft i.S. der VO Nr. 1408/71, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (z.B. EuGH-Urteile vom 7. Juni 2005 C-543/03, Dodl und Oberhollenzer, Slg. 2005, I-5049 Rdnrn. 29 ff.; vom 10. März 2011 C-516/09, Borger, Europäische Zeitung für Wirtschaftsrecht 2011, 436 Rdnrn. 28 ff.). Es ist nicht die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit maßgeblich, sondern der Versichertenstatus (Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach D, I. Kommentierung, Art. 72 der VO Nr. 1408/71 Rz 5). Die VO Nr. 1408/71 soll also grundsätzlich für alle Personen gelten, die im Rahmen der für Arbeitnehmer und Selbständige bereitgestellten Systeme sozialer Sicherheit oder aufgrund der Ausübung einer Arbeitnehmer- oder Selbständigentätigkeit versichert sind (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 3).

17

bb) Für die Frage, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bzw. Selbständige auch die Voraussetzungen erfüllt, die in ihrem Anhang I Teil I Buchst. D aufgeführt sind. Denn die in dieser Bestimmung enthaltenen Einschränkungen gelten, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt ("Ist ein deutscher Träger der zuständige Träger für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7 der Verordnung, ..."), nur für die Vorschriften des Titels III Kapitel 7 der VO Nr. 1408/71, d.h. bei Anwendung ihrer Art. 72 ff. (z.B. EuGH-Urteile vom 12. Mai 1998 C-85/96, Martinez Sala, Slg. 1998, I-2691 Rdnrn 35 ff., 43 f., und vom 4. Mai 1999 C-262/96, Sürül, Slg. 1999, I-2685 Rdnrn. 89 ff.; ferner EuGH-Urteile vom 30. Januar 1997 C-4/95, 5/95, Stöber und Pereira, Slg. 1997, I-511 Rdnrn. 26 ff.; vom 12. Juni 1997 C-266/95, Garcia, Slg. 1997, I-3279 Rdnrn. 21 ff., und vom 5. März 1998 C-194/96, Kulzer, Slg. 1998, I-895 Rdnrn. 35 f., jeweils zu Art. 73 der VO Nr. 1408/71; ferner EuGH-Urteil Schwemmer in ZESAR 2011, 86 Rdnr. 34; Vorlagebeschluss des Senats vom 30. Oktober 2008 III R 92/07, BFHE 223, 358, BStBl II 2009, 923 Rz 16 ff.). Das setzt voraus, dass die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 bereits bejaht wurde.

18

Sollte sich dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. August 2002 VIII R 54/00 (BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869) zum Anwendungsbereich des Anhangs I Teil I Buchst. D der VO Nr. 1408/71 etwas anderes entnehmen lassen, könnte der Senat dem aus den oben dargelegten Gründen nicht folgen. Eine Anfrage beim VIII. Senat wäre schon deshalb nicht erforderlich, weil dieser Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für Fragen betreffend Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG) nicht mehr zuständig ist.

19

cc) Erforderlich, aber auch ausreichend für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 ist, dass eine Person nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) versichert ist. Dass eine Person die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in Bezug auf ihre in Deutschland ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt, bedeutet daher noch nicht, dass sie dem persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung nicht unterfällt, denn dieser kann aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats eröffnet sein.

20

Die VO Nr. 1408/71 gilt personen- und nicht tätigkeitsbezogen. Ihr Ziel ist die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der EU zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 8). Um dieses Ziel zu erreichen, ist daher in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob eine Person die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften (irgend) eines, ggf. auch mehrerer, Mitgliedstaaten besitzt (vgl. auch EuGH-Urteil Sürül in Slg. 1999, I-2685 Rdnr. 85). Ist danach der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 für eine Person eröffnet, ist in einem zweiten Schritt das auf sie anzuwendende Recht nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 zu bestimmen.

21

dd) Bezogen auf den vorliegenden Fall ist daher zunächst zu prüfen, ob der Kläger in Polen und/oder in Deutschland als Arbeitnehmer und/oder Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt.

22

(1) Entgegen der Auffassung des FG kann der Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht bereits mit der Begründung als nicht eröffnet angesehen werden, dass der Kläger in Polen keine Tätigkeit ausübe, Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 aber die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit voraussetze. Denn die Frage der Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs beurteilt sich allein danach, ob der Kläger i.S. des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger gilt oder nicht.

23

(2) In Deutschland war der Kläger zwar im Hinblick auf seine Tätigkeit im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit nicht versichert und auch nicht versicherungspflichtig, so dass er insoweit nicht als Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt. Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen jedoch keine Beurteilung, ob der Kläger ggf. in Polen als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt.

24

Nach den Feststellungen des FG ist der Kläger in Polen über seine Ehefrau in der KRUS mitversichert. Diese Feststellung allein reicht jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger deshalb als Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt. Denn nicht jede Mitgliedschaft in einem System der sozialen Sicherheit führt zur Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71. Diese knüpft insoweit in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 vielmehr daran an, dass eine Person entweder in einem für Arbeitnehmer und Selbständige bereitgestellten System der sozialen Sicherheit, oder jedenfalls gerade aufgrund einer Arbeitnehmer- oder Selbständigentätigkeit versichert ist (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 3). Die Mitgliedschaft in einem System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats führt also nur dann zur Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71, wenn sie zugleich die Voraussetzungen des Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung erfüllt. Dafür kann ggf. auch die freiwillige Mitgliedschaft eines Selbständigen ausreichen (vgl. Art. 1 Buchst. a Ziff. iv der VO Nr. 1408/71). Die erforderlichen Feststellungen zum polnischen System der sozialen Sicherheit und zu dem konkreten Versichertenstatus des Klägers im Rahmen dieses Systems sind daher nun nachzuholen. Insoweit kann auch von Bedeutung sein, ob, wovon das FG offenbar ausgeht, der Kläger über seine Ehefrau in der KRUS mitversichert ist, oder ob die in der Kindergeldakte enthaltenen Bescheinigungen der KRUS vom 3. November 2006 nicht stattdessen eine Versicherung des Klägers als Landwirt und eine Mitversicherung seiner Ehefrau belegen.

25

(3) Soweit der Kläger vorträgt, dass er in Polen nicht versichert sein könne, weil er in Polen keine Tätigkeit ausübe, und dass er lediglich aufgrund eines Fehlers der KRUS bei dieser als Versicherter geführt werde, obliegt es ihm, den Nachweis zu erbringen, dass er im Streitzeitraum tatsächlich nicht versichert war, die bestehende Versicherung also rückabgewickelt wurde. Bescheinigt ein ausländischer Versicherungsträger wie hier die KRUS das Bestehen einer Versicherung, so sind deutsche Behörden und Gerichte an diese Bescheinigung grundsätzlich gebunden, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Bescheinigung als solche fehlerhaft ist (vgl. EuGH-Urteil vom 26. Januar 2006 C-2/05, Herbosch Kiere, Slg. 2006, I-1079 Rdnrn. 18 ff.). Bescheinigt ein ausländischer Versicherungsträger also z.B. (weiterhin) das Bestehen einer Versicherung als Landwirt, weil ein vormals in Polen als Landwirt tätiger und als solcher Versicherter es unterlässt, dem zuständigen Versicherungsträger mitzuteilen, dass er diese Tätigkeit aufgegeben hat und nunmehr im Ausland eine Tätigkeit ausübt, so muss sich der so Versicherte --entsprechend der tatsächlich (noch) bestehenden und insoweit zutreffend bescheinigten Versicherung-- an diesem Versichertenstatus festhalten lassen mit der Folge, dass er (weiterhin) so behandelt wird, als ob er (weiterhin) als selbständiger Landwirt in Polen tätig ist. In diesem Fall gilt er daher nicht nur i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger, sondern --entsprechend der tatsächlich noch bestehenden Versicherung-- auch als ein Arbeitnehmer bzw. Selbständiger, der i.S. des Art. 13 Abs. 2 Buchst. a bzw. b der VO Nr. 1408/71 in Polen eine Tätigkeit ausübt. Es ist Aufgabe des Versicherten, seiner Versicherung gegenüber rechtzeitig Änderungen mitzuteilen, die für sein Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind, und auf diese Weise einen seinen tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Versichertenstatus zu erreichen. Solange daher der Kläger nicht den Nachweis erbracht hat, dass er im Streitzeitraum tatsächlich nicht mehr bei der KRUS versichert war und die bestehende Versicherung tatsächlich rückabgewickelt wurde, muss er sich für Zwecke der Anwendung der VO Nr. 1408/71 entsprechend seines von der KRUS bescheinigten, tatsächlich bestehenden Versichertenstatus behandeln lassen.

26

ee) Dahinstehen kann, ob die Ehefrau des Klägers als Arbeitnehmerin bzw. Selbständige i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 und der Kläger als ihr Familienangehöriger (Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 der VO Nr. 1408/71) anzusehen sind, weil dies entgegen der Auffassung der Familienkasse nicht dazu führen würde, dass das auf den Kläger anzuwendende Recht sich nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 richten würde. Denn diese Bestimmungen knüpfen nicht an den Familienangehörigen eines Arbeitnehmers bzw. Selbständigen, sondern an diesen selbst an (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Juni 1999 C-211/97, Gomez-Rivero, Slg. 1999, I-3219 Rdnrn. 22 ff.).

27

3. Sollten die noch erforderlichen Ermittlungen des FG ergeben, dass der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird, ist das auf ihn anzuwendende Recht nach den Vorschriften des Titels II dieser Verordnung (Art. 13 ff.) zu bestimmen.

28

a) Soweit es nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 darauf ankommt, in welchem Mitgliedstaat die abhängige Beschäftigung bzw. die selbständige Tätigkeit ausgeübt wird (so z.B. in Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und b der VO Nr. 1408/71), bestimmt sich dies entgegen der Auffassung der Familienkasse grundsätzlich nicht danach, in welchem Land die Versicherung besteht, sondern --entsprechend dem insoweit eindeutigen Wortlaut der jeweiligen Bestimmung-- danach, in welchem Mitgliedstaat die Person abhängig beschäftigt ist bzw. eine selbständige Tätigkeit ausübt. Dabei ist grundsätzlich von dem bescheinigten Versichertenstatus des Versicherten auszugehen (vgl. oben unter II.2.c dd (3)).

29

Anzuknüpfen ist allerdings nur an diejenige(n) Tätigkeit(en), hinsichtlich derer die betreffende Person als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt. Die Vorschriften des Titels II der VO Nr. 1408/71 beziehen sich zwar ihrem Wortlaut nach auf Personen, die abhängig beschäftigt sind bzw. eine selbständige Tätigkeit ausüben, und nicht auf Arbeitnehmer oder Selbständige. Eine kohärente Auslegung des persönlichen Geltungsbereichs dieser Verordnung und des durch sie geschaffenen Systems von Kollisionsregeln gebietet es aber, die fraglichen Begriffe des Titels II der VO Nr. 1408/71 im Lichte der Definitionen ihres Art. 1 Buchst. a auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 30. Januar 1997 C-221/95, Hervein, Slg. 1997, I-609 Rdnrn. 19 f.). Für den Kläger kann sich die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften daher nicht aus Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 ergeben, denn hinsichtlich seiner in Deutschland ausgeübten gewerblichen Tätigkeit gilt er nicht als Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71.

30

b) Sollte die Prüfung der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 gleichwohl ergeben, dass auf den Kläger deutsche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, müsste --neben der Frage, ob auch das 1986 geborene Kind die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllt-- noch ermittelt werden, ob und ggf. für welche Monate des Streitzeitraums für die Kinder des Klägers in Polen ein Anspruch auf Familienleistungen bestand. Soweit ein solcher Anspruch bestand, wäre die dann gegebene Anspruchskumulierung nach den Antikumulierungsvorschriften der VO Nr. 1408/71 bzw. der VO Nr. 574/72 zu klären. Dabei wären bei Anwendung des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 bzw. des Art. 10 der VO Nr. 574/72 die Einschränkungen des Anhangs I Teil I Buchst. D der VO Nr. 1408/71 zu berücksichtigen.

31

c) Sollten nach den Bestimmungen der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 die deutschen Rechtsvorschriften nicht anzuwenden sein, stellte sich die Frage, ob Deutschland als der nach der VO Nr. 1408/71 dann nicht zuständige Mitgliedstaat gleichwohl befugt wäre, Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu zahlen, und ob in einem solchen Fall der Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unionsrechtliche Vorschriften entgegenstünden. Insoweit handelte es sich um die gleichen Fragestellungen, die bereits Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 21. Oktober 2010 III R 5/09 (BFHE 231, 183) und III R 35/10 (BFHE 231, 194) sind, so dass eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in den bei diesem anhängigen Verfahren C-611/10 und C-612/10 in Betracht kommen könnte.

32

4. Sollte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 für den Kläger nicht eröffnet sein, richtete sich sein Kindergeldanspruch allein nach den §§ 62 ff. EStG. Insoweit wäre, worauf das FG bereits selbst hingewiesen hat, insbesondere noch zu klären, ob und ggf. für welche Monate des Streitzeitraums in Polen für die Kinder des Klägers ein Anspruch auf Familienleistungen bestand. Zudem wäre noch zu prüfen, ob auch das 1986 geborene Kind die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllt.

33

5. Die Sache ist im Rahmen des Revisionsbegehrens danach nicht spruchreif und war deshalb nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine (erneute) Anwendung des § 100 Abs. 3 FGO im zweiten Rechtsgang nicht in Betracht kommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 IX R 63/95, BFHE 182, 287, BStBl II 1997, 409; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO Rz 105, 121), so dass dahinstehen kann, ob diese Bestimmung auf den hier gegebenen Fall der Verpflichtungsklage überhaupt anwendbar ist (ablehnend z.B. Lange in HHSp, § 101 FGO Rz 36, m.w.N.; für eine analoge Anwendung z.B. Brandt in Beermann/ Gosch, FGO § 101 Rz 20 ff.).

1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:

1.
Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es für die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.