Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 7 AS 856/14

published on 26/02/2015 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - L 7 AS 856/14
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Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass das Verfahren L 7 AS 393/11 durch Vergleich vom 17.04.2012 erledigt worden ist.

II.

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird als unzulässig verworfen.

III.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Fortsetzung des Verfahrens L 7 AS 393/11, bei dem es ursprünglich um die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 991,53 € ging.

Mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 28.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2010 forderte der Beklagte vom Kläger für den Zeitraum vom 10.07.2010 bis 31.08.2010 bewilligte und ausgezahlte Leistungen in Höhe von insgesamt 991,53 € zurück. Der Kläger habe ab dem 10.07.2010 seinen ständigen Aufenthalt in England gehabt.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Augsburg mit Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2011, Az.: S 11 AS 1129/10, als unbegründet zurück.

Nachdem der Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt hatte (Az.: L 7 AS 339/11), schlossen die Beteiligten im Erörterungstermin am 17.04.2012 vor dem Bayer. Landessozialgericht folgenden

„Vergleich:

1. Der Kläger zahlt einen Betrag von 583,25 € in monatlichen Raten zu je 50 € an den Beklagten zurück.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Beteiligten erklären mit Abschluss dieses Vergleichs den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt.“

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 erhob der Bevollmächtigte des Klägers gegen den Vergleich „Klage wegen Nichtigkeit und Wiederaufnahme“. Der Vergleich sei nichtig, da die Richterunterschrift unter dem Vergleich fehle, ebenso das Amtssiegel eines Notars und ein „Beglaubigungsvermerk“. Er habe nur eine Abschrift des Vergleichs erhalten, die zudem nur mit einer Paraphe der Urkundsbeamtin versehen gewesen sei. Auch könne eine „beglaubigte Urteilsabschrift“ die „Zustellungswirkung des § 517 ZPO nicht begründen“, die „Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfrist“ sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Verfahren L 7 AS 393/11 fortzusetzen,

hilfsweise das Verfahren wieder aufzunehmen,

und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 8. Mai. 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt festzustellen,

dass das Verfahren L 7 AS 393/11 durch den Vergleich vom 17.04.2012 beendet wurde.

Der Beklagte hält den Vergleich für wirksam.

Gründe

Die „Klage wegen Nichtigkeit und Wiederaufnahme“ wird dahingehend ausgelegt, dass der Kläger die Fortsetzung bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens L 7 AS 393/11 begehrt.

Der Antrag, das Verfahren L 7 AS 393/11 fortzuführen, bleibt erfolglos, weil dieses Verfahren durch den Vergleich vom 17.04.2012 erledigt worden ist. Zweifel an der Wirksamkeit des Vergleichs bestehen nicht. Der Vergleich wurde dem Kläger ordnungsgemäß zugestellt. Dabei genügt es, dass dem Bevollmächtigten des Klägers eine beglaubigte Abschrift zugestellt wurde.

Der Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens ist als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 578 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -) wieder aufgenommen werden. Zuständig ist gemäß § 584 Abs. 1 ZPO das Gericht, das im ursprünglichen Verfahren, das nunmehr wieder aufgenommen werden soll, abschließend erkannt hat, mithin der 7. Senat des Bay. Landessozialgerichts, der den Vergleich am 17.04.2012 geschlossen hat.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist als unzulässig zu verwerfen, weil es an einer schlüssigen Behauptung eines Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgrundes fehlt. Ein solcher schlüssiger Vortrag ist nach allgemeiner Auffassung eine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Wiederaufnahmeklage (vgl. Urteil des Senats vom 27.02.2014, L 7 AS 825/13 WA mit weiteren Nachweisen).

Die vom Kläger vorgebrachten formalen Argumente betreffen allesamt nicht das Zustandekommen des Vergleichs, sondern lediglich die anschließende Übermittlung der Abschrift des Vergleichs. Die vorgebrachten Argumente führen - selbst wenn sie alle zuträfen - nicht zur Nichtigkeit des Vergleichs.

Der Vortrag, den Vergleich fehle es an den Originalunterschriften, ist auch kein in §§ 579, 580 ZPO oder § 179 Abs. 1, 2 SGG genannter Anfechtungsgrund. Auf die Zustellung der Abschrift des Vergleichs kommt es ohnehin nicht an. Denn die Urschrift des Vergleichs mit den Unterschriften des Richters befindet sich in den Originalakten des Gerichts. Die Beteiligten erhalten lediglich eine Ausfertigung des Vergleichs, die gemäß § 137 Satz 1 SGG vom Urkundsbeamten unterschrieben und mit dem Gerichtssiegel versehen sein muss (BayLSG a. a. O.), wie es bei der den Bevollmächtigten des Klägers übermittelten Abschrift der Fall war.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist ferner unzulässig, weil dieser Antrag nicht binnen der einmonatigen Notfrist nach § 586 Abs. 1 ZPO erhoben wurde. Diese Frist beginnt nach Abs. 2 dieser Vorschrift mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund (hier der angeblich fehlenden Unterschrift und die fehlende Kopie) Kenntnis erhält, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolglos blieb.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 27/02/2014 00:00

Tatbestand Die 1957 geborene Klägerin begehrt die Fortführung eines Berufungsverfahrens. Im ursprünglichen Berufungsverfahren am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit dem Aktenzeichen L 7 AS 264/07 begehrte die Klägerin höher
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Annotations

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Für die Klagen ist ausschließlich zuständig: das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat; wenn das angefochtene Urteil oder auch nur eines von mehreren angefochtenen Urteilen von dem Berufungsgericht erlassen wurde oder wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund des § 580 Nr. 1 bis 3, 6, 7 angefochten wird, das Berufungsgericht; wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil auf Grund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 angefochten wird, das Revisionsgericht.

(2) Sind die Klagen gegen einen Vollstreckungsbescheid gerichtet, so gehören sie ausschließlich vor das Gericht, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung wieder aufgenommen werden.

(2) Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.

(3) Auf Antrag kann das Gericht anordnen, daß die gewährten Leistungen zurückzuerstatten sind.

Die Ausfertigungen des Urteils sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften eines als elektronisches Dokument (§ 65a Absatz 7) vorliegenden Urteils können von einem Urteilsausdruck erteilt werden. Auszüge und Abschriften eines in Papierform vorliegenden Urteils können durch Telekopie oder als elektronisches Dokument erteilt werden. Die Telekopie hat eine Wiedergabe des Gerichtssiegels, die Telekopie zur Erteilung eines Auszugs zusätzlich die Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu enthalten. Bei der Erteilung von beglaubigten Auszügen und Abschriften ist das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu versehen.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.