Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 05. Apr. 2018 - L 19 R 136/17

published on 05/04/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 05. Apr. 2018 - L 19 R 136/17
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Gericht

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Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.02.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht eine Überzahlung der Rente des Klägers festgestellt hat und den überzahlten Betrag zurückfordern durfte.

Der 1948 geborene Kläger war zweimal verheiratet und geschieden. Im Scheidungsverfahren wurde jeweils ein Versorgungsausgleich durchgeführt; einmal zu Lasten des Klägers und einmal zu seinen Gunsten.

Aus der Akte der Beklagten ist ersichtlich, dass der Kläger am 12.05.2010 und am 24.08.2012 jeweils Rentenauskünfte von der Beklagten erhielt, bei denen in Anlage 5 unter der Überschrift „Auswirkungen des Versorgungsausgleichs“ der Versorgungsausgleich der zweiten Ehe unter Nennung der konkreten Ehezeit aufgeführt worden war. Der andere Versorgungsausgleich war der Beklagten seinerzeit nicht bekannt, da die Information darüber vom früheren Kontoführer des Rentenkontos des Klägers, der Deutschen Rentenversicherung (DRV) B. S., nicht weitergegeben worden war. Rückmeldungen des Klägers darauf sind nicht ersichtlich.

Am 29.05.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Altersrente für langjährig Versicherte. Im Antragsformular gab er unter Ziffer 10.6.1 an, dass ein Versorgungsausgleich wegen Ehescheidung durchgeführt worden sei und benannte seine beiden früheren Ehefrauen - wie gefordert - jeweils mit Name und Geburtsdatum.

Mit Bescheid vom 16.07.2013 erhielt der Kläger von der Beklagten Altersrente für langjährig Versicherte mit Beginn ab 01.07.2013 in Höhe von monatlich 1.181,88 Euro bewilligt. Wie schon in den Rentenauskünften wurden auch hier in Anlage 5 die Auswirkungen des Versorgungsausgleiches nur für die zweite Ehezeit vom 01.02.1995 bis 28.02.1999 angeführt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 22.04.2015 beantragte die geschiedene erste Ehefrau des Klägers, Frau H. A., bei der DRV B. S. eine Rente. Dies führte zunächst am 29.05.2015 zu einem Datenabgleich und dann am 10.06.2015 zu einem Telefonkontakt zwischen der Beklagten und der DRV B. S. wegen des dort gespeicherten Versorgungsausgleichs. Im Folgenden forderte die Beklagte beim Amtsgericht F-Stadt Unterlagen zum Versorgungsausgleich an, woraufhin dieses am 17.06.2015 eine Teilausfertigung des Scheidungsurteils vom 29.06.1993 übersandte. Darin war ein Versorgungsausgleich zu Lasten des Klägers geregelt worden.

Am 30.06.2015 nahm die Beklagte eine fiktive Berechnung der Altersrente des Klägers vor. Aus dem zu Gunsten des Versicherungskontos des Klägers durchgeführten Versorgungsausgleich ergebe sich ein Zuschlag von 0,1284 Punkten aus der für die Ehezeit vom 01.02.1995 bis 28.02.1999 übertragenen Rentenanwartschaft von monatlich 6,12 DM. Aus dem zu Lasten des Versicherungskontos des Klägers durchgeführten Versorgungsausgleich für die Ehezeit von 1973 bis 1991 ergebe sich ein Abzug von 5,2326 Punkten. Die persönlichen Entgeltpunkte des Klägers würden sich daher insgesamt auf 41,5643 belaufen, was zu einem anfänglichen Zahlbetrag der Rente von nur noch 1.049,73 Euro führe.

Die Beklagte hörte den Kläger am 02.07.2015 telefonisch dazu an, dass sie erst jetzt von der DRV B. S. darauf hingewiesen worden sei, dass bei der Berechnung der Altersrente der Abschlag aus Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden sei. Es solle der Rentenbescheid vom 16.07.2013 zunächst mit Wirkung ab dem 01.08.2015 - d.h. für die Zukunft - zurückgenommen werden, um ein Anwachsen der bereits jetzt entstandenen Überzahlung der Rente zu verhindern. Hinsichtlich der Entscheidung, ob der Bescheid vom 16.07.2013 auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen sei und die entstandene Überzahlung zurückgefordert werde, ergehe nach separater Anhörung noch eine gesonderte Entscheidung.

Mit Bescheid vom 02.07.2015 nahm die Beklagte sodann den Bescheid vom 16.07.2013 in der Fassung der Folgebescheide hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung zum 01.08.2015 zurück und wies daraufhin, dass gesondert entschieden werde, ob der Bescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen sei.

Die DRV B. S. übersandte nunmehr bei ihr noch vorhandene Altakten hinsichtlich des Klägers an die Beklagte, wobei es sich im Wesentlichen um das Scheidungsurteil des Amtsgerichts F-Stadt vom … handelte. Darin war die am … zwischen dem Kläger und Frau Helga A. geschlossene Ehe geschieden worden. Gleichzeitig war festgelegt worden, dass vom Versicherungskonto des Klägers Rentenanwartschaften von monatlich 216,84 DM, bezogen auf den 31.10.1991, auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau übertragen würden, wobei diese Entscheidung seit dem 17.08.1993 rechtskräftig ist.

Mit Schreiben vom 06.07.2015 führte die Beklagte eine Anhörung beim Kläger dazu durch, dass ihm zu Unrecht im Zeitraum vom 01.07.2013 bis 31.07.2015 ein Betrag von 3.332,34 Euro zu viel an Rente ausgezahlt worden sei. Zwar dürfe ein solcher rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf dessen Bestand vertraut habe. Im vorliegenden Fall könne sich der Kläger jedoch nicht auf Vertrauensschutz berufen. In den Anlagen des Rentenbescheides seien die Auswirkungen des Versorgungsausgleiches leicht nachvollziehbar dargestellt worden. Dem Kläger hätte beim Durchlesen des Bescheides auffallen müssen, dass zwar ein Zuschlag aus dem Versorgungsausgleich bezüglich der zweiten Ehe, jedoch nicht ein Abschlag aus dem Versorgungsausgleich bezüglich der ersten Ehe aufgeführt gewesen sei. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass im Rahmen der ersten Scheidung Rentenanwartschaften zu seinen Lasten übertragen worden seien. Damit hätte ihm die offensichtliche Fehlerhaftigkeit des Bescheides auffallen müssen. Die zu Unrecht gezahlte Rente sei gemäß § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzuzahlen.

Der Kläger antwortete, dass es ihm zwar bekannt sei, zweimal geschieden zu sein. Dies sei aber auch der Beklagten bekannt gewesen und es könne dem Kläger nicht abverlangt werden, die Richtigkeit der Bescheide zu überprüfen. Er könne sich selbstverständlich darauf verlassen, dass sämtliche Daten, die der Beklagten mitgeteilt worden seien, dort auch ordnungsgemäß erfasst und bearbeitet würden. Wenn dies nicht der Fall sei, könne dies nicht zu seinen Lasten gehen.

Die Beklagte nahm mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29.01.2016 den Bescheid vom 16.07.2013 teilweise zurück und legte dar, dass in Höhe von 3.307,22 Euro eine Überzahlung eingetreten sei, die zurückgefordert werde. Der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich hinsichtlich der ersten Ehe sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Es sei eine Aufrechnung mit der laufenden Rentenleistung beabsichtigt. Gründe, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu einer anderen Entscheidung führen könnten, seien auch unter Berücksichtigung der Einwendungen im Rahmen der Anhörung nicht ersichtlich.

Mit Telefaxschreiben vom 24.02.2016 legte der Kläger gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 29.01.2016 Widerspruch ein. Ein begünstigender Verwaltungsakt könne nur widerrufen werden, wenn es Gründe auf Seiten des Begünstigten gebe, welche hierzu legitimierten. Er habe jedoch keine Fehler gemacht habe, sondern diese seien der Beklagten zuzurechnen.

Die Beklagte entschied über den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2016. Sie führte aus, es habe im Fall des Klägers kein Vertrauensschutz bestanden. Für jeden Bescheidempfänger bestehe die Obliegenheit, an ihn adressierte Bescheide vollständig zu lesen, so dass für ihn auffällige Unrichtigkeiten in der konkreten Rechtsanwendung erkennbar würden. Wenn der Kläger trotz der manifesten Evidenz sich der Erkenntnis verschlossen habe, dass der Malus aus dem ersten Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden sei, habe er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Seine Unkenntnis der Fehlerhaftigkeit des Bescheides beruhe somit auf grober Fahrlässigkeit. Die Fristen seien eingehalten. Im Rahmen der Ermessensbetätigung führte die Beklagte aus, dass die rückwirkende Kürzung der Rente des Klägers in Anbetracht des Rentenzahlbetrages nicht allzu sehr ins Gewicht falle. Zusätzlich sei zu beachten, dass der Kläger aus den in den Jahren 2010 bis 2012 erteilten Rentenauskünften ebenfalls schon habe ersehen können, dass nur die Daten aus dem Versorgungsausgleich zur zweiten Ehe erfasst gewesen seien. Im Hinblick auf einen Verschuldensanteil der Beklagten sei es aber gerechtfertigt, die Forderung um die Hälfte auf 1.653,61 Euro zu reduzieren. Insofern werde dem Widerspruch teilweise abgeholfen und im Übrigen werde er zurückgewiesen.

Am 29.07.2016 hat der Kläger hiergegen per Telefaxschreiben Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Er hat erneut geltend gemacht, dass Fehler und Versäumnisse nicht auf seiner Seite entstanden seien, sondern der Beklagten zuzurechnen seien. Sein Vertrauen sei schutzwürdig, da er die erbrachten Leistungen verbraucht habe und dies nicht oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könnte. Wenn die Beklagte dem Kläger vorwerfe, dass ihm hätte bewusst sein müssen, dass die bewilligte Rente ihm nicht in der gewährten Höhe zugestanden habe, so sei es schon verwunderlich, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid die Forderung im Vergleich zum Rentenbescheid herabgesetzt habe. Es sei keine Überzahlung vorhanden, die von dem Kläger erstattet werden müsse. Die Einlassungen der Beklagten würden nicht überzeugen, denn dieser sei bereits aus dem Scheidungsverfahren bekannt gewesen, dass eine Scheidung anstehe. Die Beklagte habe offenkundig intern Fehler gemacht.

Das Sozialgericht Bayreuth hat sich mit Beschluss vom 19.09.2016 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Nürnberg verwiesen.

Das Sozialgericht Nürnberg hat durch Urteil vom 21.02.2017 die Klage abgewiesen. Es ist zum Ergebnis gekommen, dass der Bescheid vom 16.07.2013 bereits ab Beginn objektiv rechtswidrig gewesen sei, da bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt worden sei, dass der Kläger durch eine Scheidung 1993 rentenanwartschaftsausgleichspflichtig geworden sei. Hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides nach § 45 SGB X könne auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 01.07.2016 verwiesen werden. Dem Kläger könne auch die von der Beklagten behauptete grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Der Kläger habe gewusst, dass er zweimal verheiratet gewesen war und dass der eine Versorgungsausgleich einen Malus und der andere Versorgungsausgleich einen Bonus für die Rente ergeben würde. Da die Obliegenheit des Klägers bestehe, Bewilligungsbescheide zu lesen, hätte ihm die Tatsache ins Auge springen müsse, dass nur die eine Ehezeit aufgeführt war, die zu einem Bonus bei seiner Rente führte, und dies hätte ihm verdeutlichen müssen, dass die Rente ihm jedenfalls nicht in der bewilligten Höhe zustehen konnte. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bescheides gehabt. Die Einjahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginne mit der Kenntnis des Aufhebungsgrundes und dies sei hier frühestens mit dem Datenabgleich vom 29.05.2015 der Fall gewesen. Die Beklagte habe auch das ihr zustehende Ermessen vollständig erkannt und ausgeübt. Es habe ein Mitverschulden der Beklagten bei der Überzahlung der Altersrente vorgelegen, da der Kläger alle Angaben korrekt gemacht habe und ein Mitarbeiter der Beklagten die Rente ohne den (ersten) Versorgungsausgleich berechnet habe. Dieses erhebliche Mitverschulden der Beklagten habe die Beklagte im Rahmen des Ermessens berücksichtigt und die Forderung auf die Hälfte der Überzahlung reduziert.

Hiergegen hat der Kläger mit Telefax am 06.03.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und Folgendes ausgeführt: Das Sozialgericht habe zwar richtig zitiert, dass der Kläger unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten wahrnehmen müsse. Fälschlich habe das Gericht allerdings darauf abgestellt, dass der Kläger darum gewusst habe, dass er zweimal verheiratet gewesen sei. Dem Kläger sei nicht zuzumuten gewesen, dass er erkennen hätte müssen, dass in der Anlage 5 des Rentenbescheides diese beiden Scheidungen hätten aufgeführt sein müssen. In jedem Scheidungsverfahren würden Familienrichter darauf hinweisen, dass die Rentenbescheide und Auskünfte der Beklagten vollkommen unverständlich und damit für einen Laien nicht verständlich seien. Deshalb möge man lediglich den Versicherungsverlauf kontrollieren. Dem Kläger könne nicht abverlangt werden, dass er in einem derartig unverständlichen Bescheid hätte bemerken müssen, dass etwas an einer Stelle hätte vermerkt sein müssen, was dort nicht vermerkt gewesen sei. Weshalb angesichts der außergewöhnlichen Fehlerkette auf Seiten der Beklagten ein Mitverschulden in so geringem Maß wie hier vorgenommen gegeben sein solle, sei nicht ersichtlich. Die Fehlerhaftigkeit auf Seiten der Beklagten sei so groß, dass jegliches Mitverschulden auf der Klägerseite letztlich gegen Null gehe. Der Kläger wisse nicht, an welcher Stelle des Bescheides was stehen müsse. Insofern könne er aus der Überschrift der Anlage 5 auch nicht schließen, dass er hier verpflichtet gewesen hätte sein sollen, bei der Beklagten nachzufragen, warum hier eine Scheidung fehle.

Die Bevollmächtigten des Klägers und die Beklagte haben am 28.03.2018 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erteilt (§ 124 Abs. 2 iVm § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.02.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 29.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.02.2017 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151), aber nicht begründet. Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2016 nicht zu beanstanden ist.

Als Rechtsgrundlage für die (teilweise) Rücknahme des Bescheides vom 16.07.2013 kommt allein § 45 SGB X in Betracht. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bescheid vom 16.07.2013 war auch von Anfang rechtswidrig, da bei der Berechnung der dem Kläger ab 01.07.2013 bewilligten Altersrente für langjährig Versicherte ein Abzug aus Versorgungsausgleich bezüglich der ersten Ehe des Klägers nicht berücksichtigt worden ist.

Der Bescheid vom 16.07.2013 konnte auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Denn der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Zwar beruhte der Rentenbescheid nicht auf falschen Angaben des Klägers, so dass eine Bösgläubigkeit aus diesem Grunde (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) ausscheidet. Ebenfalls nicht belegt ist eine positive Kenntnis des Klägers von der Fehlerhaftigkeit des Rentenbescheids, doch vorliegend reicht die grob fahrlässige Unkenntnis von der Fehlerhaftigkeit des Bescheids aus (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Alt. SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Hiervon ist auszugehen, wenn die Mängel des Bewilligungsbescheides für den Begünstigten ohne weiteres erkennbar waren.

Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass der Mangel des Rentenbescheides für den Kläger ohne weiteres erkennbar war. Der Kläger hat nicht nur die Obliegenheit, den Rentenbescheid genau durchzulesen. Dabei ist - wie bereits mehrfach ausgeführt - auf das Verständnis eines juristischen Laien abzustellen (Schütze in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn 56 mwN aus der Rechtsprechung). Der Klägerseite ist zuzubilligen, dass bei einem Laien nicht automatisch die Kenntnis vorausgesetzt werden kann, dass ein Versorgungsausgleich im Rentenbescheid aufscheinen muss und an welcher Stelle dies zu erfolgen hätte. Deshalb dürfte das Fehlen eines Versorgungsausgleichs im Bescheid isoliert für den juristischen Laien kein so offensichtliches Warnsignal bewirken, dass die Nichtkenntnis vom fehlerhaft unterlassenen Berücksichtigen des Versorgungsausgleichs im Rentenbescheid als „grob fahrlässig“ eingeordnet werden müsste.

Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert, da in Anlage 5 des Bescheids ausdrücklich das Thema Versorgungsausgleich behandelt wird, wenn auch fehlerhaft bzw. unvollständig. Dabei ist der Beklagten darin beizupflichten, dass der Kläger um das Vorhandensein zweier Versorgungsausgleiche einmal mit Auswirkungen zu seinen Gunsten und einmal zu seinen Lasten Bescheid wissen musste. Dies entspricht der Fallgestaltung, dass bei einem berücksichtigten Versorgungsausgleich anstelle eines Abschlages versehentlich ein Zuschlag berechnet wurde. Auch hier muss ein Laie erkennen, dass bei einem Versorgungsausgleich zu seinen Lasten ein Zuschlag an Entgeltpunkten ausgeschlossen ist (Bayer. LSG, Urteil vom 30.04.2014, L 20 R 1040/12, juris).

Da hier im fehlerhaften Bescheid ausdrücklich nur eine Ehezeit angesprochen worden war, musste sich auch dem Laien die Frage aufdrängen, warum die andere Ehezeit und der damit zusammenhängende Versorgungsausgleich nicht angesprochen wurde und ob er vergessen worden sein könnte. Beim Kläger bestand zwar ein Versorgungsausgleich zu seinen Gunsten und ein weiterer zu seinen Lasten. Dafür, dass der Kläger aber Gründe für die Annahme hätte haben können, dass dies dazu führe, dass der eine dargestellt werde und der andere nicht, spricht zur Überzeugung des Senats nichts. Auch hat der Kläger nichts Derartiges vorgebracht. Dem Kläger kann damit grob fahrlässige Unkenntnis vorgehalten werden kann.

Die Beklagte hat dabei die Ein-Jahres-Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten, da sie frühestens mit Eintreffen des Scheidungsurteils am 17.06.2015 positive Kenntnis vom Inhalt eines rechtskräftigen Versorgungsausgleichs hatte und damit die richtige Rentenhöhe ermitteln konnte und am 29.01.2016 der Aufhebungsbescheid ergangen war. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass die Frist genauso eingehalten wäre, wenn man schon auf den allerersten Datenabgleich am 29.05.2015 als Fristbeginn sich bezogen hätte.

Die Beklagte hat auch die weitere Frist des § 45 SGB X eingehalten. Zwar ist eindeutig, dass im Januar 2016 die Zwei-Jahres-Frist seit Erlass des Rentenbescheids im Juni 2013 verstrichen gewesen wäre (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Im Fall des Klägers ist jedoch die 10-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X eröffnet gewesen, was schon die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend zu Grunde gelegt haben.

Die Beklagte hat auch hinreichend ihr Ermessen ausgeübt. Sie hat berücksichtigt, dass sie die zutreffenden Angaben des Klägers zum Vorliegen von zwei Scheidungen nicht beachtet hat. Teilweise wird hierzu die Auffassung vertreten, dass die fehlerhafte Verarbeitung der Daten für die Rentengewährung durch die Beklagte untrennbar mit der Rechtswidrigkeit des Bescheides verbunden wären und deshalb bei der Ermessensentscheidung nicht gesondert berücksichtigt werden müssten (vgl. Hinweise bei Schütze a.a.O. Rn. 89). Hinzu kam, dass der Fehler der Beklagten dadurch begünstigt worden war, dass die DRV B. S. nicht alle Aktenbestandteile bei der Übergabe der Führung des Rentenkontos des Klägers an die Beklagte mitübergeben hatte.

Auch in der Zusammenschau beider Punkte liegt aus Sicht des Senats keinesfalls ein so großes Fehlverhalten auf Seiten der Beklagten vor, dass die grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers dahinter wesentlich zurückzutreten hätte und ein Absehen von der Rückforderung der Überzahlung in einem Umfang von mehr als der Hälfte der Forderung zu rechtfertigen gewesen wäre.

Die Erstattungsforderung ist ebenfalls rechtmäßig (§ 50 Abs. 1 SGB X).

Dementsprechend sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht durch das Sozialgericht nicht beanstandet worden. Nach alledem war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.02.2017 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. –

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de
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published on 30/04/2014 00:00

Tenor I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.06.2012 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.12.2017 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbesta
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Annotations

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.