Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 01. Juni 2016 - L 13 R 599/13

published on 01/06/2016 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 01. Juni 2016 - L 13 R 599/13
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Sozialgericht Landshut, S 2 R 1094/11, 04/06/2013

Gericht

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Tenor

I.

Die Beklagte wird unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 4. Juni 2013 sowie des Bescheids vom 21. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2012 verurteilt, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 2001 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

II.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 2000.

Der 1973 geborene Kläger absolvierte von August 1991 bis Januar 1994 erfolgreich eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität P. schloss er im November 1998 mit dem akademischen Grad eines Diplom-Kaufmannes Univ. ab. Er hat von Juli 1998 bis September 2002 Pflichtversicherungszeiten zurückgelegt. Hierbei war er bis Mai 1999 als Diplom-Kaufmann, anschließend bis Dezember 1999 als Redakteur und zuletzt von März bis Juni 2000 als Managing Director bei der O. AG beschäftigt. Von September 2000 bis September 2001 bezog er Arbeitslosengeld, anschließend bis September 2002 Arbeitslosenhilfe. Von Oktober 2002 bis März 2003 studierte der Kläger erneut an der Universität R.

Der Kläger beantragte erstmals am 31. Mai 2007 Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagen. Nachdem die Beklagte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 18. Juni 2007 abgelehnt hatte, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, hob sie den Bescheid im anschließenden Widerspruchsverfahren mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2007 auf und sagte den Erlass eines neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheids nach eingehender Überprüfung des Tatbestands der vorzeitigen Wartezeiterfüllung zu.

Die Beklagte zog daraufhin u. a. Kopien aus der Akte des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes aus den siebziger und achtziger Jahren (insbesondere Bronchitis, Skoliose), Befundberichte behandelnder Ärzte aus den Jahren 1994 (insbesondere akute Lumbago, Verdacht auf Bandscheibenschaden, exogen bedingtes Asthma bronchiale, psychische Belastbarkeit mittelgradig eingeschränkt bedingt durch das Atmungssystem), 2003 (Exstirpation eines Lipoms im Bereich der linken Gesäßhälfte), 2006 und 2007 (sebostatisches Ekzems, rhinokonjunktivalen Beschwerden und Unverträglichkeit von Weizenmehl, Darmsymptomatik mit Durchfall und Erbrechen oft im Zusammenhang mit seelischen Spannungszuständen, MuDr (Univ. P.) P. (diskrete Torsionsskoliose). In einem ebenfalls beigezogenen Gutachten für die Agentur für Arbeit vom 3. Mai 2007 (Dr. G.) wurde dem Kläger aufgrund ausgeprägter psychosomatischer Beschwerden ein unter dreistündiges Leistungsvermögen bescheinigt.

Die Beklagte beauftragte sodann Dr. S. mit der Erstellung eines neurologischpsychiatrischen Gutachtens. Dr. S. stellte in seinem Gutachten vom 26. November 2007 beim Kläger eine psychische Beeinträchtigung, derzeit von krankheitswertigem Ausmaß bei einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, wirbelsäulenabhängige Beschwerden und ein Asthma bronchiale fest. Das Leistungsvermögen des Klägers als Investmentmanager bzw. Finanzredakteur und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei aufgrund der psychischen Störung derzeit auf unter 3 Stunden herabgesetzt. Diese Leistungsbeurteilung gelte ab Antragstellung (31. Mai 2007) bis 31. Oktober 2009.

Aktenkundig wurden dann diverse weitere medizinische Unterlagen. Hervorzuheben sind insoweit die Befundberichte des Klinikums P./Dr. H. vom 14. bzw. 20. November 2007 (Vorstellung des Klägers am 22. August 2007, chronisches Schmerzsyndrom Stadium II nach Gerbershagen, chronisches Wirbelsäulensyndrom bei Skoliose und Beckenschiefstand, muskuläre Dysbalancen, ausgeprägte craniomandibulare Dysfunktion, intermittierendes Asthma bronchiale, atypisches Ekzem, psychosomatische Funktionsstörungen, Anpassungsstörung, Kläger sei seit etwa 2000 arbeitsunfähig) und von Dott. C. vom 22. November 2007 (Behandlung seit 6. Juli 2007, u. a. schwere Anpassungsstörung, Kläger sei seit 2000 arbeitsunfähig).

Der medizinische Dienst der Beklagten erklärte hierzu, der Kläger sei nie in psychiatrischer Behandlung oder in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Es seien keine Befunde dokumentiert, die das Ausmaß der psychiatrischen Erkrankung bis zum Jahr 2000 zurückverfolgen ließen. Es sei also folgerichtig, dass ein erloschenes Leistungsvermögen ab Rentenantragstellung anzunehmen sei.

Die Beklagte bewilligte daraufhin dem Kläger mit Bescheid vom 11. März 2008 unter Zugrundelegung des Eintritts des Leistungsfalls am 31. Mai 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2007 bis 31. Oktober 2009. Ab 1. Mai 2008 wurden laufend monatlich 535,84 Euro gezahlt.

Mit E-Mail vom 10. April 2008 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, in dem er sinngemäß darauf verwies, unter einem frühkindlichen Autismus zu leiden und lebenslang erwerbsunfähig zu sein. Auch habe er ein seltenes Erbleiden mit einem Grad der Behinderung von 100. Seit dem Zeitpunkt der Aufgabe des letzten Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2000 liege bei ihm ein nicht therapiefähiges Dauerleiden vor. Diese lebenslang leidensbedingten Symptome und Folgen hätten bereits im Jahr 2000 zu einem endgültigen Ausstieg aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt geführt. Bis zum März 2007 habe kein Krankenversicherungsschutz und damit bis auf Unfälle kein ärztlicher Zugang bestanden. Es habe bei ihm auch Geschäftsunfähigkeit bzw. nur partielle Geschäftsfähigkeit vorgelegen. Er sei aus nervlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, den Rentenantrag rechtzeitig zu stellen. In Kombination von lebenslanger Behinderung und ständigen Misshandlungen in Kindheit und Jugend habe er sich im Alter von 27 Jahren gänzlich vom allgemeinen Arbeitsmarkt zurückziehen müssen.

Diverse ärztliche Bescheinigungen wurden vorgelegt, wonach aus medizinischer Sicht anzunehmen sei, dass das jetzt zur Rentengewährung führende Leidensbild bereits spätestens im Jahr 2000 bestanden habe.

Die Beklagte holte sodann eine Stellungnahme des ärztlichen Leiters des sozialmedizinischen Dienstes S. Dr. R. ein, wonach der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits mit Aufgabe der Beschäftigung im Jahre 2000 eingetreten sei. Hinweise für das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit seien jedoch nicht zu erkennen.

Die Beklagte gewährte daraufhin mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2008 in Abänderung des Bescheids vom 11. März 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 30. Juni 2000 für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 31. Oktober 2009 und wies im Übrigen den Widerspruch zurück. Der Leistungsfall sei am 30. Juni 2000 eingetreten. Damit ergebe sich ein Rentenbeginn am 1. Mai 2007. In Ausführung dieser Entscheidung wurde dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 29. Juli 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Mai 2007 bewilligt. Es ergab sich ein laufender monatlicher Zahlbetrag ab 1. September 2008 in Höhe von 1.094,33 Euro.

Mit Schreiben vom 9. August 2010 begehrte der Kläger über seinen damaligen Rechtsanwalt die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente bereits ab 1. Juli 2000.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2010 wurde die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 30. November 2013 weitergewährt und in der Folgezeit bis 30. November 2018 weiter bewilligt.

Zum Zeitpunkt 1. Dezember 2010 lagen neben Bescheinigungen von Dr. V. vom 30. Mai 2008 und 17. Dezember 2008 sowie Dr. W. vom 21. Januar 2009, wonach die Geschäftsfähigkeit des Klägers bereits 2000 bis 2007 vermindert gewesen sein soll, auch bereits das von der Beklagte in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. C., Leiter der Abteilung für forensische Psychiatrie und Psychotherapie der, vom 2. November 2010 vor. Dieser Sachverständige kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einer langjährigen, unbehandelten schwer ausgeprägten Manie leide (im Sinne einer Manie mit psychotischer Symptomatik). Aufgrund dessen sei aktuell von einer Geschäftsunfähigkeit und von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen.

Aus einem ebenfalls beigezogenen nervenärztlichen Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 18. August 2010 für das Amtsgericht P. (Betreuungsgericht) ergibt sich, der Kläger sei nicht in der Lage, sich in adäquater und sinnvoller Weise um seine behördlichen und versicherungsrechtlichen Angelegenheiten zu kümmern. Der Einrichtung einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern wäre zumindest versuchsweise sinnvoll. Als generell geschäftsunfähig sei der Kläger nicht anzusehen. In einzelnen Teilbereichen könne es im Rahmen von Konfliktsituationen zu Zuständen kommen, in denen der Betroffene so wenig adäquat und realitätskonform reagiere, dass von faktischer Geschäftsunfähigkeit ausgegangen werden könne. Dieses Gutachten führte dazu, dass das Amtsgericht P. mit Beschluss vom 12. November 2010 Betreuung für den Kläger anordnete.

Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2010 machte der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer geltend. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens begehrte er mit Schreiben vom 20. Juni 2011 über seinen damaligen Prozessbevollmächtigten unter Hinweis auf das Gutachten von Prof. Dr. C. erneut Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. April 2007. Es sei bei Antragstellung Geschäftsunfähigkeit gegeben gewesen. Es sei daher auf den Leistungsfall abzustellen.

Am 30. September 2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) unter dem Az. S 2 R 1094/11 mit dem Begehren erhoben, für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. April 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2011 wurde der Widerspruch vom 14. Dezember 2010 zurückgewiesen. Soweit der Widerspruch sich auf eine Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. April 2007 richte, sei er unzulässig, da der Bescheid vom 1. Dezember 2010 hierüber keine Aussagen enthielte.

Mit angefochtenem Bescheid vom 21. November 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 9. August 2010 auf Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. April 2007 ab. In einem weiteren Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit der Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz, einem Petitionsverfahren sowie dem damit einhergehenden Prüfungsverfahren des Bundesversicherungsamtes habe sich der Kläger selbst vertreten. Auch habe er seine Ehefrau in deren Rentenverfahren als Bevollmächtigter vertreten. Dies verdeutliche, dass er offensichtlich in der Lage sei, seine Interessen gegenüber dem Rentenversicherungsträger eigenständig zu vertreten und Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Auch im Gutachten von Dr. S. sei ausgeführt, dass der Kläger nicht generell als geschäftsunfähig anzusehen sei. Mit Beschluss vom 11. Januar 2011 sei auf den Antrag des Klägers hin die Betreuung wieder aufgehoben worden. Eine Betreuung sei nach dem Gutachten von Dr. S. nur mit Einverständnis möglich. Daher sei die Betreuung auf Antrag des Klägers wieder aufzuheben gewesen. Das Amtsgericht P. sei also ebenfalls nicht von Geschäftsunfähigkeit ausgegangen. Auch durch die Erhebung der Klage zum Sozialgericht Augsburg und Stellung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz sei bewiesen, dass der Kläger in der Lage sei, eigenständige Verfahrenshandlungen vorzunehmen.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit Schreiben vom 28. November 2011 und verwies auf das Gutachten von Prof. Dr. C ... Danach bestehe die beim Kläger zu diagnostizierende Störung in ihrem Vollbild seit Ende der 1990er Jahre. Die Erkrankung sei so ausgeprägt, dass grundsätzlich von einer Geschäftsunfähigkeit auszugehen sei. Auch sei vom Psychiater S. am 15. April 2011 attestiert worden, es sei grundsätzlich von einer langjährigen Geschäftsunfähigkeit auszugehen. Aus einem ebenfalls beigefügten Befundbericht des Psychiaters S. gehen regelmäßige fachpsychiatrische Kontakte des Klägers ab August 2008 hervor. Er, also der Psychiater S., teile die Meinung von Prof. Dr. C. insoweit, dass grundsätzlich von einer langjährigen Geschäftsunfähigkeit auszugehen sei. Sie sei als seit dem Erwachsenenalter bestehend anzunehmen. Der Kläger machte weiter geltend, in einem für die Krankenversicherung in Auftrag gegebenen Gutachten des Herrn B. vom 17. September 2009 sei ausgeführt, es liege bei ihm eine Ideenarmut und Initiativlosigkeit vor, welche sich vor allem in der jahrelangen Verzögerung seiner Berentung gezeigt habe. In dem ebenfalls beigefügten Befundbericht von Dr. S. vom 8. Juli 2008 ist ausgeführt, die verspätete Antragstellung sei als Folge der psychischen Störung anzusehen.

Ferner übersandte der Kläger eine Bestätigung des Finanzamts P. vom 6. April 2011 über den Inhalt von Einkommensteuerbescheiden von 2001 bis 2007, ein Zeugnis der O. AG über die Beschäftigung des Klägers vom 1. März bis 30. Juni 2000 als Managing Director, einen Befundbericht von Dr. B. vom 28. November 2007, wonach beim Kläger eine schwerste neurotische Fehlentwicklung vorliege. Er könne sich nicht vorstellen, dass beim Kläger eine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe. Der Facharzt für Psychiatrie B. erklärte am 14. April 2011, aus psychiatrischer Sicht bestehe beim Kläger in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Prof.Dr. C. diagnostisch eine Manie mit daraus resultierender Erwerbs- und Geschäftsunfähigkeit. Der Allgemeinarzt Dr. B. erklärte in seinem Attest vom 13. April 2011, die Aussage Prof. Dr. C. bezüglich der langjährigen Geschäftsunfähigkeit (aufgehoben am 11. Januar 2011) halte er aus hausärztlicher Sicht für ausreichend. Aus einem ebenfalls vorgelegten Schreiben der X. Versicherung vom 12. März 2001 geht hervor, dass der Kläger mit diesem Schreiben einen Versicherungsschein über eine Rentenversicherung erhalten hat. Die monatliche Zahlungsverpflichtung ab 1. März 2001 belief sich damals auf 100.- DM. Mit Schreiben vom 26. Januar 2012 erklärte die X. Versicherung, der Versicherungsvertrag sei nicht zu Stande gekommen. Es bestehe kein Versicherungsschutz. Vorgelegt wurde schließlich eine „Zeugenaussage zum gesundheitlichen Zustand unseres Adoptivsohns T. (1998-2011)“ des Forstingenieurs K ... Daraus geht u. a. hervor, dass der Kläger, der Enkel von Herrn K., ab Juni 1998 für ihn nicht ansprechbar oder gesellschaftsfähig gewesen sei. Verwunderlich sei auch gewesen, dass der Kläger ab dem Zeitpunkt der Eheschließung im Juni 2000 nicht mehr gearbeitet habe. Er hätte ihn als extrem unruhig, rastlos und in seiner eigenen Krankheit gefangen erlebt. Gegenüber seiner Ehefrau sei er hörig und abhängig gewesen, er habe sich von seiner Außenwelt abgegrenzt. Gegen tätliche Angriffe seiner Ehefrau habe er sich nicht zur Wehr gesetzt. Sein Sprachtempo sei so schnell gewesen, dass er nicht mehr zu verstehen gewesen sei.

Die Beklagte zog ein Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 11. August 2000 in einem Arbeitsrechtsstreit gegen die O. AG sowie eine Niederschrift über eine öffentliche Sitzung des Landesarbeitsgerichts K. vom November 2001 bei, in der der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt wurde. Beigezogen wurden auch - in Auszügen - die Einkommensteuerbescheide für 2001, 2002, 2005.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2012 zurückgewiesen. Das Vorliegen einer durchgehenden Geschäftsunfähigkeit in der Zeit vom 2000 bis 2007 könne aus der Gutachtenslage nicht abgeleitet werden. Dieser Nachweis wäre erforderlich, da die Antragstellung bei zwischenzeitlich bestehender Geschäftsfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG innerhalb von 3 Monaten hätte erfolgen müssen. Prof. Dr. C. habe nur bestätigt, dass aktuell von dem Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit auszugehen sei. Auch die zahlreichen Handlungen in der Zeit von 2000 bis 2007 (Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bezug vom 4. September 2000 bis 30. September 2002) und die Korrespondenz mit Bundestagsabgeordneten widerspreche der Annahme von Geschäftsunfähigkeit. Auch sei den Steuerbescheiden 2002 bis 2005 zu entnehmen, dass eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei, bis November 2001 sei ein Arbeitsgerichtsprozess geführt worden. Auch in der Zeit nach Beantragung der Rente seien weitere Verfahrenshandlungen vorgenommen worden. Der Widerspruch wurde zum Gegenstand des laufenden Klageverfahrens erklärt.

Im Rahmen des bereits anhängigen Klageverfahrens ist eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. F. vom 5. Juli 2012 übersandt worden, wonach ab 2000 Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer aufgehobenen Leistungsfähigkeit bestanden habe. Von Prof. Dr. C. und vom behandelnden Psychiater S. sei eine langjährige Geschäftsunfähigkeit bestätigt worden. Sein geistiger Zustand zwischen 2000 und 2010 habe nicht das notwendige Maß an Einsicht für die Teilnahme am Rechtsverkehr erlaubt. Vorgelegt wurde auch ein einseitiges Gutachten zur atypischen Persönlichkeitsveränderung des Klägers von Dr. S. vom 31. Juli 2012. Danach sei der Kläger aufgrund massiver Misshandlungen in der Kindheit sowie deren Aktivierung durch die sexuelle Nötigung 1998 schwer traumatisiert und dadurch gegenwärtig außer Stande, diese seine Intelligenz in soziale Wirksamkeit umzusetzen. Aus einem Bericht über eine Überprüfung der Wohnfläche des Klägers durch den Architekten K. vom 3. Dezember 2011 geht hervor, dass die Räume der Wohnung des Klägers nicht den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung entsprächen.

Aktenkundig ist ferner ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 8. Februar 2012 geworden. Hierin ist festgestellt, dass die Alltagskompetenz nicht erheblich eingeschränkt und keine Pflegestufe zu vergeben sei.

Ein Gutachten von Dr. F. vom 5. Dezember 2012, das eine ausführlichere Fassung der gutachterlichen Stellungnahme vom 5. Juli 2012 darstellt, ist vorgelegt worden. Aus einem Urteil des Arbeitsgerichts K. vom 19. Januar 2001 bzw. Schriftsätzen der O. AG gehe hervor, dass die O. AG geltend gemacht habe, zur Kündigung berechtigt zu sein, weil der Kläger keine zufriedenstellende Arbeiten abgeliefert habe. Der Kläger habe sich in sinn- und zwecklosem Aktivismus ergangen, gegen Vereinbarungen des Anstellungsvertrages verstoßen, selbstständig ohne Berechtigung Mitarbeiter eingestellt und nicht durchführbare Konzepte vorgelegt. Dies habe darauf beruht, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2013 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung vom 30. September 2011 geschäftsfähig gewesen, nachdem mit Beschluss vom 11. Januar 2011 auf Antrag des Klägers die Betreuung aufgehoben worden sei. Erst mit Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 16. April 2012 sei wieder eine Betreuung bestellt worden. Im Übrigen verwies das SG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Nervenärztliche Unterlagen lägen erst ab dem Jahr 2007 vor. Soweit der Sachverhalt mangels objektiver Unterlagen nicht vollständig geklärt werden könne, gehe dies zulasten des Klägers. Auch im Wege des Herstellungsanspruchs ergebe sich kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von 2000 bis 2007. Der Kläger habe Arbeitslosengeld bezogen. Das Arbeitsamt sei also der Auffassung gewesen, dass der Kläger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Auch könne ein Anspruch insoweit nur maximal 4 Jahre rückwirkend geltend gemacht werden.

Hiergegen hat der Kläger zusammen mit seiner Betreuerin Berufung eingelegt und vorgetragen, das Amtsgericht P. (Abteilung Familiensachen) habe in einem parallel geführten Verfahren wegen Eheaufhebung rechtskräftig durch Beschluss vom 11. Februar 2014 (Az. 5 F 800/10) festgestellt, dass der Kläger in der Zeit von 2000 bis 2007 durchgehend geschäftsunfähig und auch eheschließungsunfähig gewesen sei. Beigefügt war ein Beschluss vom 7. Februar 2014 des Amtsgericht O. mit oben angegebenen Az., wonach die am 3. Juni 2000 vor dem Standesbeamten des Standesamtes B. geschlossene Ehe der Ehegatten aufgehoben wird, sowie ein Gutachten von Dr. K. vom 18. November 2013 für das Amtsgericht O ... Hierin ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger am 3. Juni 2000 aufgrund der Symptome der bei ihm zu diesem Zeitpunkt bestehenden psychotischen Manie nicht in der Lage gewesen sei, selbstständig wirksame Rechtsgeschäfte abzuschließen, mithin an diesem Tag bei ihm die medizinischpsychiatrischen Voraussetzungen für das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit gegeben gewesen seien.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte einen Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 30. Juli 2013 vor, wonach die Betreuung des Klägers wieder aufgehoben wurde.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass nach dem Gutachten des Dr. K. lediglich zum 3. Juni 2000 vom Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit auszugehen sei, nicht jedoch für die Zeit von Juli 2000 bis April 2007. Aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2001 bis 2005 könne auf die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in diesem Zeitraum geschlossen werden. In der Kläger habe mehrfach berichtet, damals gemeinsam mit seiner ehemaligen Ehefrau eine kleine Lebensstilberatung gegründet zu haben. Auch liege ein Schreiben der „N. Verlags-GmbH“ vom 17. Mai 2005 über die gegenseitige Auflösung eines Vertragsverhältnisses und die Zahlung einer Aufwandsentschädigung vor. Der Kläger sei in diesem Zeitraum auch in der Lage gewesen, eigenständig einen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen. Die Gutachten der Agentur für Arbeit gäben keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit im Jahr 2007. Vielmehr war nach dem Gutachten der Agentur für Arbeit vom 2. Mai 2007 eine Leistungsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung anzunehmen. Auch Dr. B. weise in seinem Gutachten vom 17. Februar 2008 nicht auf das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit hin. Der Kläger habe diverse Korrespondenz mit dem Bundestag geführt und sei als Bevollmächtigter im Rentenverfahren seiner damaligen Ehefrau aufgetreten. Dies verdeutliche ebenso wie die von ihm in den eigenen Rentenverfahren vorgenommenen gezielten Verfahrenshandlungen, dass er in der Lage war, seine Interessen gegenüber dem Rentenversicherungsträger eigenständig zu vertreten. Auch habe das Bundesversicherungsamt im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Prüfung darauf hingewiesen, dass die vom Kläger vorgelegten Atteste nicht überzeugen könnten, da sie allesamt auf Sachverhalte rekurrierten, die sich weit vor der erstmaligen Konsultation des Klägers eines Arztes zugetragen hätten. Sie erschöpften sich in formelhaften Wendungen, denen zu der hier behaupteten Geschäftsunfähigkeit keine substantiierten Hinweise entnommen werden könnten. Die gebietsfremden Atteste seien ohne Aussagekraft und für die Beweisführung mithin nicht ausreichend. Auch hätten die subjektiven Vorstellung des Klägers erheblichen Einfluss auf den Inhalt der ärztlichen Bescheinigungen genommen. Dies belege ein Schreiben der Hausärztin des Petenten vom 23. Juni 2008, die darin erkläre, dass sie eine vom Kläger mit ihrem Briefbogen vorgefertigte Bescheinigung - trotz eigener Zweifel - unterschrieben habe.

Auch in dem Gutachten des Dr. S. vom 18. August 2010 für das Amtsgericht P. im Rahmen des Betreuungsverfahrens sei ausgeführt, dass der Kläger nicht generell als geschäftsunfähig anzusehen sei. In Einzelfällen könne es im Rahmen von Konfliktsituationen zu Zuständen kommen, in denen der Betroffene so wenig adäquat und realitätskonform reagiert, dass von faktischer Geschäftsunfähigkeit ausgegangen werden könne. Dies führte dann zur Anordnung der Betreuung mit Beschluss vom 15. November 2010. Mit Beschluss vom 11. Januar 2011 sei auf Antrag des Klägers die Betreuung wieder aufgehoben worden. Der Kläger sei nach dem Gutachten von Dr. S. vom 18. August 2010 einwilligungsfähig. Somit könne eine Betreuung nur mit seinem Einverständnis errichtet werden. Das Amtsgericht O. habe also keine Geschäftsunfähigkeit festgestellt. Auch in den vom Kläger initiierten Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht B-Stadt sei zu keinem Zeitpunkt von dem Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit ausgegangen worden.

Prof. Dr. C. habe nur ausgeführt, dass aktuell im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Gutachten vom Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit des Klägers auszugehen sei. Eine Manie sei eine affektive Störung, die meist phasenweise verlaufe. Es könne daher nicht das Vorliegen einer durchgehenden Geschäftsunfähigkeit in der Zeit von 2000-2007 angenommen werden. Dafür spreche auch das Attest der Dr. P. vom 30. Juni 2006, worin sie den psychiatrischen Befund des Klägers als normal bezeichnet, sowie die Ausführungen des Allgemeinmediziners Dr. L. im ärztlichen Attest vom 27. Juli 2006, aus dem sich ebenfalls keine Hinweise auf Geschäftsunfähigkeit oder eine schwere psychiatrische Erkrankung entnehmen ließen.

Mit Schreiben vom 2. Oktober hat der Kläger in dem Verfahren L 13 R 883/14 ER beantragt, die Beklagte im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ab sofort laufende Rente in Höhe von 1.609,88 Euro und einen Vorschuss auf Rückstände in Höhe von 146.178,27 Euro sowie einen Vorschuss auf Zinszahlung zu zahlen. Zu Begründung wurde darauf verwiesen, der Kläger sei seit 1. Juli 2000 erwerbsgemindert und durchgängig geschäftsunfähig. Der Senat hat mit Beschluss vom 12. Januar 2015 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es liege kein Anordnungsgrund vor. Der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache sei offen. Prof. Dr. C. habe nur ausgeführt, es sei aktuell von einer Geschäftsunfähigkeit und von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen. Von einer durchgängig ab Juni 2000 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehenden Geschäftsunfähigkeit sei dem Gutachten nicht explizit die Rede. Hier dränge sich aber eine Nachfrage beim Sachverständigen auf, ob diese Feststellung der Geschäftsunfähigkeit auch rückwirkend ab Juni 2000 mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit getroffen werden könne, nachdem Prof. Dr. C. zu der Einschätzung gekommen sei, das Vollbild der Manie liege beim Kläger bereits seit Ende der Neunzigerjahre vor. Es sei beabsichtigt diese Nachfrage im Rahmen des Hauptsacheverfahrens nachzuholen.

Auf Nachfrage durch den Senat hat Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. August 2015 ausgeführt, Geschäftsunfähigkeit habe beim Kläger auch schon im Juni 2000 angenommen werden können. Beim Kläger habe die zu diagnostizierende Manie in ihrem Vollbild spätestens seit Ende der Neunzigerjahre bestanden. Damit sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch davon auszugehen, dass Geschäftsunfähigkeit auch schon im Juni 2000 angenommen werden könne.

Die Beklagte wies in ihrer Stellungnahme vom 19. Oktober 2015 erneut auf den Befundbericht von Frau P. vom 30. Oktober 2006 hin, die außer einer inneren Anspannung keine weiteren psychiatrischen Auffälligkeiten habe feststellen können. Auch der Gutachter Dr. G. (Gutachten vom 3. Mai 2007) spreche nur von einer psychosomatischen Symptomatik, die im Vordergrund stehe. Auch wurde erneut auf den Befundbericht von Dr. L. vom 27. Juli 2006 hingewiesen. Dr. C. beschreibe in einem Befundbericht vom 18. Juli 2007 nur ein endoreaktiv depressives Syndrom.

Die Schwierigkeit der Sachlage bestehe darin, dass der Kläger tatsächlich an einer schweren affektiven Störung leide. Allerdings betone auch Prof. Dr. C., dass die Manie als affektive Störung meist phasenweise verlaufe. Dr. S. beschreibe im August 2010 jedoch noch, dass hinsichtlich der Einwilligungserklärung von gegebener Geschäftsfähigkeit auszugehen sei. Geschäftsunfähigkeit sei nur bei überdauernden Störungen der Geistestätigkeit zu attestieren. Zwar bestehe eine schwerwiegende psychische Erkrankung beim Kläger, es sei aber nicht von einem unbeeinflussbaren Dauerzustand auszugehen. Der Kläger habe auch selbst depressive Verstimmungen beschrieben, ebenso gebe es Schwankungen bezogen auf die Intensität der Symptomatik. Auch angesichts seiner Aktivitäten (Beantragung von Arbeitslosengeld, Erstellung von Steuererklärungen, Führung eines Arbeitsgerichtsprozesses, Stellung von Rentenanträgen) sei davon auszugehen, dass der Kläger seine Interessen gegenüber Behörden trotz Erkrankung gut habe vertreten können. Läge bereits seit Ende der Neunzigerjahre Geschäftsunfähigkeit vor, wären alle diese Willenserklärungen unwirksam. Auch werde von Prof. Dr. C. nicht berücksichtigt, dass unter einer konsequenten psychopharmakologischen Therapie die manische Symptomatik gebessert werden könnte, also nicht von einem Dauerzustand ausgegangen werden könne. Es könne also nicht von einer überdauernden Geschäftsunfähigkeit ausgegangen werden, sondern nur von einer phasenweisen Nichtigkeit der Willenserklärungen. Ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. März 2008, Az. L 5 R 22/06 KN wurde vorgelegt, wonach bei einer bipolaren Störung, die durch einen Phasenverlauf gekennzeichnet sei, nicht zwingend von einer Geschäftsunfähigkeit oder beschränkten Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden könne.

Hierzu hat Prof. Dr. C. unter dem 6. April 2016 erneut ergänzend Stellung genommen. Prof. Dr. C. hat erneut betont, dass der Kläger an einer langjährigen, unbehandelten und schwer ausgeprägten Manie im Sinne einer Manie mit psychotischer Symptomatik leide. Diese Manie bestehe in ihrem Vollbild seit Ende der Neunzigerjahre. Beim Kläger habe eine überdauernde Erkrankung vorgelegen mit expliziten Auswirkungen auf die Fähigkeiten zur freien Willensbildung und Willensäußerung. Geschäftsunfähigkeit sei ein fortbestehendes persönliches Merkmal, das nur bei überdauernden Störungen der Geistestätigkeit zu attestieren sei. Dies sei beim Kläger der Fall. Zwischenzeitlich sei nach seiner Begutachtung eine psychopharmakologische Therapie angeboten worden, so dass der Kläger unter adäquater Psychopharmakotherapie möglicherweise derart gebessert sein könnte, dass nicht mehr von einer Geschäftsunfähigkeit auszugehen sei.

Die Beklagte hat an ihrer Einschätzung festgehalten.

In der mündlichen Verhandlung am 1. Juni 2016 haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass die mögliche Weiterbewilligung über April 2018 hinaus nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein solle. Die Beteiligten gingen ebenfalls übereinstimmend davon aus, dass im Falle einer rückwirkenden Rentenbewilligung für die Zeit vor 2007 eine neue Rentenberechnung erfolgen muss, die auch die bisherigen Rentenzahlungszeiträume bis April 2018 umfassen wird.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Landshut vom 4. Juni 2013 sowie des Bescheids vom 21. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2012 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 1. Juli 2000 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet. Dem Kläger steht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 2001 auf Dauer zu. Der (allein) angefochtene Bescheid vom 21. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2012 war insoweit abzuändern. Kein Rentenanspruch besteht für den Zeitraum 1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2000. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat mit angefochtenem Bescheid vom 21. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2012 zu Unrecht den erneuten Antrag des Klägers vom 9. August 2010 auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 1. Juli 2000 abgelehnt.

Für den Senat steht fest, dass der Kläger aufgrund seiner seelischen Erkrankung seit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben am 30. Juni 2000 erwerbsunfähig im Sinne des § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.) ist und ihm ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 1. Januar 2001 zusteht ...

Gem. § 44 Abs. 1 SGB VI a. F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie

1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a. F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 S. 2 SGB VI).

Bestand am 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, besteht der jeweilige Anspruch bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgeblich waren (§ 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI n. F.). Bei befristeten Renten gilt dies auch für einen Anspruch nach Ablauf der Frist (§ 302b Abs. 1 S. 2 SGB VI n. F.)

Für den Senat steht fest, dass der Kläger aufgrund der bei ihm nach den Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. C. vorliegenden Manie, die in ihrem Vollbild spätestens seit Ende der Neunzigerjahre besteht, mit dem Ende seiner Beschäftigung zum 30. Juni 2000 auf nicht absehbare Zeit außerstande war, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt.

Prof. Dr. C. hat dargelegt, dass sich beim Kläger von Beginn an im Querschnitt ein deutlich ausgeprägtes manisches Zustandsbild gezeigt hat. Kernkriterium einer Manie ist die rastlose Aktivität und Unruhe, die beim Kläger idealtypisch ausgeprägt ist. In der Regel erkennt man ein hemmungsloses und unkritisches, oft situationsunangemessenes Verhalten. Dem Erkrankten gehen ständig neue Ideen durch den Kopf, was zur Weitläufigkeit, Ideenflucht oder zu verworrenem Denken führen kann. Kernkriterium ist ferner die ausgeprägte Logorrhoe. Auch beim Kläger fand sich ein ausgeprägter Rededrang, ein ins Maßlose gesteigertes Selbstbewusstsein und ein damit verbundener Realitätsverlust. Von einer Manie Betroffene sind nach den Feststellungen von Prof. Dr. C. in der Regel nicht in der Lage, einer geordneten und beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Auch Dr. S. geht ausweislich seiner Stellungnahme vom 15. April 2008 an die Beklagte davon aus, dass die zur Erteilung einer Erwerbsminderungsrente führenden Störungen und Einschränkungen bereits spätestens im Jahre 2000 bestanden haben. Dass dies für den Kläger ab 30. Juni 2000 bis 30. April 2007 und darüber hinaus gilt, wird von der Beklagten ebenfalls nicht in Abrede gestellt. Sie selbst ist von einem Eintritt des Leistungsfalls der „geminderten Erwerbsfähigkeit“ zum 30. Juni 2000 ausgegangen und hat diesen Zeitpunkt ihrer Rentenberechnung zugrunde gelegt.

Bei einem Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbsunfähigkeit zum 30. Juni 2000 sind auch unstrittig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Voraussetzung des § 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, wonach in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen müssen, entfällt gemäß § 44 Abs. 3 SGB VI i. V. m. § 43 Abs. 4 SGB VI beim Kläger. Nach letzterer Bestimmung ist eine Pflichtbeitragszeit von 3 Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Beim Kläger ist die allgemeine Wartezeit gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 SGB VI vorzeitig erfüllt, weil er vor Ablauf von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung (hier: Beendigung der Hochschulausbildung am 31. Mai 1998) erwerbsunfähig geworden ist und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat.

Erwerbsunfähigkeit ist beim Kläger im gesamten strittigen Zeitraum auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er zeitweise „selbstständig tätig“ war. Die Beklagte geht aufgrund der Eintragungen in den Einkommensteuerbescheiden sowie der Angaben des Klägers davon aus, dass er sich zusammen mit seiner Ehefrau selbstständig gemacht und eine kleine Lebensstilberatung gegründet hat. Gemäß § 44 Abs. 2 S. 2 SGB VI a. F. ist zwar nicht erwerbsunfähig, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübt. Der Kläger selbst hat gegenüber Prof. Dr. C. angegeben, ab Mai 2000 nicht mehr erwerbstätig und auch nicht selbstständig tätig gewesen zu sein. Der Senat hält dies für glaubwürdig. Ihm fällt die Vorstellung schwer, dass der Kläger in seinem gesundheitlichen Zustand wirklich selbstständig als „Lebensstilberater“ tätig gewesen sein sollte. Jedenfalls gilt der Ausschluss des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. aber nicht für Versicherte wie den Kläger, die während der Ausübung der „selbstständigen Tätigkeit“ geschäftsunfähig sind.

Zwar enthält § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI grundsätzlich einen umfassenden Leistungsausschluss in dem Sinne, dass Versicherte, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, vom Schutzbereich der Versicherung gegen Erwerbsunfähigkeit nicht erfasst werden. Es kommt nicht auf den Umfang der ausgeübten Tätigkeit, sondern nur auf die Ausübung einer solchen Tätigkeit überhaupt an. Eine selbstständige Tätigkeit liegt vor, wenn diese auf Erwerb ausgerichtet und in Absicht der Gewinnerzielung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausgeübt wird (so schon BSG vom 15. Dezember 1977, SozR 2200 § 1247 Nr. 19). Bei dem Geschäftsunfähigen mangelt es aber an einer Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit auf eigene Rechnung, da sämtliche mit der selbstständigen Tätigkeit verbundenen Willenserklärungen unwirksam sind (vgl. § 105 Abs. 1 BGB). Die Ausschlussklausel des § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI dient dem sozialpolitischen Zweck zu verhindern, dass ein Versicherter Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht und neben dieser für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bestimmten Rente Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt. Dieser sozialpolitische Zweck wird bei einem Geschäftsunfähigen von vornherein verfehlt, da er nicht wirksam Einkünfte aus seiner Tätigkeit erzielen kann. Auch würde es dem gebotenen Schutz Geschäftsunfähiger zuwiderlaufen, eine von einem Geschäftsunfähigen ausgeübte „selbstständige Tätigkeit“ als geeignet anzusehen, eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum Wegfall zu bringen.

Der Kläger ist nach Auffassung des Senats seit Juni 2000 ununterbrochen jedenfalls bis 9. August 2010 (Zeitpunkt der Rentenantragstellung) geschäftsunfähig gewesen. Geschäftsunfähig ist gemäß § 104 Nr. 2 BGB, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995, XI ZR 70/95, in juris, m. w. N.).

Der Senat folgt der Einschätzung der erfahrenen Sachverständigen Dr. F. und Prof. Dr. C., die übereinstimmend den Kläger aufgrund seiner manischen Erkrankung als seit Juni 2000 durchgängig als geschäftsunfähig erachten. Hierfür spricht ebenfalls das Gutachten von Dr. K ...

Der Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit liegt in der mindestens seit Juni 2000 beim Kläger vorliegenden Manie mit psychotischen Symptomen. Nach den Worten von Prof. Dr. C. liegt beim Kläger eine manische Psychose vor, die einen schweren Ausprägungsgrad zeigt und bereits langjährig anhaltend ist, unter anderem deshalb, weil zwischenzeitlich keine Behandlung stattgefunden hat. Daraus resultierte auch die Unfähigkeit des Klägers durchgehend ab Juni 2000, seinen Willen frei und unbeeinflusst von dieser Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln.

Dr. F. hat ausweislich seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 5. Juli 2012 sowie seines Gutachtens vom 5. Dezember 2012 für den Senat nachvollziehbar erklärt, dass der geistige Zustand des Klägers zwischen dem plötzlichen Verlust des letzten Arbeitsplatzes und 2007 nicht das notwendige Maß an Einsicht für die Teilnahme am Rechtsverkehr erlaubte.

Der Kläger hat nach einer sexuellen Nötigung im Jahr 1998 seine bisherige soziale Identität aufgegeben. Es folgte ein sozialer Rückzug mit Isolierung. Er hatte nur noch Kontakt zu seiner späteren Ehefrau, die allerdings bis 2003 in F. arbeitete und auch wohnte, während er in O. lebte. Zu diesem Zeitpunkt bestanden seine zwischenmenschlichen Beziehungen aus einer aggressivdemütigenden Partnerschaft zu einer psychisch gestörten Frau und sexualisierten Internetbekanntschaften. Dr. F. hat dem Kläger eine manische Psychose mit Internetsucht bescheinigt, die sich im Laufe der Jahre chronifiziert hatte.

Dr. F. hat auch auf eine Stellungnahme des letzten Arbeitgebers des Klägers (O.) hingewiesen. Daraus ergibt sich, dass der Kläger eigenmächtig Arbeitsverträge, Mietverträge, Dienstleistungsverträge etc. im Namen seines Arbeitgebers abgeschlossen und sich zudem als stellvertretender Vorstand ausgegeben hat. Durch diese unberechtigte Vorgehensweise seien erhebliche Aufwendungen entstanden. Auch dies belegt nach den Worten von Dr. F. für den Senat nachvollziehbar eine manische Hyperaktivität des Klägers bereits zu diesem Zeitpunkt.

Die manische Hyperaktivität des Klägers wird für die Jahre 1998 bis 2011 bestätigt durch die von einem Steuerberater angefertigte Zusammenstellung der digitalen Aktivitäten des Klägers am Computer. Daraus geht hervor, dass der Kläger rein rechnerisch zwischen 5 und 10 Stunden fast täglich am PC verbrachte und sich einschlägige (pornographische) Bilder und Dokumente herunterlud. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 2. November 2010 stellt die stundenlange Beschäftigung mit dem Computer eine charakteristische Verhaltensweise bei Menschen mit einer manischen Erkrankung dar.

Die manische Erkrankung mit Internetsucht war nach den Feststellungen von Dr. F. mit einer sozialen Isolierung und Vernachlässigung sozialer Aufgaben und Pflichten verbunden. Der Kläger flüchtete sich in eine Traumwelt mit Plüschtieren als Menschenersatz. Gegenüber Dr. K. hatte der Kläger angegeben, bei seinen Plüschtieren (neben zahlreichen Bären auch beispielsweise einem Hai und einem Fuchs) Trost und Zuflucht gefunden zu haben. Er habe die Tiere bei ihrem „Leben“ intensiv begleitet, habe ständig mit ihnen gesprochen, habe sie sich verloben und heiraten lassen. Sie hätten dann auch eine Familie gegründet und Nachwuchs bekommen und seien glücklich gewesen. Diese wahnhaftregressive Beschäftigung mit Plüschtieren dauerte etwa bis 2007/2008 an. Aktenkundig sind diverse Fotos des Klägers von seinen Plüschbären (zum Beispiel „Der Bär in Reisekleidung“, „Der Bär lernt“, „Weihnachten mit Plüschtieren“, „Mit Plüschtieren in Australien“, Der Bär bei der Mäusejagd“, „Der Bär lernt Computer“ usw.) ab Sommer 1999.

Bereits zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Juni 2000 und in den folgenden Jahren bestand also beim Kläger eine für das Vorliegen von Manie typische rastlose Aktivität und Unruhe mit starker Erregung und innerer Getriebenheit, Vernachlässigung von Körperhygiene und Realitätsverlust. Ein Indiz hierfür sind auch die Aussagen des Forstingenieurs K., die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat. Dieser hat den Kläger als extrem unruhig, rastlos und in seiner eigenen Krankheit gefangen erlebt. Sein Sprachtempo sei so schnell gewesen, dass er nicht mehr zu verstehen gewesen sei.

Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. C. ergab sich nach wie vor ein ausgeprägter manietypischer Befund. Das Verhalten des Klägers war während der Begutachtung durch eine ausgeprägte innere und motorische Unruhe geprägt. Es war zu Beginn der Untersuchung und durchgängig im weiteren Verlauf eine charakteristische Stimmungsauslenkung beim Kläger zu beobachten. Das Kernkriterium einer Manie mit rastloser Aktivität und Unruhe war bei ihm idealtypisch ausgeprägt.

Schließlich bestätigt das im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten von Dr. K. ebenfalls das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit, auch wenn dieses Gutachten - in Übereinstimmung mit dem Gutachtensauftrag - nur zu der Frage explizit Stellung nimmt, ob der Kläger zum Zeitpunkt seiner Eheschließung am 3. Juni 2000 geschäftsunfähig war.

Dr. K. hat ausgeführt, dass es bereits ab Mitte 1998 zu gravierenden Auffälligkeiten gekommen sei. Der Kläger habe damals mit diversen Firmen (O., F. Deutschland, C. usw.) Verträge zum Teil mit hohen leistungsbezogenen Gehältern abgeschlossen, ohne zu Erbringung der vereinbarten Leistungen qualifiziert und in der Lage gewesen zu sein. Er sei durch die Arbeitsaufgaben massiv überfordert gewesen und habe seine Befugnisse in teilweise expansiver Weise eigenmächtig überschritten. Im Zusammenschau mit den erst später im Krankheitsverlauf erhobenen fachpsychiatrischen Untersuchungsbefunden, bei denen immer wieder erhebliche formale und inhaltliche Denkstörungen festgestellt worden seien, wie auch dem aktuellen psychopathologischen Befund, sei es retrospektiv als hoch wahrscheinlich anzunehmen, dass beim Kläger bereits damals schwergradige Störungen sowohl des formalen Denkens als auch vor allem bereits der bis zur Gegenwart persistierende Größenwahn vorgelegen haben.

Als weiteres Symptom dieser Störung hätten sich dann eine ausgeprägte Hypersexualität mit stundenlangem Betrachten erotischer Fotos und Filme sowie eine bis 2008 anhaltende Plüschtiersucht entwickelt. Er habe in einer infantilregressiven Weise seine Plüschtiere zu seinen „besten und einzigen Freunden“ ernannt, sich mit ihnen unterhalten, sei mit ihnen auf Reisen gegangen sei und habe sie u. a. ein extensive Sozialleben praktizieren lassen, insbesondere auch mit ihnen Verlobung, Hochzeiten und ein Familienleben inszeniert. Daneben habe eine teilweise ausgeprägte, sich nicht nur in der anfänglichen beruflichen Vielgeschäftigkeit, sondern auch in anderen Lebensbereichen manifestierende Hyperaktivität (exzessiver Sport, zeitintensive Kontaktversuche zu hochgestellten und prominenten Persönlichkeiten) entwickelt. Der Kläger habe das Symptom des Verlusts normaler sozialer Hemmungen mit unangemessenem Verhalten gezeigt (zum Beispiel unvermittelte Heiratsanträge an zahlreiche seiner Telefonchat-Partnerinnen) und das typische Symptom eines polarisierenden Denkstils entwickelt. Auch Dr. K. ist angesichts des mittlerweile zu überblickenden fünfzehnjährigen Krankheitsverlaufs zu der Einschätzung gekommen, dass bei dem Kläger eine ausgeprägte Manie mit psychotischen Symptomen vorliegt. Im Falle des Klägers gebe es nach Worten von Dr. K. keine Anhaltspunkte dafür, dass es seit 1998 jemals zu einem völligen Abklingen der manischen Symptomatik gekommen sei. Dafür, dass es sich zudem immer auch um ein schwergradig ausgeprägtes Krankheitsbild gehandelt habe, spreche auch, dass es dem Kläger zwischenzeitlich nie wieder gelungen sei, im Berufsleben Fuß zu fassen. Erst ab etwa 2011 sei es nach den Beobachtungen der Behandler zu einer Besserung der manischen Symptomatik gekommen.

Diese Ausführungen von Dr. K. bestärken den Senat in seiner Einschätzung, dass dieser Zustand der Geschäftsunfähigkeit beim Kläger nicht nur - wie von Dr. K. bestätigt - am 3. Juni 2000, sondern auch über den 3. Juni 2000 hinaus jedenfalls bis Januar 2011 durchgängig vorlag. Wesentlicher Faktor hierbei ist auch der Umstand, dass die manische Erkrankung in diesem Zeitraum nicht einmal ansatzweise behandelt worden ist. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. C. gab es angesichts der anamnestischen Angaben unter Beobachtung im Querschnitt auch keine überzeugenden Hinweise darauf, dass während der Erkrankung auch länger dauernde depressive Zustandsbilder bestimmend gewesen wären, während derer eventuell von einer Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden könnte. Auch Dr. K. hat ausgeführt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass das affektive Zustandsbild des Klägers in den zurückliegenden Jahren jemals in eine länger anhaltende eindeutige depressive Episode umgeschlagen sei. Der Kläger habe sich spätestens ab Mitte 1998 in einem dauerhaft bestehenden manischen Zustandsbild befunden.

Das Gutachten von Dr. S. vom 18. August 2010 für das Amtsgericht O. steht dem nicht entgegen. Dieses überzeugt den Senat nicht, weil Dr. S. von einer unzutreffenden, durch Dr. K., Prof. Dr. C. und Dr. F. überzeugend widerlegten Diagnose (kombinierte Persönlichkeitsstörung mit autistischenschizoidenkindlich unreifen und dissozialen Zügen) ausgeht. Davon abgesehen hat Dr. S. darin den Kläger zwar nicht als generell geschäftsunfähig angesehen, allerdings von faktischer Geschäftsunfähigkeit in einzelnen Teilbereichen gesprochen. Auch hat er ausgeführt, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich in adäquater und sinnvoller Weise um seine behördlichen und versicherungsrechtlichen Angelegenheiten zu kümmern. Bei einer Gesamtbetrachtung ergibt sich daraus jedenfalls, dass, wenn man nicht schon von einer vollständigen Geschäftsunfähigkeit des Klägers ausgeht, dann jedoch zumindest eine überdauernde partielle Geschäftsunfähigkeit gerade in Bezug auf den Umgang mit Behörden anzunehmen ist. Schließlich hat auch Dr. S. in seinem Befundbericht vom 8. Juli 2008 betont, dass die verspätete Antragstellung als Folge der psychischen Störung anzusehen sei.

Auch die sonstigen Einwendungen der Beklagte sprechen für den Senat nicht überzeugend gegen die Annahme einer durchgängigen Geschäftsunfähigkeit des Klägers jedenfalls bis August 2010. Soweit vorgetragen wurde, der Kläger sei in der Lage gewesen, sich in unzähligen Eingaben an die unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Institutionen zu wenden, gibt der Senat zu bedenken, dass Inhalt und Stil der Eingaben, die zahlreiche Aktenordner füllen, den Eindruck der Geschäftsunfähigkeit des Klägers nicht beseitigen, sondern vielmehr bestärken.

Der angeführte Befundbericht der Ärztin für physikalische und rehabilitative Medizin MUDr. (Univ. P.) P. vom 30. Oktober 2006 führt für den Senat ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Hier hat die behandelnde Ärztin, die keine Psychiaterin ist, zwar angegeben, sie könne den psychiatrischen Befund als normal bezeichnen. Sie hat aber auch darauf hingewiesen, dass beim Kläger eine innere Spannung vorgelegen habe und der Kläger seine schwere Kindheit mit dem Gefühl, von den Eltern nicht adäquat behandelt zu werden, ausführlich geschildert habe. Der Kläger hat also auch bei MuDr. (Univ. P.) P. Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die von den fachärztlichen Sachverständigen durchaus als Teil der beim Kläger vorliegenden psychotischen Manie gewertet worden sind. Aus dem Umstand, dass der Kläger über einen Anwalt einen Arbeitsgerichtsprozess geführt hat und einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt hat, belegt nach Auffassung des Senats noch nicht zwingend das Vorliegen von Geschäftsfähigkeit des Klägers.

Aufgrund der durchgängigen Geschäftsunfähigkeit des Klägers ist Erwerbsunfähigkeit also selbst dann anzunehmen, wenn man von einer Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit durch den Kläger im strittigen Zeitraum ausgehen sollte.

Grundsätzlich ergibt sich beim Eintritt des Leistungsfalls am 30. Juni 2000 und einer Antragstellung am 9. August 2010 gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB VI ein Rentenbeginn am 1. August 2010, da der Antrag nicht bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden ist, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des BSG ist § 210 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Antragsfrist für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit jedoch entsprechend anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 1982, Az. 5 B RJ 56/82, in juris). Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzliche Vertreter, so tritt nach § 210 Abs. 1 Satz 1 BGB eine für oder gegen sie laufende Verjährung nicht vor dem Ablauf von 6 Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig oder der Mangel der Vertretung behoben wird. Ist die Verjährungsfrist kürzer als 6 Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der 6 Monate (§ 210 Abs. 1 S. 2 BGB). Dieser Bestimmungen sind auf die Antragsfrist für Renten wegen Erwerbsminderung entsprechend anzuwenden. Denn Personen, die aufgrund ihrer Geschäftsunfähigkeit nicht selbst handeln können und keinen gesetzlichen Vertreter haben, sind ebenso wie vor der Verjährung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche auch vor einem Nichtentstehen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung mangels Antragstellung zu schützen. Dies bedeutet, dass bei dem Geschäftsunfähigen die dreimonatige Antragsfrist bis zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters in ihrem Ablauf gehemmt ist. Bei Beendigung des Hemmungsgrundes - sei es, dass die betreffende Person wieder unbeschränkt geschäftsfähig wird oder dass der Mangel der Vertretung aufhört - muss die Rente wegen Erwerbsminderung allerdings innerhalb der Dreimonatsfrist beantragt werden. Der Antrag nach Ende des Hemmungsgrundes innerhalb dieser Frist bewirkt, dass der Antrag auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der Leistungsfall eingetreten und die Wartezeit erfüllt ist.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 9. August 2010 war der Kläger noch geschäftsunfähig, so dass nicht von einer wirksamen Bevollmächtigung seines damaligen Rechtsanwalts zur Stellung eines Rentenantrags ausgegangen werden kann. Dieser Mangel wurde aber durch die Fortführung des Verfahrens durch die Betreuerin geheilt, die die Antragstellung damit konkludent nachträglich genehmigt hat. Damit wirkt der am 9. August 2010 gestellte Antrag auf den Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls zurück, mithin hier auf den 30. Juni 2000.

Trotz eines Rentenbeginns erst ab Geltung des neuen Rechts - die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI a. F. wurde ab 1. Januar 2001 durch die Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI abgelöst - steht dem Kläger dennoch ab 1. Januar 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach altem Recht zu, weil der Kläger gemäß § 118 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung den ersten Einzelanspruch auf Rente bereits zum letzten Bankarbeitstag des Monats verlangen konnte, der dem Monat vorausgeht, in dem er fällig wurde, mithin bereits am Freitag, den 29. Dezember 2000. Es bestand also noch unter Geltung des alten Rechts ein Anspruch auf Rente, so dass § 44 SGB VI a. F. auch noch nach dessen Aufhebung auf den Rentenanspruch des Klägers Anwendung findet (vgl. zum Ganzen KassKomm, § 300 SGB VI Rn. 11).

Im Übrigen war die Berufung jedoch zurückzuweisen, da für die Zeit Juli bis Dezember 2000 kein Rentenanspruch besteht.

Die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger im Wesentlichen erfolgreich gewesen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Annotations

(1) Bestand am 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, die am 30. Juni 2017 weiterhin geleistet wurde, gilt diese Rente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit dem bisherigen Rentenartfaktor, solange Berufsunfähigkeit oder teilweise Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 Absatz 2 vorliegt.

(2) Bestand am 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die am 30. Juni 2017 weiterhin geleistet wurde, gilt diese Rente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze als Rente wegen voller Erwerbsminderung, solange Erwerbsunfähigkeit oder volle Erwerbsminderung vorliegt.

(3) Bestand am 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine befristete Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, die am 30. Juni 2017 weiterhin geleistet wurde und ist der jeweilige Anspruch nach dem Ablauf der Frist von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig, ist die Befristung zu wiederholen, es sei denn, die Versicherten vollenden innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der sich anschließenden Frist das 60. Lebensjahr.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Die allgemeine Wartezeit ist vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte

1.
wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit,
2.
wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz als Wehrdienstleistende oder Soldaten auf Zeit,
3.
wegen einer Zivildienstbeschädigung nach dem Zivildienstgesetz als Zivildienstleistende oder
4.
wegen eines Gewahrsams (§ 1 Häftlingshilfegesetz)
vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben sind. Satz 1 Nr. 1 findet nur Anwendung für Versicherte, die bei Eintritt des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit versicherungspflichtig waren oder in den letzten zwei Jahren davor mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Die Sätze 1 und 2 finden für die Rente für Bergleute nur Anwendung, wenn der Versicherte vor Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit zuletzt in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert war.

(2) Die allgemeine Wartezeit ist auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren.

(3) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne der Absätze 1 und 2 liegen auch vor, wenn

1.
freiwillige Beiträge gezahlt worden sind, die als Pflichtbeiträge gelten, oder
2.
Pflichtbeiträge aus den in § 3 oder § 4 genannten Gründen gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten oder
3.
für Anrechnungszeiten Beiträge gezahlt worden sind, die ein Leistungsträger mitgetragen hat.

(1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig.

(2) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird.

Geschäftsunfähig ist:

1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

(1) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so tritt eine für oder gegen sie laufende Verjährung nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig oder der Mangel der Vertretung behoben wird. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, soweit eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person prozessfähig ist.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Laufende Geldleistungen mit Ausnahme des Übergangsgeldes werden am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; sie werden am letzten Bankarbeitstag dieses Monats ausgezahlt. Bei Zahlung auf ein Konto im Inland ist die Gutschrift der laufenden Geldleistung, auch wenn sie nachträglich erfolgt, so vorzunehmen, dass die Wertstellung des eingehenden Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto unter dem Datum des Tages erfolgt, an dem der Betrag dem Geldinstitut zur Verfügung gestellt worden ist. Für die rechtzeitige Auszahlung im Sinne von Satz 1 genügt es, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf die Wertstellung des Betrages der laufenden Geldleistung unter dem Datum des letzten Bankarbeitstages erfolgen kann.

(2) Laufende Geldleistungen, die bei Auszahlungen

1.
im Inland den aktuellen Rentenwert,
2.
im Ausland das Dreifache des aktuellen Rentenwerts nicht übersteigen,
können für einen angemessenen Zeitraum im Voraus ausgezahlt werden.

(2a) Nachzahlungsbeträge, die ein Zehntel des aktuellen Rentenwerts nicht übersteigen, sollen nicht ausgezahlt werden.

(2b) In Fällen des § 47 Absatz 1 Satz 3 des Ersten Buches erfolgt eine kostenfreie Übermittlung von Geldleistungen an den Wohnsitz oder an den gewöhnlichen Aufenthalt spätestens ab dem zweiten Monat, der auf den Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht worden ist.

(3) Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 22) gilt, überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden.

(4) Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung auf Verlangen Name und Anschrift des Empfängers oder Verfügenden und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 des Zehnten Buches bleibt unberührt.

(4a) Die Ansprüche nach den Absätzen 3 und 4 verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung und in den Fällen des Absatzes 4 zusätzlich Kenntnis von dem Erstattungspflichtigen erlangt hat. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

(5) Sind laufende Geldleistungen, die nach Absatz 1 auszuzahlen und in dem Monat fällig geworden sind, in dem der Berechtigte verstorben ist, auf das bisherige Empfängerkonto bei einem Geldinstitut überwiesen worden, ist der Anspruch der Erben gegenüber dem Träger der Rentenversicherung erfüllt.

(1) Vorschriften dieses Gesetzbuchs sind von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat.

(2) Aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften sind auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.

(3) Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln, sind die Vorschriften maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren.

(3a) (weggefallen)

(3b) Ist eine nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechnete Rente neu festgestellt worden, werden Leistungen für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 nicht erbracht.

(4) Der Anspruch auf eine Leistung, der am 31. Dezember 1991 bestand, entfällt nicht allein deshalb, weil die Vorschriften, auf denen er beruht, durch Vorschriften dieses Gesetzbuchs ersetzt worden sind. Verwenden die ersetzenden Vorschriften für den gleichen Sachverhalt oder Anspruch andere Begriffe als die aufgehobenen Vorschriften, treten insoweit diese Begriffe an die Stelle der aufgehobenen Begriffe.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit in den folgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.