Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Feb. 2014 - 10 AZR 620/13

published on 19/02/2014 00:00
Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Feb. 2014 - 10 AZR 620/13
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Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Februar 2013 - 22 Sa 1950/12 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Anspruch der Klägerin auf Zahlung restlicher Zuwendung für das Jahr 2008 nach § 70 BAT verfallen ist.

2

Die Klägerin ist seit 1989 bei dem beklagten Land als Justizangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach dem Arbeitsvertrag der „Bundes-Angestelltentarifvertrag (Bund, Länder, Gemeinden) (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen“ Anwendung. Für das beklagte Land gilt außerdem der Anwendungs-TV Land Berlin vom 31. Juli 2003 idF vom 25. August 2004. Danach gilt für seine Angestellten sowohl der BAT als auch der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte idF vom 31. Januar 2003. Hiernach steht dem Angestellten eine Zuwendung in Höhe einer Monatsvergütung zu.

3

Die Klägerin erhielt im Jahr 2008 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIb BAT, Lebensaltersstufe 37, woraus sich eine monatliche Grundvergütung iHv. 1.589,01 Euro brutto ergab. Die Differenz zur Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe (Stufe 43) betrug 140,00 Euro brutto.

4

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2008 beanspruchte die Klägerin, ihr eine Grundvergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe zu zahlen. Im Einzelnen hieß es in dem Schreiben wie folgt:

        

„…    

        

nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.09.2008 (Az.: 20 Sa 2244/07) stellt die monatliche Vergütung aus einer niedrigeren als der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen Alters nach dem AGG dar.

        

Ich erhalte gegenwärtig nach Maßgabe des Anwendungs-TV Land Berlin in Vergütungsgruppe VI b Grundvergütung aus der 37. Lebensaltersstufe. Ich verlange hiermit ab September 2008 Grundvergütung aus der höchsten ... Lebensaltersstufe. Im Rahmen der Ausschlussfrist mache ich außerdem die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen der bisherigen und der ab September 2008 beanspruchten Grundvergütung geltend.

        

…“    

5

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2011 (- 6 AZR 148/09 - BAGE 140, 1) ist die Bemessung der Vergütung nach dem Lebensalter durch den BAT altersdiskriminierend, weshalb den betroffenen Arbeitnehmern Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe zusteht.

6

Das beklagte Land zahlte an die Klägerin für 2008 eine Zuwendung in Höhe von 1.589,01 Euro. Die Parteien sind darin einig, dass der Klägerin weitere 140,00 Euro brutto als restliche Zuwendung zustehen, wenn der Anspruch nicht nach § 70 BAT verfallen ist.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe den Anspruch rechtzeitig geltend gemacht. Es sei für das beklagte Land erkennbar gewesen, dass sie mit dem Schreiben vom 2. Oktober 2008 auch die Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte nach Maßgabe einer höheren Grundvergütung habe geltend machen wollen.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr den Differenzbetrag zwischen der ihr im Jahr 2008 gezahlten Sonderzuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte und der ihr unter Berücksichtigung der höchsten Lebensaltersstufe zustehenden Sonderzuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. November 2011 zu zahlen.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es ist der Auffassung, die Klägerin habe den Anspruch auf eine erhöhte Zuwendung für das Jahr 2008 nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 70 BAT geltend gemacht. Seinem Wortlaut nach erfasse das Geltendmachungsschreiben nur die Grundvergütung. Es sei auch nicht auszuschließen, dass ein Anspruchsteller in Bezug auf den Diskriminierungsgedanken die Grundvergütung anders als eine Zuwendung behandelt wissen wolle. Grundvergütung und Zuwendung beruhten nicht auf demselben Sachverhalt. Sie seien in gesonderten Tarifverträgen geregelt, sodass es auch einer gesonderten Geltendmachung bedürfe.

10

Das Arbeitsgericht hat dem bezeichneten Klageantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die zulässige Klage ist begründet.

12

I. Die Klägerin hat nach § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Angestellte idF vom 31. Januar 2003 iVm. § 47 Abs. 2, § 26 Abs. 1 BAT und dem Arbeitsvertrag der Parteien Anspruch auf die begehrte Feststellung.

13

1. Der Anspruch ist entstanden. Darüber streiten die Parteien nicht mehr.

14

2. Der Anspruch ist nicht nach § 70 BAT verfallen.

15

a) Nach § 70 Satz 1 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Nach § 70 Satz 2 BAT reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen zu wahren.

16

b) Die Klägerin hat ihren Anspruch auf erhöhte Grundvergütung mit dem Schreiben vom 2. Oktober 2008 geltend gemacht. Einer gesonderten Geltendmachung des Anspruchs auf die erhöhte Zuwendung bedurfte es nicht, weil der Anspruch auf Zuwendung denselben Sachverhalt iSd. § 70 Satz 2 BAT betrifft und die Zuwendung nur eine „später fällig werdende Leistung“ darstellt.

17

aa) Dass die Klägerin den Anspruch auf erhöhte Grundvergütung mit ihrem Schreiben vom 2. Oktober 2008 geltend gemacht hat, stellt das beklagte Land nicht in Abrede.

18

bb) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes konnte die Verwendung des Begriffs „Grundvergütung“ im Anspruchsschreiben nach den für die Auslegung maßgeblichen §§ 133, 157 BGB(vgl. BAG 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 - Rn. 62) nicht dahingehend verstanden werden, die Klägerin wolle die Geltendmachung auf die monatlich zu zahlende Vergütung beschränken. Die Klägerin verlangte „ab September 2008 Grundvergütung aus der höchsten ... Lebensaltersstufe“. Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass sie die Bemessung der ihr zustehenden Vergütungsansprüche nach Maßgabe der höchsten Lebensaltersstufe wünschte. Die Klägerin erstrebte eine diskriminierungsfrei berechnete Grundvergütung, auch soweit sich dies auf die Höhe der Zuwendung auswirkte. Dies hat das beklagte Land nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts zunächst auch selbst so gesehen. Für die Annahme, die Klägerin habe das beklagte Land mit ihrem Schreiben wissen lassen wollen, einer diskriminierenden Berechnung bestimmter Teile ihrer Vergütung, nämlich ihres Anspruchs auf die Zuwendung, sehe sie unter Inkaufnahme der damit verbundenen wirtschaftlichen Selbstschädigung zustimmend entgegen, bestehen keine nach Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte (vgl. § 157 BGB) berücksichtigungsfähigen Anhaltspunkte.

19

cc) Der hier streitige Anspruch auf die restliche Zuwendung für das Jahr 2008 betrifft „denselben Sachverhalt“ wie der Anspruch auf die diskriminierungsfrei berechnete monatliche Grundvergütung. Derselbe Sachverhalt iSd. § 70 Satz 2 BAT liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage aus einem bestimmten Tatbestand Ansprüche herzuleiten sind(st. Rspr., BAG 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 18; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 -; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 -; 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 -; 7. September 1994 - 10 AZR 766/93 - BAGE 77, 346; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 -). So liegt der Fall hier. Die einzige zwischen den Parteien strittige Frage war, ob die Berechnung der Grundvergütung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstieß und ob daraus die Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung der Vergütung nach der höchsten Altersstufe folgte. Diese Frage konnte für die laufende Vergütung nicht anders beurteilt werden als für die - dem Grunde nach unstreitige und nur später fällige - Zuwendung, weil deren Höhe sich aus der Höhe der laufenden Vergütung ohne Weiteres ergab.

20

c) Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht bei tariflichen Verfallklauseln, die keine dem § 70 Satz 2 BAT entsprechende Regelung treffen, dieselben Grundsätze angewandt. Wird bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet, so kann die einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung ausreichend sein, auch wenn das nicht ausdrücklich vorgesehen ist (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 31; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe).

21

II. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen (§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB). Die Verzinsung ab dem 11. November 2011 steht nach ausdrücklicher Erklärung des beklagten Landes nicht mehr im Streit.

22

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

   Mikosch   

        

    Mestwerdt    

        

   Schmitz-Scholemann   

      

        

        

   Maurer   

        

    Klein    

                 
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

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Tenor 1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München, Az. 22 Ca 14617/13, vom 26.02.2015 wird auf Kosten der Klagepartei zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand
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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)