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Die Beteiligten streiten über die Frage, ob dem antragstellenden Betriebsrat bei der Zuordnung der Mitarbeiter zu den nach §§ 4 - 7 des Entgeltrahmentarifvertrags beschriebenen Arbeitsaufgaben durch den Arbeitgeber ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zusteht.
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Die Antragsgegnerin ist ein 100 %-iges Tochterunternehmen der Z. AG mit Betriebssitz in O.. Sie ist tarifgebunden, bei ihr gelten die Tarifverträge der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden.
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Bei der Antragsgegnerin gilt zwischenzeitlich der Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV).
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In den §§ 4 - 7 ERA-TV sind Art und Weise der Grundentgeltermittlung geregelt. Nach § 7 ERA-TV wird dazu in den Betrieben eine Paritätische Kommission gebildet, deren Aufgabe es ist bestehende, aber nicht bewertete Arbeitsaufgaben sowie neu entstehende oder veränderte Arbeitsaufgaben einzustufen.
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§ 7.3 des ERA-TV regelt dazu detailliert die Entscheidungsfindung in der Paritätischen Kommission.
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§ 9.1 ERA-TV bestimmt den Grundentgeltanspruch der Beschäftigten und lautet einschließlich der Protokollnotiz wie folgt:
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"Der Beschäftigte hat Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen Entgeltgruppe, die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht.
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Protokollnotiz zur § 9.1:
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Es besteht Einigkeit, dass der Grundentgeltanspruch der Beschäftigten ausschließlich davon bestimmt ist, wie die Arbeitsaufgabe in betrieblichen Verfahren nach den Bestimmungen des Tarifvertrags bewertet worden ist.
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Da ein besonderer Eingruppierungsvorgang, also die Zuordnung des Beschäftigten zu einer bestimmten Entgeltgruppe, nicht mehr stattfindet, gehen die Tarifvertragsparteien ebenso übereinstimmend davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 99 BetrVG bezüglich einer Eingruppierung/Umgruppierung nicht mehr vorliegen."
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Der Antragsteller vertritt im Wesentlichen die Ansicht, dass der Arbeitgeber unter Geltung des ERA-TV durch die Zuordnung von Mitarbeitern zu bewerteten Arbeitsaufgaben ein- bzw. umgruppiere, was das Mitbestimmungsrecht des § 99 BetrVG auslöse. Durch den Abstraktionsgrad der tariflichen Niveaubeispiele und durch die Schaffung weiterer Zusatz- und Analogbeispiele stehe dem Arbeitgeber ein Entscheidungsspielraum zu, welchem Mitarbeiter welche Arbeitsaufgabe zugewiesen werde.
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Der Antragsteller beantragt:
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Es wird festgestellt, dass bei der Zuordnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch die Antragsgegnerin zu den nach §§ 4 - 7 ERA-TV vom 16.09.2003 bewerteten Arbeitsaufgaben außerhalb von Einstellungen und Versetzungen ein Beteiligungsrecht des Antragstellers nach § 99 BetrVG besteht.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Die Antragsgegnerin vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass dem Arbeitgeber kein Wertungsspielraum hinsichtlich der zutreffenden Entgeltgruppe für eine verbindlich bewertete Arbeitsaufgabe verbleibe. Sei der Arbeitgeber aber für die Entgelthöhe im Rahmen der übertragenen Arbeitsaufgabe an die festgelegte Bewertung gebunden, so entfalle auch das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates. Der Arbeitgeber organisiere seinen Betrieb bzw. übe das Direktionsrecht aus, hierfür komme dem Betriebsrat aber gerade kein Mitbestimmungsrecht zu.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 13.11.2007 und 20.03.2008 Bezug genommen.
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Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 a Absatz 1 Nummer 1 ArbGG eröffnet, denn die Beteiligten streiten über Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Der Antragsteller berühmt sich insbesondere der Mitbestimmungsrechte aus § 99 BetrVG. Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
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1.
Insbesondere erweist sich der Feststellungsantrag an § 256 Absatz 1 ZPO analog gemessen als zulässig.
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So geht es um ein Rechtsverhältnis im Sinne der Vorschrift insbesondere auch dann, wenn zwischen den Beteiligten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts oder dessen Umfang gestritten wird
(vgl. Fitting, nach § 1 BetrVG, Randnr. 18; Mattes in: Germelmann, § 81 ArbGG Randnr. 16; BAG vom 19.02.2002, AP Nummer 27 zu § 1 TVG Tarifverträge Lufthansa)
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Auch besteht ein ausreichendes Feststellungsinteresse. Bei Feststellungsanträgen besteht ein rechtliches Interesse, wenn ein bestehender Streit über das (Nicht-)Bestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung ausgeräumt werden kann
(vgl. Künzl, in: Ostrowicz/Künzl/Schäfer, Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage 2006, Randnr. 704)
. Diese Voraussetzung ist gegeben, denn die Beteiligte zu 2 hat zu Protokoll erklärt, sie werde sich einer rechtskräftigen Entscheidung in jedem Falle unterwerfen. Daher kann mit dem vorliegenden Feststellungsantrag der Rechtsstreit abschließend geklärt werden. Das Feststellungsinteresse ist auch gegenwärtig, da die Antragsgegnerin den Mitarbeitern bewertete Arbeitsaufgaben zuweist und die Antragsgegnerin das Mitbestimmungsrecht, dessen sich der Antragsteller berühmt, bestreitet.
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Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO. Der Antragsteller hat den Antrag dahingehend eingeschränkt, dass die unstreitigen Fälle der Einstellung und Versetzung dem Streit entzogen sind.
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2.
Kein Verfahrenshindernis stellt § 19.2/19.3 des MTV Metall Nordwürttemberg/Nordbaden dar, der bei Streitigkeiten über die Auslegung und Durchführung eines Tarifvertrages die Einrichtung einer Schiedsstelle vorsieht. Denn vorliegend streiten die Beteiligten nicht über die Auslegung eines Tarifvertrages, sondern über die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 99 BetrVG.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn dem Antragsteller kommt bei der Zuordnung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu den nach §§ 4 - 7 ERA-TV bewerteten Arbeitsaufgaben kein Mitbeurteilungsrecht zu. Bei der Zuordnung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu den bewerteten Arbeitsaufgaben handelt es sich weder um eine Eingruppierung im Sinne von § 99 BetrVG, noch um eine Umgruppierung im Sinne des Gesetzes.
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1.
Eingruppierung ist ein Begriff des Tarifrechts und der Tarifpraxis. Unter Eingruppierung versteht man die Einordnung einzelner Arbeitnehmer in ein kollektives Entgeltschema, typischerweise die Zuordnung zu einer tarifvertraglich festgelegten Lohn- oder Gehaltsgruppe, die im allgemeinen durch bestimmende Tätigkeitsmerkmale, teilweise auch durch das Lebensalter oder die Zeit der Berufstätigkeit (Berufserfahrung) umschrieben wird
(vgl. GK-BetrVG/Kraft/Raab, § 99 BetrVG, Randnr. 41)
. Die Eingruppierung liegt in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe zuzuordnen ist. Voraussetzung ist das Bestehen eines entsprechenden kollektiven Entgeltschemas und die Anwendbarkeit dieses Schemas auf den konkreten Arbeitnehmer. Sie verlangt die Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter eine vorgegebene Ordnung. Welche Subsumtionsschritte dabei zu vollziehen sind, hängt von der Ausgestaltung der Vergütungsordnung ab
(vgl. Thüsing, in: Richardi, § 99 BetrVG, Randnr. 62)
. Entsprechendes gilt für die Umgruppierung. Umgruppierung im Sinne von §§ 99 Absatz 1 BetrVG ist die Neueinreihung des Beschäftigten in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Feststellung, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer anderen
(vgl. BAG vom 26.10.2004, NZA 2005, Seite 367 ff.)
. Unter Umgruppierung ist somit die infolge einer Änderung der Tätigkeit oder infolge Änderung der Vergütungsgruppenordnung erforderlich werdende Neueingruppierung des Arbeitnehmers in die Vergütungsgruppenordnung zu verstehen
(BAG vom 27.07.1993, NZA 1994, Seite 952 ff.)
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Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Absatz 1, Absatz 2 BetrVG besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - welcher sich die erkennende Kammer anschließt - in den Fällen der Ein- oder Umgruppierung in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage. Die korrekte Einreihung des Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung ist keine ins Ermessen des Arbeitgebers gestellte, rechtsgestaltende Maßnahme, sondern Rechtsanwendung. Die Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, dass dabei möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt werden. Sie dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung und damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Transparenz der Vergütungspraxis. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG reicht dabei nicht weiter als die Notwendigkeit zur Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Wo es der Anwendung abstrakter Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung auf die mit einer konkreten Arbeitsstelle verbundenen Tätigkeitsaufgaben zur korrekten Einreihung des Arbeitnehmers nicht bedarf, besteht kein Erfordernis der Beurteilung der Rechtslage durch den Arbeitgeber und damit kein Erfordernis der Mitbeurteilung durch den Betriebsrat. Ein solches Erfordernis der Rechtsanwendung fehlt etwa, wenn schon die Urheber der Vergütungsordnung selbst die betreffende Stelle mit bindender Wirkung für den Arbeitgeber in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht haben. Ihre Einreihung ist in einem solchen Fall für die Betriebspartei und den Arbeitnehmer selbst dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde. Ebenso wie mit der Angabe von konkreten Tätigkeitsbeispielen für abstrakte Tätigkeitsmerkmale legen die Urheber der Vergütungsordnung auf diese Weise eigenständig und mit bindender Wirkung für die Betroffenen fest, dass die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der betreffenden Entgeltgruppe durch den Inhaber der Stelle erfüllt sind
(vgl. BAG vom 03.05.2006, NZA 2007, Seite 47 ff.; Thüsing, in: Richardi, § 99 BetrVG, Randnr. 92 a)
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2.
Dies berücksichtigend ergibt sich, dass weder die Merkmale der Ein- noch der Umgruppierung im Sinne von § 99 BetrVG vorliegen, wenn der Arbeitgeber einzelne Mitarbeiter zu den nach §§ 4 - 7 ERA-TV bewerteten Arbeitsaufgaben zuordnet.
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Nach der tarifvertraglichen Regelungssystematik obliegt der Paritätischen Kommission die Einstufung bestehender, aber nicht bewerteter Arbeitsaufgaben und die Einstufung neu entstehender oder veränderter Arbeitsaufgaben. § 7.3 ff. des ERA-TV regelt dazu das Prozedere. Nach § 9.1 des ERA-TV hat der Beschäftigte dann unmittelbar Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen Entgeltgruppe, die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht. D. h. der Arbeitgeber übt mit der Übertragung der auszuübenden (bewerteten) Arbeitsaufgabe sein Direktionsrecht aus, wobei es für die Frage der Entgelthöhe nach dem Tarifvertrag keines weiteren Normenvollzugs durch den Arbeitgeber bedarf, vielmehr ist der Arbeitgeber für die Entgelthöhe an die Einstufung der Arbeitsaufgabe durch die paritätische Kommission gebunden.
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Der im Rahmen des ERA-TV bestehende Spielraum für den Arbeitgeber, einem einzelnen Arbeitnehmer eine bestimmte Arbeitsaufgabe zuzuweisen, ist kein rechtlicher Beurteilungsspielraum, sondern ein Spielraum auf der Ebene der Arbeitsorganisation und damit des Direktionsrechts. Auf dieser Ebene sieht das Betriebsverfassungsgesetz jedoch ausdrücklich kein Mitbestimmungs- bzw. Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates vor. Bei der Zuordnung von Mitarbeitern zu bewerteten Arbeitsaufgaben fehlt ein rechtliches Subsumtionselement, welches jedoch Voraussetzung für die der Eingruppierung bzw. Umgruppierung i.S.v. § 99 BetrVG ist.
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