Gericht

Arbeitsgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 3.109,02 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung eines Krankengeldzuschusses gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. TVöD-VKA sowie die Zahlung der anteiligen Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD-VKA.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einer Gemeinde, auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 20.12.2012 (Bl. 58 - 59 d.A.) seit dem 18.02.2013 als Leiterin der Kindertagesstätte „Kinderwelt G-Stadt“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Vereinbarung der TVöD für den Dienstleistungsbereich Verwaltung in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung Anwendung. Sie erhält ein Gehalt der Entgeltgruppe S18 Stufe 6 nebst Zulagen in Höhe von zuletzt 5.471,29 Euro brutto sowie eine Jahressonderzahlung.

Vor der Anstellung bei der beklagten Gemeinde war die Klägerin im Zeitraum 01.09.1986 bis 31.01.2013 bei der Stadt S. angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis fand zuletzt der TVöD Anwendung. Die Klägerin erhielt am 14.12.2012 die schriftliche Einstellungszusage der Beklagten vom 11.12.2012 (Bl. 75 - 76 d.A.). Mit Schreiben vom 18.12.2012 (Bl. 77 - 78 d.A.) kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2013 bei der Stadt S..

Vom 02.03.2015 bis 13.12.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte gewährte der Klägerin bis zum 29.05.2015 einen Krankengeldzuschuss gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. TVöD. Der Krankengeldzuschuss betrug gemäß Berechnung der Beklagten pro Tag € 5,60 brutto.

Die Klägerin erhielt zunächst die volle Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD für 2015 in Höhe von € 4.157,24 brutto. Mit Schreiben vom 20.04.2016 (Bl. 17 - 18 d.A.) teilte die Beklagte mit, dass sie von einer Beschäftigungszeit von weniger als 3 Jahren ausgehe, da zwischen der vorangegangenen Beschäftigung bei der Stadt S. und bei der Beklagten eine 18-tägige Unterbrechung vorläge. Die Beklagte teilte ferner mit, dass die Klägerin infolge der nicht ununterbrochenen Beschäftigung im öffentlichen Dienst und der daraus resultierenden kürzeren Zeit, in der ein Krankengeldzuschuss gezahlt wurde, der Anspruch auf Jahressonderzuwendung lediglich 6/12 betrage. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Jahressonderzahlung in Höhe von 2.078,62 Euro an die Beklagte zurückzuzahlen.

Mit Gehaltsabrechnung für April 2016 (Bl. 51 d.A.) brachte die Beklagte die hälftige Jahressonderzahlung in Höhe von € 2.078,62 brutto in Abzug.

Mit ihrer am 11.08.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Krankengeldzuschusses sowie zuletzt die Zahlung von 6/12 der Jahressonderzuwendung, welche die Beklagte in Abzug gebracht hatte.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie eine Beschäftigungszeit von mehr als 3 Jahren im Sinne des § 22 TVöD vorweisen könne. Die Beschäftigungszeit bei der Stadt S. sei unter Anwendung von § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD anzurechnen. Die Lücke von 17 Kalendertagen sei unschädlich. Vielmehr sei darauf abzustellen, ob zwischen dem Ende des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der neuen Beschäftigung ein Zusammenhang bestehe. Dies sei der Fall. Sie sei deshalb beim alten Arbeitgeber ausgeschieden, weil sie mit der Beklagten das neue Arbeitsverhältnis begründet hatte. Die Begründung sei vor dem Ausscheiden erfolgt. Den Beginn ihrer Tätigkeit am 18.02.2013 habe sie benötigt, um einen umfangreichen Umzug mit ihrer Familie von S.-Stadt nach A-Stadt zu bewältigen.

Insoweit ergebe sich auch ein Anspruch auf die volle Jahressonderzahlung 2015. Die Klägerin beantragt,

  • 1.Die beklagte Gemeinde wird verurteilt, an die Klägerin Krankengeldzuschuss in Höhe von 1.030,40 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

  • 2.Die beklagte Gemeinde wird verurteilt, an die Klägerin € 2.078,62 brutto zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2016.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Gehalt der Klägerin korrekt berechnet worden sei. Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen über den Abschluss des Arbeitsvertrages erklärt habe, dass sie erst am 18.02.2013 anfange, sie habe die Zeit für ihre Bachelor-Arbeit gebraucht.

Eine Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren liege nicht vor. Es liege keine ununterbrochene Fortsetzung der Tätigkeit vor. Die Klägerin sei nicht unmittelbar von einem Arbeitsverhältnis in das andere gewechselt. Damit zähle allein die Beschäftigungszeit seit dem 18.02.2013.

Der Anspruch auf Jahressonderzahlung 2015 habe sich gemäß § 20 Abs. 4 TVöD VKA vermindert. Für die Monate Juni bis November 2015 hätten keine Zahlungsansprüche bestanden. Dies ergebe die Kürzung um 6/12.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 15.09.2016 und 27.01.2017 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss in Höhe von € 1.030,40 brutto nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit gemäß § 22 Abs. 3 TVöD VKA.

Danach wird ein Krankengeldzuschuss bei einer Beschäftigungszeit gemäß § 34 Abs. 3 TVöD von mehr als einem Jahr längstens bis zum Ende der 13. Woche und von mehr als 3 Jahren längstens bis zum Ende der 39. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit gezahlt. Maßgeblich für die Berechnung der Fristen nach Satz 1 ist die Beschäftigungszeit, die im Laufe der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vollendet wird.

In § 34 Abs. 3 TVöD wird zwischen der Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber (§ 34 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 TVöD) und zwischen der Beschäftigungszeiten bei mehreren Arbeitgebern (§ 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD) differenziert. Für die Klägerin findet die Regelungen des § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD Anwendung, da sie nicht nur bei der Beklagten beschäftigt war und sich darauf beruft, dass eine Anrechnung ihrer Beschäftigungszeit bei der Stadt S. zu erfolgen habe. Dies ist nicht der Fall, da kein Wechsel im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD vorliegt.

Die Kammer schließt sich vollumfänglich den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 04.03.2010, 11 Sa 571/09, auf welches die Parteien hingewiesen haben, zur Frage der Auslegung des § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD an.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung von Tarifverträgen den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Die Auslegung von Tarifnormen setzt ihre Auslegungsfähigkeit voraus. Bei der Auslegung ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der in den tariflichen Normen zum Ausdruck kommende wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. LAG RheinlandPfalz, 04.03.2010, aaO m.w.N).

b) Bereits die Auslegung des reinen Tarifwortlauts deutet im vorliegenden Fall darauf hin, dass Zeiten bei einem früheren Arbeitgeber nur dann als Beschäftigungszeit anzuerkennen sind, wenn sich das neue Arbeitsverhältnis unmittelbar an das vorhergehende anschließt.

Begrifflich kann von einem Wechsel dann gesprochen werden, wenn zwischen dem Ende des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der neuen Beschäftigung ein Zusammenhang besteht. Nur im Falle eines unmittelbaren Anschlusses des neuen Arbeitsverhältnisses an das vorangegangene Arbeitsverhältnis bei einem neuen TVöD-Arbeitgeber kann begrifflich von einem Wechsel gesprochen werden (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 04.03.2010, aaO m.w.N; BeckOK TVöD/Eylert TVöD-AT § 34 Rn. 76ff m.w.N.).

c) Diese Auslegung wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt. § 34 Abs. 3 S. 1 TVöD definiert Beschäftigungszeit als die Zeit, die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegt wurde, auch wenn sie unterbrochen ist. Dagegen spricht § 34 Abs. 3 S. 3 TVöD vom Wechsel der Beschäftigten zwischen Arbeitgebern. Ein Hinweis auf die Behandlung von Unterbrechungszeiträumen zwischen der Zeit beim bisherigen und der Beschäftigungszeit beim neuen Arbeitgeber fehlt. Hieraus ist zu entnehmen, dass ein „Wechsel“ die unmittelbare Aufeinanderfolge von zwei Arbeitsverhältnissen voraussetzt. Ansonsten hätten die Tarifvertragsparteien in § 34 Abs. 3 S. 3 TVöD beispielsweise formulieren können, dass Zeiten der Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrags erfasst werden, als Beschäftigungszeit anerkannt werden. Der Aufnahme des Wörtchens „Wechsel“ in den Tarifvertrag hätte es nicht bedurft. Auch hätte in § 34 Abs. 3 S. 1 TVöD nicht die Bezugnahme auf „denselben Arbeitgeber“ aufgenommen werden müssen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 04.03.2010).

d) Auch Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift in § 34 Abs. 3 S. 3 TVöD führen zu keiner anderen Auslegung. Die erweiterten Anrechnungsmöglichkeiten von Vordienstzeiten bei anderen Arbeitgebern gelten nur für die Festsetzung des Jubiläumsgeldes (§ 23 Abs. 2 TVöD) und die Berechnung des Krankengeldzuschusses (§ 22 Abs. 3 TVöD), nicht jedoch bei der Berechnung der Kündigungsfristen und den Voraussetzungen der sogenannten Unkündbarkeit. Das ergibt sich aus § 34 Abs. 1 S. 2 sowie Abs. 2 S. 1 TVöD-VKA, die jeweils hinter dem Begriff der Beschäftigungszeit den Klammerzusatz „(Abs. 3 S. 1 und 2)“ enthalten und damit nicht die Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 3 TVöD einbeziehen. Sinn und Zweck der Anrechnung ist es daher gerade nicht, den bisher erworbenen „kündigungsrechtlichen“ Besitzstand zu gewährleisten. Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung auf Jubiläumsgeld und der Berechnung des Krankengeldzuschusses erfordern es nicht, einen Wechsel auch dann anzunehmen, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim vorhergehenden Arbeitgeber und demjenigen beim neuen Arbeitgeber ein Zeitraum der Unterbrechung liegt und diese Unterbrechung auf vom Arbeitgeber nicht zu vertretenen Umständen beruht. (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 04.03.2010, aaO m.w.N).

e) Gegen ein Auslegungsergebnis, nach dem es darauf ankäme, ob ein Zusammenhang besteht zwischen den Arbeitsverhältnissen besteht, spräche auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität. Es würde dem Arbeitgeber auferlegt werden, nicht nur die Dauer der Unterbrechung zu prüfen, sondern auch den Anlass für die Unterbrechung in Erfahrung zu bringen und eine Wertung vorzunehmen, ob eine Unterbrechung im konkreten Einzelfall als unschädlich anzusehen ist.

f) Die Klägerin ist damit nicht unmittelbar von ihrem vorherigen Arbeitgeber zur Beklagten gewechselt. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie, als sie die Kündigung bei ihrem vorherigen Arbeitgeber ausgesprochen hat, bereits die Zusage der Beklagten hatte. Dies rechtfertigt, gerade im Hinblick auf die Praktikabilität der Regelung des § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD, keine Anrechnung. Es ist zu einer Unterbrechung gekommen. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb der Klägerin kein zeitlich unmittelbares Anschlussarbeitsverhältnis möglich gewesen wäre. Allein ein Umzug rechtfertigt keine Unterbrechung.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die volle Jahressonderzahlung 2015 und mithin keinen Anspruch auf die von der Beklagten zurückgeforderten und einbehaltenen € 2.078,62 brutto gemäß § 20 TVöD-VKA.

Der Anspruch der Klägerin hat sich gemäß § 20 Abs. 4 TVöD VKA um 6/12 vermindert, da die Klägerin für den Zeitraum Juni 2015 bis November 2015 keine Ansprüche auf Entgelt und auch nicht auf Krankengeldzuschuss hatte, wie unter 1. aufgeführt. Die Beklagte war daher zur Zurückforderung berechtigt.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG.

III.

Gegen dieses Urteil ist für die nicht beschwerte Beklagte kein Rechtsmittel gegeben. Die Klägerin kann gegen dieses Urteil nach Maßgabe der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung Berufung einlegen. Im Einzelnen gilt:

ra.de-Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht München Endurteil, 07. Feb. 2017 - 25 Ca 8754/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht München Endurteil, 07. Feb. 2017 - 25 Ca 8754/16

Referenzen - Gesetze

Arbeitsgericht München Endurteil, 07. Feb. 2017 - 25 Ca 8754/16 zitiert 5 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Arbeitsgericht München Endurteil, 07. Feb. 2017 - 25 Ca 8754/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Arbeitsgericht München Endurteil, 07. Feb. 2017 - 25 Ca 8754/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. März 2010 - 11 Sa 571/09

bei uns veröffentlicht am 04.03.2010

1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. August 2009, Az. 3 Ca 747/09 abgeändert und die Klage abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Die Revision w
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Arbeitsgericht München Endurteil, 07. Feb. 2017 - 25 Ca 8754/16.

Landesarbeitsgericht München Urteil, 30. Aug. 2017 - 8 Sa 150/17

bei uns veröffentlicht am 30.08.2017

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 07.02.2017 - 25 Ca 8754/16 in seinen Nrn. 1 und 2 abgeändert. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.030,40 brutto neb

Referenzen

1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25. August 2009, Az. 3 Ca 747/09 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anerkennung von Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L.

2

Die Klägerin war in der Zeit vom 01.09.1988 bis zum 20.06.2007 beim B. beschäftigt. Teilweise parallel dazu war sie zunächst in der Zeit vom 01.02. bis zum 20.06.2007 beim L. als Lehrkraft beschäftigt. Seit dem 06.08.2007 bis zum 30.06.2008 war sie sodann unbefristet beim Land N. beschäftigt. Ihre Tätigkeit beim B. wurde durch das Land N. aufgrund der Arbeitsverträge vom 16.01.2007 und 06.08.2007 anerkannt.

3

Zum 30.06.2008 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit dem Land N.. Sie wollte aus familiären Gründen in den rheinland-pfälzischen Schuldienst wechseln, erhielt in N. aber keine Freigabe.

4

In der Zeit vom 30.06.2008 bis zum 04.08.2008 stand die Klägerin in keinem Beschäftigungsverhältnis. Sodann wurde die Klägerin aufgrund des Arbeitsvertrags vom 22.07.2008 zum 04.08.2008 (also nach den Sommerferien) vom beklagten Land eingestellt.

5

Mit Schreiben vom 12.08.2008 hat das beklagte Land gemäß § 34 Abs. 3 TV-L eine Feststellung zu der Beschäftigungszeit getroffen und deren Beginn auf den 04.08.2008, den Arbeitsbeginn bei dem beklagten Land, datiert. Die Beschäftigungszeiten im Land N. und beim B. hat das beklagte Land nicht angerechnet und dies damit begründet, dass kein unmittelbarer Übertritt bzw. Wechsel gegeben sei. Hiergegen richtete sich die Klägerin mit Schreiben vom 15.10.2008, beim beklagten Land eingegangen am 22.10.2008. Dem ist das beklagte Land mit Schreiben vom 04.11.2008 entgegengetreten.

6

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihre in N. verbrachten bzw. anerkannten Beschäftigungszeiten vom beklagten Land anzuerkennen sind.

7

Der Wechsel von einem Bundesland ins andere kann sich auf verschiedene Weisen gestalten. Der Arbeitnehmer kann ein Versetzungsantrag stellen, kommt dann in eine Tauschbörse und wird sodann vom alten Arbeitgeber freigegeben für die Beschäftigung in einem anderen Bundesland. In diesem Fall folgt der Wechsel von einem Bundesland zum anderen unmittelbar. Alternativ kann der Wechselwillige von seinem bisherigen Arbeitgeber eine Freigabeerklärung bekommen. Diese Freigabeerklärung muss dann der Bewerbung in einem anderen Bundesland beigefügt sein, ansonsten wird diese Bewerbung nicht angenommen. Durch die Freigabeerklärung erfolgt der Wechsel ebenfalls nahtlos.

8

Erfolgt keine Versetzung und keine Freigabeerklärung hat der Beschäftigte die Möglichkeit selbst zu kündigen, sich dann wie im vorliegenden Fall geschehen bei einem anderen Bundesland zu bewerben und dort dann seine Tätigkeit aufzunehmen.

9

Im vorliegenden Fall hat das Land N. sowohl die Freigabeerklärung verweigert als auch der Klägerin nicht die Möglichkeit der Freigabe im Rahmen des Tauschverfahrens ermöglicht.

10

Die Klägerin war der Ansicht,

11

im Gegensatz zur früheren BAT-Regelung, in der Beschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nur dann anerkannt worden seien, wenn die Beschäftigten nahtlos wechselten, gelte diese Vorgabe im TV-L nicht mehr.

12

Sie hat beantragt,

13

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Beschäftigungszeiten, die die Klägerin im Land N. verbracht hat und die dort als Beschäftigungszeiten anerkannt wurden, anzuerkennen und als Beginn der Beschäftigungszeit gemäß § 34 Abs. 3 TV-L die Zeit ab dem 01.09.1988 anzuerkennen.

14

Das beklagte Land hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Es war der Ansicht,

17

gemäß § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L könnten Vorzeiten bei Arbeitgebern, die dem Geltungsbereich des TV-L unterlägen, erfasst und als Beschäftigungszeit anerkannt werden, wenn der Arbeitnehmer wechsele und sich das neue Arbeitsverhältnis zeitlich unmittelbar an das vorangegangene Arbeitsverhältnis anschließe. Scheide der Arbeitnehmer aus, ohne dass zu diesem Zeitpunkt das neue Arbeitsverhältnis begründet sei, liege kein Wechsel im Sinne der genannten Vorschrift vor. Hier bestehe kein zeitlich unmittelbarer Zusammenhang zwischen den beiden Beschäftigungsverhältnissen.

18

Das Arbeitsgericht Koblenz hat durch Urteil vom 25.08.2009 - 3 Ca 747/09 - festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet sei, die Beschäftigungszeiten, die die Klägerin im Land N. verbracht habe und die dort als Beschäftigungszeit anerkannt worden seien, anzuerkennen und als Beginn der Beschäftigungszeit gemäß § 34 Abs. 3 TV-L die Zeit ab dem 01.09.1988 anzuerkennen.

19

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt: die Klage sei zulässig, insbesondere sei das Feststellungsinteresse gegeben. Das beklagte Land sei auch verpflichtet, die Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin im Land N. ab dem 01.09.1988 gemäß § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L anzuerkennen. Es handele sich um einen Wechsel zwischen zwei verschiedenen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich des TV-L erfasst würden. Es liege ein Wechsel im Sinne dieser Vorschrift vor. Die erforderliche Auslegung des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L ergebe ausgehend vom Wortlaut zunächst kein eindeutiges Ergebnis. Aus dem Gesamtzusammenhang sei jedoch zu schließen, dass eine zeitliche Unterbrechung jedenfalls dann unbeachtlich sein müsse, wenn es hierfür einen rechtfertigenden Grund gebe.

20

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 25.08.2009 (Bl. 23 ff. d. A.) Bezug genommen.

21

Das genannte Urteil ist dem beklagten Land am 08.09.2009 zugestellt worden. Es hat hiergegen mit Schriftsatz vom 17.09.2009, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 18.09.2009, Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 15.10.2009 bis zum 09.12.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 24.11.2009, bei Gericht eingegangen am 26.11.2009, begründet. Zur Begründung seiner Berufung macht das beklagte Land nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 48 ff. d. A.) zusammengefasst geltend,

22

ein Wechsel zwischen Arbeitgebern liege nach der Bedeutung des Wortes "Wechsel" nur vor, wenn dieser Wechsel direkt von einem Arbeitgeber zu einem neuen Arbeitgeber erfolge.

23

Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts solle selbst eine Unterbrechung von einem Monat als Beschäftigungszeit anerkannt werden, obwohl nach § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L nur "die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber" anerkannt würden. Dies zeige, dass die Auslegung des erstinstanzlichen Gerichts unzutreffend sei. Dies ergebe sich auch, wenn man den Gesamtzusammenhang des § 34 Abs. 3 TV-L berücksichtige, in dessen Satz 1 ausdrücklich festgehalten werde, dass eine Beschäftigungszeit nur dann trotz Unterbrechung einheitlich gesehen werde, wenn sie bei dem selben Arbeitgeber zurückgelegt worden sei. Diese Unterscheidung zwischen einer Unterbrechung beim selben Arbeitgeber und einer Unterbrechung im Rahmen eines Arbeitgeberwechsels wäre in der tariflichen Regelung völlig überflüssig, wenn beide Unterbrechungen gleich zu behandeln wären. Ebenfalls kein Argument für die Auslegung des erstinstanzlichen Gerichts sei der Hinweis, dass sich die Kündigungsfristen und der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit nach der anerkannten Beschäftigungszeit richteten. Ab dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber gelte zunächst auch für dieses neue Arbeitsverhältnis mit einem neuen Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten die Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsschluss. Einen ununterbrochenen Kündigungsschutz bei einem Arbeitgeberwechsel solle es gerade nicht geben, sodass mit dieser Begründung eine vom Wortlaut abweichende Auslegung nicht gerechtfertigt werden könne.

24

Es sei daher mit der wohl überwiegenden Meinung in der Kommentarliteratur davon auszugehen, das ein Wechsel im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L nur dann vorliege, wenn sich das neue Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber auch zeitlich unmittelbar an das alte Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber anschließe. Auch nach der Mittelmeinung, die davon ausgehe, dass ein Wechsel dann nicht vorliege, wenn ein Arbeitnehmer aus dem früheren Arbeitsverhältnis ausscheide, ohne dass zu diesem Zeitpunkt das neue Arbeitsverhältnis bereits begründet sei, liege im vorliegenden Fall kein Wechsel vor, da das Anstellungsverhältnis mit dem Land N. bereits spätestens zum 30.06.2008 geendet habe, während der neue Vertrag mit dem beklagten Land erst am 22.07.2008 abgeschlossen worden sei.

25

Das beklagte Land hat beantragt,

26

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - 3 Ca 747/09 - vom 25.08.2009 die Klage abzuweisen.

27

Die Klägerin beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 22.12.2009, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 61 ff. d. A.) als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht, die Auslegung des Begriffs "Wechsel" bedeute nicht zwingend, dass der Wechsel von einem Arbeitgeber zum nächsten auch zeitlich unmittelbar sein müsse. In den Kommentierungen bezüglich des TV-L seien die gleichen Auslegungen zu finden, wie bei den entsprechenden Vorschriften im BAT. Hierbei werde häufig nicht berücksichtigt, dass die Formulierungen des TV-L anders seien als die des Vorgängertarifvertrags. Zu berücksichtigten sei, dass die Klägerin vom Arbeitgeber N. direkt zum beklagten Land gewechselt sei. Dazwischen habe es keinen anderen Arbeitgeber gegeben. Dass dies zeitlich nicht ohne Unterbrechung habe erfolgen können, hänge damit zusammen, dass das Land N. sie nicht habe freigeben wollen und sie insofern das Beschäftigungsverhältnis habe auflösen müssen, das beklagte Land erst nach Ablauf der unterrichtsfreien Zeit im Sommer einstelle und diese Einstellungszeit nicht mit den vorgegebenen Kündigungsfristen zusammenpasse.

30

Aus dem Halbsatz "werden die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt" in § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L folge in Auslegung des Wortlauts nicht, dass der Wechsel auch zeitlich unmittelbar sein müsse. Aus § 34 Abs. 3 S. 1 TV-L lasse sich gerade nicht herleiten, dass die Beschäftigungszeit trotz Unterbrechung einheitlich gesehen werde, wenn sie bei dem einem Arbeitgeber zurückgelegt worden sei. Wäre eine Unterscheidung gewollt gewesen, hätte diese extra in Satz 3 und 4 des § 34 Abs. 3 aufgenommen werden müssen.

31

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

33

Das Rechtmittel hat auch in der Sache Erfolg.

34

Die Beschäftigungszeiten der Klägerin beim B. sowie beim Land N. sind vom beklagten Land nicht als Beschäftigungszeiten anzuerkennen. Als Beginn der Beschäftigungszeit gemäß § 34 Abs. 3 TV-L ist nicht bereits die Zeit ab dem 01.September 1988 anzuerkennen.

35

§ 34 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) lautet:

36

"§ 34 Kündigung des Arbeitsverhältnisses

37

(1) Die Kündigungsfrist beträgt bis zum Ende des sechsten Monats seit Beginn des Arbeitsverhältnisses zwei Wochen zum Monatsschluss. Im Übrigen beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit (Abs. 3 S. 1 und 2)

38

bis zu einem Jahr

ein Monat zum Monatsschluss,

von mehr als einem Jahr

sechs Wochen,

von mindestens fünf Jahren

drei Monate,

von mindestens acht Jahren

vier Monate,

von mindestens zehn Jahren

fünf Monate,

von mindestens zwölf Jahren   

sechs Monate

39

zum Schluss eines Kalendervierteljahres.

40

(2) Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und unter die Regelungen des Tarifgebiets West fallen, können nach einer Beschäftigungszeit (Abs. 3 S. 1 und 2) von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigem Grund gekündigt werden. Soweit Beschäftigte nach den bis zum 31.10.2006 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren, bleiben sie unkündbar.

41

(3) Beschäftigungszeit ist die Zeit, die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegt wurde, auch wenn sie unterbrochen ist. Unberücksichtigt bleibt die Zeit eines Sonderurlaubs gemäß § 28, es sei denn, der Arbeitgeber hat vor Antritt des Sonderurlaubs schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt. Wechseln Beschäftigte zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasst werden, werden die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt. Satz 3 gilt entsprechend bei einem Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber."

42

Vorliegend war die tarifgebundene Klägerin zwar zunächst beim Bundesland N. und nach den Sommerferien 2008 dann bei dem beklagten Land, die beide vom Geltungsbereich des TV-L erfasst werden, beschäftigt. Die Klägerin ist jedoch wegen des zwischen diesen Beschäftigungsverhältnissen liegenden Zeitraums der Sommerferien, in dem sie in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, nicht im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L gewechselt.

43

Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur Urteil vom 12.09.1984 - 4 AZR 336/82 - NZA 1985, 160) folgt die Auslegung von Tarifverträgen den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Die Auslegung von Tarifnormen setzt ihre Auslegungsfähigkeit voraus. Bei der Auslegung ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der in den tariflichen Normen zum Ausdruck kommende wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

44

Bereits die Auslegung des reinen Tarifwortlauts deutet im vorliegenden Fall darauf hin, dass Zeiten bei einem früheren Arbeitgeber nur dann als Beschäftigungszeit anzuerkennen sind, wenn sich das neue Arbeitsverhältnis unmittelbar an das vorhergehende anschließt.

45

Begrifflich kann von einem Wechsel dann gesprochen werden, wenn zwischen dem Ende des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der neuen Beschäftigung ein Zusammenhang besteht. Nach dem Duden-Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache (2. Aufl.) hatte der Begriff "Wechsel" ursprünglich die Bedeutung "Tausch, Abwechslung, Platzmachen", nunmehr hat er die Bedeutung "sich verändern, sich ablösen, im Wechsel auf einander folgen" (Hock, ZTR 2005, 558, 559). Es kann daher begrifflich dann von einem Wechsel gesprochen werden, wenn sich das neue Arbeitsverhältnis unmittelbar an das vorherige anschließt (Hock, ZTR 2005, 558, 559), wenn der Arbeitnehmer ausgeschieden ist, weil er das neue Arbeitverhältnis begründete (Sponer/Steinherr/Matiaske/Fritz/Kapitza/Klaßen/Martens/Nachtweyl/Donath, T VöD/ TV-L Gesamtkommentar, Stand Februar 2010, § 34 TV-L Rn. 164; Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen, TV-L, Stand 01.11.2009, § 34 TV-L Rn. 61; Eylert in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr (Hrsg.), BeckOK TV-L, § 34 Rn. 75; Ruge/Krömer/Pawlak/Rabe von Pappenheim, (Hrsg.), Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2009, 2. Auflage 2009, S. 90; Hock, ZTR 2005, 558, 559.

46

Diese Auslegung wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt.

47

§ 34 Abs. 3 S. 1 TV-L definiert Beschäftigungszeit als die Zeit, die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegt wurde, auch wenn sie unterbrochen ist. Dagegen spricht § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L vom Wechsel der Beschäftigten zwischen Arbeitgebern. Ein Hinweis auf die Behandlung von Unterbrechungszeiträumen zwischen der Zeit beim bisherigen und der Beschäftigungszeit beim neuen Arbeitgeber fehlt. Hieraus ist nach Auffassung der Kammer zu entnehmen, dass ein "Wechsel" die unmittelbare Aufeinanderfolge von zwei Arbeitsverhältnissen voraussetzt. Ansonsten hätten die Tarifvertragsparteien in § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L beispielsweise formulieren können, dass Zeiten der Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrags erfasst werden, als Beschäftigungszeit anerkannt werden. Der Aufnahme des Wörtchens "Wechsel" in den Tarifvertrag hätte es nicht bedurft. Auch hätte in § 34 Abs. 3 S. 1 TV-L nicht die Bezugnahme auf "denselben Arbeitgeber" aufgenommen werden müssen.

48

Auch Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift in § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L führen zu keiner anderen Auslegung. Die erweiterten Anrechnungsmöglichkeiten von Vordienstzeiten bei anderen Arbeitgebern gelten nur für die Festsetzung des Jubiläumsgeldes (§ 23 Abs. 2 TV-L) und die Berechnung des Krankengeldzuschusses (§ 22 Abs. 3 TV-L), nicht jedoch bei der Berechnung der Kündigungsfristen und den Voraussetzungen der sogenannten Unkündbarkeit. Das ergibt sich aus § 34 Abs. 1 S. 2 sowie Abs. 2 S. 1 TV-L, die jeweils hinter dem Begriff der Beschäftigungszeit den Klammerzusatz "(Abs. 3 S. 1 und 2)" enthalten und damit nicht die Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L einbeziehen. Sinn und Zweck der Anrechnung ist es daher gerade nicht, den bisher erworbenen "kündigungsrechtlichen" Besitzstand zu gewährleisten. Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung auf Jubiläumsgeld und der Berechnung des Krankengeldzuschusses erfordern es nicht, einen Wechsel auch dann anzunehmen, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitverhältnisses beim vorhergehenden Arbeitgeber und demjenigen beim neuen Arbeitgeber ein Zeitraum der Unterbrechung liegt und diese Unterbrechung auf vom Arbeitgeber nicht zu vertretenen Umständen beruht.

49

Gegen ein Auslegungsergebnis, nach dem es darauf ankäme, ob der Arbeitnehmer die Unterbrechung zu vertreten hat, spräche auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität. In den Begriff des Wechsels würde außerdem dadurch das Erfordernis des Nichtvertretenmüssens hineininterpretiert, das vielfältige Abgrenzungsprobleme eröffnet. Auch verzichtet § 34 Abs. 3 TV-L - im Gegensatz zu den Vorgängerregelungen - für Beschäftigungszeiten beim selben Arbeitgeber auf die Ermittlung, ob eine anrechnungsschädliche Tatsache, wie zum Beispiel die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch oder Verschulden des Angestellten, vorliegt, und kennt ein sogenanntes "schädliches Ausscheiden" nicht mehr. Dieser Gesichtspunkt würde über den Umweg der Berücksichtigung der Gründe für eine Unterbrechung wieder in den Text der Tarifnormen hineininterpretiert. Durch die Neuregelung der Berechnung der Beschäftigungszeiten sollten vor allem die zum Teil mit erheblichen Aufwand verbundenen Ermittlungen der Vorbeschäftigungszeit nach § 19 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 4 BAT/BAT-O, § 6 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2 bis 4 MTArb/MTArb-O entfallen (Eylert in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr (Hrsg.), BeckOK TV-L, § 34 Rn. 60).

50

Durch das Erfordernis des zeitlich unmittelbaren Übertritts wird auch im Schulbereich keine unerfüllbare Voraussetzung aufgestellt. Der Wechsel von einem Bundesland zum anderen kann zum einen im Wege eines Versetzungsantrages sowie zum anderen aufgrund einer Freigabeerklärung durch den bisherigen Arbeitgeber zeitlich unmittelbar und ohne Unterbrechung für den Zeitraum der Sommerferien erfolgen. Nur dann, wenn ein Arbeitnehmer eine Versetzung oder eine Freigabeerklärung nicht abwarten möchte und sich aus freien Stücken für eine Eigenkündigung beim bisherigen Arbeitgeber entscheidet, kommt es zu einer Unterbrechung zwischen den beiden Beschäftigungsverhältnissen.

51

Die Klägerin ist damit nicht im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L vom Land N. zum beklagten Land überwechselt. Zwischen ihrer Tätigkeit beim Land N. und derjenigen beim beklagten Land liegt ein Zeitraum von mehr als einem Monat. Auch wurde der Arbeitsvertrag mit dem beklagten Land erst am 22.07.2008, mithin mehr als 3 Wochen nach dem Ausscheiden der Klägerin abgeschlossen. Der Wechsel erfolgte daher weder zeitlich unmittelbar noch im Hinblick auf einen bereits erfolgten Vertragsabschluss, sondern allenfalls in der Erwartung, die beabsichtigte Bewerbung beim beklagten Land werde erfolgreich sein.

52

Die Klage hatte daher keinen Erfolg. Auf die Berufung des beklagten Landes war daher das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

53

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die Frage der Auslegung des Begriffs des "Wechsel" im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Auslegung der Tarifnorm ist klärungsbedürftig und klärungsfähig. Sie hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung. Die auszulegende Tarifnorm wird über den Geltungsbereich des beklagten Landes hinaus angewandt.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.