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| Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte bei der namentlichen Kennzeichnung der Spinde in den Umkleideräumen. Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin errichtete 9-köpfige Betriebsrat im Betrieb C. In diesem Betrieb werden Brot- und Backwaren produziert, die Arbeitgeberin beschäftigt dort ca. 250 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. |
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| In der Vergangenheit war die Kennzeichnung der den einzelnen Mitarbeitern zugeordneten Spinden in der Umkleide uneinheitlich. Sofern die Spinde überhaupt eine Beschriftung trugen, war der Name der Mitarbeiter zumeist handschriftlich, in einigen Fällen auf Post-It-Zetteln, auf Aufklebern oder teilweise auch mit Edding-Stiften direkt auf dem Spind vorgenommen worden. Die Arbeitgeberin hat die Spinde in den Umkleiden nunmehr Ende Februar/Anfang März 2011 einheitlich mit den Vor- und Zunamen der Spindbesitzer bezeichnet und die alten Beschriftungen entfernt. Der Betriebsrat hatte zuvor mit E-Mail vom 18.02.2011 dem Betriebsleiter der Arbeitgeberin und dem Personalchef mitgeteilt, dass die Spinde nicht mit Namen, sondern mit Nummern beschriftet werden sollen. Hintergrund für den Wunsch des Betriebsrats, die Spinde nicht namentlich zu kennzeichnen, sind nach deren Vortrag Erfahrungen in der Vergangenheit, dass es bei namentlicher Kennzeichnung zu Beschädigungen bis hin zum Aufbrechen von namentlich gekennzeichneten Spinden kommen könnte. Dies soll nach Auffassung des Betriebsrats durch eine Nummerierung von vorne herein verhindert werden. Der Personalleiter der Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat mit Schreiben vom 31.03.2011 mitgeteilt, die Maßnahme sei nicht mitbestimmungspflichtig. |
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| Die Arbeitgeberin hat zur Begründung der Maßnahme vorgetragen, Hintergrund sei nicht allein die Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes, sondern auch die Kontrollmöglichkeit in puncto Hygiene. Die Arbeitgeberin verfügt im Bereich Hygiene über eine Zertifizierung nach dem sogenannten IFS (International Food Standard), so dass bereits seit dem Jahr 2007 eine Anweisung über die Spinde im Sozialbereich, die für alle Betriebe der L.-Gruppe und damit auch für die Arbeitgeberin gilt. Diese „Anweisung Spinde im Sozialbereich“ (vgl. Blatt 36 ff d. A.) regelt u. a. die Trennung von Arbeits- und Privatkleidung, das Verbot der Aufbewahrung verschmutzter Kleidung in den Spinden, das Verbot der Lagerung von Lebensmitteln im Spind sowie die Durchführung von Spindkontrollen. Durch die namentliche Beschriftung der Spinde verspricht sich die Arbeitgeberin einen Vorteil bei der Durchführung dieser Spindkontrollen, weil die Mitarbeiter, die gegen die Hygienevorschriften verstoßen haben, sofort zur Abhilfe - beispielsweise zum Entsorgen der im Spind aufbewahrten Lebensmittel - angehalten werden könnten. Darüber hinaus verspricht sich die Arbeitgeberin von der namentlichen Kennzeichnung, dass die Mitarbeiter selbst mehr auf die Einhaltung der Hygienevorschriften in ihrem eigenen Spind achten und gegebenenfalls auch Kollegen auf die geltenden Hygienevorschriften hinweisen, falls ihnen auffällt, dass diese Vorschriften den Kollegen offenbar noch nicht so geläufig sind. |
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| Der Betriebsrat ist der Auffassung, |
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| der Umgang mit und die namentliche Beschriftung der Spinde betreffe das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer. Im Übrigen könne man die zur Verfügungstellung von Spinden für die Aufbewahrung von Bekleidung als Sozialeinrichtung ansehen, deren Ausgestaltung und damit auch Beschriftung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitbestimmungspflichtig sei. |
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| Der Betriebsrat beantragt: |
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| 1. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Namensschilder von den Spinden in den Umkleiden des Betriebes am Standort C. zu entfernen. |
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| 2. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, die Spinde in den Umkleiden ihres Betriebes am Standort C. mit Namensschildern zu kennzeichnen, solange die Zustimmung des Betriebsrats oder ein diese ersetzender Spruch der Einigungsstelle nicht vorliegt. |
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| Die Arbeitgeberin beantragt: |
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| Die Anträge werden zurückgewiesen. |
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| Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, |
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| die namentliche Beschriftung der Spinde habe keine Außenwirkung gegenüber Kunden oder sonstigen Dritten. Soweit sie lediglich dazu diene, dem Arbeitgeber die aus Hygienegründen notwendige Spindkontrolle zu vereinfachen und möglichst effizient zu gestalten, sei allein das Arbeitsverhalten betroffen. |
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| Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle vom 02.08.2011 und 24.11.2011 verwiesen. |
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| Die zulässigen Anträge des Betriebsrats sind begründet. |
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| Der Betriebsrat hat einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, da die namentliche Beschriftung der Spinde in den Umkleideräumen zumindest den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfüllt. |
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| 1. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch das Aufstellen von Verhaltensregeln oder durch sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist demzufolge, die Arbeitnehmer gleichberechtigt an der Gestaltung der betrieblichen Ordnung teilhaben zu lassen (BAG, Beschluss vom 11.06.2002 - 1 ABR 46/01, NZA 2002, 1299 m. w. N.). Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setzt nicht notwendig voraus, dass es sich um verbindliche Verhaltensregeln handelt. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG greift auch dann ein, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die das Verhalten des Arbeitnehmers in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen, ohne dass sie verbindliche Vorgaben zum Inhalt haben. Ausreichend ist es, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung des Betriebs zu gewährleisten (vgl. BAG, Beschluss vom 22.07.2008 - 1 ABR 40/07, AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 m. w. N.). |
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| Seinem Wortlaut nach unterwirft § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG jedes Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb der Mitbestimmung. Dies würde auch die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung selbst erfassen. Das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer soll jedoch nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts von einer Beteiligung des Betriebsrats frei sein, das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betreffen danach alle Regeln und Weisungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Es ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten aufzuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind deshalb solche Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und damit abgefordert wird (BAG, Beschluss vom 11.06.2002 - 1 ABR 46/01 a.a.O.). |
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| Ob das Mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen ist, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen, die den Arbeitgeber zu einer Maßnahme bewogen haben. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens. Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, so kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt (vgl. BAG a.a.O.). |
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| 2. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, sind die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zur Überzeugung der Kammer erfüllt. |
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| a) Soweit sowohl subjektiv wie objektiv mit der Namensbeschriftung der Spinde in der Umkleide zumindest auch die reine Vereinheitlichung, d. h. eine Verbesserung des Erscheinungsbildes bezweckt ist, besteht zunächst kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich in der Gestaltung seines Eigentums frei, dies isoliert betrachtet berührt weder das Ordnungs- noch das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter. |
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| b) Die Vereinheitlichung bzw. Verbesserung des optischen Erscheinungsbildes ist jedoch nicht alleiniger Zweck der vorliegenden Maßnahme der Arbeitgeberin. Dieser Zweck ließe sich auch durch eine anderweitige Kennzeichnung (z. B. durch die vom Betriebsrat geforderte Nummerierung) oder die Entfernung jeglicher Kennzeichnung erreichen. Objektiver Zweck der Maßnahme ist jedenfalls zusätzlich - und dies bestätigt die Arbeitgeberin mit der Mitteilung ihrer subjektiven Erwägungen - die Möglichkeit der individuellen Zuordnung eines jeden Spindes zu einem bestimmten Mitarbeiter. Durch diese Identifikation wird der Arbeitgeberin ermöglicht, die Einhaltung der bei ihr geltenden Hygienebestimmungen („Anweisung Spinde im Sozialbereich“) zu kontrollieren und damit auch durchzusetzen. Der Arbeitgeberin wird durch die Namenskennzeichnung ermöglicht, in Verdachtsfällen - die Arbeitgeberin nennt hierfür selbst den Fall einer Geruchsemmission - den betroffenen Mitarbeiter sofort und unmittelbar zur Einhaltung der Hygienevorschriften anzuhalten und den Verstoß gegebenenfalls zu sanktionieren. Die Arbeitgeberin trägt darüber hinaus selbst vor, sie verspreche sich von der namentlichen Kennzeichnung einen gewissen Kontrolldruck auf die Mitarbeiter. Sie möchte erreichen, dass die Mitarbeiter sowohl selbst auf die eigene Einhaltung der Hygienevorschriften im Spind aber auch auf das Verhalten der Kollegen achten (vgl. den Vortrag im Schriftsatz vom 07.09.2011, 2. Absatz, Blatt 34 d. A.). |
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| Auch wenn die Maßnahme der Arbeitgeberin vorliegend keine Verhaltensnormen beinhaltet, betrifft und berührt die Identifikationsmöglichkeit durch die Namenskennzeichnung das Verhalten der Mitarbeiter in Bezug auf die betriebliche Ordnung. Die Mitarbeiter sollen einerseits zur Einhaltung der betrieblichen Hygienevorschriften sowie zur Kontrolle der Arbeitskollegen mittelbar angehalten werden. Darüber hinaus sollen die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der Arbeitgeberin verbessert werden. |
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| Das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer ist demgegenüber nicht betroffen. Die Einhaltung der Hygienevorschriften ist für die Mitarbeiter eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Hierdurch wird gerade nicht bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise dies geschehen soll. Die unmittelbare Arbeitsleistung (Produktion von Brot und Backwaren) ist nicht betroffen. |
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| Soweit objektiv wie subjektiv zumindest auch ein einheitliches Erscheinungsbild weiterer Zweck der Maßnahme der Arbeitgeberin ist, mag dahin stehen, welcher Regelungszweck vorliegend überwiegt. Denn es handelt sich nicht um ein Zusammentreffen von Ordnungs- und Arbeitsverhalten, sondern von Ordnungsverhalten mit einer generell dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entzogenen Maßnahme der Arbeitgeberin. Die rein optische Gestaltung des Arbeitgebereigentums betrifft weder das Ordnungs- noch das Arbeitsverhalten, so dass dahin stehen kann, welcher Regelungszweck überwiegt. |
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| 4. Soweit die Arbeitgeberin die Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt hat, steht diesem aufgrund der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Dieser Anspruch setzt keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (vgl. BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - 1 ABR 24/93, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972; Beschluss vom 23.07.1996 - 1 ABR 13/96, AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). |
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| Darüber hinaus steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf die Beseitigung des unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG herbei geführten betriebsverfassungswidrigen Zustands zu (vgl. BAG, Beschluss vom 09.12.2003 - 1 ABR 44/02, AP Nr. 1 zu § 33 BetrVG 1972; Beschluss vom 16.06.1998 - 1 ABR 68/97, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972). |
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