Arbeitsgericht Halle Urteil, 10. Juli 2013 - 3 Ca 2997/12 NMB

ECLI:ECLI:DE:ARBGHAL:2013:0710.3CA2997.12NMB.0A
bei uns veröffentlicht am10.07.2013

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Feuerwehrmann in zusammenhängenden 24-Stunden-Schichten in dem Umfang zu beschäftigen, wie auch die in 24-Stunden-Schichten eingesetzten Feuerwehrleute mit 54 Wochenstunden beschäftigt werden.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im bestehenden Arbeitsverhältnis darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Beschäftigung in 24-Stunden-Schichten zusteht.

2

Der am … geborene Kläger ist seit dem 01.12.1992 bei der beklagten Stadt als hauptamtlicher Feuerwehrmann im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Anwendbarkeit des BAT-O und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis vereinbart worden. Mit Einführung des neuen Tarifwerks und der entsprechenden Überleitung des Arbeitsverhältnisses sind seit dem 01.10.2005 grundsätzlich die Bestimmungen des TVöD auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Der Kläger erhält eine monatliche Vergütung auf der Grundlage einer tariflichen Einstufung in die Entgeltgruppe E 6 TVöD (VKA).

3

Die Beklagte beschäftigt insgesamt 18 hauptamtliche Feuerwehrleute. Mit diesen und weiteren ehrenamtlichen Einsatzkräften führt sie ihre Aufgaben nach dem Brandschutzgesetz durch. Der Einsatz erfolgt im Schichtdienst „rund um die Uhr“.

4

Ursprünglich galt für den feuerwehrtechnischen Dienst der Städte und Gemeinden bundesweit eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 54 Stunden (im Schichtdienst). Angesichts europarechtlicher Vorgaben und einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs musste diese Arbeitszeit auf 48 Stunden herabgesetzt werden.

5

Diesbezüglich ist in der aktuellen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im feuerwehrtechnischen Dienst der Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt (ArbZVO-Fw) vom 05.07.2007, gültig ab 01.01.2008 unter anderem folgendes geregelt:

6

„ …

7

§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit

8

(1) Die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten, einschließlich der Mehrarbeitsstunden, beträgt im Jahresdurchschnitt 48 Stunden.

9

10

§ 4 Individualvereinbarungen

11

(1) Unter Einhaltung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes kann über die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des § 2 Abs. 1 hinaus Schichtdienst als durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit geleistet werden, wenn Betroffene sich hierzu bereit erklären und der Dienstherr einen Nachweis hierüber erbringt.

12

(2) Die Erklärung nach Absatz 1 kann mit einer Frist von sechs Monaten widerrufen werden. Die Betroffenen sind hieraus schriftlich hinzuweisen.

13

… „

14

Die Bestimmungen dieser Verordnung über die regelmäßige Arbeitszeit sind gemäß Nr. 1 und Nr. 2 der Anlage D.2 zum TVöD (Kommunaler feuerwehrtechnischer Dienst) im Ergebnis auch auf alle Feuerwehrleute im Angestelltenverhältnis anzuwenden, die – wie der Kläger – unter den Tarifvertrag fallen. Insoweit gilt die Regelung des § 6 TVöD nicht.

15

Auf der Grundlage von § 4 der o. g. ArbZVO-Fw bot die Beklagte Anfang des Jahres 2008 allen bei ihr beschäftigten hauptamtlichen Feuerwehrleuten den Abschluss einer Individualvereinbarung in Ergänzung des Arbeitsvertrages an. Das entsprechende Formular hat folgenden Inhalt:

16

17

Individualvereinbarung

18

Auf der Grundlage des § 46 TVöD -BT Sonderregelungen (VKA) in Verbindung mit § 4 Arbeitszeitverordnung Feuerwehr (ArbZVO-FW) wird folgende Vereinbarung geschlossen:

19

1. Unter Einhaltung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes wird Herr nach dienstlicher Notwendigkeit in einem 12/24 Stunden-Schicht-Rhythmus nach einem Dienstplan eingesetzt.

20

2.1. Für jede geleistete 24-Stunden-Schicht erhöht sich die regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (§ 2 ArbZVO-FW) um 3 Zeitstunden.

21

2.2. Für diese zusätzlichen Arbeitsstunden wird kein zusätzliches Entgelt bzw. Freizeitausgleich nach Ableistung gewährt.

22

3. Für die Ableistung der nach Pkt. 2 entstandenen Summe von zusätzlicher Arbeitszeit erfolgt keine nochmalige Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit.

23

4. Diese Vereinbarung kann mit einer Frist von 6 Monaten schriftlich widerrufen werden.

24

D., den

 D., den …………..

Oberbürgermeister Arbeitnehmer „

25

Insgesamt 16 der 18 hauptamtlich beschäftigten Feuerwehrleute der Beklagten haben die Vereinbarung unterzeichnet und wurden sodann mit 54 Wochenstunden beschäftigt.

26

Die im Schichtdienst tätigen Feuerwehrleute mit 54 Wochestunden werden von der Beklagten ausschließlich in 24-Stunden-Schichten eingesetzt. Sie leisten 3 Wochen jeweils 2 Schichten zu 24 Stunden und sodann 1 Woche 3 Schichten zu 24 Stunden.

27

Der Kläger und ein weiterer Feuerwehrmann lehnten die Unterzeichnung der Individualvereinbarung ab. Für sie gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden. Sie werden viermal wöchentlich in 12-Stunden-Schichten (überwiegend Tagschichten) eingesetzt.

28

Mit Wirkung vom 10.10.2012 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Halle die vorliegende Klage erhoben, im Rahmen derer er nunmehr von der Beklagten einen Einsatz in 24-Stunden-Schichten entsprechend den Schichten der anderen Feuerwehrleute verlangt.

29

Der Kläger ist der Auffassung, er werde gegenüber den anderen Feuerwehrleuten benachteiligt, nur weil er sich geweigert habe, dem Druck der Beklagten nachzugeben und die Individualvereinbarung zu unterzeichnen und nicht bereit gewesen sei, unentgeltlich 6 Stunden pro Woche länger zu arbeiten. Ihn vom Einsatz in 24-Stunden-Schichten auszunehmen und ihm die entsprechenden Vorteile zu nehmen, sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es liege auch ein Fall der unzulässigen Maßregelung vor.

30

Der Kläger beantragt,

31

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in zusammenhängenden 24-Stunden-Schichten in dem Umfang zu beschäftigen, wie sie dies auch mit den anderen in 24-Stunden-Schichten beschäftigten Feuerwehrleuten tut.

32

Die Beklagte beantragt,

33

die Klage abzuweisen.

34

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Einsatz in 24-Stunden-Schichten. Die Einteilung der Feuerwehrleute in Schichten unterliege dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei schon deshalb nicht gegeben, da es sich nicht um gleiche Sachverhalte handele. Die Wochenstundenzahl sei ein wesentliches Unterscheidungskriterium. Der Einsatz ausschließlich in 24-Stunden-Schichten sei auch ein gewisses Entgegenkommen gegenüber denjenigen, die die Individualvereinbarung freiwillig unterzeichnet hätten. Im Übrigen sei es organisatorisch günstiger, diejenigen Arbeitnehmer mit 48 Wochenstunden in 12-Stunden-Schichten einzusetzen, weil man flexibler etwa auf Ausfälle oder höheren Arbeitsanfall reagieren könne.

35

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

36

Die Klage ist zulässig und begründet.

37

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Einsatz als Feuerwehrmann in zusammenhängenden 24-Stunden-Schichten in dem Umfang zu, wie auch die mit 54 Wochenstunden beschäftigten Feuerwehrleute eingesetzt werden. Die entsprechende Verpflichtung der Beklagten folgt aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Insoweit wird das Direktionsrecht der Beklagten eingeschränkt.

1.

38

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz einerseits die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer vergleichbaren Gruppe und andererseits eine sachfremde Gruppenbildung. Dem Arbeitgeber ist es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus unsachlichen Gründen von bestimmten Leistungen oder Vergünstigungen auszuschließen. Eine sachfremde Benachteiligung liegt nicht vor, wenn nachvollziehbare, vernünftige und billigenswerte Gründe für die unterschiedliche Behandlung vorliegen (vgl. zum Gleichbehandlungsgrundsatz etwa: BAG, Urteil vom 15.07.2009 – 5 AZR 486/08 – juris). Auch wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Freiwilligkeitsvorbehalts grundsätzlich in seiner Entscheidung frei ist, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine bestimmte Leistung gewährt, ist er dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, wenn er nach von ihm gesetzten Regeln leistet / handelt.

39

Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die unterschiedliche Behandlung ein hinreichender Sachgrund besteht, ist vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Ungleichbehandlung objektiv rechtfertigen, was der Fall ist, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist (vgl. BAG, Urteil vom 21.08.2012 - 3 AZR 81/10 – juris ; BAG, Urteil vom 13.04.2011 – 10 AZR 88/10 – juris). Sind die Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern nicht ohne Weiteres erkennbar, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese offenzulegen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass beurteilt werden kann, ob die Ungleichbehandlung durch sachliche Kriterien gerechtfertigt ist.

40

Rechtsfolge einer nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigten Ungleichbehandlung ist, dass der benachteiligte oder übergangene Arbeitnehmer verlangen kann, nach den allgemeinen Regelungen behandelt zu werden und z. B. die Leistung fordern kann, von der er bislang ohne rechtfertigenden Grund ausgeschlossen war. Da es sich um einen Erfüllungsanspruch und nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, kommt es auf ein Verschulden des Arbeitgebers nicht an (vgl. ErfK – Preis, 13. Aufl., § 611 BGB Rz. 606 m.w.N.).

2.

41

Vorliegend behandelt die Beklagte den Kläger und einen weiteren hauptamtlichen Feuerwehrmann „ungleich“, indem sie sie als einzige (vergleichbare) Feuerwehrleute nicht in 24-Stunden-Schichten einsetzt, obgleich dies grundsätzlich möglich wäre. Dieser Sachverhalt als solcher ist unstreitig.

42

Damit ergeben sich bestimmte Nachteile, die überwiegend nicht nur subjektiv (für den Kläger) als auch objektiv als Nachteil erkennbar sind, wie etwa der Umstand, dass der Kläger häufiger zum Dienst antreten muss und sich der Aufwand für die Fahrten zur Arbeit erhöht, dass ihm die Nachtschichtzulagen entgehen, dass die Ruhezeiten zwischen den Schichten kürzer sind und – nicht zuletzt – dass in Nachtschichten unstreitig weniger gearbeitet wird, er also in seinen 12-Stunden-Schichten (überwiegend Tagschichten) mehr Arbeit leisten muss als die anderen Feuerwehrleute in 24-Stunden-Schichten (immer mit Nachtschicht verbunden).

43

Die Beklagte hat die ungleiche Behandlung des Klägers als solche eingeräumt, ist jedoch der Auffassung, diese sei gerechtfertigt, weil keine vergleichbaren Sachverhalte vorlägen bzw. die anderen Arbeitnehmer nicht vergleichbar seien. Das Unterscheidungskriterium sei der Umstand, dass die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 48 Stunden betrage und nicht 54 Stunden wie bei denjenigen, die die Zusatzvereinbarung unterschrieben hätten.

3.

44

Nach Auffassung der Kammer ist dieses Unterscheidungskriterium kein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung des Klägers im Sinne der o. g. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Zudem liegt hierin ein Verstoß gegen europarechtliche Bestimmungen, da die Beklagte den Kläger gerade nicht benachteiligen darf, nur weil dieser auf seinem Recht besteht, nur 48 Wochenstunden zu leisten.

a.

45

In Artikel 6 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist folgendes geregelt:

46

„Artikel 6

47

Wöchentliche Höchstarbeitszeit

48

Die Mitgliedsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer:

49

a) die wöchentliche Arbeitszeit durch innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern festgelegt wird;

50

b) die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet.“

51

In einer zu dieser Vorschrift ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.10.2010 (EuGH, 2. Kammer, Urteil vom 14.10.2010 – C-243/09 – juris) ist in den Leitsätzen folgendes ausgeführt:

52

„ …

53

1. Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die es zulässt, dass ein Arbeitgeber des öffentlichen Sektors eine Umsetzung eines Arbeitnehmers, der als Feuerwehrmann im Einsatzdienst beschäftigt ist, in einen anderen Dienst gegen dessen Willen mit der Begründung vornimmt, dass dieser die Einhaltung der in Art. 6 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Einsatzdienst verlangt hat. Der Umstand, dass einem solchen Arbeitnehmer durch diese Umsetzung neben dem Nachteil, der sich aus der Verletzung von Art. 6 Buchst. b dieser Richtlinie ergibt, kein spezifischer Nachteil entstanden ist, ist in dieser Hinsicht unerheblich.

54

2. Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung erfüllt alle Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, da er den Mitgliedstaaten unmissverständlich eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses auferlegt, die im Hinblick auf die Anwendung der dort aufgestellten Regel durch keinerlei Bedingungen eingeschränkt ist und die dahin geht, für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit eine Höchstgrenze von 48 Stunden einschließlich der Überstunden vorzusehen. Dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten erlaubt, von Art. 6 dieser Richtlinie abzuweichen, nimmt dem Buchst. b dieses Artikels doch nichts von seiner Genauigkeit und Unbedingtheit. Die Befugnis der Mitgliedstaaten, Art. 6 nicht anzuwenden, hängt nämlich von der Einhaltung aller in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie genannten Bedingungen ab, so dass es möglich ist, den Mindestschutz zu bestimmen, der auf jeden Fall zu verwirklichen ist.

55

Demnach hat ein im öffentlichen Sektor beschäftigter Arbeitnehmer das Recht, gegenüber seinem Arbeitgeber Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 unmittelbar geltend zu machen, damit das durch diese Bestimmung garantierte Recht auf eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit, die 48 Stunden nicht überschreitet, beachtet wird. Die nationalen Gerichte und die Verwaltungsorgane, einschließlich der Gebietskörperschaften, haben das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem sie entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts gegebenenfalls unangewendet lassen.

56

Eine Umsetzung gegen den Willen des Arbeitnehmers, weil dieser verlangt hat, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit beachtet wird, führt dazu, dass das durch diese Bestimmung verliehene Recht völlig ausgehöhlt wird. Eine solche Maßnahme macht die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung in Bezug auf diesen Arbeitnehmer zunichte. Es ist daher offensichtlich, dass diese Maßnahme weder die vollständige Anwendung von Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 noch den Schutz der Rechte gewährleistet, die diese Bestimmung den Arbeitnehmern in dem betreffenden Mitgliedstaat verleiht.

57

Außerdem wird das Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV den Verträgen rechtlich gleichrangig ist, wesentlich beeinträchtigt, wenn ein Arbeitgeber als Reaktion auf eine Beschwerde oder eine Klage, die ein Arbeitnehmer zur Gewährleistung der Einhaltung von Vorschriften einer Richtlinie zum Schutz seiner Sicherheit und Gesundheit eingereicht hat, das Recht hätte, eine Retorsionsmaßnahme zu ergreifen. Die Angst vor solchen Retorsionsmaßnahmen, gegen die keine Klagemöglichkeit gegeben wäre, könnte nämlich Arbeitnehmer, die sich durch eine von ihrem Arbeitgeber getroffene Maßnahme für beschwert halten, davon abschrecken, ihre Rechte gerichtlich geltend zu machen, und wäre folglich geeignet, die Verwirklichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels in schwerwiegender Weise zu gefährden.“

58

Im Wesentlichen hat der Europäische Gerichtshof somit klargestellt, dass es unzulässig ist, einen Arbeitnehmer zu benachteiligen, nur weil dieser seine Rechte wahrnimmt und auf einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden besteht. Der Fall betraf im Übrigen einen hauptamtlichen Feuerwehrmann der Stadt B-Stadt, der umgesetzt wurde, weil er nicht länger als 48 Wochenstunden arbeiten wollte.

59

Ebenfalls klargestellt wurde, dass sowohl der Arbeitgeber als auch die staatlichen Institutionen und die Gerichte (bei ihren Entscheidungen) an die Vorgaben der Richtlinie gebunden sind.

b.

60

Im Streitfall bedeutet dies, dass das alleinige Unterscheidungskriterium der Wochenarbeitszeit (48 Stunden statt 54 Stunden) keinen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung des Klägers darstellen kann und darf. Der Kläger darf nicht im Ergebnis anders behandelt werden, nur weil er sich geweigert hat, die Individualvereinbarung über eine längere Arbeitszeit zu unterzeichnen und sein Recht auf 48 Wochenstunden damit aufzugeben.

61

Es liegen ansonsten (bis auf die wöchentliche Arbeitszeit) gleiche Sachverhalte vor, die die Beklagte grundsätzlich gleich zu behandeln hat. Sie hat den Kläger ebenfalls in 24-Stunden-Schichten einzuteilen und zu beschäftigen.

62

Erwägungen zur Organisation und zu einer evtl. besseren Einsatzplanung können daher keine Rolle spielen. Denn es war unstreitig, dass der Einsatz des Klägers in 24-Stunden-Schichten tatsächlich ohne weiteres möglich ist dass ein solcher Einsatz auch umgehend erfolgt wäre, hätte der Kläger die Zusatzvereinbarung unterschrieben. Dies haben die Beklagtenvertreter im Verhandlungstermin auf Frage des Vorsitzenden ausdrücklich bestätigt.

63

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG. Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

65

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO. Mangels hinreichender Anhaltspunkte bezüglich des konkreten wirtschaftlichen Werts der Angelegenheit wurde der Auffangwert nach § 23 Abs. 3 RVG (4.000,00 €) in Ansatz gebracht.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

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Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 23 Allgemeine Wertvorschrift


(1) Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. In Verfahren, in denen Kosten nach dem Gerichtskostengesetz oder de

Arbeitszeitverordnung - AZV | § 4 Regelmäßige tägliche Arbeitszeit


Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit sowie deren Beginn und Ende sind festzulegen. Hierbei dürfen 13 Stunden einschließlich der Pausen nicht überschritten werden. Bei Teilzeitbeschäftigung ist die regelmäßige tägliche Arbeitszeit individuell festzule

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Aug. 2012 - 3 AZR 81/10

bei uns veröffentlicht am 21.08.2012

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. März 2009 - 8 Sa 930/08 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Apr. 2011 - 10 AZR 88/10

bei uns veröffentlicht am 13.04.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. September 2009 - 5 Sa 657/09 - aufgehoben.

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Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit sowie deren Beginn und Ende sind festzulegen. Hierbei dürfen 13 Stunden einschließlich der Pausen nicht überschritten werden. Bei Teilzeitbeschäftigung ist die regelmäßige tägliche Arbeitszeit individuell festzulegen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. März 2009 - 8 Sa 930/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Vereinbarung einer Änderung der ihm erteilten Versorgungszusage.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1979 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Bankangestellter beschäftigt. Er erhielt am 1. Januar 1992 Prokura. In diesem Zusammenhang schlossen die Parteien unter dem 30. Dezember 1991 einen Arbeitsvertrag, der in § 5 zur Altersversorgung folgende Regelung enthält:

        

„Die betriebliche Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung des Mitarbeiters richtet sich nach der Dienstvereinbarung ‚Betriebliche Altersversorgung’ (DV ‚bAV’) und ‚Übergang’ (DV ‚Übergang’) vom 22. Dezember 1987 in der jeweils gültigen Fassung. Auf Basis einer einzelvertraglichen Regelung wird hiermit der Steigerungsbetrag nach 4.1.1. der DV ‚bAV’ angehoben auf 1,25 % der anrechenbaren Bezüge für je ein anrechenbares Dienstjahr (rückwirkend) ab dem vollendeten 30. Lebensjahr. Die Summe der Steigerungsbeträge (einschließlich etwaiger Steigerungsbeträge vor Vollendung des 30. Lebensjahres) ist auf maximal 45 % der anrechenbaren Bezüge begrenzt. Im übrigen gilt weiterhin Abschnitt B. der DV ‚Übergang’.

        

...“   

3

Die Dienstvereinbarung „Betriebliche Altersversorgung“ vom 22. Dezember 1987 (im Folgenden: DV „bAV“) lautet auszugsweise:

        

„EINFÜHRUNG

        

Die Bank und der Hauptpersonalrat vereinbaren hiermit gemäß den nachfolgenden Versorgungsbestimmungen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und lösen damit sämtliche bisher geltenden Regelungen der betrieblichen Altersversorgung ab.

        

Die erforderlichen Übergangsregelungen sind Inhalt einer gesonderten Dienstvereinbarung.

        

...     

        

4.    

Höhe der betrieblichen Renten

        

4.1.1.

Bei der Berechnung des Ruhegeldes wird von einem Steigerungsbetrag in Höhe von 0,75 % der anrechenbaren Bezüge (5.2.1. bis 5.2.3.) für je ein anrechenbares Dienstjahr (5.1.2. und 5.1.3.) ausgegangen.

        

4.1.2.

Das Ruhegeld beträgt die Summe der Steigerungsbeträge. Das Ruhegeld erhöht sich um 0,5 % seines Betrages für jeden vollen Monat, um den der Anspruch nach Vollendung des 60. Lebensjahres erworben wird.

        

...“   

        
4

Der Kläger wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2001 zum stellvertretenden Direktor ernannt. Aus diesem Anlass bot ihm die Beklagte am 7. Februar 2001 rückwirkend zum 1. Januar 2001 einen neuen Anstellungsvertrag an, den der Kläger am 29. März 2001 unterzeichnete und der in § 5 zur Altersversorgung folgende Regelung enthält:

        

„Die betriebliche Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung des Mitarbeiters richtet sich nach der Betriebsvereinbarung ‚Betriebliche Altersversorgung’ (Betriebsvereinbarung ‚bAV’) und ‚Übergang’ (Betriebsvereinbarung ‚Übergang’) vom 22. Dezember 1987 in der jeweils gültigen Fassung in Verbindung mit einer von der Bank erteilten einzelvertraglichen Versorgungszusage.“

5

In der Personalabteilung der Beklagten existierte ein „Merkblatt für die betriebliche Altersversorgung“ Stand März 1991, das nicht an die Mitarbeiter der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin kommuniziert wurde und das nach dem Vortrag der Beklagten den Sachbearbeitern der Personalabteilung als Arbeitshilfe diente. Es lautet auszugsweise:

        

„1. Neuregelung gemäß Dienstvereinbarung vom 22. Dezember 1987

        

Sie gilt für alle Mitarbeiter, die ab 01.01.1988 in die Bank eingetreten sind, z.T. auch noch für Eintritte im Jahr 1987.

        

...     

        

2. Übergangsregelung

        

Dies betrifft Mitarbeiter, die bis ca. Anfang 1987 in die Bank eingetreten sind.

                 
        

Grundsatz:

        

Es gilt die Dienstvereinbarung von 1987 mit bestimmten Ausnahmeregelungen.

        

...     

        

Abweichungen von der 1987er Regelung:

        

-       

Dienstzeit wird gerechnet zwischen Alter 20 und 60, ohne die Möglichkeit, nach dem 60. Lebensjahr weitere Steigerungssätze zu erwerben

        

-       

Die R + V-Rente wird nicht auf die betriebliche Altersversorgung angerechnet

        

-       

Ab Prokuristen aufwärts wird der Steigerungssatz anders ermittelt

        

Im einzelnen gilt:

        

...     

        
        

d)    

Direktoren/stv. Direktoren (Pensionsschlüssel 020)

                 

Für jedes volle Dienstjahr, das nach Vollendung des 40. Lebensjahres in dieser Position abgeleistet wird, beträgt der Steigerungsbetrag 1,75 % der anrechenbaren Bezüge zuzüglich eines Sockelbetrages von 30 % der anrechenbaren Bezüge. Der Sockelbetrag ersetzt evtl. bis Alter 40 aufgelaufene Steigerungsbeträge.

                 

Zwischen dem vollendeten 40. Lebensjahr und einem späteren Zeitpunkt der Ernennung zum Direktor/stv. Direktor aufgelaufene Steigerungsbeträge bleiben dagegen erhalten und werden dem Sockelbetrag hinzugerechnet. …

                 

Die Versorgungszusage erfolgt nach 2-jähriger Vertragslaufzeit als Voll-Direktor bzw. nach 4-jähriger Vertragslaufzeit als stv. Direktor. …

                 

…“    

6

In einem in der Mitarbeiterzeitschrift „P“, Ausgabe 1/78, abgedruckten Artikel des damaligen Bereichsleiters Personal heißt es ua.:

        

„Für unsere außertariflichen Angestellten gilt ebenfalls das neue Versorgungswerk. Allerdings werden durch einzelvertragliche Zusagen, die jedoch festen Regeln folgen, die jährlichen Steigerungssätze so angehoben, daß das relative Zurückbleiben der mit festen Höchstbeträgen ausgestatteten Angestelltenversicherungsrente angemessen ausgeglichen wird.“

7

Eine Mitarbeiterinformation vom 6. September 2001 anlässlich der Zusammenführung von Z Bank und G Bank zur Beklagten hat auszugsweise folgenden Inhalt:

        

Neue Titelstruktur in der Z BANK / AT - Gehaltsstruktur

        

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

        

in der Z BANK wird es künftig noch vier Titelebenen geben. Das haben die Vorstände von G BANK und G-Bank bei ihrer jüngsten Sitzung beschlossen. Mit der Neufassung der Titelstruktur sollen die in beiden Banken bestehenden Regelungen harmonisiert und zugleich im Sinne einer klaren Trennung von Titel und Funktion vereinfacht werden.

        

So sieht die neue Titelstruktur der Z BANK künftig die Titelebenen Stellvertretender Abteilungsdirektor, Abteilungsdirektor, Stellvertretender Direktor und Direktor vor. Die Titel Generalbevollmächtigter und Prokurist werden nicht mehr neu vergeben. Die Eintragung einer Prokura ins Handelsregister wird nur noch dann erfolgen, wenn es die Funktion zwingend erfordert. Zugleich wird die Vergabe von Titeln künftig nicht mehr mit materiellen Aspekten (Altersversorgung, Dienstwagen) verknüpft sein.

        

...     

        

Bestehende Titel sind von der Neuregelung nicht betroffen. …“

8

Ein Schreiben der Beklagten vom 23. Oktober 2003 an den bei ihr errichteten Gesamtbetriebsrat lautet auszugsweise:

        

„Betriebliche Altersversorgung

        

Streichung der Steigerungssätze i.V.m. BV bAV 87 und Übergang

        

Sehr geehrte Damen und Herren,

        

mit Vorstandsbeschluss vom 30.09.2003 wurde entschieden, dass ab 1.10.2003 die einzelvertragliche Anhebung der Steigerungssätze bei zukünftigen Vertragsänderungen (z.B. TG-AT-Wechsel) entfällt. Dies betrifft Mitarbeiter, für die die Betriebsvereinbarungen ‚bAV’ und/oder ‚Übergangsregelung’ vom 22.12.1987 gilt.

        

...“   

9

Von den in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum Ende des Jahres 2000 zu Direktoren oder stellvertretenden Direktoren ernannten Mitarbeitern erhielten etwa die Hälfte eine Verbesserung der Altersversorgung durch Vereinbarung eines auf 1,75 % erhöhten Steigerungssatzes. Mit zwei Mitarbeitern, die zum 1. Januar 2001 zu (stellvertretenden) Direktoren ernannt wurden, und mit einem Mitarbeiter, dessen Ernennung zum 1. April 2001 wirksam wurde, vereinbarte die Beklagte ebenfalls den erhöhten Steigerungssatz von 1,75 %. Seit dem 1. Januar 2001 wurde nach dem Vortrag der Beklagten mit keinem weiteren Mitarbeiter mehr ein erhöhter Steigerungssatz vereinbart.

10

Mit der am 5. April 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Vereinbarung eines Steigerungssatzes von 1,75 % verlangt.

11

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund betrieblicher Übung und des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach vierjähriger Tätigkeit in der Funktion als stellvertretender Direktor ein Anspruch auf Erhöhung des Steigerungsbetrages für die Berechnung der betrieblichen Altersversorgung von 1,25 % auf 1,75 % zu. Seit Ende der 70er Jahre habe die Beklagte entsprechend den Angaben in dem Merkblatt vom März 1991 erhöhte Steigerungssätze mit stellvertretenden Direktoren und Direktoren vereinbart. Die Beklagte habe mit 52,5 %(21 von 40) der in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2000 ernannten (stellvertretenden) Direktoren derartige Vereinbarungen getroffen, ebenso mit drei weiteren im Jahr 2001 ernannten (stellvertretenden) Direktoren. Ein sachlicher Grund, ihn von der allgemeinen Regelung auszunehmen, bestehe nicht. Ein Vorstandsbeschluss, der die Automatik der Anhebung der Steigerungssätze bei Beförderungen im direktoralen Bereich aufhebe, datiere erst vom 30. September 2003. Die einschränkenden Schreiben aus den Jahren 2001 und 2003 hätten ihm gegenüber keine Wirkung, da er bereits zum 1. Januar 2001 zum stellvertretenden Direktor ernannt worden sei.

12

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Versorgungszusage wie folgt zu erteilen:

        

„Wir gewähren Ihnen Versorgungsansprüche gemäß Betriebsvereinbarungen vom 22.12.1987 (Betriebsvereinbarung ‚Betriebliche Altersversorgung’ und ‚Übergangsregelung’) in der jeweils gültigen Fassung mit folgender Abweichung:

        

Gemäß Ziffer 2 Abschnitt B der Betriebsvereinbarung ‚Übergangsregelung’ wird der Steigerungsbetrag wie folgt angehoben:

        

Für jedes volle Dienstjahr, das Sie nach Vollendung des 40. Lebensjahres in der Position als stellvertretender Direktor ableisten, beträgt der Steigerungsbetrag 1,75 % der anrechenbaren Bezüge zuzüglich eines Sockelbetrages von 30 % der anrechenbaren Bezüge. Der Sockelbetrag ersetzt evtl. bis Alter 40 aufgelaufene Steigerungsbeträge.

        

Zwischen dem vollendeten 40. Lebensjahr und einem späteren Zeitpunkt der Ernennung zum stellvertretenden Direktor aufgelaufene Steigerungsbeträge bleiben dagegen erhalten und werden dem Sockelbetrag hinzugerechnet.

        

Der bisher gewährte Katastrophenschutz (Invaliditäts- und Hinterbliebenenrente) entfällt mit dieser Zusage.“

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger habe weder aus betrieblicher Übung noch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anspruch auf die begehrte Zusage. Das Merkblatt sei niemals kommuniziert worden und habe lediglich zum internen Gebrauch in der Personalabteilung gedient. Wenn in der Vergangenheit Steigerungsbeträge angehoben worden seien, sei dies auf der Grundlage von individualvertraglichen Vereinbarungen erfolgt, in denen nicht nur die Änderung des Steigerungssatzes vereinbart worden sei, sondern zugleich auch eine Modifikation der Altersversorgungsregelungen insgesamt. Dies sei jeweils im Einzelfall vom Vorstand beschlossen worden.

14

Im Übrigen sei die vom Kläger behauptete Praxis ab dem 1. Januar 2001 nicht mehr vollzogen worden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz zwinge den Arbeitgeber nicht, eine einmal praktizierte Handhabung für die Zukunft beizubehalten. Seit Januar 2001 hätten lediglich drei Personen nach individuellen Vorstandsentscheidungen eine verbesserte Leistungszusage erhalten. Hierbei handele es sich um die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer. 26 Mitarbeiter, die seitdem zu (stellvertretenden) Direktoren ernannt worden seien, seien nicht begünstigt worden.

15

Der Kläger könne sich auf Gleichbehandlung auch deshalb nicht berufen, weil er im März 2001 mit dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrages die darin enthaltene Altersversorgungsregelung akzeptiert habe, die eine Anhebung des Steigerungssatzes nicht vorsehe.

16

Zudem stehe dem geltend gemachten Anspruch entgegen, dass sich der Kläger im Rahmen eines familienrechtlichen Verfahrens im Jahr 2005 nicht gegen eine Rentenauskunft der Beklagten unter Berücksichtigung des Steigerungssatzes von 1,25 % gewandt habe, obwohl er gewusst habe, dass diese Auskunft verbindlich für den Versorgungsausgleich sein werde. In diesem Verhalten des Klägers liege ein negatives Schuldanerkenntnis.

17

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen die der Klage stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet.

19

I. Die Klage ist zulässig, der Klageantrag bedarf jedoch der Auslegung. Er ist dahin zu verstehen, dass der Kläger von der Beklagten die Annahme seines im Klageantrag liegenden Vertragsangebots begehrt.

20

1. Klageanträge unterliegen als Prozesshandlungen der uneingeschränkten Auslegung durch das Revisionsgericht (BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 11, BAGE 123, 358). Im Zweifel ist das gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH 12. Februar 2003 - XII ZR 324/98 - zu II 1 a der Gründe mwN). Für das Verständnis eines Klageantrags ist deshalb nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Das Gericht hat den erklärten Willen zu erforschen, wie er aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage hervorgeht. Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) sind für die Auslegung von Klageanträgen heranzuziehen. Das gilt auch im Revisionsverfahren ( BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26).

21

2. Danach ist der nach seinem Wortlaut auf Erteilung einer Versorgungszusage gerichtete Klageantrag als Antrag auf Annahme des in dem Klageantrag liegenden Vertragsangebots des Klägers durch die Beklagte zu verstehen. Der Kläger will ohne weiteren Zwischenschritt das Zustandekommen einer seine bisherige Versorgungszusage ändernden Versorgungsvereinbarung erreichen. Der Vertragsschluss soll mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils nach § 894 Satz 1 ZPO herbeigeführt werden.

22

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vereinbarung der geänderten Versorgungszusage.

23

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG können Versorgungsverpflichtungen nicht nur auf einer Versorgungszusage, sondern auch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Im Bereich des Betriebsrentenrechts hat der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz damit kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung (BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 56, BAGE 133, 158; 10. Dezember 2002 - 3 AZR 3/02 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 104, 205). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage als auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 21. August 2007 - 3 AZR 269/06 - Rn. 21, BAGE 124, 22).

24

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (st. Rspr., vgl. etwa BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 713/00 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 87; 21. Juni 2000 - 5 AZR 806/98 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83). Stellt der Arbeitgeber hingegen nur einzelne Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen besser, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 39, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 11; 13. Februar 2002 - 5 AZR 713/00 - zu II 1 der Gründe mwN, aaO).

25

a) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert die Bildung einer Gruppe begünstigter Arbeitnehmer. Eine Gruppenbildung liegt vor, wenn der Arbeitgeber Vergünstigungen nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Die Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern muss nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen werden, die bei allen Begünstigten vorliegen. Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Merkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer (vgl. etwa BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 713/00 - zu II 1 der Gründe mwN, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 87). Ist die Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering, kann ein nicht begünstigter Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keine Ansprüche herleiten (BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 713/00 - zu II 2 der Gründe, aaO).

26

b) Werden für mehrere Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass diese Unterscheidung sachlich gerechtfertigt ist. Eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung verstößt erst dann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 448/09 - Rn. 23; 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 30, BAGE 133, 158).

27

Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die unterschiedliche Behandlung ein hinreichender Sachgrund besteht, ist vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Gruppenbildung rechtfertigen (BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 31, BAGE 133, 158). Gerechtfertigt ist danach eine Gruppenbildung, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist (BAG 13. April 2011 - 10 AZR 88/10 - Rn. 13, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 287 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 25). Der Differenzierungsgrund muss die in der Regelung getroffene Rechtsfolge tragen.

28

c) Sind die Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern nicht ohne Weiteres erkennbar, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese offenzulegen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass beurteilt werden kann, ob die Ungleichbehandlung durch sachliche Kriterien gerechtfertigt ist (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 448/09 - Rn. 25; 12. Oktober 2005 - 10 AZR 640/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 116, 136).

29

d) Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne Weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem vom Arbeitgeber vorgetragenen Zweck der Leistung sachlich nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45, BAGE 125, 133).

30

2. Danach hat der Kläger einen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz auf Erteilung einer geänderten Versorgungszusage mit einem auf 1,75 % erhöhten Steigerungssatz. Zumindest in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2000 haben etwa die Hälfte der (stellvertretenden) Direktoren eine entsprechende Zusage erhalten. Die Beklagte hat insoweit nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zwischen den (stellvertretenden) Direktoren, denen sie einen erhöhten Steigerungssatz zugesagt hat, und den (stellvertretenden) Direktoren, die eine solche Zusage nicht erhalten haben, nachvollziehbare Unterschiede bestehen. Beide Gruppen verfügen über das gemeinsame Merkmal (stellvertretender) Direktor. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie ihre bisherige Handhabung zum 1. Januar 2001 geändert hat. Auch danach hat sie - jedenfalls für Ernennungen bis zum 1. April 2001 - noch geänderte Versorgungszusagen erteilt. Da der Kläger zum 1. Januar 2001 zum stellvertretenden Direktor ernannt wurde, kann er Gleichbehandlung mit den begünstigten (stellvertretenden) Direktoren verlangen.

31

a) Die Beklagte hat nicht lediglich einzelne oder eine sehr geringe Anzahl (stellvertretender) Direktoren begünstigt. Sie hat vielmehr mit etwa der Hälfte der in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2000 ernannten (stellvertretenden) Direktoren Steigerungsbeträge in Höhe von 1,75 % vereinbart, ebenso mit drei zum 1. Januar 2001 und zum 1. April 2001 ernannten (stellvertretenden) Direktoren. Da nicht erkennbar ist, weshalb nur etwa die Hälfte der Angehörigen dieses Personenkreises die Vergünstigung erhalten hat, hätte es der Beklagten oblegen, die Gründe für die unterschiedliche Behandlung offenzulegen. Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen. Sie hat hierzu lediglich vorgetragen, dass die erteilten Zusagen auf individualvertraglichen Vereinbarungen beruhen, die im jeweiligen Einzelfall vom Vorstand beschlossen worden seien. Die Gründe, die für die Beschlussfassung des Vorstands und damit für die vorgenommene Differenzierung maßgeblich waren, lassen sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Aus dem verwaltungsinternen Merkblatt aus März 1991 sowie aus dem in der Mitarbeiterzeitschrift „P“, Ausgabe 1/78, veröffentlichten Artikel des Bereichsleiters Personal ergibt sich zudem, dass die Beklagte bei der Vereinbarung der Versorgungsregelungen nach einem generalisierenden Prinzip verfahren ist. Nach der Darstellung des Bereichsleiters Personal in der Mitarbeiterzeitschrift folgten die einzelvertraglichen Zusagen zur Anhebung der jährlichen Steigerungssätze für außertarifliche Angestellte „festen Regeln“. Das Merkblatt aus März 1991 enthält unter Nr. 2 Buchst. d allgemein für Direktoren und stellvertretende Direktoren anzuwendende Regelungen über die Anhebung der Steigerungsbeträge. Auch wenn das Merkblatt nur verwaltungsinternen Zwecken gedient hat und den Arbeitnehmern nicht bekannt gegeben wurde, lässt sich hieraus entnehmen, dass für die Vereinbarung der erhöhten Steigerungsbeträge abstrakte, allgemein geltende Kriterien maßgeblich waren. Das Vorbringen der Beklagten, tatsächlich sei nicht nach dem Merkblatt verfahren worden, ist substanzlos. Die Beklagte hat lediglich pauschal behauptet, im Zusammenhang mit der Änderung des Steigerungssatzes seien stets die Altersversorgungsregelungen insgesamt modifiziert worden. Welche Regelungen dabei jeweils wie geändert worden sein sollen, hat sie nicht erläutert. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass entgegen den Angaben in dem Merkblatt mit den begünstigten Personen jeweils unterschiedliche, jeweils auf den Einzelfall bezogene Vereinbarungen zur Altersversorgung getroffen wurden.

32

b) Die Beklagte hat die Begünstigung der (stellvertretenden) Direktoren nicht zum Stichtag 1. Januar 2001 eingestellt. Sie hat zwar vorgetragen, von den Vorständen der Z Bank und der G Bank sei bereits zu Beginn des Jahres 2001 beschlossen worden, zukünftig mit der Vergabe von Titeln keinerlei materielle Aspekte mehr zu verknüpfen, was insbesondere die Altersversorgung und den Dienstwagen betroffen habe. Diesen Beschluss hat die Beklagte aber - jedenfalls zunächst - nicht umgesetzt. Die Beklagte hat vielmehr drei im Jahr 2001 zu (stellvertretenden) Direktoren ernannten Mitarbeitern die Erhöhung des Steigerungssatzes zugesagt. Sie hat daher die bisherige Praxis zumindest bis in das Jahr 2001 hinein fortgesetzt. Deshalb kann der zum 1. Januar 2001 zum stellvertretenden Direktor ernannte Kläger verlangen, mit den begünstigten Personen gleichbehandelt zu werden. Auf die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht berechneten Prozentanteile von begünstigten und nicht begünstigten Mitarbeitern ab dem 1. Januar 2001 kommt es nicht an, da die Beklagte ihre Praxis nicht im Jahr 2001 begonnen, sondern die bisherige Praxis fortgeführt hat.

33

3. Weder der Abschluss des geänderten Arbeitsvertrages im Jahre 2001 noch das Verhalten des Klägers im familienrechtlichen Verfahren stehen dem Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung entgegen.

34

a) § 5 des Arbeitsvertrages aus dem Jahr 2001 trifft eine allgemeine Verweisungsregelung auf die Betriebsvereinbarungen zur Altersversorgung „in Verbindung mit einer von der Bank erteilten einzelvertraglichen Versorgungszusage“. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger durch den Vertragsschluss auf etwaige Ansprüche auf Gleichbehandlung in Bezug auf eine in der Vertragsbestimmung ausdrücklich genannte einzelvertragliche Versorgungszusage verzichtet hat.

35

b) Das Verhalten des Klägers im familienrechtlichen Verfahren stellt kein negatives Schuldanerkenntnis des Klägers gegenüber der Beklagten dar. Die Beklagte war nicht Partei dieses Verfahrens und der Kläger hat ihr gegenüber keine Erklärungen abgegeben. Ob der Kläger im familienrechtlichen Verfahren seine Rechtsauffassung hätte mitteilen müssen, dass ihm nach seiner Ansicht ab dem 1. Januar 2005 ein erhöhter Steigerungssatz bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung zusteht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, denn jedenfalls kann die Beklagte zu ihren Gunsten hieraus nichts ableiten.

36

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Schmidt    

        

    Schepers    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. September 2009 - 5 Sa 657/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 10. Februar 2009 - 7 Ca 411/08 - wird zurückgewiesen.

3. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 10. Februar 2009 - 7 Ca 411/08 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sonderzuwendung.

2

Die Beklagte führt einen Betrieb der chemischen Industrie. Bis zum 31. Dezember 2006 war sie Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands der chemischen Industrie. Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und seit 1996 für die Beklagte als Industrienäher gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.400,00 Euro tätig.

3

Nach § 2 Abschn. I Ziff. 1 des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie vom 24. Juni 1992 in den Fassungen vom 16. Juni 2005 und vom 8. März 2007 (MTV) beträgt die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit an Werktagen ausschließlich der Pausen 37,5 Stunden. Mehrarbeit ist nach § 3 Abschn. I MTV grundsätzlich durch Freizeit auszugleichen; gemäß § 4 Abschn. I Ziff. 1 MTV beträgt der Zuschlag für Mehrarbeit 25 %.

4

Mit Wirkung zum 1. Januar 2007 bot die Beklagte allen Arbeitnehmern geänderte Arbeitsbedingungen wie folgt an:

        

Ergänzung zum bestehenden Anstellungsvertrag/Ausbildungsvertrag

        

…       

        

1. Entgelterhöhung vom 01.01.2007 bis 31.12.2009

                 

Periode 1

Periode 2

        

Zeitraum (von - bis)

01.01.2007

30.06.2008

01.07.2008

31.12.2009

        

Laufzeit

18 Monate

18 Monate

        

Entgeltanpassung (fix)

2,50 %

1,00 %

        

Einmalzahlungen

        

Einmalzahlungen berechnen sich auf Basis des 12-fachen des zuletzt gültigen Monatslohns/-gehalts.

        

Jahr   

2007   

2007* 

2008* 

2009* 

        

Einmalzahlung

2 % fix

bis zu 2 %

bis zu 2 %

bis zu 2 %

                 

Ausz. Anfang 2007

Im Detail:

1 % bei Erreichung Managementergebnis lt. Budget

                                   

1 % bis 2 % in Abhängigkeit vom Ergebnis

        

*jeweils Auszahlung nach Ende des Geschäftsjahrs

        
                          
        

2. Anpassung der Arbeitszeit ab 01.01.2007

        
        

Die Netto-Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche. Zusätzlich geleistete Arbeitszeit wird dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und kann u. a. für Brückentage Verwendung finden.

        
        

Für Teilzeit-Beschäftigte gilt diese Regelung analog ihrer vereinbarten Arbeitszeit. Abwesenheitszeiten berechnen sich auf der Basis der Netto-Arbeitszeit.

        
        

3. Tarifliche Vertragsbestandteile

        
        

Die bisher gewährten Leistungen des Manteltarifvertrages vom 24. Juni 1992 in der Fassung vom 16. Juni 2005, die am Stichtag 31. Dezember 2006 vereinbart waren, werden als arbeitsvertragliche Regelungen weiter statisch garantiert, soweit in diesem Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist und sie nicht im Widerspruch zur Neuregelung der vereinbarten Nettoarbeitszeit (vgl. Ziff. 2) stehen.

        
        

Obwohl nach Beendigung der Tarifbindung ein Anspruch auf Weitergabe künftiger Tarifentwicklungen nicht mehr besteht, verpflichtet sich der Arbeitgeber nach Bekanntgabe des Abschlusses des genannten geänderten oder abgelösten Manteltarifvertrages zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Leistungen als weiterer Nachtrag in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden können.

        
        

Falls eine Arbeitsvertragspartei dies wünscht, sind danach alsbald entsprechende Verhandlungen mit dem ernsten Willen zu einer Einigung aufzunehmen.“

        
5

Der Kläger nahm das Angebot der Beklagten im Gegensatz zu der weit überwiegenden Anzahl der Arbeitnehmer nicht an. In einer Betriebsversammlung am 17. Juni 2008 sagte die Beklagte den Arbeitnehmern, die das Änderungsangebot angenommen hatten, die Zahlung einer Sonderzuwendung in Höhe von 4,5 % auf der Basis des 12-fachen Monatslohns zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld als Abschlag auf die ergebnisabhängige Einmalzahlung gemäß der Ergänzung zum Anstellungsvertrag zu. Die Zuwendung wurde mit der Entgeltabrechnung für Juli 2008 zur Auszahlung gebracht.

6

Mit der Klage begehrt der Kläger ebenfalls die Zahlung der Sonderzuwendung. Die Beklagte habe nicht die Arbeitnehmer von der Einmalzahlung ausnehmen dürfen, die das Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrags nicht angenommen hätten. Dies verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sei eine unzulässige Maßregelung. Die Beklagte habe nicht nur die aus der Änderungsvereinbarung resultierenden Nachteile ausgleichen, sondern auch den Beitrag der Arbeitnehmer zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens honorieren wollen. Zu diesem Erfolg habe er ebenfalls beigetragen.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.427,13 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2008 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Einmalzahlung habe allein den Ausgleich der durch die Änderungsvereinbarung entstandenen Vergütungsunterschiede bezweckt. Sie sei lediglich unter den Vorbehalt der Erreichung bestimmter Unternehmensergebnisse gestellt worden, ohne dass damit ein weiterer Leistungszweck begründet worden sei. Die Grenzen eines angemessenen Ausgleichs für die Mehrarbeit von 2,5 Stunden pro Woche seien nicht überschritten worden.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihr vollumfänglich entsprochen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Ein Anspruch auf die Sonderzuwendung besteht nicht.

11

I. Der Kläger hat keinen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

12

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 14, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22; 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 11, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 19, BAGE 122, 1).

13

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch, wenn der Arbeitgeber nach selbst gesetzten Regeln freiwillige Sonderzahlungen leistet (BAG 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 284). Ihm ist es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen aus unsachlichen Gründen von der Gewährung einer Sonderzahlung auszuschließen. Sachfremd ist die Benachteiligung jedoch nicht, wenn sich nach dem Leistungszweck Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, einer Gruppe von Arbeitnehmern eine Leistung vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung einer Leistung ergibt sich dabei vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 15, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22; 5. August 2009 - 10 AZR 666/08 - Rn. 10, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 208 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 6; 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 12, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20; 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 14, aaO). Gerechtfertigt ist die Gruppenbildung, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Die Gruppenbildung muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein (vgl. BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 16, aaO; 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 13, aaO).

14

Liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Regel auf alle Arbeitnehmer anzuwenden und diese entsprechend zu begünstigen. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 17, aaO; 15. Juni 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 14, aaO).

15

2. Die Beklagte hat die Zuwendung von 4,5 % des Jahresverdienstes 2007 nach einem generalisierenden Prinzip geleistet. Sie hat die Zuwendung nur den Arbeitnehmern gezahlt, mit denen sie die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden vereinbart hat. Dass sie diesen Arbeitnehmern gegenüber in Höhe von 2 % des 12-fachen zuletzt gültigen Monatslohns/-gehalts eine Verpflichtung aus der Ergänzung zum Anstellungsvertrag erfüllt hat, steht der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht entgegen. Die Gruppenbildung erfolgte bereits mit dem Abschluss der Änderungsverträge. Die angetragenen schlechteren Arbeitsbedingungen konnten nach § 3 Abs. 3 TVG wegen der Nachbindung an den MTV im Verhältnis zu den tarifgebundenen Arbeitnehmern nicht wirksam werden.

16

3. Die Ungleichbehandlung ist nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt.

17

a) Eine Sonderzahlung darf ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einer Gruppe von Arbeitnehmern vorenthalten werden, wenn sie ausschließlich dem Ausgleich von Nachteilen derjenigen dient, die mit dem Arbeitgeber ungünstigere Arbeitsbedingungen vereinbart haben (BAG 5. August 2009 - 10 AZR 666/08 - Rn. 15, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 208 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 6; 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 284).

18

b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat ein Vertreter der Beklagten in der Betriebsversammlung vom 17. Juni 2008 die Sonderzuwendung als Abschlag auf die ergebnisabhängige Einmalzahlung gemäß der Ergänzung zum Anstellungsvertrag zugesagt. Leistungszweck der hier zugesagten Einmalzahlungen war der Ausgleich der Vergütungsnachteile durch die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit, nicht aber zusätzlich die Honorierung bestimmter Betriebsergebnisse. Die versprochenen Einmalzahlungen standen lediglich unter der aufschiebenden Bedingung der Erreichung dieser Ergebnisse. Dies ergibt die Auslegung von Ziff. 1 der Ergänzung zum Anstellungsvertrag.

19

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen den Ergänzungen zum Anstellungsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde, deren Auslegung das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfen kann (BAG 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragspartnern verfolgte Regelungszweck sowie die jeweils der anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, aaO).

20

bb) Die zugesagten Zahlungen standen unter der aufschiebenden Bedingung des Erreichens bestimmter Ziele. Dies zeigt bereits der Wortlaut der Änderungsvereinbarung. Die Einmalzahlung sollte „bei“ und nicht „für“ die Erreichung eines Ergebnisses gezahlt werden. Regelungszweck der Änderungsvereinbarung und erkennbare Interessenlage der Beklagten verdeutlichen dies. Eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ohne vollen Lohnausgleich dient der Senkung der Produktionskosten und damit der Verbesserung des Ergebnisses. Verspricht der Arbeitgeber in einem solchen Regelungszusammenhang als Gegenleistung für eine längere Arbeitszeit einen Nachteilsausgleich „bei“ Erreichen bestimmter Ergebnisse, so ist für einen verständigen Vertragspartner erkennbar, dass die Ergebnisbeteiligung nicht allgemein zugesagt, sondern nur als Nachteilsausgleich für die Mehrleistung unter dem Vorbehalt gezahlt werden soll, dass die Maßnahmen greifen und die mit der Mehrleistung bezweckte Ergebnisverbesserung eintritt. Einen eigenständigen weiteren Leistungszweck hat die Beklagte mit der Einmalzahlung für das Jahr 2008 nicht verfolgt.

21

c) Die Beklagte hat mit der Sonderzuwendung in Höhe von 4,5 % des Jahresverdienstes keinen weitergehenden Zweck als mit der versprochenen Einmalzahlung verbunden. Das ergibt sich schon aus der Bezeichnung der Zahlung „als Abschlag“. Auch wenn die Zuwendung über die versprochene Einmalzahlung hinausging, sollte sie nicht von zusätzlichen Voraussetzungen abhängen, sondern allein dem Ausgleich der Mehrarbeit dienen.

22

d) Die Leistung einer auf 4,5 % vom Jahresverdienst 2007 erhöhten Einmalzahlung war zur Erreichung dieses Leistungszwecks erforderlich und angemessen. Die Beklagte hat damit die durch die Arbeitszeitverlängerung eingetretenen Vergütungsunterschiede nicht überkompensiert.

23

aa) Das Vorenthalten einer Gehaltserhöhung oder einer Sonderzahlung gegenüber einer anderen Arbeitnehmergruppe kann zwar sachlich begründet sein, wenn mit der Leistung unterschiedliche Arbeitsbedingungen zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern ausgeglichen werden sollen (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 21 ff., AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22; 1. April 2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 18, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 284; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 27, BAGE 122, 1). Nach dem Zweck einer auf den Ausgleich schlechterer Arbeitsbedingungen gerichteten Leistung ist eine Kompensation aber nur insoweit zulässig, als ein solcher Ausgleich herbeigeführt wird. Führt eine Leistung tatsächlich zu einer Überkompensation und damit zu einer Besserstellung einer Arbeitnehmergruppe, so besteht im Umfang der Überkompensation kein sachlicher Grund, der anderen Gruppe diese Leistung vorzuenthalten. Bei der notwendigen Würdigung besteht ein Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers, weil unterschiedliche Vergütungselemente wie Grundvergütung, Zuschläge, Einmalzahlungen und Arbeitszeit ins Verhältnis zu setzen und miteinander zu vergleichen sind (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 28, aaO). Richtiger Vergleichsmaßstab ist vorliegend die Stundenvergütung, weil ein Abstellen auf das Jahres-, Monats- oder Wochenentgelt unberücksichtigt lässt, dass Mitarbeiter mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zwar ein höheres Entgelt erzielen, dies aber nur auf der Leistung zusätzlicher Arbeitsstunden beruht (vgl. BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 23, aaO).

24

bb) Der Kläger erzielte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden eine Stundenvergütung von ca. 14,77 Euro brutto (2.400,00 Euro ./. 162,5 Stunden) und würde unter Einbeziehung eines Mehrarbeitszuschlags von 25 % bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eine Stundenvergütung von ca. 15,00 Euro brutto erzielen. Die Arbeitnehmer, die der Arbeitszeiterhöhung zugestimmt haben, erreichten demgegenüber im Jahr 2008 unter Einbezug der linearen Entgelterhöhungen und der gesamten Einmalzahlung von 1.427,13 Euro eine Stundenvergütung von ca. 14,95 Euro brutto.

25

cc) Unter Berücksichtigung des dem Arbeitgeber zustehenden Beurteilungsspielraums ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Mehrarbeitszuschläge in die vergleichende Betrachtung einbezogen hat. Die Arbeitnehmergruppe, die der Erhöhung der Arbeitszeit zugestimmt hat, erhält für die Leistung der zusätzlichen Wochenstunden keinen Mehrarbeitszuschlag. Die Arbeitnehmer, die der Erhöhung der Arbeitszeit nicht zugestimmt haben, hätten bei ständiger Leistung von 2,5 Mehrarbeitsstunden je Woche ohne Freizeitausgleich Anspruch auf den Zuschlag nach § 4 Abschn. I Ziff. 1 MTV. Gleicht der Arbeitgeber auch diesen Nachteil aus, so liegt darin keine Überkompensation und der Gleichbehandlungsgrundsatz wird nicht verletzt.

26

II. Unabhängig davon, ob § 612a BGB eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellt, hat die Beklagte das Maßregelungsverbot nicht verletzt.

27

1. Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Benachteiligung nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber Arbeitnehmern gewährt, falls diese Rechte nicht ausüben (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 28, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22; 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 34, BAGE 122, 1). Das Maßregelungsverbot ist aber nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 28, aaO; 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 22, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20).

28

2. Danach hat die Beklagte nicht gegen das Maßregelungsverbot verstoßen. Die benachteiligende Maßnahme der Beklagten hatte ihren Grund nicht in der zulässigen Ablehnung geänderter Arbeitsbedingungen durch den Kläger, sondern im unterschiedlichen Vergütungsniveau des Klägers sowie der Arbeitnehmer mit einer 40-Stunden-Woche.

29

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Trümner    

        

    Frese    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

(1) Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. In Verfahren, in denen Kosten nach dem Gerichtskostengesetz oder dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen erhoben werden, sind die Wertvorschriften des jeweiligen Kostengesetzes entsprechend anzuwenden, wenn für das Verfahren keine Gerichtsgebühr oder eine Festgebühr bestimmt ist. Diese Wertvorschriften gelten auch entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. § 22 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) In Beschwerdeverfahren, in denen Gerichtsgebühren unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, ist der Wert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach Absatz 3 Satz 2 zu bestimmen, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Der Gegenstandswert ist durch den Wert des zugrunde liegenden Verfahrens begrenzt. In Verfahren über eine Erinnerung oder eine Rüge wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs richtet sich der Wert nach den für Beschwerdeverfahren geltenden Vorschriften.

(3) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gelten in anderen Angelegenheiten für den Gegenstandswert die Bewertungsvorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes und die §§ 37, 38, 42 bis 45 sowie 99 bis 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes entsprechend. Soweit sich der Gegenstandswert aus diesen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5 000 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500 000 Euro anzunehmen.