Arbeitsgericht Dortmund Urteil, 29. Juni 2016 - 10 Ca 1340/16
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Gericht
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin nach der Lohn-gruppe III/1 (85,42% Verhältnis zum Ecklohn) des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für Großbäckereien und Betriebe, die Brot und Backwaren vertreiben, vom 13.06.2014, abgeschlossen zwischen dem Verband Deutscher Großbäckereien e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zu vergüten.
Die Beklagte wird verurteilen, an die Klägerin 1436,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.6.16 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
Die Beklagte hat 35% und die Klägerin 65% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen
Der Streitwert wird auf 18.415,30 € festgesetzt
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
3Die Klägerin steht bei der Beklagten mit einer durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit von 167 Stunden in einem Arbeitsverhältnis. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmt sich u. a. nach dem zwischen dem Verband Deutscher Großbäckereien e. V. und der Gewerkschaft NGG geschlossenen Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebes NRW vom 18.11.1996 (nachfolgend: MTV) sowie dem Lohn- und Gehaltstarifvertrag NRW vom 13.06.2014 (nachfolgend: LTV), welche kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung finden.
4Die Beklagte produziert an insgesamt 10 Linien Backwaren (Linien 1 und 2: Schnittbrot; Linie 3: Ganzbrot; Linie 5: Baguette; Linie 6 und 10: Spezialbrötchen; Linien 7, 8 und 9: Brötchen).
5Der LTV enthält in § 2 A. a) u. a. folgende Regelungen zur Eingruppierung:
6„Lohngruppe III
7Ungelernte Arbeitskräfte im Backprozess und Tätigkeiten, die über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinausgehen (85,42%)
8Aufsetzer im Brotbackprozess erhalten den Lohn der Lohngruppe I/1 (100%)
9Ungelernte Arbeitskräfte, die im Backprozess zwei Jahre Teilfunktionen von Facharbeitern ausgeführt haben, erhalten (I1) 95%
10Lohngruppe IV
11Ungelernte Arbeitskräfte, mit einfacher Arbeit
12Brotschneiden, Einpacken, Reinigen und Fetten von Geräten, Glasieren, Zuckern, Streuseln, Schneiden, Füllen, Putzarbeiten und ähnliches
13a) in den ersten sechs Monaten der Betriebszugehörigkeit über 18 Jahre (77%)
14b) nach sechs Monaten der Betriebszugehörigkeit (80,13%)
15Für das Spritzen und Garnieren von Torten sowie Dressieren von Hand wird ein Zuschlag von 10% auf den Lohn der Lohngruppe IV gezahlt“
16Die Beklagte setzt die Klägerin an den Linien 1 bis 3 für den Bereich ein, in dem Brote weitgehend automatisiert geschnitten und verpackt werden. Die Aufgabe der Klägerin besteht unter anderem darin, dass sie in diesem Bereich Einstell-, Überwachungs-, Materialflussstörungsbeseitigungs-, Kontroll-, Reinigungs- und Dokumentationstätigkeiten vornehmen und bei der Verpackung von Schnittbrot eine bestimmte Zahl von Brotschnitten greifen und in die Verpackungsmaschine legen muss.
17Die Klägerin erhält einen Stundenlohn von 13,82 EUR brutto. Dies entspricht der Vergütung nach der Lohngruppe IV b LTV.
18Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei nach der Lohngruppe III/3, hilfsweise nach der Lohngruppe III/1 zu vergüten.
19Mit Schreiben der Fachgewerkschaft vom 29.10.15, 17.11.15 und 29.03.16 machte die Klägerin die nach ihrer Auffassung bestehenden Lohnrückstände für die Zeit ab Juli 2015 bis Februar 2016 erfolglos außergerichtlich geltend.
20Die Klägerin meint, sie habe im Rahmen ihrer Tätigkeit als Maschinenbedienerin bereits seit mehr als zwei Jahren Teilfunktionen einer Facharbeiterin im Backprozess im Sinne des Tarifvertrages ausgeübt. Das Backen der Backwaren dürfe nicht komplett von der Verpackung abgegrenzt werden. Denn es handele sich bei der Herstellung der Backwaren an den Linien um einen einheitlichen Prozess, beginnend mit dem Befüllen und Backen des Teiges und endend mit dem Schnitt, der Verpackung und Bedruckung des Produktes. An den Beispielen der Lohngruppe IV zeige sich, dass hier nicht unterschieden werde, in welchem Bereich der Maschine gearbeitet werde. Es sei daher nicht ersichtlich, dass der Vorgang von der Herstellung des Teiges bis zur Verpackung des Produktes in der Lohngruppe III tatsächlich geteilt werden solle. Die Lohngruppe III baue auf der Lohngruppe IV auf. Eine Trennung der Maschinenlinien nach Beginn und Ende sei von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt gewesen.
21Bezüglich des Hilfsantrags sei auszuführen, dass die Lohngruppe III/1 nicht nur für Arbeitnehmer im Backprozess gelte. Das „und“ dieser Lohngruppe sei so zu lesen wie ein „und auch“. Die Lohngruppe III/1 solle also für ungelernte Arbeitskräfte im Backprozess gelten und auch für ungelernte Arbeitskräfte, die Tätigkeiten, die über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinausgingen, erledigten. Anders könne diese Lohngruppe nicht verstanden werden, da ungelernte Arbeitskräfte im Backprozess zum Beispiel nicht einpackten, sodass hier nur die ungelernten Arbeitskräfte in der Verpackung gemeint sein könnten, die über die einfachen Einpacktätigkeiten hinausgehende weitere Tätigkeiten ausübten. „Einpacken“ bedeute nach seinem Wortlaut: etwas in ein dafür vorgesehenes Behältnis legen, darin verstauen. Damit könne im vorliegenden Fall allerdings nicht der gesamte Verpackungsvorgang, der im Teilbereich der Maschinenlinie stattfinde, gemeint sein. Anders wäre es nicht zu erklären, dass das Brotschneiden auch separat aufgeführt werde. Es werde also unterschieden zwischen verschiedenen Einzeltätigkeiten im Bereich der Verpackung, die zum Verpackungsvorgang gehörten. Dass die Lohngruppe III/1 nur so verstanden werden könne, zeige auch ein Vergleich mit den Formulierungen der Lohngruppe III/3. Hier gehe es um ungelernte Arbeitskräfte, die im Backprozess bestimmte zusätzliche Teilfunktionen ausüben müssten. Gerade so laute die Lohngruppe III/1 jedoch nicht. Der Beklagten wäre nur zu folgen, wenn die Lohngruppe III/1 lauten würde: „Ungelernte Arbeitskräfte im Backprozess, die Tätigkeiten ausüben, die über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinausgehen“. Da die Lohngruppen III und IV keine unterschiedlichen Überschriften hinsichtlich der Tätigkeitsbereiche aufwiesen, sei eine Unterscheidung zwischen Arbeitskräften innerhalb und außerhalb des Backprozesses nicht gewollt gewesen. Die von ihr verrichteten Tätigkeiten gingen über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinaus.
22Die geltend gemachten Nachzahlungsansprüche hinsichtlich Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung seien so berechnet worden, dass die Differenz zwischen dem Lohn der Lohngruppe IV und dem von der Beklagten angesetzten Lohn ermittelt worden sei und diese Differenz dann auf den Lohn der eingeklagten Lohngruppe addiert worden sei.
23Die Klägerin beantragt,
24die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.029,29 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
25und
26festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie nach der Lohngruppe III/3 (95% Verhältnis zum Ecklohn) des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für Großbäckereien und Betriebe, die Brot und Backwaren vertreiben, vom 13.06.2014, abgeschlossen zwischen dem Verband Deutscher Großbäckereien e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zu vergüten
27hilfsweise
28festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie nach der Lohngruppe III/1 (85,42% Verhältnis zum Ecklohn) des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für Großbäckereien und Betriebe, die Brot und Backwaren vertreiben, vom 13.06.2014, abgeschlossen zwischen dem Verband Deutscher Großbäckereien e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zu vergüten
29und
30die Beklagte zu verurteilen, an sie 1436,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie trägt vor, die Klägerin lege nicht dar, inwiefern sie als ungelernte Arbeitskraft im Backprozess und bei Tätigkeiten, die über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinausgingen, eingesetzt werde. Die Klägerin lege weder die eigene Tätigkeit nachvollziehbar dar noch nehme sie wertende Gegenüberstellungen zu angrenzenden Tätigkeiten anderer Tarifgruppen vor. Die Ausführungen der Klägerin zu den von ihr durchgeführten Tätigkeiten bedürften einer wesentlich geringeren Qualifikation, als dies aus der Wortwahl der Darstellung geschlossen werden könnte. Mangels konkreter Angaben der Klägerin zur Art und zeitlichen Verteilung der einzelnen von ihr ausgeübten Arbeiten lasse sich zudem nicht beurteilen, welche Tätigkeit die Klägerin überwiegend ausübe. Die von der Klägerin vorgenommene Tarifvertragsauslegung sei nicht nachvollziehbar und unzutreffend. Die Lohngruppe III gehe – ausgehend von der Bedeutung des Backprozesses für eine Bäckerei – ausschließlich von Tätigkeiten im eigentlichen Backprozess aus. Hierunter sei die physikalische und chemische Ausbildung der Teiglingsoberfläche und des Inneren des Backgutes zu verstehen. Die Klägerin sei nicht im Backprozess tätig, sondern im Anschluss an den Backprozess. Somit sei bereits nach dem Wortlaut des Tarifvertrages die Eingruppierung in die Lohngruppe III/3 ausgeschlossen, da hier eine Tätigkeit im Backprozess erforderlich sei. Die Auffassung der Klägerin, es handele sich bei der Fertigung im Rahmen einer Linie um einen einheitlichen Produktionsprozess, werde dem Wortlaut des Tarifvertrages nicht gerecht. Der Tarifvertrag nehme innerhalb der Lohngruppe III den Backprozess als Standort der Tätigkeit mit auf. In der Lohngruppe I, die für Facharbeiter gelte, sei diese Differenzierung nicht vorgenommen worden, da im Bereich der Facharbeiter auch Tätigkeiten außerhalb des Backprozesses erfasst sein sollten.
34Darüber hinaus erledige die Klägerin aber auch keine Tätigkeiten, die über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinausgingen. Die Lohngruppe IV enthalte die durchgeführten Tätigkeiten bereits wörtlich. Ein hierüber hinausgehender Aufgabenbereich sei weder existent noch dargelegt, zumal die Klägerin auch ständig damit beschäftigt sei, mit der Hand jeweils eine bestimmte Zahl von geschnittenen Brotschnitten zu greifen und in die Verpackungsmaschine zu legen. Zu beachten sei hierbei, dass die Beispiele der Lohngruppe IV vor dem Hintergrund der nahezu ausschließlichen maschinellen Fertigung von Backwaren in Großbäckereien zu sehen seien.
35Die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien auch unzutreffend berechnet, weil sie die Berechnungsvorgaben des MTV für Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung nicht berücksichtigten.
36Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe
38Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
39I. Die Klage ist zulässig. Das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an einer mit einer Eingruppierungsklage begehrten Feststellung ist nicht nur für den öffentlichen Dienst zu bejahen. Eingruppierungsfeststellungsklagen sind vielmehr auch in der Privatwirtschaft zulässig (BAG, Urteil vom 23.09.1992, 4 AZR 30/92). Dies gilt für die Feststellungsanträge auch insoweit, als sich der Feststellungszeitraum mit dem Zeitraum, auf den sich der bezifferte Zahlungsantrag bezieht, überschneidet. Insoweit ist die Klage nämlich als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Denn die Begründetheit der Zahlungsanträge hängt von der Eingruppierung der Klägerin ab.
40II. Die Klage ist, soweit ihr stattgegeben wurde, begründet, im Übrigen unbegründet.
411) Die Hauptanträge sind unbegründet, weil die Klägerin nicht nach der Lohngruppe III/3 LTV zu vergüten ist. Eine diesbezügliche Feststellung scheidet mithin ebenso aus wie eine Nachzahlung auf Grundlage der Lohngruppe III/3 LTV.
42In die Lohngruppe III/3 sind ungelernte Arbeitskräfte, die im Backprozess zwei Jahre Teilfunktionen von Facharbeitern ausgeführt haben, eingruppiert.
43Die Klägerin übt keine Tätigkeit „im Backprozess“ aus. Sie ist im Bereich nach dem Backprozess, nämlich insbesondere der Verpackung tätig. Der Vorgang der Verpackung beginnt notwendiger Weise frühestens mit der Fertigstellung des Produktes, also erst mit der Beendigung des Backprozesses. Sämtliche Tätigkeiten, die von der Klägerin ausgeübt werden, sind nicht Bestandteil des Backprozesses, sondern schließen an diesen an.
44Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Herstellung der Backwaren an einer Linie um einen einheitlichen Prozess, beginnend mit dem Befüllen und dem Backen des Teiges und endend mit dem Schnitt, der Verpackung und Bedruckung des Produktes, handelt und dass demgemäß eine Vergütung nach Lohngruppe III/3 zu erfolgen habe.
45Der Tarifwortlaut spricht dagegen. Die Tarifvertragsparteien haben die Bezeichnung „Backprozess“ gewählt. „Prozess“ bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch: ein sich über eine gewisse Zeit erstreckender Vorgang, bei dem etwas [allmählich] entsteht, sich herausbildet (duden.de). Gemeint ist also der Vorgang des Backens als solcher, der abgeschlossen ist, wenn das Produkt als solches fertiggestellt ist. Ferner haben die Tarifvertragsparteien die Bezeichnung „im Backprozess“ gewählt. „Im“ bezeichnet in diesem Kontext eine Tätigkeit, die innerhalb des Backvorganges stattfindet. Wäre die von der Klägerin favorisierte Auslegung zutreffend und somit sämtliche dem Backprozess vor- und nachgelagerten Tätigkeiten von der Lohngruppe III/3 erfasst, hätten die Tarifvertragsparteien naheliegender Weise entweder den Begriff „Produktionsprozess“ verwendet oder sämtliche dem Backprozess vor- und nachgelagerten Tätigkeiten ausdrücklich einbezogen.
46Die Tarifsystematik spricht ebenfalls gegen die Auslegung der Klägerin. Wäre die Auffassung der Klägerin zutreffend, wäre das Tarifmerkmal „im Backprozess“ überflüssig, weil dann ohnehin jegliche Produktionstätigkeit, die der Teilfunktion eines Facharbeiters entspricht und über mindestens zwei Jahre ausgeübt wird, nach Lohngruppe III/3 zu vergüten wäre. Außerdem wäre die Trennung zwischen Lohngruppe III und Lohngruppe IV obsolet, weil sämtliche der in Lohngruppe IV genannten Tätigkeitsmerkmale Bestandteil des von der Klägerin angenommenen „einheitlichen Prozesses“ wären. Die Lohngruppe IV hätte keinen Anwendungsbereich mehr.
472) Jedoch sind die Hilfsanträge begründet, weil die Klägerin nach der Lohngruppe III Absatz 1 LTV zu vergüten ist.
48a) Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der zweiten Alternative der Lohngruppe III Absatz 1 LTV.
49Die Lohngruppe III Absatz 1 LTV umfasst ungelernte Arbeitskräfte im Backprozess und Tätigkeiten, die über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV Absatz 1 hinausgehen. Das heißt, dass die Voraussetzungen der Lohngruppe III Absatz 1 im Backprozess und bei Tätigkeiten erfüllt sind, die über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinausgehen, also nicht beide Tätigkeitsmerkmale gleichzeitig gegeben sein müssen. Dafür spricht, dass nach dem Sinn und Zweck und der Systematik der tariflichen Regelung, wie ihn auch die Beklagte sieht, der Umstand, dass eine Tätigkeit im Backprozess stattfindet, eine höhere Vergütung rechtfertigt und die Richtbeispiele der Lohngruppe IV Absatz 1 LTV sich nicht auf den Backprozess fokussieren.
50Die Tätigkeit der Klägerin geht über den Rahmen der Richtbeispiele der untersten Lohngruppe IV Absatz 1 LTV mit der niedrigsten Vergütung, nämlich Brotschneiden, Einpacken, Reinigen und Fetten von Geräten, Glasieren, Zuckern, Streuseln, Schneiden, Füllen, Putzarbeiten und ähnliches hinaus. Die Tätigkeit der Klägerin ist mit einer teilweisen Verantwortung für einen Bereich einer Fertigungslinie mit mehreren Funktionen verbunden und verlangt einen gewissen Überblick über die Funktionsweise der automatisierten Anlage, über die je nach Produkt teilweise unterschiedlichen Anforderungen und über die jeweils von ihr auch durchzuführenden Einzeltätigkeiten wie Einstellungs- Prüfungs- Überwachungs- Störungsbeseitigungs- und Dokumentationsaufgaben. Sie erfordert deshalb auch eine ständige Aufmerksamkeit, um insbesondere auch bei auftretenden Störungen sofort reagieren zu können. Sie geht über die in den Richtbeispielen der untersten Vergütungsgruppe IV Absatz 1 mit der niedrigsten Vergütung genannten jeweils eng begrenzten Tätigkeiten hinaus, die nach kurzer Zeit beinahe mechanisch von der Hand gehen, wie sie weitgehend von der Beklagten auch in den hier entscheidenden Bereichen automatisiert werden konnten und die Gesamttätigkeit der Klägerin nicht allein kennzeichnen. Sie trägt Mitverantwortung für einen Teil der automatisierten Fertigungslinie mit einem entsprechend großen Volumen und zudem auch teilweise hinsichtlich der Qualitätskontrolle.
51Die Tarifvertragsparteien haben diese mit fortschreitender Automatisierung zu verrichtende umfassendere Tätigkeit nämlich verbunden mit Überwachungs-, Einstell-, Kontroll- und Dokumentationsaufgaben und dadurch anderer Prägung als die in der untersten Lohngruppe IV Absatz 1 genannten Richtbeispiele bei jeweiliger Fortschreibung des Lohntarifvertrages nicht in diese Richtbeispiele aufgenommen. Dies hätte aber nahe gelegen, wenn die Tarifvertragsparteien übereinstimmend gemeint hätten, dass diese Tätigkeit auch nur nach der untersten Lohngruppe IV Absatz 1 mit der niedrigsten Vergütung und nicht geringfügig (5,29 Prozentpunkte) höher als die in der Lohngruppe IV Absatz 1 als Richtbeispiele genannten Tätigkeiten, also Brotschneiden, Einpacken, Reinigen und Fetten von Geräten, Glasieren, Zuckern, Streuseln, Schneiden, Füllen, Putzarbeiten und ähnliches vergütet werden soll.
52Nicht maßgeblich ist, ob man die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit auch noch als einfach bezeichnen kann. Bei der Lohngruppe III Absatz 1, 2. Alt. handelt es sich nach ihrem Wortlaut ausdrücklich um eine Lohngruppe für ungelernte Arbeitnehmer, ihre Vergütung liegt auch noch unter derjenigen der untersten Lohngruppe IV letzter Absatz und sie stellt allein darauf ab, ob die Tätigkeit über den Rahmen der Richtbeispiele der Lohngruppe IV Absatz 1 mit der niedrigsten Vergütung hinausgeht. Diese Voraussetzung ist sehr allgemein gefasst und schließt ein qualitatives Hinausgehen in jeder Hinsicht ein, also z.B. auch hinsichtlich der mit ihr verbundenen Verantwortung, hinsichtlich der Bedeutung und der erforderlichen Aufmerksamkeit. Die quantitativen Anforderungen an das Hinausgehen sind mangels anderer Anhaltspunkte an der Vergütungsdifferenz und an der Einordnung in die Vergütungsstruktur auszurichten. Die Vergütungsdifferenz ist wie gezeigt aber nicht groß, zumal ungelernte Arbeitskräfte nach Lohngruppe III Abs 2 eine um ein Vielfaches der hier in Frage stehenden Vergütungsdifferenz höhere Vergütung erhalten, auch die Vergütung nach der untersten Vergütungsgruppe IV letzter Absatz noch höher ist und ein Beifahrer nach dem Lohntarifvertrag ebenfalls die hier angestrebte Vergütung erhält.
53Aufgrund dieser Erwägungen sind auch an die Darlegungslast der Klägerin keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Aus der Tätigkeitsbeschreibung ergeben sich die oben genannten entscheidungserheblichen Merkmale, ohne dass die Klägerin darlegen muss, wann sie wie lange welche Einzeltätigkeiten zu verrichten hat und ohne dass diese jeweils einzeln daraufhin zu überprüfen sind, ob sie über den Rahmen der Tätigkeiten der Richtbeispiele der Lohngruppe IV hinausgehen. Prägend ist, dass die Klägerin jeweils für ein Bündel von Einzeltätigkeiten einschließlich ständiger Überwachung in einem Bereich der Fertigungslinie nach dem Backprozess zuständig ist, die zusammenhängend von einem Arbeitnehmer verrichtet werden müssen und deshalb auch gleichzeitig von der Klägerin entsprechende Kenntnisse, Verantwortung und Aufmerksamkeit erfordern und eine entsprechende Bedeutung haben und als einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit die in der Lohngruppe III, 1. Absatz genannte Voraussetzung erfüllen.
54Soweit die Beklagte sich darauf beruft, das der Rechtsstreit inhaltlich vergleichbar sei mit dem Rechtsstreit, der vor dem hessischen Landesarbeitsgericht - 3 Sa 1484/10 geführt worden sei, dieses aber an die Darlegungslast des Klägers höhere Anforderungen gestellt und die Klage abgewiesen habe, ist darauf hinzuweisen, dass der dortige Kläger bereits vom Arbeitgeber nach der Vergütungsgruppe für ungelernte Arbeitskräfte mit schwieriger Arbeit vergütet wurde, der Kläger aber eine noch um drei Stufen höhere Vergütung eines Maschinenführers begehrte.
55b) Die Klägerin hat den von der Beklagten nachzuzahlenden Betrag auch nicht zu hoch berechnet. Sie hat sich an den Lohnabrechnungen der Beklagten orientiert und lediglich den Stundenlohn angepasst.
56Soweit das Referenzprinzip maßgeblich ist, ist nach Sinn und Zweck die gesetzliche Regelung des § 11 Abs 2, Satz 2 des BUrlG, auf das der Manteltarifvertrag auch bezüglich des Urlaubsentgelts ausdrücklich ergänzend verweist, entsprechend anzuwenden.
57Die Kosten des Rechtstreits waren den Parteien im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen.
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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.
(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.