Amtsgericht Stuttgart Beschluss, 26. Jan. 2015 - 9 M 56571/14

bei uns veröffentlicht am26.01.2015

Tenor

1. Auf die Erinnerung des Gläubigers wird der Kostenansatz von insgesamt EUR 6,85 in der Kostenrechnung vom 15.5.2014 und der Kostenansatz von EUR 3,60 in der Kostenrechnung vom 1.9.2014 aufgehoben und die Gerichtsvollzieherin angewiesen, diese Beträge, soweit sie bereits an die Gerichtsvollzieherin geleistet wurden,  an den Gläubiger zurückzuzahlen.

2. Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Der Gläubiger hat die zuständige Gerichtsvollzieherin mit der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung beauftragt. Insbesondere hat der Gläubiger auch die Abnahme der Vermögensauskunft und die Weiterleitung des Haftbefehlsantrags an das Vollstreckungsgerichts, falls der Schuldner zum Termin nicht erscheint, beantragt. Desweiteren wurde die Gerichtsvollzieherin auch beauftragt, den Schuldner zu verhaften. Nachdem der Schuldner zum anberaumten Termin nicht erschienen ist, hat die Gerichtsvollzieherin die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis angeordnet (§ 882 c Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und die Eintragungsanordnung dem Schuldner zugestellt. Für diese Zustellung hat sie dem Gläubiger Kosten in Höhe von EUR 3,00 (KV 101) nebst Auslagenpauschale in Höhe von EUR 0,60 (KV 716) sowie Zustellkosten von EUR 3,45 in Rechnung gestellt.
Außerdem hat sich die Gerichtsvollzieherin aufgrund des im Folgenden erlassenen Haftbefehls zum Geschäftslokal des Schuldners begeben, wo der Schuldner dann die Vermögensauskunft abgegeben hat, ohne dass es zur Verhaftung kommen musste. Dafür hat sie in der Kostenrechnung vom 1.9.2014 unter anderem 3,00 EUR (Nicht erledigte Zustellung KV 600) und eine Auslagenpauschale hieraus in Höhe von 0,60 EUR (KV 716) angesetzt.
Gegen diese Kostenansätze wendet sich der Gläubiger mit seiner Erinnerung. Zur Begründung trägt er vor, dass die Eintragungsanordnung von Amts wegen erfolgt und deshalb dem Gläubiger keine Zustellkosten abverlangt werden dürfen. Was den Haftbefehl anbelange, so müsse dieser nicht zugestellt, sondern in beglaubigter Abschrift übergeben werden. Deshalb könnten auch insoweit keine (Nicht-) Zustellkosten erhoben werden.
Die Gerichtsvollzieherin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Sie ist der Ansicht, bei der Zustellung der Eintragungsanordnung handele es sich um eine Zustellung im Parteibetrieb, welche abzurechnen sei. Die Übergabe des Haftbefehls stelle ebenfalls eine gebührenpflichtige Zustellung im Parteibetrieb dar, weshalb auch die Nichtzustellung gem. KV 604 gebührenpflichtig sei.
II.
Die zulässig Erinnerung ist begründet.
1. Für die Zustellung der Eintragungsanordnung können keine Gebühren gemäß KV 101  GVKostG nebst Auslagenpauschale und tatsächliche Zustellkosten gemäß KV 701 GVKostG vom Gläubiger verlangt werden.
Die Gebühr KV 101 kann nur bei Zustellungen auf Betreiben der Parteien (§ 191 ZPO) angesetzt werden. Um eine solche handelt es sich bei der Zustellung der Eintragungsanordnung aber nicht. Vielmehr liegt eine Zustellung von Amts wegen vor (so auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 882 c Rn. 14; AG Mannheim Beschluss vom 21.3.2014, 7 M 6/14)). Der gegenteiligen Ansicht (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl. § 882 c Rn 6, AG Darmstadt, Beschluss vom 24.1.2014, 63 M 33244/13, AG Bretten, Beschluss vom 27.3.2014, M 1151/13) kann nicht gefolgt werden.
Der Gerichtsvollzieher ordnet die Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis von Amts wegen an (§ 882 c Abs. 1 ZPO). Die Eintragungsanordnung ist dem Schuldner zuzustellen (§ 882 c Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Annahme, dass diese Zustellung im Parteibetrieb zu erfolgen habe, ist mit dem Sinn und Zweck der Eintragungsanordnung nicht vereinbar. Das Eintragungsverfahren dient nicht in erster Linie dem Interesse des einzelnen Gläubigers, sondern der Warn- und Informationsfunktion des Schuldnerverzeichnisses und somit dem allgemeinen Interesse des Rechtsverkehrs. Das Eintragungsverfahren steht nicht zur Disposition des Gläubigers. Die Zustellung der Eintragungsanordnung hat deshalb, ebenso wie die Anordnung an sich, von Amts wegen zu erfolgen. Kosten hierfür kann der Gerichtsvollzieher somit nicht vom Gläubiger verlangen.
2. Dasselbe gilt für die Übergabe des Haftbefehls in beglaubigter Abschrift bei der Verhaftung.
Zwar geschieht die Verhaftung infolge eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags des Gläubigers. Einer Zustellung des Haftbefehls vor seiner Vollziehung bedarf es aber nicht (§ 802 g Abs. 1 Satz 3 ZPO). Dem Schuldner ist jedoch dennoch der Haftbefehl  aus rechtsstaatlichen Gründen zur Kenntnis zu bringen. Deshalb erfolgt die Bekanntgabe von Amts wegen direkt bei der Verhaftung durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift an den Schuldner. Dies steht nicht zur Disposition des Gläubigers.
Dass es sich dabei um keine Zustellung im Parteibetrieb handelt ergibt sich auch daraus, dass eine eventuell zuvor vom Gläubiger beauftragte Zustellung im Parteibetrieb die Beschwerdefrist nicht in Lauf setzen würde. Eine Zustellung im Parteibetrieb statt von Amts wegen hat keine Wirkung (Zöller, aaO, § 802 g Rn 15). Es können deshalb auch keine Zustellkosten für die Übergabe des Haftbefehls, bzw. wie hier für die Nichtübergabe, angesetzt werden (vgl. auch Zöller, aaO, Rn 24 aE).

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Gesetz über Kosten der Gerichtsvollzieher


Gerichtsvollzieherkostengesetz - GvKostG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 191 Zustellung


Ist eine Zustellung auf Betreiben der Parteien zugelassen oder vorgeschrieben, finden die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Vorschriften Abweichungen ergeben.

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Amtsgericht Mannheim Beschluss, 21. März 2014 - 7 M 6/14

bei uns veröffentlicht am 21.03.2014

Tenor Auf die Erinnerung der Gläubigerin vom 04.03.2014 wird der Kostenansatz in der Kostenrechnung der Obergerichtsvollzieherin … vom 19.02.2014 - DR II 1122/13 - aufgehoben. Die in dieser Kostenrechnung in Ansatz gebrachten Kosten werden nicht erh
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Landgericht Köln Beschluss, 13. Apr. 2015 - 39 T 243/14

bei uns veröffentlicht am 13.04.2015

Tenor Die Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.10.2014 - 288 M 965/14 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kostenausspruch aufgehoben wird. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtl

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Ist eine Zustellung auf Betreiben der Parteien zugelassen oder vorgeschrieben, finden die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Vorschriften Abweichungen ergeben.

Tenor

Auf die Erinnerung der Gläubigerin vom 04.03.2014 wird der Kostenansatz in der Kostenrechnung der Obergerichtsvollzieherin … vom 19.02.2014 - DR II 1122/13 - aufgehoben. Die in dieser Kostenrechnung in Ansatz gebrachten Kosten werden nicht erhoben.

Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Gläubigerin hatte die Obergerichtsvollzieherin ... wegen einer Geldforderung mit der Vollstreckung, ggfs. der Ermittlung des Aufenthalts des Schuldners, Abnahme der Vermögensauskunft und Verhaftung beauftragt. Nachdem der Schuldner zum anberaumten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erschienen ist, hat die Obergerichtsvollzieherin gemäß § 882 c Abs. 1 ZPO gegen den Schuldner die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis angeordnet und dem Schuldner die Eintragungsanordnung zugestellt.
Mit Kostenrechnung vom 19.02.2014 hat die Obergerichtsvollzieherin für die Zustellung der Eintragungsanordnung Kosten in Höhe von EUR 10,00 (KV 100) und eine Auslagenpauschale in Höhe von EUR 2,00 (KV 716) angesetzt. Wegen des genauen Inhalts der Kostenrechnung wird auf die bei den Akten befindliche Ablichtung Bezug genommen.
Gegen diesen Kostenansatz wendet sich die Schuldnern mit ihrer Erinnerung vom 04.03.2014. Die Obergerichtsvollzieherin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
Für die Zustellung der Eintragungsanordnung gemäß § 882 c Abs. 2 Satz 2 ZPO können keine Gebühren gemäß KV 100 zum GVKostG nebst Auslagenpauschale gemäß KV 716 zum GVKostG angesetzt werden.
Gebühren gemäß KV 100 zum GVKostG können nur für eine Zustellung auf Betreiben der Parteien (§ 191 ZPO) angesetzt werden. Der Gebührentatbestand ist im Abschnitt 1 des Kostenverzeichnisses zum GVKostG geregelt, der allein die Zustellung auf Betreiben der Parteien betrifft.
Eine Zustellung auf Betreiben der Parteien liegt hier aber nicht vor. Zwar wird die Auffassung vertreten dass es sich bei der Zustellung der Eintragungsanordnung gemäß § 882 c Abs. 2 Satz 2 ZPO um eine Zustellung im Parteibetrieb handele, für die diese Gebühren anzusetzen sind (AG Darmstadt; Beschluss vom 24.01.2014, Az.: 63 M 33244/13; Zöller-Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 882 c, Rdn. 6). Dem ist jedoch nicht zu folgen. Bei der Zustellung der Eintragungsanordnung handelt sich um eine Zustellung von Amts wegen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 882 Rdn. 14), für die die angesetzten Kosten nicht erhoben werden können. Die Annahme, die Zustellung der Anordnung der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis habe im Parteibetrieb, also auf Betreiben der Partei (§ 191 ZPO), zu erfolgen, lässt sich nicht mit dem Sinn und Zweck der Eintragungsanordnung in Einklang bringen. Die Eintragungsanordnung dient nicht der Zwangsvollstreckung des Gläubigers, der dem Gerichtsvollzieher den Zwangsvollstreckungsauftrag erteilt hat und der die Zwangsvollstreckung betreibt. Die Anordnung der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis dient dem besonderen Schutzbedürfnis des Rechtverkehrs (Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 882 b ZPO, Rdn. 1), der vor einem Schuldner gewarnt werden muss, der einen titulierten Anspruch nicht erfüllt (vgl. Musielak, aaO., § 882 c ZPO, Rdn. 4). Dem entspricht es, dass der Gerichtsvollzieher die Eintragung ins Schuldnerverzeichnis von Amts wegen anzuordnen hat (§ 882 c Abs. 1 ZPO). Danach hat aber auch die Zustellung dieser von Amts wegen anzuordnenden Eintragung im Amtsbetrieb zu erfolgen. Aus BT-Drucksache 16/10069 S. 27, auf die sich Zöller/Stöber und ihm folgend das AG Darmstadt beziehen, folgt nichts anderes. Soweit es dort zu § 802 f Abs. 4 ZPO heißt, die in dieser Vorschrift geregelte Zustellung habe im Parteibetrieb zu erfolgen, bezieht sich das auf Zahlungsaufforderungen, Ladungen, Bestimmungen und Belehrungen nach § 802 f Abs. 1 - 3 ZPO, also durchweg um Mitteilungen, deren Zustellung dem Zweck der Zwangsvollstreckung des die Vollstreckung betreibenden Gläubigers dienen. Dies ist bei der Zustellung der Anordnung der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis anders. Dementsprechend ist auf S. 38 der BT-Drucksache 16/10069 zu § 882 c Abs. 2 ZPO auch nicht von einer Zustellung im Parteibetrieb die Rede.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG i. V. m. § 66 Abs. 8 GKG.
Die Beschwerde wird zugelassen, weil die zur Entscheidung stehende Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG i. V. m. § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG).