Amtsgericht Schleswig Urteil, 08. Juni 2010 - 3 C 117/10

ECLI:ECLI:DE:AGSCHLE:2010:0608.3C117.10.0A
bei uns veröffentlicht am08.06.2010

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Unter Verzicht auf den Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO

Entscheidungsgründe

2

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

3

Die Klägerin kann von der Beklagten keinen weiteren Schadensersatz auf Erstattung von Mietwagenkosten verlangen.

1.

4

Gemäß § 249 Abs. 2 BGB hat der Schädiger dem Geschädigten nach einem Unfall den erforderlichen Herstellungsaufwand zu ersetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH NJW 2009, 58) sind als erforderlicher Aufwand jedoch nur diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet dies, dass der Geschädigte grundsätzlich nur den ortsüblichen Normaltarif ersetzt verlangen kann.

2.

5

Für die Ermittlung des insoweit erstattungsfähigen Normaltarifs kommen als Vergleichs- und Schätzgrundlage für die Mietpreise die „Schwacke-Liste“ (Automietpreisspiegel Deutschland) sowie der Fraunhofer Mietpreisspiegel in Betracht. Die Klägerin beruft sich vorliegend auf die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage, während die Beklagte sich auf den Fraunhofer Mietpreisspiegel beruft. Beide Listen weisen häufig, wie auch im hier zu entscheidenden Fall, erhebliche Differenzen bei gleicher Anmietzeit und gleicher Fahrzeugklasse auf.

3.

6

Der BGH hat in mehreren Urteilen die Praxis der Instanzgerichte bestätigt, welche die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage herangezogen haben. Über die Zulässigkeit der Verwendung des Fraunhofer Mietpreisspiegels hatte der BGH bislang noch nicht zu entscheiden. Allerdings haben bereits verschiedene Obergerichte die Verwendung den Fraunhofer Mietpreisspiegels für zulässig erachtet (z.B. OLG München, r+s 2008, 439; OLG Köln, r+s 2008, 528; OLG Hamburg, MDR 2009, 800). Sowohl der BGH als auch die Obergerichte begründen dies mit der richterlichen Freiheit der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO.

7

Das Landgericht Bielefeld hat sich im Beschluss vom 20.05.2010 (21 S 46/09) dafür entschieden, den ortsüblichen Normaltarif aus einem Mittelwert zwischen dem Wert der Schwacke-Liste und dem Wert des Fraunhofer Mietpreisspiegels berechnet. Dieser Auffassung des Landgerichts Bielefeld schließt sich das Gericht – in Ausübung des ihm nach § 287 ZPO eingeräumten Ermessens – an.

8

Beide Listen sind grundsätzlich als Schätzgrundlage geeignet. Allerdings weisen beide Listen jeweils Vor- und Nachteile gegenüber der anderen Liste auf.

9

Beispielhaft sei hier bezüglich der Schwacke-Liste insbesondere benannt, dass im Rahmen der Erhebung der Daten nicht anonymisiert vorgegangen wurde, sondern der Zweck der zu erstellenden Liste angegeben wurde. Es ist daher nicht auszuschließen, dass einzelne Mietwagenanbieter im eigenen Interesse überhöhte Preise angegeben haben.

10

Zu Lasten der Liste des Fraunhofer Instituts spricht, dass die regionale Einteilung jeweils nur bezüglich der ersten zwei Ziffern der Postleitzahlen erfolgt, was zu sehr großen Regionen bei der Ermittlung des ortsüblichen Normaltarifes führt. Andererseits wurde dagegen die Erhebung des Fraunhofer Instituts anonymisiert durchgeführt.

4.

11

Wegen der jeweiligen Probleme bezüglich der einzelnen Schätzgrundlagen sieht sich das Gericht außer Stande, lediglich die eine oder die andere Liste zur Schätzung heranzuziehen. Eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hält das Gericht jedoch nicht für erforderlich, da eine nach § 287 ZPO geeignete Schätzgrundlage dadurch erreicht werden kann, indem der Mittelwert aus beiden Listen berechnet wird.

5.

12

Im konkreten Fall wurde ein Fahrzeug der Gruppe 7 für 4 Tage im Postleitzahlengebiet 244(= Schwacke-Liste) bzw. 24 (= Fraunhofer) angemietet. Nach der Schwacke-Liste (Anlage K 6) ergibt sich nach dem Vortrag der Klägerin ein Mietpreis von netto 426,39 €. Hinzuzurechnen sind Kosten für die Vollkaskoversicherung in Höhe von 87,39 € netto, so dass sich ein Mietpreis von insgesamt 513,78 € netto ergibt.

13

Nach der Liste des Fraunhofer Instituts ergibt sich ein Mietpreis in Höhe von netto 285,91 €, wobei hierin die Kosten für die Vollkaskoversicherung bereits enthalten sind.

14

Der Mittelwert der beiden Listen für die entstehende Mietdauer beträgt somit:

15

513,78 € + 285,91 € = 799,69 € : 2 = 399,85 €.

16

Dieser Anspruch wurde durch die Beklagte jedoch bereits mit der Zahlung von 484,33 € erfüllt.

6.

17

Auf die Frage, ob hierauf wegen der unfallbedingten Mehraufwendungen ein Aufschlag zu berechnen ist, kommt es vorliegend nicht an.

18

Einen derartigen Aufschlag würde das Gericht entsprechend der Rechtsprechung des BGH mit 15 % auf den Normaltarif berechnen. Somit wäre im vorliegenden Fall ein Aufschlag für die unfallbedingten Mehraufwendungen von 59,98 € vorzunehmen, so dass sich ein Schadensersatzanspruch wegen der Mietwagenkosten in Höhe von 459,83 € ergeben würde.

19

Selbst bei einer derartigen Berücksichtigung des Aufschlags wäre der zu erstattende Betrag durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 484,33 € bereits erfüllt, so dass sich ein weitergehender Zahlungsanspruch der Klägerin nicht ergibt.

7.

20

Da es an einem berechtigten Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte fehlt, besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

22

Der Streitwert wird auf 157,36 € festgesetzt.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Schleswig Urteil, 08. Juni 2010 - 3 C 117/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Schleswig Urteil, 08. Juni 2010 - 3 C 117/10

Referenzen - Gesetze

Amtsgericht Schleswig Urteil, 08. Juni 2010 - 3 C 117/10 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Referenzen

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.