Amtsgericht Lemgo Beschluss, 18. Sept. 2014 - 8 F 152/14
Tenor
Der Antragstellerin wird die Befugnis übertragen, die Entscheidung über die Aufnahme und Durchführung einer kieferorthopädischen Behandlung für pp. zu treffen.
Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Verfahrenswert beträgt 1.500 EUR.
Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin pp. bewilligt.
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Die Eltern können sich nicht darüber einigen, ob eine kieferorthopädische Behandlung für ihre Tochter eingeleitet werden soll.
3Die Mutter möchte der Empfehlung des behandelnden Facharztes folgen und mit der Behandlung beginnen.
4Der Vater hält eine Zahnkorrektur noch nicht für angebracht. Er meint, nach neuen medizinischen Erkenntnissen sollte erst nach der Wachstumsphase mit einer entsprechenden Behandlung begonnen werden.
5Sie beantragen deshalb beide, die Entscheidungsbefugnis für die kieferorthopädische Behandlung auf sich zu übertragen.
6Die Frage der Behandlung ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, über die die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern grundsätzlich Einvernehmen herstellen müssen, § 1627 BGB. Da die Eltern sich in dieser einzelnen Angelegenheit nicht einigen können, kann das Familiengericht gemäß § 1628 BGB auf Antrag die Entscheidung einem Elternteil übertragen.
7Dabei ist Maßstab, wie bei allen Entscheidungen und Maßnahmen, die die elterliche Sorge betreffen, allein das Kindeswohlprinzip gemäß § 1697 a BGB. Das Gericht trifft diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am Besten entspricht.
8Im Rahmen des § 1628 BGB hat das Gericht allerdings keine Befugnis zu einer eigenen Sachentscheidung, sondern es kann nur die Entscheidungskompetenz einem der beiden Elternteile übertragen, es sei denn, keine der von den Eltern gewünschten Maßnahmen ist mit dem Kindeswohl vereinbar.
9Die Abwägung, welchem der Elternteile die Entscheidungskompetenz zu übertragen ist, hat zu Gunsten der Antragstellerin zu fallen.
10Die Tochter lebt in ihrem Haushalt. Sie hat regelmäßigen Kontakt zum Vater, sämtliche Angelegenheiten des täglichen Lebens, wozu auch die gesundheitlichen Belange gehören, hat aber die Antragstellerin zu regeln.
11Daraus folgt, dass sie es auch ist, die ganz überwiegend von den Folgen der zu treffenden Entscheidung betroffen ist. Sie muss Arzttermine organisieren und wahrnehmen, die Tochter bei der Behandlung unterstützen und begleiten.
12Ihre Entscheidung, die kieferorthopädische Behandlung aufzunehmen, ist nicht sachfremd, sondern orientiert sich an der Empfehlung eines anerkannten Facharztes.
13Der Vater beruft sich auf eine andere medizinische Ansicht speziell zum Beginn einer solchen Behandlung.
14Das Gericht kann aber in diesem Verfahren nicht über die Richtigkeit der einen oder anderen Behandlung entscheiden. Die Entscheidung treffen die Eltern in Wahrnehmung ihrer Verantwortung für das Kind.
15Es kann nicht festgestellt werden, dass die Mutter eine nicht mit dem Kindeswohl vereinbare Entscheidung trifft.
16Die Entscheidungsbefugnis ist deshalb auf sie zu übertragen.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
18Rechtsbehelfsbelehrung:
19Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist jeder, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Lemgo, Am Lindenhaus 2, 32657 Lemgo schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
20Die Beschwerde muss spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Lemgo eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
21Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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Referenzen - Gesetze
Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.