Amtsgericht Köln Urteil, 28. Apr. 2014 - 142 C 603/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe geleistet hat.
1
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Reisevertrag in Anspruch.
3Im Mai 2013 erwarb der Kläger über die H GmbH zwei Gutscheine für insgesamt sieben Übernachtungen in einem Hotel auf Madeira für den Reisezeitraum vom 15.06.2013 bis 15.12.2013 für einen Gesamtkaufpreis von 2.538,00 Euro. Auf den Gutscheinen wurde der Wert eines Gutscheins mit je 2.366,00 Euro angegeben. Der Anbieter der Reise und der Übernachtungen war die Firma U, eine Reiseveranstalterin, deren Inhaberin die Beklagte ist.
4Der Kläger löste die Gutscheine für eine Reise vom 15.08.2013 bis zum 29.08.2013 ein. Dieser Reisetermin wurde von der Beklagten mit Email vom 08.05.2013 bestätigt. Am 05.08.2013 - kurz vor Reiseantritt - erkundigte sich der Kläger in dem Hotel nach dem Vorliegen einer Reservierung für die gebuchte Reisezeit. Dort erfuhr er, dass für den Zeitraum keine Reservierung vorlag. Auf Nachfrage bei der Beklagten teilte diese mit, dass die Beklagte in dem gewünschten Reisezeitraum entgegen vorheriger Absprache keine Reise anbieten kann. Der Kläger erhielt von der H GmbH die gezahlten 2.538,00 Euro zurück.
5Der Kläger ist der Ansicht, dass spätestens mit der Email vom 08.05.2013 zwischen ihm und der Beklagten ein Reisevertrag zustande gekommen. Danach sei die Beklagte verpflichtet gewesen, entsprechend der Angabe auf den Gutscheinen eine Reiseleistung im Wert von 4.732,00 Euro - 2 x 2.366,00 Euro - zu erbringen. Da die Leistung nicht erbracht wurde, sei die Beklagte abzüglich der von der H GmbH gezahlten 2.538,00 Euro zur Zahlung von weiteren 2.194,00 Euro Schadenersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.194,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.11.2013 zu zahlen.
8Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 358,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.11.2013 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist unbegründet.
14Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz eines Nichterfüllungsschadens gemäss § 651 f Abs. 1 BGB zu.
15I.
16Zwar ist zwischen den Parteien ein wirksamer Reisevertrag über eine Reise des Klägers nach Madeira in der Zeit vom 15. bis 29.08.2013 zustande kommen und liegt ein Reisemangel vor, da die Beklagte die Reise absagte; die Differenz zwischen dem Kaufpreis der Gutscheine und der Wertangabe ist indes kein Schaden, den der Kläger im Rahmen der anzuwendenden reisevertragsrechtlichen Vorschriften der §§ 651 a ff BGB gegen die Beklagte geltend machen kann.
17In der vorliegen Vertragskonstellation ist zu unterscheiden zwischen dem Kaufvertrag über einen Gutschein und dem bei Einlösen geschlossenen Vertrag. Dem Gutscheingeschäft liegt ein Kaufvertrag über eine Sache oder ein Recht gemäss §§ 433, 453 BGB zugrunde. Wird der Gutschein gekauft und übergeben, ist der Kaufvertrag erfüllt und gleichzeitig kommt ein Vorvertrag zwischen dem Gutscheininhaber und demjenigen zustande, der die in dem Gutschein verbriefte Leistung verspricht. Das Versprechen ist in dem verbrieften Umfang bindend und beinhaltet, mit dem Gutscheininhaber einen weiteren Vertrag zu den verbrieften Konditionen abzuschliessen. Sobald der Gutscheininhaber die Erbringung der Leistung verlangt, kommt es zu dem Abschluss des Hauptvertrages. Die weiteren Rechtsfolgen etwa bei Leistungsstörungen des Hauptvertrages richten sich alleine nach den für diesen Vertrag geltenden Vorschriften.
18Bei der Ausgabe eines entgeltlichen Reisegutscheines durch die H GmbH ist Kaufgegenstand das Recht zu den in dem Gutschein genannten Bedingungen mit dem in den Gutscheinen genannten Partnerunternehmen der H GmbH, hier der Beklagten, einen Reisevertrag zu schliessen. Dabei handelt es sich inhaltlich um einen Rabattgutschein, da der Reisende nach Zahlung des Kaufpreises das Recht erhält, eine höherwertige Reise zu einem günstigeren Preis zu erhalten. Indem der Kläger die Gutscheine bei der Beklagten einlöste, was diese mit E-Mail vom 08.05.2013 bestätigte, ist zwischen den Parteien ein Reisevertrag geschlossen worden und richtet sich die weitere Abwicklung nach den §§ 651 a ff BGB.
19Schadenersatzansprüche des Reisenden wegen Nichterfüllung richten sich im Reisevertragsrecht nach § 651 f BGB. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann der Reisende unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Nach Abs. 2 kann er weiter bei der Reisevereitelung oder einer erheblichen Beeinträchtigung wegen der nutzlos aufgewendeten Urlaubszeit Entschädigung in Geld verlangen. Abs. 1 regelt den Vermögensschaden, Abs. 2 den immateriellen Schaden. Zu den Vermögensschäden gehören dabei die nutzlosen Aufwendungen und konkret nachgewiesene Mehrkosten, nicht jedoch ein in Geld bemessener den tatsächlichen Reisepreis evtl. übersteigender „Reisewert“. Der Urlaubswert besteht in der Erreichung des individuellen Reisezweckes – in der Regel Erholung - in einem bestimmten Zeitraum. Wird dieser Zweck wegen Vereitelung der Reise seitens des Reiseveranstalters nicht erfüllt, handelt es sich um einen immateriellen Schaden, der der Regelung des § 651 f Abs. 2 BGB unterliegt, nicht aber um einen Vermögensschaden, der sich abstrakt aus der Differenz von Preis und „Reisewert“ bestimmen lässt. Dementsprechend kann der Reisende, der z.B. einen Urlaub mit Frühbucherabbat bucht im Falle der Reisvereitelung nicht die Differenz zwischen rabattierten Reisepreis und tatsächlichen Preis als Nichterfüllungsschaden verlangen, sondern nur den Anspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB verfolgen.
20Ausgehend hiervon kann der Kläger die Differenz zwischen den im Gutschein angegebenen Wert und dem Kaufpreis nicht als Schaden verlangen, da die rechtlichen Beziehungen zu der Beklagten alleine durch die reisevertragsrechtlichen Vorschriften bestimmt werden. Dass der Kläger in Hinblick auf die Reisevereitelung seitens der Beklagten Aufwendungen oder Mehrkosten hatte, behauptet er nicht. Offen bleiben kann auch die Frage, ob der in den Gutscheinen angegebene Wert ggfs. im Rahmen der Buchung einer Ersatzreise und des hierbei entstehenden Anspruches nach § 651 c Abs. 3 auf Aufwendungsersatz bei Selbstabhilfe zu berücksichtigen ist; denn entsprechende Kosten macht der Kläger nicht geltend.
21Aber selbst wenn man die reisevertragsrechtlichen Besonderheiten ausser Betracht liesse, bestehen Bedenken gegen die Schadensberechnung des Klägers. Da ein konkreter Schaden in Gestalt eines Geldabflusses aus dem Vermögen dem Kläger nicht entstanden ist, etwa durch Buchung einer Ersatzreise, nimmt er, indem er den Reisepreis und den Wert gegenüberstellt eine rein abstrakte Schadensberechnung vor; eine solche ist indes nur unter Kaufleuten und nur zur Erleichterung der Beweisführung zulässig. Dies trifft auf den Kläger, der eine private Reise buchte, nicht zu.
22II.
23Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.11, 711 ZPO.
24Streitwert: 2.194,00 Euro.
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Referenzen - Gesetze
(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 453 Rechtskauf; Verbrauchervertrag über den Kauf digitaler Inhalte
(1) Die Vorschriften über den Kauf von Sachen finden auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung. Auf einen Verbrauchervertrag über den Verkauf digitaler Inhalte durch einen Unternehmer sind die folgenden Vorschriften nicht anzuwenden:
- 1.
§ 433 Absatz 1 Satz 1 und § 475 Absatz 1 über die Übergabe der Kaufsache und die Leistungszeit sowie - 2.
§ 433 Absatz 1 Satz 2, die §§ 434 bis 442, 475 Absatz 3 Satz 1, Absatz 4 bis 6 und die §§ 476 und 477 über die Rechte bei Mängeln.
(2) Der Verkäufer trägt die Kosten der Begründung und Übertragung des Rechts.
(3) Ist ein Recht verkauft, das zum Besitz einer Sache berechtigt, so ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.