Amtsgericht Köln Urteil, 02. Juli 2014 - 118 C 81/14
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Versicherungsnehmer der Beklagten. Zugrundeliegt eine Hausratversicherung.
3Der Kläger begehrt Feststellung, dass die Beklagte in dem von ihr unter der Schadennummer A0… bearbeiteten Schadenfall vollumfänglich eintrittspflichtig ist. Zugleich begehrt er Zahlung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu 492,54 € nebst Zinsen.
4Der Kläger hatte sich mit seiner Familie am 6. August 2013 mit eigenem Pkw auf einer Urlaubsreise von Deutschland nach Marokko in Spanien befunden, wo er kurz vor Murcia an einer Autobahnraststätte gegen 5:00 Uhr morgens angehalten hatte, um kurz zu schlafen. Während des Aufenthalts hatten unbekannte Täter die Beifahrertüre geöffnet und nach zwei Handtaschen gegriffen, die sich auf dem Schoß der Ehefrau befunden hatten, diese Taschen an sich genommen und waren damit geflüchtet. Der Kläger meldete den Vorfall sofort bei der spanischen Polizei. Diese nahm in spanischer Sprache ein Protokoll auf (Bl. 8 Buchst. f der Gerichtsakte), in das vermerkt worden ist, dass sie (der Kläger und seine Ehefrau) gegen 5:00 Uhr bemerkt hatten, dass jemand - offensichtlich ein Mann - die Hand durch die Fensterlücke steckte, die Tür Sicherung die aktivierte und dann die Tür öffnete und zwei Handtaschen stahl, die sie bei sich führten, sowie alle darin enthaltenen Dokumente und persönlichen Sachen. Sodann enthält das Protokoll eine Liste der vorgeblich gestohlenen Gegenstände; unter anderem Bargeld.
5Der Kläger ist der Auffassung, die Versicherung greife vorliegend bedingungsgemäß ein, weil es sich bei dem Vorfall um einen Raub gehandelt habe. Hierzu behauptet er, die Ehefrau habe die beiden Taschen festgehalten und der Täter habe diese mit Gewalt an sich bringen müssen.
6Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt, bestreitet das Vorliegen eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls.
7Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Ehefrau. Sodann hat es den Kläger ergänzend gemäß § 141 Abs. 1 ZPO als Partei befragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Parteibefragung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2014 verwiesen.
8Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
9Entscheidungsgründe:
10Die zulässige Feststellungsklage ist nicht begründet.
11Mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme, aber auch aufgrund der Befragung des Klägers als Partei, ist ein Versicherungsfall, nämlich ein bedingungsgemäßer Raub, nicht erwiesen.
12Für den Fall eines versicherten Raubes hätte der Täter die beiden Taschen der Ehefrau des Klägers unter Überwindung von Widerstand der Ehefrau weggenommen haben müssen. Demgegenüber liegt nach ständiger Rechtsprechung dann kein Raub vor, wenn die Taschen, für die Ehefrau überraschend, ohne weitere Gewaltanwendung gegenüber derselben weggerissen worden wären.
13So liegt es hier mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
14Der Kläger selbst hat für einen Raub nichts vortragen können. Er hat glaubhaft angegeben, er selbst habe im Zeitpunkt der Wegnahme der Taschen auf dem Fahrersitz geschlafen. Er sei erst durch das Schreien seiner Frau geweckt worden. Er habe sich dann auch zunächst um seine beiden im Fond sitzenden Kinder gekümmert. Er sei schließlich seiner dem Täter folgenden Frau hinterhergelaufen. Aufgrund dieser Angaben steht fest, dass der Kläger selbst das Geschehen nicht mitbekommen hat.
15Demgegenüber hat die Zeugin das Geschehen zwar im Wesentlichen mitbekommen. Auch ihre Aussage war uneingeschränkt glaubhaft. Die Zeugin hat auch einen überaus glaubwürdigen Eindruck auf das Gericht gemacht. Ihre Schilderung erfolgte plastisch, frisch, lebendig und spontan.
16Sie hat angegeben, dass sie kurz vor Wegnahme der Taschen selbst eingeschlafen war. Zuvor hatte sie das Fenster der Beifahrertür ein Stück weit herunter gedreht. Dementsprechend muss es dem Täter möglich gewesen sein, die verschlossene Beifahrertüre zu öffnen. Der Täter habe dann nach den beiden Taschen gegriffen und diese an sich gebracht. Sie habe die Taschen auch festhalten wollen. Der Täter habe die Taschen aber an sich gerissen und sei mit ihnen davongelaufen. Die Taschen habe sie, als sie geschlafen habe, auf ihrem Schoß gehabt. Dabei habe sie diese seitlich umfassend umfasst.
17Die Zeugin hat zudem glaubhaft angegeben, dass sie, aus dem Schlafe geweckt, die Dinge eigentlich gar nicht richtig mitbekommen habe. So hatte sie zunächst daran gedacht, ihr Mann, nicht aber ein Dritter, insbesondere nicht ein Täter, habe die Autotür geöffnet. Erst als sich jemand an den Taschen zu schaffen gemacht hatte, sei sie davon ausgegangen, dies könne nicht ihr Mann sein. Selbst als sie den Täter verfolgt hatte, also als dieser die Taschen bereits an sich gebracht hatte und zu seinen Komplizen davonlief, habe sie noch gar nicht richtig realisiert, was sich ereignete. Diese Schilderung ist durchaus lebensnah. Es liegt offen auf der Hand, dass bei einer dergestalt langen Autofahrt von Deutschland nach Spanien, die sich auch über die Nacht erstreckte, die Insassen des Autos, nicht alleine der Fahrer, sondern auch die Beifahrer, ermüden und Schlaf suchen, wie es dann der Kläger und seine Ehefrau auch schließlich getan hatten. Ebenso liegt es auf der Hand, dass nach nur kurzer Schlafdauer ein Erwachen nicht dazu führt, dass aufgrund des lediglich kurzen Schlafes die entsprechende Person gleichsam ausgeschlafen und damit frisch gewesen wäre. Die Benommenheit der Zeugin ist von dieser daher durchaus sehr nachvollziehbar geschildert worden. Demgegenüber hat die Zeugin keinerlei Elemente eines Kampfes um die Taschen geschildert. Davon wäre indes auszugehen gewesen, wenn ein solcher Kampf um die Taschen stattgefunden hätte. Davon geht das Gericht bereits aufgrund der Lebendigkeit der Aussage der Zeugin aus. Folglich bleibt lediglich übrig, dass die Ehefrau des Klägers die beiden Taschen im Schlafe festgehalten hatte und der Täter eben diesen „Widerstand“ überwunden hatte. Damit liegt aber nach der herrschenden Rechtsprechung, wie sie die Beklagte zutreffend dargestellt hat, kein bestimmungsgemäßer Raub vor. Insbesondere musste der Täter auch bzw. gerade nach der Schilderung der Zeugin keinen nennenswerten Widerstand derselben überwinden. Die vom Schlafe soeben erwachte und noch benommene Zeugin hatte einen solchen Widerstand gar nicht ausgeübt. Der Täter hat vielmehr lediglich die beiden von der Zeugin im Schlaf gehaltenen Taschen aus deren Griff befreit und weggerissen.
18Die Schilderung der Zeugin deckt sich zudem mit dem Inhalt des Protokolls der spanischen Polizei.
19Nach alledem ist das Gericht nicht von dem Vorliegen eines bedingungsgemäßen Raubes überzeugt, § 386 ZPO.
20Dann muss die Klage indes der Abweisung unterliegen, weil kein Versicherungsfall im Sinne eines Raubes vorgelegen hatte.
21Die Nebenforderung teilt das Schicksal des Feststellungsantrages.
22Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
23Streitwert:
245.000,00 €; bei der Bemessung des Streitwerts legt das Gericht zu dem zu Grunde, dass die Zeugin glaubhaft bekundet hat, dass ihr bei dem Vorfall zugleich ihr Schmuck gestohlen worden war. Dieser ist werterhöhend zurückschlagen.
25Rechtsbehelfsbelehrung:
26Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
27a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
28b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
29Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
30Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
31Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
32Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Annotations
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Der Zeuge, der das Zeugnis verweigert, hat vor dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle oder in diesem Termin die Tatsachen, auf die er die Weigerung gründet, anzugeben und glaubhaft zu machen.
(2) Zur Glaubhaftmachung genügt in den Fällen des § 383 Nr. 4, 6 die mit Berufung auf einen geleisteten Diensteid abgegebene Versicherung.
(3) Hat der Zeuge seine Weigerung schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, so ist er nicht verpflichtet, in dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin zu erscheinen.
(4) Von dem Eingang einer Erklärung des Zeugen oder von der Aufnahme einer solchen zum Protokoll hat die Geschäftsstelle die Parteien zu benachrichtigen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.