Amtsgericht Köln Urteil, 08. Juni 2016 - 113 C 18/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrag geltend.
3Der Kläger ist eine Wettbewerbszentrale. Im Dezember 2011 warb der Beklagte im Internet unter Verwendung des Hinweises: „Die Bewertung der Grundstücke wird von dem staatlich geprüften Sachverständigen für Immobilienbewertung H.H. durchgeführt.“ (vgl. Anl. K 1 d.A.). Mit Schreiben vom 28.12.2011 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass die Werbung des Beklagten irreführend gem. §§ 3, 5 UWG sei, da es eine entsprechende staatliche Prüfung nicht gebe. In dem Schreiben forderte der Kläger den Beklagten auf, bis zum 12.01.2012 eine schriftliche Unterlassungserklärung abzugeben nebst der Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 4.000,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung (vgl. Anl. K 2 d.A.). Nachdem der Beklagte dem nicht nachgekommen war, reichte der Kläger unter dem 27.01.2012 einen Antrag auf die Einleitung eines Einigungsverfahrens bei der IHK Köln ein. Am 02.02.2012 unterzeichnete der Beklagte die von dem Kläger geforderte Unterlassungserklärung (vgl. Anl. K 4 d.A): „(...)
41. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für die eigene Person mit der wort- oder inhaltsgleichen Angabe „staatlich geprüfter Sachverständiger für Immobilienbewertung“ zu werben,
52. die Werbeaussage „die Bewertung der Grundstücke wird von dem staatlich geprüften Sachverständigen für Immobilienbewertung H.H. durchgeführt...“ unter dem Link http://ww.xxxxxxxxx bis zum 12. Januar 2012 zu beseitigen.
63. für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1. aufgeführte/n Verpflichtung/en an die Wettbewerbszentrale eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 EUR (viertausend) zu zahlen (...)“
7Der Kläger nahm daraufhin den Antrag hinsichtlich des Einigungsverfahrens zurück. Am 27.05.2012 erfuhr der Kläger, dass der identische Text der Werbung des Beklagten (s.o.) auf den Internetseiten www.xxxxxx.de und www.xxxxxx.ws nach wie vor zugänglich war. Beide Quellen verwiesen auf eine Veröffentlichung vom 20.12.2011. Mit Schreiben vom 24.11.2015 teilte der Beklagte mit, dass sein seinerzeitiger Dienstleister nunmehr bestätigt habe, dass eine Löschung vorgenommen worden sei und er eine weitere Löschung erwarte (vgl. Anl. K 14 d.A.). Mit Schreiben vom 03.06.2015, 01.07.2015, 15.07.2015, 07.08.2015, 13.11.2015 und 25.11.2015 forderte der Kläger den Beklagten jeweils unter Fristsetzung, letztmalig bis zum 16.12.2015 auf, eine Vertragsstrafe i.H.v. 4.000,00 EUR zu zahlen. Zahlungen des Beklagten erfolgten nicht.
8Der Kläger ist der Ansicht, infolge eines Verstoßes des Beklagten gegen die Pflichten aus dem Vertrag vom 02.02.2012 sei die Vertragsstrafe verwirkt. Der Beklagte habe seine Pflicht zur Beseitigung schuldhaft verletzt. Er sei verpflichtet gewesen, aktiv nach etwaigen Pressemitteilungen im Internet zu suchen und diese sodann zu unterbinden.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beklagte ist der Ansicht, ein schuldhafter Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten aus der Erklärung vom 02.02.2012 sei nicht gegeben. Aus der Erklärung folge keine Pflicht zur Beseitigung über den dort konkret aufgeführten Link hinaus. Zudem sei es dem Beklagten weder möglich noch zumutbar gewesen, das Internet nach sämtlichen Einträgen, die neben der Ursprungsseite auf anderen Seiten aufgeführt oder wiedergegeben werden, zu durchsuchen. Im Übrigen handele es sich nicht um einen allgemein zugänglichen Eintrag.
14Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 4.000,00 EUR gem. § 339 S. 2 BGB i.V.m. der Erklärung vom 02.02.2012.
18Die Parteien haben eine Vertragsstrafe wirksam vereinbart (vgl. Ziffer 3. der Vereinbarung vom 02.02.2012). Die Vereinbarung bezieht sich jedoch nicht auf eine Pflicht des Beklagten zur Beseitigung der streitgegenständlichen Veröffentlichungen.
19Das Gericht verkennt nicht, dass nach ständiger Rechtsprechung die Pflicht zur Unterlassung auch eine Pflicht zu aktivem Tun derart begründen kann, dass der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs nicht nur alles unterlassen muss, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun muss, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen (vgl. BGH, GRUR 2014, 595 (597); BGH, GRUR 2015, 258 (262)). Daraus folgt, dass nicht nur eine Pflicht zur Unterlassung eigenen Tuns besteht, sondern darüber hinaus der Schuldner gehalten ist, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist. Er ist gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die ihm untersagte weitere Verwendung der Angabe durchzuführen und jedenfalls den Betreiber der gängigen Dienste zu veranlassen, diese Angabe aus ihren Verzeichnissen zu entfernen (vgl. BGH, GRUR 2014, a.a.O).
20Es ist vorliegend zu beachten, dass der Kläger in Ziffer 2. der Erklärung einen konkreten Link vorgegeben hatte, auf den sich eine Beseitigungsverpflichtung des Beklagten beziehen sollte. Der äußere Eindruck der Vereinbarung spricht dagegen, dass der Beklagte verpflichtet war, über ein Unterlassen hinaus auf Basis der Unterlassungserklärung aktiv tätig zu werden und nach weiteren Veröffentlichungen im Internet zu suchen (vgl. BGH, Urteil v. 21.10.2010, Az. III ZR 17/10). Anderenfalls hätte es der Vereinbarung in Ziffer 2. nicht bedurft, da die Beseitigung des dort aufgeführten Links bereits von den aus Ziffer 1. folgenden Pflichten erfasst gewesen wäre.
21Unabhängig von der Frage, ob eine Pflicht des Beklagten zur aktiven Recherche bestand, begründet ein Verstoß gegen eine solche Pflicht nicht die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Nach dem Wortlaut von Ziffer 3. der Vereinbarung sollte die Vertragsstrafe für den Fall verwirkt sein, dass der Beklagte gegen die Unterlassungsverpflichtung in Ziffer 1. verstößt. Auf Ziffer 2. der Vereinbarung, in der eine konkrete Pflicht zur Beseitigung geregelt ist, bezieht sich die Vertragsstrafe nicht. Daraus folgt bei Auslegung der Klausel im systematischen Zusammenhang, dass eine Vertragsstrafe nicht für den Fall eines Verstoßes gegen Beseitigungspflichten vereinbart war.
22Zudem folgt aus dem Sinn und Zweck der Vereinbarung, dass ein Anspruch des Klägers auf die Zahlung einer Vertragsstrafe nach Bekanntwerden weiterer Veröffentlichungen der bereits bekannten Pressemitteilung nicht besteht. Die Vertragsstrafe war für Fälle „zukünftiger“ Verstöße vereinbart. Bei den beiden streitgegenständlichen Veröffentlichungen handelt es sich indes nicht um zukünftige Verstöße des Beklagten, da das Datum der Veröffentlichungen vor dem Datum der Vereinbarung der Parteien liegt und die Veröffentlichungen die den Parteien bereits bekannt gewesene Pressemitteilung vom 20.12.2011 wiedergeben.
23Es ist nicht sachgerecht, die Vertragsstrafe auf weitere Veröffentlichungen derselben Pressemitteilung in der Vergangenheit zu erstrecken. Dies liefe dem zukunftsgerichteten Sanktionscharakter der Vertragsstrafe zuwider. Einerseits sollten künftige Verstöße des Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung sanktioniert werden. Andererseits sollte präventiv Verstößen durch den abschreckenden Charakter der Vertragsstrafe entgegengewirkt werden. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Veröffentlichungen war eine Prävention nicht mehr möglich. Die Zahlung einer Vertragsstrafe von einem zufälligen Bekanntwerden weiterer Veröffentlichungen der Pressemitteilung abhängig zu machen, ohne dass es eines weiteren Zutuns des Beklagten bedarf, entspricht vor diesem Hintergrund nicht dem Zweck der Vereinbarung der Parteien vom 02.02.2012.
24Mangels Begründetheit der Klage hinsichtlich der Hauptforderung sind Schadensersatzansprüche des Klägers in Bezug auf die Nebenforderungen nicht gegeben. Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.
25Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.
26Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
27Rechtsbehelfsbelehrung:
28Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
291. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
302. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
31Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
32Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
33Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
34Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
35Köln, 08.06.2016Amtsgericht
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(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
- 1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; - 2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird; - 3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs; - 4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen; - 5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur; - 6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder - 7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.
(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn
- 1.
sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder - 2.
mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.
(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.
(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.
Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, dass er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe verwirkt, wenn er in Verzug kommt. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so tritt die Verwirkung mit der Zuwiderhandlung ein.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als dem vorgenannten Betrag nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Die Kosten des ersten Rechtszugs und des Revisionsrechtszugs hat der Kläger zu tragen. Die Kosten des Berufungsrechtszugs haben der Kläger zu 96 v.H. und die Beklagte zu 4 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe.
- 2
- Die Beklagte betreibt eine Personalvermittlung. Der Kläger, der nach seinen Behauptungen als Diplom-Kaufmann in führender Stellung in einem Unternehmen beschäftigt war, fasste 2007 den Entschluss, sich beruflich anderweitig zu orientieren. Er wandte sich deshalb an verschiedene Personalvermittlungsunternehmen , so auch an die Beklagte. Er übersandte ihr auf Anforderung Bewerbungsunterlagen in elektronischer Form, aus denen unter anderem sein Jahreseinkommen und seine früheren Arbeitgeber hervorgingen. Die Beklagte übernahm die Angaben des Klägers in ihre Datenbank und veröffentlichte sie - ohne dessen Zustimmung - auf ihrer Webseite. Sie beabsichtigte, den Kläger zu anonymisieren, indem Name, Geburtsdatum und der aktuelle Arbeitgeber aus den in das Internet einzustellenden Unterlagen entfernt werden sollten. Die Beklagte übersah jedoch, dass sich der Name des Klägers auch in der Kopfzeile der übermittelten Daten befand und er somit im Internet mit seinen persönlichen Angaben ohne weiteres identifizierbar war. Ein Bekannter des Klägers teilte ihm dies im Januar 2008 mit. Man müsse nur über die Suchmaschine "Google" den Namen des Klägers eingeben und werde sodann auf die von der Beklagten betriebene Internetseite weitergeleitet. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Januar 2008 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, sämtliche Daten bis zum Folgetag um 13:00 Uhr von ihrer Webseite und gegebenenfalls von allen anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Stellen zu entfernen und es künftig zu unterlassen, diese Daten zu verwenden. Ferner verlangte er von der Beklagten die Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung , die auszugsweise folgenden Wortlaut hatte: "… (Beklagte) verpflichtet sich hiermit als Betreiber der Website … gegenüber Herrn … (Kläger)
1.
unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 16.01.08, 13.00 Uhr, alle persönlichen Daten, insbesondere Lebenslauf, beruflichen Werdegang , Angaben zu derzeitiger Position und Einkommen etc. des Herrn … (Kläger) von ihrer oben genannten Website und ggf. von allen anderen Websites, die von ihr betrieben werden, sowie von allen etwaigen sonstigen Stellen, an denen sie die Daten von Herrn … veröffentlicht hat, rückstandslos zu entfernen.2.
zukünftig keinerlei Gebrauch, in welcher Form auch immer, mehr von den Daten des Herrn … Gebrauch zu machen, insbesondere es zu unterlassen, diese Daten ohne Autorisierung durch Herrn … an Stellen zu veröffentlichen, die für Dritte zugänglich sind, gleichgültig in welchem Medium und gleichgültig in welcher Darstellungsform.“- 3
- Weiterhin war in der vom Bevollmächtigten des Klägers vorgefertigten Erklärung die Verpflichtung zur Übernahme der Anwaltskosten (Nummer 3) und zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 25.000 € für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die sich aus Nummern 1 und 2 ergebenden Verbindlichkeiten vorgesehen (Nummer 4).
- 4
- Die Beklagte entfernte daraufhin sofort die Daten von ihrer Webseite. Gegenüber "Google" bewirkte sie mittels eines so genannten Webmastertools die Löschung der betreffenden Seite. Sie behauptet, sie habe das Profil des Klägers überdies durch "noindex meta-tags" und "robots.txt" blockiert.
- 5
- Ferner gab die Beklagte am 16. Januar 2008 die ihr abverlangte Erklärung zu Nummern 1 und 2, nicht jedoch zu Nummern 3 und 4, ab. Nach weiterer Korrespondenz unterzeichnete die Beklagte unter dem 13. Februar 2008 eine Verpflichtungserklärung mit dem Inhalt der Nummer 2 der Erklärung vom 16. Januar 2008. Ferner verpflichtete sie sich, für jeden Fall der Zuwiderhand- lung ohne Einrede des Fortsetzungszusammenhangs eine Vertragsstrafe von 25.000 € an den Kläger zu zahlen.
- 6
- Nachdem der Kläger die Beklagte gerichtlich auf Ersatz immateriellen Schadens und seiner Anwaltskosten wegen der Veröffentlichung der ihn betreffenden Angaben in Anspruch genommen hatte, stellte sich heraus, dass die Webseite der Beklagten mit den - allerdings ohne Namensangabe versehenen - Daten des Klägers bei Eingabe von dessen Namen über die Suchmaschine "Yahoo !" weiterhin erreichbar war. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte unter dem 18. August 2008 auf, binnen 24 Stunden ab Erhalt des Schreibens den Eintrag seines Namens auf "Yahoo!" zu entfernen. Am Folgetag wurde die entsprechende Verweisung in dieser Suchmaschine gelöscht. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe nunmehr auch die Vertragsstrafe verwirkt, und hat seine Klage um 25.000 € erweitert.
- 7
- Das Landgericht hat den Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens abgewiesen, dem Kläger jedoch die Erstattung von Anwaltskosten sowie die Vertragsstrafe zuerkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Betrag der zu ersetzenden Rechtsanwaltskosten gekürzt und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Vertragsstrafe weiter.
Entscheidungsgründe
- 8
- Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht hat die Verpflichtungserklärung vom 13. Februar 2008 dahingehend ausgelegt, dass das strafbewehrte Versprechen, das Profil des Klägers nicht mehr zu gebrauchen, auch die Verpflichtung zu positivem Handeln beinhaltete, das auf die schnelle und zuverlässige Entfernung der Daten des Klägers aus dem Internet gerichtet war. Dass die unter Nummer 1 der Erklärung vom 16. Januar 2008 eingegangene Verpflichtung zur rückstandslosen Entfernung aller persönlichen Daten des Klägers nicht ausdrücklich in die strafbewehrte Erklärung vom 13. Februar 2008 aufgenommen worden sei, berechtige nicht zu der Interpretation, eine Pflicht zu positivem Handeln sei hiervon nicht erfasst. Die Erklärung vom 13. Februar 2008 sei im Kontext mit der früheren, nicht strafbewehrten Erklärung vom 16. Januar 2008 zu sehen, die ausdrücklich die Verpflichtung zur Entfernung der Daten enthalten habe. Die Beklagte habe dem Kläger den Eindruck vermittelt, sie habe ihrer vertraglich übernommenen Pflicht genügt, indem sie dessen Daten von ihrer Webseite entfernt und gegenüber der Suchmaschine "Google" die Löschung der Seite aus dem Cache beantragt habe. Dem Kläger sei es ersichtlich darauf angekommen, dass seine Daten, in deren Veröffentlichung im Internet er nicht eingewilligt habe , dort restlos ohne Fortbestehen der Aufrufbarkeit entfernt würden. Diese für die Beklagte klar erkennbare Erwartung des Klägers sei Grundlage auch der Vereinbarung vom 13. Februar 2008 gewesen. Eine dementsprechend weit gehende Unterlassungsverpflichtung der Beklagten ergebe sich auch im Übrigen ohne ausdrückliche Aufnahme der Nummer 1 der Erklärung vom 16. Januar 2008. Von der weiten Formulierung der Erklärung vom 13. Februar 2008 sei die Verhinderung einer fortbestehenden Aufrufbarkeit und Einsehbarkeit des Profils mittels einer Suchmaschine erfasst. Das Versprechen, eine Internetdomain nicht mehr zu verwenden, verpflichte nach der Rechtsprechung nicht nur zu bloßem Unterlassen, sondern auch dazu, durch positives Handeln alles Erforderliche zur schnellen und zuverlässigen Entfernung der Domain sowie der auf zwischengelagerten Proxy-Servern und Cache-Speichern abrufbaren Inhalte zu tun. Diese Grundsätze seien auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar.
- 10
- Die Beklagte habe gegen ihre in diesem Sinne zu verstehende Unterlassungsverpflichtung schuldhaft verstoßen. Die Beklagte habe gegenüber der Suchmaschine "Yahoo!" ebenfalls tätig werden müssen. Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung sei es nicht unzumutbar, die Betreiber von Suchmaschinen auch ohne konkrete Anhaltspunkte wegen der Löschung von inkriminierten Suchbegriffen anzuschreiben.
II.
- 11
- Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist auch hinsichtlich der vom Kläger verlangten Vertragsstrafe unbegründet.
- 12
- 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erfasst die strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 13. Februar 2008 nicht die Verpflichtung zur Entfernung der persönlichen Daten des Klägers aus dem Internet.
- 13
- Die Auslegung individualvertraglicher Erklärungen ist zwar im Grundsatz dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist aber für das Revisionsgericht dann nicht bindend, wenn sie gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt (st. Rspr. vgl. z.B. Senatsurteile vom 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05, NJW 2006, 3777 Rn. 13 und vom 2. Februar 2006 - III ZR 61/05, WM 2006, 871 Rn. 9). Ein solcher Fehler liegt der Auslegung des Berufungsgerichts zugrunde.
- 14
- 2. Zwar mag bei isolierter Betrachtung der Wortsinn des ersten Teils der Erklärung vom 13. Februar 2008 noch mit der Interpretation der Vorinstanz in Einklang zu bringen sein. Nach Ermittlung des Wortsinns sind aber in einem zweiten Auslegungsschritt die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (z.B.: BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003). Diesem Auslegungsgrundsatz wird die Interpretation der getroffenen Vereinbarung durch das Berufungsgericht nicht gerecht.
- 15
- Die Erklärung ist auf dem Hintergrund der zuvor von der Beklagten abgegebenen , nicht strafbewehrten Verpflichtungserklärung vom 16. Januar 2008 zu sehen. Darin hatte sich die Beklagte mit dem vom Bevollmächtigten des Klägers vorbereiteten Text in Nummer 1 zur aktiven Beseitigung von dessen persönlichen Daten im Internet verpflichtet, die dort aufgrund des der Beklagten in der Vergangenheit unterlaufenen Fehlers bereits abrufbar waren. Nummer 2 enthielt in klarer Abgrenzung hierzu eine allein in die Zukunft gerichtete Unterlassungserklärung , von den Daten des Klägers Gebrauch zu machen. In die mit der Verpflichtung zur Zahlung der verlangten Vertragsstrafe verbundene Erklärung vom 13. Februar 2008 ist lediglich der Text der Nummer 2 der Erklärung vom 16. Januar 2008 aufgenommen worden, die, wie sich aus dem Gegensatz zu deren Nummer 1 ergibt, gerade keine Beseitigungspflicht enthielt. Dafür dass die Parteien die mit der Erklärung vom 13. Februar 2008 eingegangene Verpflichtung der Beklagten - ihren ursprünglichen Sinn erweiternd - dahin verstehen wollten, dass diese nunmehr auch eine Entfernungspflicht entsprechend der Nummer 1 der Erklärung vom 16. Januar 2008 umfassen sollte, obgleich diese gerade nicht in den Text aufgenommen wurde, gibt es nicht nur keinen Anhaltspunkt. Vielmehr ergibt sich aus den weiteren Umständen das Gegenteil. Die Parteien gingen übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Abgabe der zweiten Erklärung am 13. Februar 2008 ihre mit der Erklärung vom 16. Januar 2008 eingegangene Verpflichtung zur Beseitigung der Daten des Klägers aus dem Internet vollständig erfüllt hatte. Mit Recht macht die Revision geltend, bei dieser Ausgangslage sei es auszuschließen, dass die Parteien den Willen hatten, die ihrer Vorstellung nach bereits erfüllte Pflicht erneut zu begründen.
- 16
- Hieran ändert entgegen der vom Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung auch nichts, dass die Parteien von einem falschen Sachverhalt ausgingen und die Beklagte diese Fehlvorstellung hervorgerufen hat. Dabei handelt es sich um einen Motivirrtum der Parteien. Dieser hätte allenfalls zu einem - vom Kläger nicht geltend gemachten - Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB, einem Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 2, 3 BGB, oder - wofür hier allerdings kein Anhaltspunkt besteht - im Falle einer arglistigen Täuschung zu einer Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB berechtigen können, nicht aber zur Begründung der zusätzlichen Beseitigungspflicht. Auch die Statuierung einer solchen Verpflichtung mit Vertragsstrafenbewehrung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (siehe hierzu Senatsurteil vom 24. Januar 2008 - III ZR 79/07, WM 2008, 1886, Rn. 14 f) schei- det aus. Dass sich eine redliche und verständige Partei in der Lage der Beklagten bei Kenntnis der Umstände nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben auf eine solche Regelung eingelassen hätte, nachdem sie bereits weitgehend erfolgreich tätig geworden war, kann nicht angenommen werden.
- 17
- 3. Die vorstehenden Würdigungen kann der Senat selbst vornehmen, da das Berufungsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bereits getroffen hat und eine weitere Sachaufklärung nicht mehr zu erwarten ist (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219).
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 13.05.2009 - 28 O 348/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 15.12.2009 - 15 U 90/09 -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.