Amtsgericht Hamm Urteil, 26. März 2014 - 17 C 305/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 5.000,00 Euro.
1
Tatbestand
2Das Fahrzeug des Herrn N mit dem amtlichen Kennzeichen ###-# 0000 war bei der S haftpflichtversichert. Der Beklagte war am 12.08.2012 gegen 11.15 Uhr Fahrer dieses Fahrzeuges. Auf der K-Straße in Höhe der Hausnummer 00 fuhr der Beklagte gegen das geparkte Fahrzeug des Herrn Z mit dem amtlichen Kennzeichen ###-# 00. Der Beklagte entfernte sich zunächst vom Unfallort auf eine Entfernung von etwa 200 Metern. Bei Eintreffen der Polizei gab er sich als Fahrer zu erkennen. Bei der Unfallaufnahme befragte die Polizei den Beklagten, den Geschädigten Herrn Z, der den Unfall an dem vor dem Haus abgeparkten Fahrzeug gehört hatte, fertigte eine Unfallskizze mit Maßangaben und fotografierte die Schäden an den unfallbeteiligten Fahrzeugen. Der Beklagte ließ einen Strafbefehl wegen einer Straftat gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtskräftig werden. Am 14.08.2012 meldete der Versicherungsnehmer N den Unfall bei der S. Der Geschädigte Z machte den Schaden mit Schreiben seiner Anwälte vom 27.08.2012 geltend. Die S regulierte am 06.09.2012 6.243,25 Euro und am 11.10.2012 weitere 818,93 Euro.
3Die Klägerin behauptet, sie sei von der S bevollmächtigt, Regressforderungen in eigenem Namen geltend zu machen. Dies ergebe sich auch aus der Übergabe der Unterlagen durch die S an sie. Ihr eigenes rechtliches Interesse ergebe sich daraus, dass es sich um eine um verbundene Unternehmen handele, die Klägerin im Übrigen eine Provision der S erhalte. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei ihr zur Rückerstattung von 5.000,00 Euro wegen der Verletzung seiner Aufklärungsobliegenheit verpflichtet.
4Die Klägerin beantragt,
5den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.000,00 Euro nebst
6Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
7Basiszinssatz seit dem 08.05.2013 zu zahlen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Der Beklagte behauptet, der Versicherungsnehmer N habe den Unfall auch seinem vor Ort zuständigen Betreuer in der W, Zweigstelle I, gemeldet. Das Verhalten des Beklagten habe sich auf den von der S regulierten Betrag nicht ausgewirkt.
11Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist unbegründet.
14Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht gemäß §§ 426 Abs. 1, 116 VVG, 28 Abs. 2 VVG die Zahlung von 5.000,00 Euro im Wege des Rückgriffs verlangen. Auch wenn der Beklagte sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt hat und gegen seine Aufklärungsobliegenheit verstoßen hat, scheidet ein Regress der Klägerin jedenfalls gemäß § 28 Abs. 3 VVG aus, weil die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war. Aus der polizeilichen Unfallaufnahme war bekannt, dass der Beklagte das Fahrzeug geführt hatte. Etwas anderes hätte er auch mittelbar nach dem Unfall nicht erklären können. Die Polizei hatte die Verkehrstüchtigkeit des Beklagten festgestellt. Der Beklagte hatte den Unfallhergang aus seiner Wahrnehmung geschildert. Etwas anderes hätte er gegenüber der Haftpflichtversicherung ebenfalls nicht erklären können. Die Polizei hat die Unfallschäden durch zahlreiche Fotos festgehalten. Weitergehend hätte auch der Beklagte den Schaden an Ort und Stelle nicht sichern oder der S beschreiben können. Anhaltspunkte für Vorschäden hatte der Beklagte nicht. Durch den Unfallgeschädigten ist am 15.08.2012 eine Besichtigung des Fahrzeuges durch einen Sachverständigen veranlasst worden. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, welche andere Unfallregulierung hätte erfolgen können, wenn der Unfallhergang und die Schadensentstehung durch den Beklagten unmittelbar nach dem Unfall in gleicher Weise wie jetzt geschildert worden wäre. Auch die Klägerin hat auf den Hinweis des Gerichts vom 04.12.2013 nicht dargelegt, in welcher Höhe eine Regulierung des Schadens erfolgt wäre, wenn die Schadensmeldung und Aufklärung durch den Beklagten vor der Regulierung erfolgt wäre (zur sekundären Darlegungslast vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2001, IV ZR 63/00; Die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung nach dem neuen VVG, VersR 2009, 1304). Mangels Kausalität einer unterlassenen Schadensanzeige durch den Beklagten ist ein Regress der Klägerin daher ausgeschlossen.
15Durch das Unterlassen der Unfallanzeige und des Schadens hat der Beklagte auch nicht arglistig gehandelt. Die strafrechtliche Verurteilung wegen Unfallflucht bedeutet nicht ohne weiteres die Annahme einer arglistigen Obliegenheitsverletzung (vgl. LG Bonn, Urteil vom 15.11.2012, 6 S 63/12; LG Duisburg, Urteil vom 15.03.2013, 7 S 104/12) Die arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten die Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012, IV ZR 97/11). Die Daten, welche der Beklagte hätte mitteilen können, waren aufgrund des polizeilich aufgenommenen Verkehrsunfalles und der Darlegung der Schadenshöhe durch einen Rechtsanwalt des Geschädigten vollständig bekannt. Der Beklagte konnte nicht annehmen, dass der Klägerin durch eine weitere Schadensanzeige seinerseits ein größerer Schaden entstehen könnte. Der Vater des Beklagten hatte den Schaden nunmehr unstreitig am 14.08.2012 telefonisch bei der S gemeldet.
16Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
17Rechtsbehelfsbelehrung:
18Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
19a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
20b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
21Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstr. 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
22Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
23Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
24Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
- 1.
zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder - 2.
eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).
(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.
(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.
(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.
(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.
(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz aus einer Privathaftpflichtversicherung in Anspruch; der am 21. Februar 1979 geborene Sohn der Klägerin ist mitversichert.Am 6. April 1994 wurde eine in E. gelegene Lagerhalle durch Feuer erheblich beschädigt. Über den Umfang des Gebäude-Feuerschadens holte der Gebäudeversicherer des Eigentümers der Halle ein Gutachten eines Sachverständigen ein, der - nach Besichtigung des vom Brand betroffenen Gebäudes am 21. April und 4. Mai 1994 - den Zeitwertschaden einschließlich der Abbruch- und Aufräumkosten auf 181.364 DM bestimmte. In der Folgezeit wurden die Brandreste abgebrochen und das Grundstück neu bebaut.
Im Zuge der von der Polizei nach dem Brand wegen des Verdachts der Brandstiftung aufgenommenen Ermittlungen wurde der Sohn der Klägerin von der Polizei am 10. Juni 1994 zunächst als Zeuge und am 29. Juni 1994 als Beschuldigter vernommen. Er stritt eine Tatbeteiligung ab. Am 28. August 1995 erhob die Staatsanwaltschaft E. u.a. gegen den Sohn der Klägerin Anklage wegen fahrlässiger Brandstiftung, die der Klägerin und ihrem Sohn am 17. November 1995 zugestellt wurde. Mit Urteil des Jugendrichters des Amtsgerichts E. vom 1. Juli 1996 wurde der Sohn der Klägerin wegen fahrlässiger Brandstiftung unter Erteilung einer Auflage verwarnt; seine Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts E. vom 17. Oktober 1996 verworfen.
Der Beklagten zeigte die Klägerin den Brandschaden vom 6. April 1994 - nach Anraten des Verteidigers ihres Sohnes im Strafverfahren - mit Schreiben vom 1. Oktober 1996 an. Die Beklagte lehnte Deckungsschutz ab. Sie berief sich auf Leistungsfreiheit, weil ihr der Versicherungsfall und insbesondere die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Sohn der Klägerin nicht unverzüglich angezeigt worden seien.
Der Gebäudeversicherer des Eigentümers der Lagerhalle hat der Klägerin mitgeteilt, den Zeitwertschaden mit 162.644 DM reguliert zu haben.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, sämtliche (mit-) versicherte Personen von Schadensersatzansprüchen Dritter wegen des Schadensfalles am 6. April 1994 freizustellen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel der Klägerin hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hält die Beklagte nicht für verpflichtet, der Klägerin und ihrem mitversicherten Sohn Deckungsschutz zu gewähren. Die Beklagte sei gemäß § 6 Abs. 3 VVG, § 6 AHB von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil die Klägerin die Obliegenheit verletzt habe, der Beklagten den Versicherungsfall - insbesondere aber die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen ihren Sohn - unverzüglich anzuzeigen (§ 153 Abs. 4 Satz 2 VVG, § 5 Nr. 2 Abs. 2 AHB). Die Obliegenheit zur Anzeige des Ermittlungsverfahrens sei mit dem 29. Juni 1994, dem Tag, an dem der Sohn der Klägerin als Beschuldigter vernommen worden sei, entstanden. Die Anzeige vom 1. Oktober 1996 sei danach nicht mehr als "unverzüglich" anzusehen. Die Klägerin habe die Obliegenheit grob fahrlässig verletzt; den Kausalitätsgegenbeweis (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VVG)
habe sie nicht erbracht. Die Beklagte weise insoweit mit Recht darauf hin, daß ihr durch die verspätete Anzeige die Möglichkeit genommen worden sei, eigene Feststellungen zur Schadensursache, zur Schadenshöhe und zur Verantwortlichkeit des zur Tatzeit fünfzehnjährigen Sohnes der Klägerin zu treffen.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt die - nach seiner Auffassung vorliegende - Obliegenheitsverletzung schon deshalb nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten, weil der Kausalitätsgegenbeweis als geführt anzusehen ist.
a) Der Beweis, daß die grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VVG), obliegt dem Versicherungsnehmer. Er kann diesen negativen Beweis aber praktisch nur so führen, daß er zunächst die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten ausräumt und dann abwartet, welche Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt, die der Versicherungsnehmer dann ebenfalls zu widerlegen hat. Der Versicherer muß dazu die konkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses aufzeigen, indem er zum Beispiel vorträgt, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegenheit getroffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte (BGHZ 41, 327, 336 f.).
b) Das Berufungsgericht legt seinen Erwägungen - dem Vortrag der Beklagten folgend - zugrunde, daß die brandgeschädigte Lagerhalle
zu dem von ihm für die Erfüllung der Anzeigeobliegenheit für maßgeblich erachteten Zeitraum (unverzüglich nach der Beschuldigtenvernehmung des Sohnes der Klägerin am 29. Juni 1994) noch nicht abgerissen, bei Anzeige der Klägerin im Oktober 1996 dagegen bereits abgerissen gewesen sei.
Bei einem solchen Sachverhalt sind dem Versicherer nach der Anzeige seines Versicherungsnehmers eigene Ermittlungen am Brandobjekt zur Schadensursache und zum Schadensumfang nicht mehr möglich. Der Obliegenheitsverletzung kommt damit in der Regel Einfluß auf die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalles und die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers zu. Demgemäß war es zunächst Sache der Klägerin, diesen sich schon aus den tatsächlichen Verhältnissen ergebenden ursächlichen Zusammenhang auszuräumen. Das hat die Klägerin - wie das Berufungsgericht bei seinen Erwägungen nicht ausreichend berücksichtigt - mit der Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen zum Gebäude-Feuerschaden, das von diesem auf der Grundlage von Feststellungen vor Ort und vor Abriß der Lagerhalle erstattet worden ist, sowie mit dem Hinweis auf die strafrechtlichen Ermittlungen und Feststellungen zur Brandursache und zu den Verantwortlichkeiten für die Brandentstehung aber auch getan. Denn Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalles oder zur Leistungspflicht und zu deren Umfang setzen nicht notwendig eigene Ermittlungen des Versicherers voraus, wenn sie sich auf der Grundlage anderweit geklärter tatsächlicher Umstände treffen lassen. Deshalb oblag es der Beklagten darzulegen, welche Maßnahmen sie bei rechtzeitiger Anzeige ergriffen hätte und weshalb sich daraus über die von der Klägerin aufgezeigten
Erkenntnismöglichkeiten hinausgehende Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalles oder ihrer Leistungspflicht hätten treffen lassen. Die Revision rügt mit Recht, daß es schon an ausreichendem Vortrag der Beklagten hierzu fehlt.
aa) Was die Schadensursachen anlangt, hat die Beklagte insbesondere geltend gemacht, daß ihr wegen der verspäteten Anzeige die Möglichkeit eigener Ermittlungen am Brandort genommen worden sei. Der Verlust eigener Erkenntnismöglichkeiten reicht aber zur Darlegung der Kausalität (im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG) für sich genommen nicht aus. Denn insoweit genügt nicht ein irgendwie gearteter Einfluß der Obliegenheitsverletzung auf den Gang des Feststellungsverfahrens , sondern lediglich eine für den Versicherer im Ergebnis nachteilige Beeinflussung der Feststellung selbst (vgl. BGHZ aaO). Eine solche aber legt die Beklagte nicht dar. Soweit sie sich darauf beruft, es fehlten Feststellungen zum Entstehungsort des Brandes und zu seiner Ausdehnung , wird das schon dadurch widerlegt, daß die Polizei unmittelbar nach dem Brand Feststellungen zur Brandausbruchstelle getroffen und in einem - auch der Beklagten zugänglichen - Bericht in den Ermittlungsakten niedergelegt hat. Inwieweit die Beklagte bei eigenen Ermittlungen weitere Erkenntnisse in bezug auf den Eintritt des Versicherungsfalles und auf die Feststellung oder den Umfang ihrer Leistungspflicht hätte erlangen können, ist nicht dargetan.
Soweit sich die Beklagte darüber hinaus darauf berufen hat, wegen fehlender eigener Ermittlungsmöglichkeiten sei es ihr verschlossen geblieben, eigene Feststellungen zum Grad des Verschuldens
- insbesondere zu einem vorsätzlichen Handeln des Sohnes der Klägerin - zu treffen, gilt nichts anderes. Woraus sich solche Erkenntnismöglichkeiten über die im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Sohn der Klägerin genutzten hinaus ergeben sollten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere verfängt der Hinweis nicht, ihr sei die Möglichkeit genommen worden, noch im Zuge des Ermittlungsverfahrens die Behörden darauf hinzuweisen, daß auch ein vorsätzliches Verhalten des Versicherten in Betracht kommen könnte. Denn einem solchen Verdacht mußte die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens schon von Amts wegen nachgehen. Wenn die Beklagte weiter meint, wegen fehlender eigener Ermittlungsmöglichkeiten sei eine nähere Aufklärung darüber nicht möglich, welcher Fahrlässigkeitsgrad dem Versicherten zur Last falle, übersieht sie, daß ihre Leistungspflicht nur bei Vorsatz des Versicherten ausgeschlossen ist, der sich zudem noch auf die Schadensfolgen erstrecken muß (§ 4 II Nr. 1 AHB). Was schließlich den vom Berufungsgericht aufgegriffenen Vortrag der Beklagten anlangt, ihr sei wegen der verspäteten Schadensanzeige die Möglichkeit genommen worden, zeitnah zur Brandlegung eigene Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Versicherten mit Blick auf § 828 Abs. 2 BGB zu treffen, fehlt es an ausreichendem Vorbringen dazu, welche Maßnahmen die Beklagte hierzu ergriffen hätte; der bloße Hinweis, daß insoweit "eine Prüfung ausgelöst" worden wäre, genügt nicht.
bb) Aber auch was die Feststellungen zum Umfang der Leistungspflicht der Beklagten anlangt, fehlt es mit Rücksicht auf das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Brandsachverständigen zum Schaden an ausreichenden Darlegungen der Beklagten zum Einfluß der Obliegen-
heitsverletzung auf solche Feststellungen. Hierzu genügte der von der Beklagten wiederholt gegebene Hinweis nicht, daß der vom Gebäudeversicherer ermittelte Schaden nicht mit jenem identisch sei, der sich bei einem Anspruch gegen den Versicherten aus § 823 BGB ergebe. Der Beklagten oblag es auch insoweit, im einzelnen zu konkretisieren, welche zur Prüfung des Umfangs ihrer Leistungspflicht erforderlichen Feststellungen dem Gutachten des Brandsachverständigen nicht zu entnehmen seien, sich vielmehr nur aufgrund eigener Ermittlungen hätten treffen lassen. Auch an solchem Vortrag der Beklagten aber fehlt es. Das gilt auch hinsichtlich der von der Beklagten besonders angeführten Abrißkosten. Das Gutachten über den Gebäude-Feuerschaden weist solche Kosten - das zerstörte Gebäude betreffend - gesondert aus, Selbst wenn, wie die Beklagte meint, für ihre Leistungspflicht (unter Berücksichtigung der Vorteilsausgleichung) die Abbruchkosten für das unzerstörte Gebäude maßgeblich seien, hat sie nicht dargelegt, welche Feststellungen sie selbst und nach dem Brand bei rechtzeitiger Anzeige dazu noch hätte treffen können.
3. Ist danach davon auszugehen, daß die Klägerin jedenfalls den Kausalitätsgegenbeweis geführt hat, so ist die Beklagte selbst dann nicht von ihrer Leistungspflicht freigeworden, wenn die Klägerin - wie das Berufungsgericht annimmt - durch nicht unverzügliche Anzeige des gegen ihren Sohn gerichteten Ermittlungsverfahrens die Anzeigeobliegenheit grob fahrlässig verletzt hat. Auf die gegen diese Annahme gerichteten Revisionsangriffe kommt es deshalb nicht mehr an.
4. Unter Berücksichtigung des Klagebegehrens wird klargestellt: Der Tenor des Urteils des Landgerichts vom 6. Oktober 1998 ist dahin zu verstehen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den versicherten Personen wegen des Schadensfalles am 6. April 1994 Versicherungsschutz zu gewähren.
Terno Prof. Römer Seiffert
Ambrosius Wendt
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.