Amtsgericht Hamm Urteil, 26. März 2014 - 17 C 305/13


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 5.000,00 Euro.
1
Tatbestand
2Das Fahrzeug des Herrn N mit dem amtlichen Kennzeichen ###-# 0000 war bei der S haftpflichtversichert. Der Beklagte war am 12.08.2012 gegen 11.15 Uhr Fahrer dieses Fahrzeuges. Auf der K-Straße in Höhe der Hausnummer 00 fuhr der Beklagte gegen das geparkte Fahrzeug des Herrn Z mit dem amtlichen Kennzeichen ###-# 00. Der Beklagte entfernte sich zunächst vom Unfallort auf eine Entfernung von etwa 200 Metern. Bei Eintreffen der Polizei gab er sich als Fahrer zu erkennen. Bei der Unfallaufnahme befragte die Polizei den Beklagten, den Geschädigten Herrn Z, der den Unfall an dem vor dem Haus abgeparkten Fahrzeug gehört hatte, fertigte eine Unfallskizze mit Maßangaben und fotografierte die Schäden an den unfallbeteiligten Fahrzeugen. Der Beklagte ließ einen Strafbefehl wegen einer Straftat gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtskräftig werden. Am 14.08.2012 meldete der Versicherungsnehmer N den Unfall bei der S. Der Geschädigte Z machte den Schaden mit Schreiben seiner Anwälte vom 27.08.2012 geltend. Die S regulierte am 06.09.2012 6.243,25 Euro und am 11.10.2012 weitere 818,93 Euro.
3Die Klägerin behauptet, sie sei von der S bevollmächtigt, Regressforderungen in eigenem Namen geltend zu machen. Dies ergebe sich auch aus der Übergabe der Unterlagen durch die S an sie. Ihr eigenes rechtliches Interesse ergebe sich daraus, dass es sich um eine um verbundene Unternehmen handele, die Klägerin im Übrigen eine Provision der S erhalte. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei ihr zur Rückerstattung von 5.000,00 Euro wegen der Verletzung seiner Aufklärungsobliegenheit verpflichtet.
4Die Klägerin beantragt,
5den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.000,00 Euro nebst
6Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
7Basiszinssatz seit dem 08.05.2013 zu zahlen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Der Beklagte behauptet, der Versicherungsnehmer N habe den Unfall auch seinem vor Ort zuständigen Betreuer in der W, Zweigstelle I, gemeldet. Das Verhalten des Beklagten habe sich auf den von der S regulierten Betrag nicht ausgewirkt.
11Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist unbegründet.
14Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht gemäß §§ 426 Abs. 1, 116 VVG, 28 Abs. 2 VVG die Zahlung von 5.000,00 Euro im Wege des Rückgriffs verlangen. Auch wenn der Beklagte sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt hat und gegen seine Aufklärungsobliegenheit verstoßen hat, scheidet ein Regress der Klägerin jedenfalls gemäß § 28 Abs. 3 VVG aus, weil die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war. Aus der polizeilichen Unfallaufnahme war bekannt, dass der Beklagte das Fahrzeug geführt hatte. Etwas anderes hätte er auch mittelbar nach dem Unfall nicht erklären können. Die Polizei hatte die Verkehrstüchtigkeit des Beklagten festgestellt. Der Beklagte hatte den Unfallhergang aus seiner Wahrnehmung geschildert. Etwas anderes hätte er gegenüber der Haftpflichtversicherung ebenfalls nicht erklären können. Die Polizei hat die Unfallschäden durch zahlreiche Fotos festgehalten. Weitergehend hätte auch der Beklagte den Schaden an Ort und Stelle nicht sichern oder der S beschreiben können. Anhaltspunkte für Vorschäden hatte der Beklagte nicht. Durch den Unfallgeschädigten ist am 15.08.2012 eine Besichtigung des Fahrzeuges durch einen Sachverständigen veranlasst worden. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, welche andere Unfallregulierung hätte erfolgen können, wenn der Unfallhergang und die Schadensentstehung durch den Beklagten unmittelbar nach dem Unfall in gleicher Weise wie jetzt geschildert worden wäre. Auch die Klägerin hat auf den Hinweis des Gerichts vom 04.12.2013 nicht dargelegt, in welcher Höhe eine Regulierung des Schadens erfolgt wäre, wenn die Schadensmeldung und Aufklärung durch den Beklagten vor der Regulierung erfolgt wäre (zur sekundären Darlegungslast vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2001, IV ZR 63/00; Die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung nach dem neuen VVG, VersR 2009, 1304). Mangels Kausalität einer unterlassenen Schadensanzeige durch den Beklagten ist ein Regress der Klägerin daher ausgeschlossen.
15Durch das Unterlassen der Unfallanzeige und des Schadens hat der Beklagte auch nicht arglistig gehandelt. Die strafrechtliche Verurteilung wegen Unfallflucht bedeutet nicht ohne weiteres die Annahme einer arglistigen Obliegenheitsverletzung (vgl. LG Bonn, Urteil vom 15.11.2012, 6 S 63/12; LG Duisburg, Urteil vom 15.03.2013, 7 S 104/12) Die arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten die Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012, IV ZR 97/11). Die Daten, welche der Beklagte hätte mitteilen können, waren aufgrund des polizeilich aufgenommenen Verkehrsunfalles und der Darlegung der Schadenshöhe durch einen Rechtsanwalt des Geschädigten vollständig bekannt. Der Beklagte konnte nicht annehmen, dass der Klägerin durch eine weitere Schadensanzeige seinerseits ein größerer Schaden entstehen könnte. Der Vater des Beklagten hatte den Schaden nunmehr unstreitig am 14.08.2012 telefonisch bei der S gemeldet.
16Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
17Rechtsbehelfsbelehrung:
18Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
19a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
20b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
21Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstr. 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
22Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
23Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
24Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.


Annotations
(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
- 1.
zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder - 2.
eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).
(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.
(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.
(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.
(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.
(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.