Amtsgericht Geldern Urteil, 01. Sept. 2015 - 3 C 134/15

Gericht
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Mitbesitz an der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des Wohnhauses mit der postalischen Anschrift xxx dadurch einzuräumen, dass er dem Kläger einen geeigneten Schlüssel zur Haupteingangstüre aushändigt.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, den Grundbesitz Grundbuch von xxx, Gemarkung xxx Flur xxx Flurstück xxx, Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, Wasserfläche, Erholungsfläche, xxxx m² und Gemarkung xxx Flur xxx, Flurstück xxx, Landwirtschaftsfläche, xxx m², mit aufstehendem Wohnhaus nebst Scheune und Schweinestall (postalische Anschrift xxx) bis zum 30.09.2015 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger erwarb durch Zuschlag im Wege der Zwangsversteigerung am 19.02.2014 Eigentum an der Immobilie mit der Anschrift xxx. Voreigentümer des Grundstücks war Herr xxx. Der Beklagte wohnt als Mieter unter der angegebenen Anschrift. Das Mietverhältnis begann am 01.12.2008. Nach § 5 des Mietvertrags ist „im Hinblick auf die vom Mieter nachweislich getätigten Investitionen in Höhe von 35.000,00 € (…) von Seiten des Mieters für die Dauer von 15 Jahren kein Mietzins zu entrichten." § 1 des Mietvertrags sieht vor, dass die Räumlichkeiten im Erdgeschoss und das Badezimmer gemeinsam genutzt werden.
3Mit Schriftsatz vom 05.03.2014 beantragte der Kläger, ihm eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses zu erteilen, was durch das Amtsgericht xxx antragsgemäß erfolgte. Der Beklagte sowie Herr xxx beantragten im Juli 2014 erfolgreich Räumungsschutz und legten in diesem Verfahren eine Kopie eines Mietvertrages zwischen dem Beklagten und Herrn xxx vor. Mit Datum vom 14.07.2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Kündigung des Mietverhältnisses und bezog sich in seinem Schreiben auf das Sonderkündigungsrecht gem. § 57 a ZVG und machte vorsorglich im Namen des Klägers Eigenbedarf für diesen und das von ihm geführte Unternehmen geltend.
4Unter dem 17.07.2014 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten erneut die Kündigung des Mietverhältnisses.
5In der Klageschrift, dem Beklagten zugestellt am 01.04.2015, erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erneut die außerordentliche und fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges und Eigenbedarfs. Mit Schriftsatz vom 21.05.2015 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers noch einmal die Kündigung wegen Eigenbedarfs.
6Der Kläger behauptet, er habe erstmals im Zusammenhang mit den Räumungsschutzanträgen im Juli 2014 von einer mietvertraglichen Vereinbarung zwischen dem Beklagten und Herrn xxx erfahren. Zuvor sei die Existenz eines Mietvertrages ausdrücklich verneint worden. Darüber hinaus beabsichtige er mit seiner schwangeren Frau und dem gemeinsamen Kind in die streitgegenständliche Immobilie einzuziehen. Zudem befindet sich der Beklagte in Zahlungsverzug, da er auch die übrigen Räume der Immobilie, die nicht Gegenstand des Mietvertrages zwischen dem Beklagten und Herrn xxx sind, nutze.
7Der Kläger beantragt,
81. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger den Mitbesitz an der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des Wohnhauses mit der postalischen Anschrift xxx dadurch einzuräumen, dass er dem Kläger einen geeigneten Schlüssel zur Haupteingangstüre aushändigt;
92. den Beklagten zu verurteilen, den Grundbesitz Grundbuch von xxx, Gemarkung xxx Flur xxx, Flurstück xxx, Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, Wasserfläche, Erholungsfläche, xxx m2 und Gemarkung xxx Flur xxx, Flurstück xxx, Landwirtschaftsfläche, xxx m2, mit aufstehendem Wohnhaus nebst Scheune und Schweinestall (postalische Anschrift xxx) bis zum 30.09.2015 zu räumen und an ihn herauszugeben.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Der Beklagte behauptet, der Kläger habe bereits im Februar 2014 von der Existenz des Mietvertrages zwischen ihm und Herrn xxx Kenntnis erlangt. Er meint, eine ordentliche Kündigung sei nicht möglich, da der Mietvertrag eine Laufzeit von 15 Jahren aufweise.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
14Die Akte xxx des Amtsgerichts Geldern ist beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin xxx. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom xxx verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist begründet.
18Der Kläger hat einen Anspruch auf Einräumung des Mietbesitzes an der im Erdgeschoss befindlichen Wohnung durch Aushändigung eines Schlüssels aus § 985 BGB.
19Der Kläger ist durch den Zuschlag Eigentümer der streitgegenständlichen Immobilie geworden. Der Beklagte ist Besitzer der Wohnung.
20Der Kläger ist aus § 1 des Mietvertrags lediglich zum Mitbesitz an den Räumlichkeiten im Erdgeschoss berechtigt, sodass kein Recht zum alleinigen Besitz aus dem Mietvertrag gegeben ist.
21Rechtsfolge des § 985 BGB ist vorliegend die Einräumung des Mitbesitzes (vgl. Fitzsche, in: BeckOK, BGB, 36. Ed. 2015, § 985, Rn. 21). Da die Schlösser ausgetauscht wurden, ist der Mitbesitz durch Aushändigung eines geeigneten Schlüssels einzuräumen.
22Der Kläger hat einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Grundbesitzes bis zum 30.09.2015 aus § 546 Abs. 1 BGB.
23Das Mietverhältnis ist spätestens durch die ordentliche Kündigung im Schriftsatz vom 21.05.2015 wegen Eigenbedarfs gem. § 573 BGB zum 30.09.2015 beendet.Da der Kläger den Wohnraum mit seiner Ehefrau und den (zukünftig zwei) Kindern nutzen möchte, liegt ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor. Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger beabsichtigt, mit seiner Familie in die streitgegenständliche Immobilie einzuziehen. Die Zeugin hat bekundet, dass sie und der Kläger momentan auf dem Flur schlafen würden, da das Kinderzimmer im Schlafzimmer eingerichtet worden sei und sich im Obergeschoss lediglich zwei Räume befänden, die als Schlaf- bzw. Kinderzimmer genutzt werden könnten. Die Aussage ist glaubhaft, da nachvollziehbar ist, dass die Zeugin und der Kläger Interesse an einem eigenen Schlafraum haben und sie überdies keine Miete mehr zahlen wollen.
24Die Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt, das heißt die fehlende konkrete Angabe zum Beendigungszeitpunkt, ist unschädlich (Blank, in: Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl. 2014, § 542 BGB, Rn. 25 ff.; Ehlert, in: BeckOK, BGB, a. a. O., § 542, Rn. 15).
25Eine ordentliche Kündigung ist möglich, da der Mietvertrag nicht für die Dauer von 15 Jahren, sondern für unbestimmte Zeit geschlossen wurde. Auch wenn § 5 des Mietvertrages vorsieht, dass der Beklagte für die Dauer von 15 Jahren keine Miete zahlen muss, kann daraus nicht gefolgert werden, dass ein für 15 Jahre abgeschlossenes Mietverhältnis vorliegt. § 5 betrifft lediglich eine Freistellung von der Verpflichtung zur Mietzahlung und stellt keinen Verzicht auf ein Kündigungsrecht dar.
26Da das Mietverhältnis länger als 5 Jahre läuft, verlängert sich die Kündigungsfrist nach § 573 c Abs. 1 S. 2 BGB um drei Monate, sodass das Mietverhältnis zum 30.09.2015 beendet ist.
27Für das vorliegende Verfahren ist der Antrag auf Räumung und Herausgabe zum 30.09.2015 maßgeblich. Da die Verhandlung aufgrund des zu erteilenden Hinweises wiedereröffnet und das schriftliche Verfahren beschlossen wurde, konnten Anträge bis zum Ablauf der Schriftsatzeinreichungsfrist gestellt werden. Der festgelegte Schlusszeitpunkt entspricht nämlich dem Schluss der mündlichen Verhandlung im mündlichen Verfahren (Reichhold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 128, Rn. 32, 33; Wagner, in: MüKo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 128, Rn 35).
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 709, 108 ZPO.
29Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
321. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
332. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
34Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht xxx eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
35Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht xxx zu begründen.
36Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht xxx durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
37Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
38B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht xxx statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht xxx schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
39Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
40xxx Richterin |

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Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) In den Fällen der Bestellung einer prozessualen Sicherheit kann das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Soweit das Gericht eine Bestimmung nicht getroffen hat und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind.
(2) Die Vorschriften des § 234 Abs. 2 und des § 235 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.