Amtsgericht Essen Urteil, 02. Juni 2016 - 196 C 272/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 10.000,00 €.
1
Tatbestand:
2Die Parteien sind Mitglieder der WEG C1, G-straße in F.
3Die Beigeladenen sind die weiteren Miteigentümer.
4Verwalterin ist die T GmbH G-straße in F.
5Die Kläger bewohnen die Eigentumswohnung Nr. 30 im ersten Geschoss und sind Eigentümer der Wohnung Nr. 33 im Dachgeschoss, die vermietet ist. Die Beklagte bewohnt die Wohnung Nr. 28 im Erdgeschoss.
6Mit Teilungserklärung des Notars Dr. C2 Urkundenrollennummer: ### ist der Beklagten unter § 4 Nr. 1 ein Sondernutzungsrecht an der zur Wohnung gehörenden Terrasse sowie der jeweils angrenzenden Grundstücksteilfläche eingeräumt worden. Diese Einräumung erfolgte mit der Bestimmung der Verwendung als Rasen und/oder als Ziergarten, jedoch ohne Gestattung von Gewächsen von mehr als 3 m Höhe und ohne Gestattung von Bauwerken jedweder Art, wozu auch sogenannte Gartenhäuschen gehören verbunden mit der Verpflichtung zur Unterhaltung und gegebenenfalls Instandsetzung, bzw. Erneuerung des Bodenbelags der Terrasse.
7Bis zum Jahr 2014 hatte die Beklagte diese Fläche als an die Terrasse grenzende Rasenfläche eingezäunt mit Beetbepflanzung. Ende 2014 beseitigte die Beklagte die gesamte Rasenfläche und bedeckte die Fläche vollständig mit Kies.
8Die Beklagte stellte auf die bekieste Fläche Gartenmöbel auf.
9Mit Einwurfschreiben vom 28.07.2015 ließen die Kläger die Beklagte zur Beseitigung und zum Rückbau auffordern. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben des I & H e. V. vom 03.08.2015 ab.
10Die Kläger tragen nunmehr vor, die jährliche Gestaltung der Teilfläche durch die Beklagte stelle eine bauliche Veränderung im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG dar. Der Charakter als Ziergarten, wobei die Kläger meinen, als Fläche mit Gewächsen, sei nicht mehr erhalten. Die nunmehrige Gestaltung der Fläche käme einer Planierung derselben gleich. Die Errichtung einer derart massiven Steinfläche gehe über das hinaus, was üblicher Weise mit Gartengestaltung und Gartenpflege verbunden sei. Dies stelle eine Beeinträchtigung über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus dar und eine erhebliche Veränderung des Erscheinungsbildes, die optisch nachteilig sei. Die Kläger würden nicht mehr ins Grüne schauen, sondern auf eine graue betonähnliche Fläche.
11Es liege zudem ein Verstoß gegen § 4 der Teilungserklärung vor.
12Die Kläger beantragen,
13der Beklagten aufzugeben, die auf der ihr mit Teilungserklärung vom 06.02.1984 vor dem Notar Dr. C2, Urk.-Nr. ###, zur Sondernutzung zugewiesene Gartenfläche ihrer Eigentumswohnung C1 in F errichtete Terrasse zu beseitigen und diese Fläche der zweckgerechten Nutzung als Rasen und/oder als Ziergarten zurückzuführen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie trägt vor, die nunmehrige Gestaltung der streitgegenständlichen Fläche bewege sich in dem durch § 4 der Teilungserklärung bestimmten Maß, was eine gartenarchitektonische Toleranz zulasse.
17Eine optische Beeinträchtigung sei nicht gegeben, da man das Splittbeet der Beklagten nur sehen könne, wenn man sich über das Balkongeländer lehnen würde. Die Beklagte leide unter einer Grasmilbenallergie. Von daher habe sie die Rasenfläche vor ihrer Terrasse entfernen müssen. Wenn es den Klägern darauf ankommen würde, würde die Beklagte auch einige Bepflanzungen innerhalb des Splittbeetes vornehmen, bzw. vornehmen lassen.
18Das Splittbeet sei nicht als intensivere Nutzung zu sehen. Unter Ziergarten sei auch ein Kies- oder Splittgarten zu verstehen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
22Beseitigungsansprüche wie geltend gemacht stehen den Klägern nicht zu.
23Diese folgen nicht aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG.
24Denn die von der Beklagten vorgenommene von den Klägern gerügte Umgestaltung der Sondernutzungsgrundstücksteilfläche, die zu ihrem Wohneigentum gehört, bewegt sich im Rahmen von § 4 Nr. 1 der Teilungserklärung.
25Die streitgegenständliche Fläche soll nach dieser Vorschrift als Rasen- und/als Ziergarten, jedoch ohne Gestattung von Gewächsen von mehr als 3 m Höhe und ohne Gestattung von Bauwerken jedweder Art, wozu auch sogenannte Gartenhäuschen gehören, ausgestaltet sein.
26Ursprünglich war auf der streitgegenständliche Fläche Rasen angelegt.
27Die Beklagte hat Ende 2014 die Rasenfläche beseitigen lassen, dies auch ohne vorherige Zustimmung der übrigen Miteigentümer. Dies führt aber nicht zu einem Beseitigungsanspruch.
28Ausweislich der vorher eingereichten Lichtbilder beider Parteien ergibt sich, dass die Beklagte zwar eine große Fläche mit Kies bedeckt hat, gleichwohl aber auf einer ebenso großen Fläche um die Kiesfläche herum auf den Abhängen unterschiedliche Grünpflanzen hat verpflanzen lassen. Die sich insoweit ergebende Gesamtfläche stellt zur Überzeugung des Gerichtes noch einen „Ziergarten“ im Rahmen des § 4 Abs. 1 der Teilungserklärung dar. Als Ziergarten bezeichnet man einen Garten, der im Gegensatz zu einem sogenannten Nutzgarten nicht vorrangig dem Anbau und der Verwertung von Nutzpflanzen dient. Im Ziergarten werden Pflanzen lediglich aufgrund gestalterischer und ästhetischer Aspekte in unterschiedlichen Kombinationen verwendet, insbesondere auch im Zusammenhang mit Pflasterungen und Bekiesungen. Diese Voraussetzungen erfüllt die von der Beklagten gestaltete Fläche.
29Um die Kiesfläche herum sind ausreichend abwechslungsreiche Grünpflanzen verpflanzt worden, die im gesamten Bereich einen ebenso abwechslungsreichen, wie auch ästhetisch gelungenen grünen Gesamteindruck geben.
30Ausweislich der von beiden Parteien eingereichten Lichtbilder ist es keinesfalls so, dass sich eine betonähnliche Kiesfläche als negativ abschreckend für das Auge darstellt.
31Vielmehr ist die Gesamtfläche zu betrachten, die zumindest in gleichwertiger Größe auch eine Grünbepflanzung enthält.
32Eine optisch nachteilige Beeinträchtigung ist nicht zu erkennen.
33Deshalb scheiden jedwede Beseitigungsansprüche aus.
34Ob zusätzlich auch noch tatsächlich eine Gasmilbenallergie bei der Beklagten vorliegt, die möglicherweise die Beseitigung von Rasen zwingend erforderlich machte, kann dementsprechend unentschieden bleiben.
35Es war wie erkannt zu entscheiden.
36Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
37Rechtsbehelfsbelehrung:
38Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
39a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
40b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
41Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund (oder Postanschrift: 44127 Dortmund), eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
42Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
43Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
44Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
45Rechtsbehelfsbelehrung:
46Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Essen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
47Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
48Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es wurde Berufung beim Landgericht Dortmund eingelegt (AZ: 1 S 266/16).
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Referenzen - Gesetze
(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- 1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und - 2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- 1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und - 2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- 1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und - 2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- 1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und - 2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.