Amtsgericht Dortmund Beschluss, 08. Sept. 2015 - 804 XIV(B) 7/15
Tenor
Gegen den Betroffenen wird die Sicherungshaft für die Dauer von vier Wochen, mithin bis zum Ablauf des 6.10.2015, angeordnet.
Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird angeordnet.
Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen.
1
Gründe
2I.
3Der Betroffene ist marokkanischer Staatsangehöriger und als solcher unter den Personalien S C am 1.12.2007 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Unter diesen Personalien stellte er einen Asylantrag, der am 17.9.2008 bestandskräftig abgelehnt worden war.
4Unter den Personalien L M schloss der Betroffene am 28.11.2008 die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen I C2. Infolgedessen erhielt er einen Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung.
5Am 15.12.2010 trennten sich die Eheleute und begründeten getrennte Wohnsitze. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Betroffenen lehnte der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund mit Bescheid vom 7.9.2011 ab; die dagegen gerichtete Klage des Betroffenen wies das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit Gerichtsbescheid vom 3. April 2012 ab. Nachdem weitere Rechtsmittel nicht eingelegt wurden, wurde der Gerichtsbescheid rechtskräftig.
6Bereits im Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Dortmund war dem Betroffenen eine Ausreisefrist bis zum 20.10.2011 gesetzt worden. Der Betroffene reiste jedoch nicht aus.
7Spätestens seit dem 20.6.2012 da der Betroffene untergetaucht und nach unbekannt verzogen abgemeldet worden. Er wurde am 8.9.2015 durch das Polizeipräsidium Dortmund festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt wies er sich mit einer Ausweis- und Bezugskarte des Deutschen Roten Kreuzes aus. Diese war auf die Personalien Said Raji ausgestellt.
8Mit Antrag vom 8.9.2015 hat der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund die Anordnung der Sicherungshaft für die Dauer von vier Wochen gegen den Beschuldigten beantragt. Zur Begründung hat er – neben dem oben dargestellten – ausgeführt, dass der Betroffene einen abgelaufenen marokkanischen Reisepass besitze und daher eine Abschiebung nach Marokko problemlos möglich sei. Es bedürfe lediglich der Flugbuchung mit einem Vorlauf von drei Wochen. Das notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Dortmund sei durch Staatsanwalt Kutzner erteilt worden.
9Der Betroffene gibt an, T S zu sein und als solcher Asyl zu begehren.
10II.
11Gegen den Betroffenen ist die Sicherungshaft anzuordnen (§ 62 Abs. 3 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz).
12Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig. Er besitzt nach der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen keinen Aufenthaltstitel; die ihm gewährte Ausreisefrist ist seit dem 21.10.2011 abgelaufen. Angesichts des Umstands, dass er bis zum heutigen Tage nicht ausgereist ist, ist die Entscheidung des Oberbürgermeisters, den Betroffenen abzuschieben, nicht zu beanstanden.
13Die Sicherung der Abschiebung durch Anordnung von Sicherungshaft ist erforderlich, da der Betroffene nach Ablauf der Ausreisefrist seinen Aufenthaltsort gewechselt hatte, ohne seine neue Anschrift den Ausländerbehörden mitzuteilen § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG). Auch das übrige Verhalten des Betroffenen – nämlich die Angabe unterschiedlicher Aliaspersonalien sowie das untertauchen im Bundesgebiet – legen nahe, dass dieser die Bundesrepublik Deutschland nicht freiwillig verlassen wird. Eine Glaubhaftmachung, dass er die Bundesrepublik freiwillig verlassen werde, ist dem Betroffenen nicht gelungen.
14Die Abschiebung kann innerhalb der nächsten drei Monate, nämlich binnen vier Wochen, durchgeführt werden. Hierzu ist lediglich erforderlich, einen Flug nach Marokko zu buchen. Dies kann nach Angabe des Antragstellers mit einem zeitlichen Vorlauf von drei Wochen erfolgen. Die Anordnung von Sicherungshaft für die Dauer von vier Wochen ist daher erforderlich und auch im Einzelfall angemessen, da dem Antragsteller eine kürzest mögliche, aber sachlich gerechtfertigte Bearbeitungsfrist zugestanden werden muss. Diese ist mit einer Woche nicht unverhältnismäßig hoch bemessen.
15Das notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Dortmund ist erteilt.
16Gemäß § 71 Abs. 8 AsylVfG steht die Stellung eines Asylfolgeantrags der Anordnung der Sicherungshaft nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass derzeit ein Asylverfahren durchgeführt wird, bestehen nicht.
17Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 422 FamFG.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.
19Rechtsmittelbelehrung:
20Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig. Diese ist innerhalb von einem Monat ab Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Amtsgericht Dortmund, 44047 Dortmund, Abteilung 804, einzulegen. Für die Wahrung der Frist ist der Eingang bei Gericht entscheidend.
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Referenzen - Gesetze
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.
(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit
- 1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder - 2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.
(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.