Amtsgericht Detmold Urteil, 02. Sept. 2016 - 2 Ds-21 Js 192/16-716/16
Gericht
Tenor
Die Angeklagte wird wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die eigenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: § 130 Abs. 2 Nr. 1a, Abs. 3 und Abs. 5 StGB
1
Gründe:
3I.
4Die am 08.11.1928 geborene Angeklagte ist verwitwet und Rentnerin.
5Die Angeklagte ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der in der Hauptverhandlung verlesene Bundeszentralregisterauszug weist vier Eintragungen aus:
61. Die Angeklagte wurde am 18.06.2004 vom Amtsgericht B wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30,- Euro verurteilt.
72. Am 11.06.2007 wurde die Angeklagte vom Landgericht D unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts B wegen Volksverhetzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 30,- Euro verurteilt.
83. Am 15.04.2008 wurde die Angeklagte vom Amtsgericht B wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,- Euro verurteilt.
94. Am 06.10.2010 wurde die Angeklagte vom Landgericht M wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 22.05.2014 erlassen.
10Darüber hinaus ist die Angeklagte vom Amtsgericht H wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Dieses Urteil ist aber nicht rechtskräftig, da die Angeklagte Berufung eingelegt hat.
11Des Weiteren gibt es noch zwei laufende Verfahren vor dem Amtsgericht V und vor dem Amtsgericht B. In beiden Verfahren sind die Hauptverfahren eröffnet worden und für den Herbst diesen Jahres terminiert worden.
12II.
13Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht für das Gericht folgender Sachverhalt fest:
14Die Angeklagte schrieb am 12.02.2016 an den Bürgermeister der Stadt einen Brief, welchen sie in Kopie zumindest auch an die C übersandte. In diesem Brief leugnete sie den in den Jahren 1941 bis 1945 begangenen Völkermord an den europäischen Juden, indem sie unter anderem ausführte:
15der § 130 StGB werde nur noch benutzt als Gesetz zum Schutz einer Lüge,
16in dem zurzeit in D stattfinden Ausschwitz-Prozess sei eine große Anzahl von angeblichen Zeugen eingeladen, „angeblich“ deshalb, weil sie alle gar nichts bezeugen können,
17das Konzentrationslager in Ausschwitz sei eindeutig für selbstständig denkende Menschen, allerdings nur nicht für Holocaust-Gläubige, erkennbar ein Arbeitslager und nicht ein Vernichtungslager gewesen. Dieses solle aber durch die Leidensgeschichten und Erfahrungen der angeblichen Zeugen widerlegt werden.
18III.
19Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aufgrund des überzeugenden Geständnisses der Angeklagten. Diese gab unumwunden zu, den in der Hauptverhandlung verlesenen Brief an den Bürgermeister geschrieben zu haben. Die darin getätigten Aussagen wiederholte sie zudem mehrfach im Rahmen ihrer Einlassung.
20IV.
21Demnach hat sich die Angeklagte gemäß § 130 Abs.2 Nr. 1a, Abs.3 und Abs.5 StGB der Volksverhetzung schuldig gemacht.
22Die in dem Brief getroffenen Aussagen sind geeignet, den Völkermord an den europäischen Juden zu leugnen. Leugnen ist das Bestreiten von Tatsachen. Es ist eine Tatsache, dass im Konzentrationslager Ausschwitz Millionen von Juden umgekommen sind. Diese Tatsache bestreitet die Angeklagte durch die Bezeichnung „angebliche Zeugen“, bezüglich der Holocaustüberlebenden sowie durch die Aussage der Paragraph 130 des Strafgesetzbuches sei ein Gesetz zum Schutz einer Lüge. Ebenso erfüllt die Aussage Ausschwitz sei ein Arbeits- und kein Vernichtungslager gewesen das Tatbestandsmerkmal des Leugnens i.S.d. § 130 StGB.
23Diese Äußerungen hat sie zudem öffentlich getätigt, da sie den Brief nicht nur dem Bürgermeister der sondern zumindest auch der C zugesandt hat. Zudem waren ihre Äußerungen gerade im Rahmen des laufenden Prozesses vor dem Landgericht D gegen den ehemaligen Wachmann in Ausschwitz, dazu geeignet den öffentlichen Frieden zu stören.
24V.
25Das Gericht legt vorliegend den Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB zugrunde, welcher Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vorsieht.
26Milderungsgründe sind nicht ersichtlich.
27Im Rahmen der konkreten Strafzumessung nach § 46 Abs.2 StGB hat das Gericht die folgenden Umstände berücksichtigt.
28Das Gericht hat zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie den äußeren Sachverhalt so eingeräumt, sich also geständig eingelassen hat. Allerdings ließ die Angeklagte jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen. Auch war das hohe Alter der Angeklagten strafmildernd zu berücksichtigen.
29Demgegenüber mussten die die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen der Angeklagten strafschärfend auswirken. Auch die gegen die Angeklagte bereits verhängte Freiheitsstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, hat sie nicht von der Begehung weiterer einschlägiger Taten abgehalten. Insoweit war auch die Uneinsichtigkeit der Angeklagten, die auch in der aktuellen Hauptverhandlung ihre volksverhetzenden Äußerungen noch mehrfach wiederholte, zu ihren Ungunsten zu bewerten.
30Unter Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände erachtet das Gericht die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf die Angeklagte und um ihr das Unrecht ihres Tuns hinreichend deutlich vor Augen zu führen, für erforderlich.
31Die Verhängung einer Geldstrafe würde dem Unrecht ihres Tuns keinesfalls mehr gerecht und wäre auch für die Allgemeinheit nicht vermittelbar.
32Die Freiheitsstrafe erscheint mit
33acht Monaten
34tat- und schuldangemessen.
35Eine Strafaussetzung zur Bewährung konnte nicht erfolgen. Nach § 56 Abs. 1 StGB werden Freiheitsstrafen unter einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.
36Eine solche positive Sozialprognose vermag das Gericht der Angeklagten aber nicht zu stellen. Im Gegenteil ist das Gericht nach dem Eindruck von der Angeklagten aus der Hauptverhandlung nicht davon überzeugt, dass sich diese ohne die Einwirkung des Strafvollzuges in Zukunft straffrei führen wird. Die Angeklagte hat selbst im Rahmen der Hauptverhandlung mehrfach erneut den Holocaust geleugnet und bestritten, dass Juden in Ausschwitz vergast wurden. Insoweit ist davon auszugehen, dass sie auch weiterhin einschlägig in Erscheinung treten wird.
37Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 465 StPO.
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(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder - 2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der - a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt, - b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder - c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
- 2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.