Amtsgericht Bremen Urteil, 30. März 2022 - 19C123/21
Principles
Leitsätze des einreichenden
Das Abstellen eines Fahrzeugs auf einem privaten Grundstück ohne Erlaubnis stellt eine verbotene Eigenmacht dar und begründet einen Schadensersatzanspruch des Eigentümers.
Ein rechtmäßig veranlasstes Abschleppen eines Fahrzeugs beendet eine widerrechtliche Besitzentziehung und ist daher nicht rechtgrundlos.
Die Kosten für das Abschleppen eines widerrechtlich geparkten Fahrzeugs können als Schadensersatz geltend gemacht werden, sofern sie erforderlich und angemessen sind.
Ein pauschales Bestreiten der Ortsüblichkeit der Abschleppkosten rechtfertigt keine kostenintensive Beweisaufnahme, es sei denn, es werden konkrete Gegenbeweise vorgelegt.
Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
Die Berufung gegen das Urteil ist nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.
Leitsätze des einreichenden
no content added to this principleIm Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Geschäftszeichen:
gegen
Parknotruf GmbH v.d.d. GF Ronald Nitschke, Schloßstr. 110, 12163 Berlin,
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Lutz Schroeder, Andreas-Gayk-Str. 7-11 , 24103 Kiel, Geschäftszeichen:
hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 09.03.2022 durch den Richter am Amtsgericht Dr. Hoffmann für Recht erkannt:
l. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bremen vom 17.08.2021 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin mit Ausnahme der Kosten der Säumnis. Diese trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand
Von einem Tatbestand wird gem. S 312a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch der Beklagten ist statthaft. Insbesondere wurde er form- und fristgerecht eingelegt.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 355,20 Euro aus S 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
Denn die Beklagte ist nicht rechtgrundlos bereichert.
Der Beklagten stand gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus S 823 Abs. 2 i.V.m. SS 858, 859 BGB zu, so dass die Zahlung der Klägerin grundsätzlich nicht ohne Rechtsgrund erfolgte.
Indem die Klägerin ihr Fahrzeug auf dem nicht der Öffentlichkeit gewidmeten Grundstück der Zedentin abstellte, verletzte sie deren Eigentum und Besitz. Hierin liegen eine verbotene Eigenmacht und ein teilweiser Besitzentzug (SS 858, 859 Abs. 3 BGB). Die Klägerin handelte auch schuldhaft (S 823 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Klägerin hätte diese Verletzung des Eigentums und des Besitzes der Beklagten beim Abstellen ihres Fahrzeugs auffallen müssen. Denn der streitgegenständliche Parkraum ist nach den zur Akte gereichten Fotos als Privatgrundstück und nicht als öffentlicher Parkraum erkennbar. Zudem handelt es sich um einen Kundenparkplatz, wobei unstreitig ist, dass die Klägerin nicht Kundin der Zedentin war.
Die Klägerin schuldet der Zedentin daher den sich aus der Schutzgesetzverletzung ergebenden Schaden. Die Zedentin hat ihre Ansprüche unwiderruflich und endgültig an die Beklagte abgetreten. Der Schaden liegt in den Aufwendungen der Beklagten, die diese infolge des Besitzentzugs der Zedentin eingegangen war.
Ob die Beklagte die Zedentin von einer Haftung freistellt bzw. für sie kostenlos tätig wird, ist unbeachtlich. Soweit das AG Hamburg-Barmbek (Urteil vom 22.03.2021, 818 C 26/20, juris) daraus ableitet, die Abtretung ginge ins Leere, so greift dieser Einwand vorliegend nicht durch. Entscheidend ist allein, ob die Beklagte neue Forderungsinhaber werden soll. Dies ist vorliegend der Fall. Die Kostenlosigkeit der Tätigkeit der Beklagten für die Zedentin ist die Folge der Abtretung.
Das von der Beklagten veranlasste Abschleppen war rechtmäßig (SS 859 Abs. 3, 858 Abs. 1 BGB). Das Abschleppen beendete die widerrechtliche Besitzentziehung durch die Klägerin; sie erfolgte "sofort" nachdem diese eingetreten war (S 859 Abs. 3 BGB). Die Beklagte ist bei ihren Entscheidungen - anders als eine staatliche Stelle - nicht an den (grundrechtlichen) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Ihr Handeln muss sich allerdings an S 242 BGB und
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daran messen lassen, nur erforderliche Aufwendungen zur Schadenbeseitigung treffen zu dürfen (S 249 Abs. 1 BGB).
Nunmehr, d.h. mit der Einspruchsschrift, erfolgte eine zwingend erforderliche Aufgliederung der Kosten der Beklagten. Danach steht fest, dass die von der Beklagten verlangten Kosten erst durch die verbotene Eigenmacht der Klägerin ausgelöst wurde; sie sind daher eine kausale Schadensfolge.
Hinsichtlich der Höhe der reinen Abschleppkosten (280 €) ist streitig, ob diese ortsüblich sind. Die Klägerin hat die Ortsüblichkeit der Höhe dieser Kosten pauschal bestritten. Die Beklagte hat die Ortsüblichkeit demgegenüber behauptet und ihren Sachvortrag unter Sachverständigenbeweis gestellt. Das pauschale Bestreiten der Ortsüblichkeit dieser Kosten genügt indes nicht, um eine (kostenintensive) Beweisaufnahme zu veranlassen. Die Klägerin versäumt es. etwa durch Vorlage von Vergleichsangeboten anderer privater Abschleppunternehmen (vgl. BGH NZM 2014, 763, Rz. 41), ihre Behauptung der Ortsunüblichkeit der Höhe dieser Kosten zu belegen. Ein derart pauschales Bestreiten ist indes ungenügend.
Die "Dokumentationskosten" sowie die Beweissicherungskosten von insgesamt 18,49 Euro netto sind erstattungsfähig (vgl. BGH NJW 2014, 3727), da sie als Folge der verbotenen Eigenmacht ausgelöst worden sind. Der Höhe nach begegnen diese Schadenspositionen keinen Bedenken des Gerichts. Sie werden auch nicht der Höhe nach explizit bestritten.
2. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin aus S 823 Abs. 1 BGB besteht nicht, da das von der Beklagten veranlasste Abschleppen des Fahrzeugs der Klägerin rechtmäßig war (S 859 Abs. 1 BGB).
3. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
Die Kostenentscheidung beruht auf SS 91 , 344 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den SS 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung gegen dieses Urteil gemäß S 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist nicht zuzulassen.
Die Zulassung zur Berufung hat nur dann zu erfolgen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (S 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO). Grundsätzliche Bedeutung hat hierbei eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fällen stellen kann und deshalb wie ein „Musterprozess" eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 2012, 1 BvR 3238/08, 1 BvR 3239/08, BeckRS 2013, 47975; vgl. bereits: BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002, NJW 2002, S. 3029 mwN).
Keine dieser Voraussetzungen ist für den vorliegenden Fall erfüllt.
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Rechtsbehelfsbelehrunq: Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht Bremen zugelassen worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen; eine Versicherung an Eides statt ist nicht zulässig.
Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Landgericht Bremen, Domsheide 16, 28195 Bremen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bremen zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bremen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Dr. Hoffmann
Richter am Amtsgericht