Amtsgericht Bochum Beschluss, 28. Okt. 2016 - 61 F 153/16
Gericht
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Vormundschaft beendet ist.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Verfahrenswert: 3.000,00 Euro (§ 42 Abs. 2 und 3 FamGKG)
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Gründe:
2Durch Beschluss des Amtsgerichts- Familiengericht- Bochum vom 11.11.2013, AZ: 60 F 356/13, ist gemäß § 1674 Abs. 1 BGB das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt und Vormundschaft angeordnet worden.
3Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sind sorgerechtliche Regelungen nach Eintritt der Volljährigkeit des Betroffenen jedoch nicht mehr veranlasst. Gem. § 1882 BGB endet die Vormundschaft durch Wegfall der in § 1773 BGB für ihre Begründung bestimmenden Voraussetzungen, hier durch Erreichen des 18. Lebensjahres.
4Die Vormundschaft endet kraft Gesetzes, § 1882 BGB. Ihr Ende war vom Familiengericht deklaratorisch festzustellen.
5Der Eintritt der Volljährigkeit ist gem. Art 7, 24 EGBGB nach dem Recht des Staates Guinea zu beurteilen. Eine Verdrängung gem. Art. 3 EGBGB durch vorgehendes Staatsvertragsrecht liegt nicht vor. Insbesondere ist auch das KSÜ nicht anzuwenden, da es die Frage der Volljährigkeit nicht regelt und im übrigen dessen Anwendungsbereich nur Kinder bis zum 18. Lebensjahr erfasst, Art. 2 KSÜ.
6Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention könnte vorrangig anwendbar sein, wenn der Betroffene ein Flüchtling ist. Dies kann vorliegend dahinstehen, denn hiernach wäre deutsches Recht anzuwenden und die Volljährigkeit würde ebenfalls mit 18 Jahren eintreten.
7Für die Frage nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit war daher auf das Recht des Staates Guinea abzustellen.
8Gemäß § 1 des Code de L´enfant guineen vom 19.08.2008 tritt die Volljährigkeit mit Erreichen des 18. Lebensjahres ein. Bislang war das Familiengericht Bochum auf der Grundlage von Art. 443 des in Guinea geltenden Code civil von der Volljährigkeit in Guinea mit Vollendung des 21. Lebensjahres ausgegangen. Diese Regelung ist aber mit dem Inkrafttreten des code de l´enfant und der dortigen Regelung in Art. 442 außer Kraft gesetzt.
9Anlass zur Überprüfung der sorgerechtlichen Maßnahme gab ein vom Jugendamt mitgeteiltes Schreiben des Ministeriums für Justiz des Staates Guinea an die Ministerin für auswärtige Angelegenheiten in Conakry vom 19.04.2016. Darin teilt das Justizministerium mit, dass das guineische Alter der Volljährigkeit auf 18 Jahre festgelegt wird. Die derzeit noch fortbestehende Regelung in Art. 443 des code civil sei "überholt und überflüssig". Eine entsprechende Revision der Gesetzbücher sei eingeleitet. Art. 443 des code civil sei "stillschweigend" außer Kraft gesetzt worden.
10Eine Anfrage bei der Botschaft Guinea Berlin ergab, dass auch dort zunächst Unsicherheiten hinsichtlich des Volljährigkeitenalters bestanden. Nach Rücksprache mit dem heimischen Justizministerium teilt die Botschaft Guinea in Berlin aber nunmehr mit Schreiben vom 30.09.2016 offiziell mit, dass die Volljährigkeit mit 18 Jahren erreicht wird. Dieses Schreiben hebt insbesondere auch eine vorherige Mitteilung der Botschaft vom 19.09.2016 auf.
11Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 26.02.2016 (4 UF 186/15). Die Entscheidung wird insbesondere mit der Kollisionsnorm des Art. 441 des Code de L´enfant begründet, wonach in diesem Gesetz nicht geregelte Sachgebiete, die sich aus spezielleren Gesetzen ergeben, nicht zu beachten seien. Demgemäß gelte die in Art 443 des Code civil getroffene Regelung fort, wonach Volljährigkeit erst mit Erreichen des 21. Lebensjahres eintrete.
12Gegenlautend ist jedoch der nachfolgende Art. 442 des Code de L´enfant zu berücksichtigen, wonach frühere und entgegenstehende Vorschriften aufgehoben werden. Im Gegensatz zu der Stellungnahme der Vormündin vom 24.10.2016 sieht das Gericht diese Kollisionsnorm als maßgeblich an. Nach Art. 442 des code de L`enfant werden alle vorangegangenen Bestimmungen, die denen des vorliegenden Gesetzes widersprechen, außer Kraft gesetzt. Dies gilt dann auch für die - in der Tat noch nicht angepasste - Vorschrift im code civil. Es ist nicht zu erkennen, warum die Regelung im code civil einem speziellen "Kindergesetz" gegenüber Vorrang haben sollte.
13Maßgeblich für die hiesige Entscheidung des Familiengerichts ist der Umstand, dass der Staat Guinea über offizielle Amtsträger selbst eine Interpretation des code de l´enfant dahingehend vornimmt, dass damit das Alter der Volljährigkeit grundsätzlich auf 18 Jahre festgesetzt wird. Zum einen die Mitteilung aus dem Justizministerium der Republik Guinea vom 19.04.2016 gerichtet an die Ministerin für auswärtige Angelegenheiten Conakry: Es handelt sich um eine Stellungnahme zu einer offiziellen Anfrage zum Alter der Volljährigkeit mit dem AZ Nr. 141. MJ/CAB/016. Darin wird das Volljährigkeitsalter mit 18 angegeben und sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in Art. 443 des code civil sich noch eine gegenlautende Regelung befindet, die aber "überholt und überflüssig" sei. Eine Revision der Gesetzbücher sei eingeleitet.
14Im Rahmen seiner weiteren Ermittlungen hat das Amtsgericht Bochum eine Stellungnahme der Deutschen Botschaft Guinea in Berlin angefordert. Dabei wurde explizit auf die Problematik der sich widersprechenden Vorschriften hingewiesen. Da auch in der Botschaft zunächst Unklarheit zu dieser Frage bestand, ist vom dortigen Konsul nochmals eine Anfrage beim Justizministerium Guinea gestartet worden. Als Ergebnis dieser Anfrage teilt der Konsul , Botschaft Republick Guinea, in einem offiziellen Bestätigungsschreiben vom 30.09.2016 mit, dass nach Rücksprache mit dem Ministerium für Justiz die Volljährigkeit der Bürger Guineas nach dem code de l´enfant nunmehr mit 18 Jahre eintritt. Vorherige Verfügungen aus dem code civil seien nichtig.
15Diese Mitteilungen der Republik Guinea lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG Bremen noch nicht vor.
16Das Gericht sieht keine Veranlassung, den Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit anders zu beurteilen, als es das Justizministerium des Heimatlandes selbst tut. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 442 des code de l´enfant werden sämtliche vorangegangene Bestimmungen außer Kraft gesetzt.
17Das Gericht hat den Vormund und den Betroffenen schriftlich angehört. Stellungnahmen wurden nicht abgegeben.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
19Rechtsbehelfsbelehrung:
20Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Bochum, Viktoriastr. 14, 44787 Bochum schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.
21Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Bochum Viktoriastr. 14, 44787 Bochum eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
22Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.
23Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm - eingegangen sein.
24Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.
25Bochum, 28.10.2016 Amtsgericht |
Annotations
(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) Soweit in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 500 000 Euro.
(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte, ist von einem Wert von 5 000 Euro auszugehen.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.