Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen Beschluss, 16. Apr. 2015 - 8 F 402/14 SO

ECLI:ECLI:DE:AGBITTE:2015:0416.8F402.14SO.0A
bei uns veröffentlicht am16.04.2015

Tenor

Die elterliche Sorge für das Kind … geboren am … wird den Eltern gemeinsam übertragen.

Die gerichtlichen Kosten (Gebühren und Auslagen) werden den Eltern je zur Hälfte auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Der Verfahrenswert wird auf 3.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Eltern des im Beschlusstenor näher genannten Kindes sind und waren nicht verheiratet. Die Kindesmutter übt das Sorgerecht bislang gemäß § 1626 Abs. 3 BGB allein aus, weil die Eltern keine Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben haben.

2

Der Vater beantragt, die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zu übertragen.

3

Die Kindesmutter widerspricht diesem Antrag.

4

Das Gericht hat die Kindeseltern, das Kind, die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt persönlich angehört. Insoweit wird auf die Sitzungsprotokolle vom 27.11.2014 und vom 30.03.2015 verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Berichte der Verfahrensbeiständin vom 14.10.2014 und des Jugendamtes vom 25.03.2015 verwiesen.

II.

5

Dem Antrag war gemäß § 1626a Abs. 1 Satz 1 BGB stattzugeben, da die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dies wird gemäß § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB - entgegen der rechtlichen Auffassung der Antragsgegnerin - vermutet, wenn der andere Elternteil innerhalb der gesetzten Frist keine durchgreifenden Gründe vorgetragen hat, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich sind.

6

Die Begründung der gemeinsamen Sorge setzt eine tragfähige Beziehung zwischen den Eltern voraus, allerdings lediglich ein Mindestmaß an Übereinstimmung (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.08.2014 - 3 UF 130/14 -). Es wird eine objektive Kooperationsfähigkeit und subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern gefordert (BVerfG FamRZ 2003, 285, 286; BGH NJW 2008, 662, 664; FamRZ 2004, 802, 803; FamRZ 2003, 314, 315; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1714; FamRZ 2014, 322; NJW-RR 2009, 1758; FamRZ 2003, 1952, 1953; FamRZ 2003, 1953, 1954; OLG Nürnberg ZKJ 2014, 201, 205 = FamRZ 2014, 854, 855; KG FamRZ 2014, 50, 51; OLG Köln MDR 2012, 1346; OLG Naumburg FamRZ 2009, 792; OLG München FamRZ 2012, 1062). Das bedeutet aber nicht, dass bei Verständigungsproblemen der Eltern in jedem Fall die Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Vielmehr bedarf es dazu ganz konkreter Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern (OLG Celle FamRZ 2008, 637, 638; OLG Köln FamRZ 2010, 906, 907).

7

Die gemeinsame Sorge ist nur dann abzulehnen, wenn über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinaus festgestellt werden kann, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, wenn seine Eltern gezwungen würden, die elterlichen Sorge gemeinsam zu tragen; weder die Ablehnung der gemeinsamen Sorge noch manifest gewordene Kommunikationsschwierigkeiten der Kindeseltern würden als solche ausreichen (OLG Celle NZFam 2014, 738, 739).

8

Die erforderliche Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft ist vor allem dann anzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass beide Eltern in Sorgeangelegenheiten von erheblicher Bedeutung (§ 1687 Abs 1 S 1) verständigungsbereit zusammenarbeiten können und wollen (BGH FamRZ 2011, 796, 798; FamRZ 2008, 592, 593; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 1714; FamRZ 2014, 322; OLG Schleswig NJW-RR 2012, 520; OLG Hamm FamRZ 2012, 1064, 1065; FamRZ 2008, 1697, 1698; KG FamRZ 2011, 122, 123; FamRZ 2007, 754, 755; OLG Köln ZKJ 2011, 472; FamRZ 2008, 636, 637; OLG Dresden FamRZ 2007, 923 f; s auch OLG Brandenburg NotBZ 2011, 396 = FamFR 2011, 331).

9

Dies vorangestellt, war das gemeinsame Sorgerecht der Kindeseltern zu begründen, da zu erwarten ist, dass Sie die in Zusammenhang mit der gemeinsamen Ausübung des Sorgerechtes einhergehenden Fragen einvernehmlich entscheiden können.

10

Nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht im Rahmen der gerichtlichen Erörterungen von den Kindeseltern und dem Kind gewinnen konnte, ist zu erwarten, dass die Kindeseltern gemeinsam in der Lage sind, … zukünftig angemessen zu erziehen und zu betreuen.

11

Die Vermutung, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, wird auch nicht durch die Ausführungen der Kindesmutter widerlegt. Aus dem Vortrag der Kindesmutter, der Vater habe bei der Rückverbringung des Kindes nach dem Umgang nicht mitgeteilt, dass das Kind erkältet sei, lassen sich zumindest keine Anhaltspunkte herleiten, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten. Der Vortrag betrifft vielmehr den - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Umgang des Kindesvaters mit dem Kind und nicht die elterliche Sorge. Gleiches gilt für die weiteren Ausführungen der Kindesmutter, z.B. zur Nebentätigkeit des Antragstellers und deren vermeintliche Auswirkungen auf den Umgang.

12

Auch sonst sind Gründe, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich. Der pauschale Vortrag der Antragsgegnerseite, eine Kommunikation zwischen dem Kindesvater und der Kindesmutter sei nicht möglich, reicht jedenfalls nicht aus, um eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation zu belegen.

13

Es scheint vielmehr, dass die vorgetragenen Kommunikationsprobleme zwischen den Kindeseltern nicht in Streitigkeiten über einzelne Fragen der elterlichen Sorge begründet sind, sondern darin, dass sie sich zeitweise außer Stande sahen, sich hinlänglich über den Umgang mit der Tochter zu einigen. In Sorgerechtsfragen vermag das Gericht keine Meinungsverschiedenheiten zu erkennen, zumal der Umgang in der Vergangenheit -zuletzt begrenzt- stattfand. Auch ist erkennbar, dass der Umgang positive Auswirkungen auf … hat. So führte die Verfahrensbeiständin in ihrem Bericht vom 14.10.2014 aus, dass … während des Umgangs mit dem Vater immer wieder Körperkontakt zu diesem suchte.

14

Es mag sein, dass die Kindeseltern im persönlichen Umgang Differenzen pflegen und auch kommunizieren. Jedoch spricht die Tatsache, dass in der Vergangenheit der Umgang (wenn auch zum Teil beschränkt) stattfand, dafür, dass eine Kommunikation zwischen den Kindeseltern vorhanden ist. Ansonsten wäre eine entsprechende Regelung des Umgangs nicht möglich gewesen.

15

Dass die Kindeseltern in dem Umgangsverfahren keine gütliche Einigung über den Umgang erzielen konnten, steht der Annahme eines Mindestmaßes an Übereinstimmung nicht entgegen, da sie sich im Kernpunkt, dass der Umgang stattfinden soll, einig waren.

16

Unabhängig davon sind die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge nicht zu hoch anzusetzen (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.08.2014 a.a.O.; BVerfG, NJW 2010, 3008). Den Kindeseltern - wie im vorliegenden Fall - müssen, wenn die Kommunikationsstörungen zwischen ihnen die Entscheidungsfindung behindern und das Kind hierdurch erheblich belastet wird, auch nach dem Willen des Gesetzgebers Bemühungen um eine gelingende Kommunikation abverlangt werden, z.B. unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.08.2014, a.a.O.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht vollumfänglich an.

17

Das Gericht kann den Kindeseltern an dieser Stelle nur die Empfehlung mit auf den Weg geben, dass sie der Anregung des Jugendamtes in dem Bericht vom 25.03.2015 Folge leisten und die angebotene Beratungsstelle aufsuchen. Einer solchen Beratung haben beide Elternteile in der Anhörung vom 30.03.2015 grundsätzlich zugestimmt. Nun mögen die Kindeseltern - im Interesse ihrer Tochter - ihren Versprechungen auch Taten folgen lassen.

18

Die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge entspricht auch der Auffassung des Jugendamtes. So hat das Jugendamt durch die Mitarbeiterin … in ihrem Bericht vom 25.03.2015 die Auffassung vertreten, dass gewichtige Gründe, die gegen eine Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts sprechen, nicht ersichtlich sind. Zum reibungslosen Ablauf des Umgangs würde das gemeinsame Sorgerecht sogar beitragen, da der Kindesvater dann auch dritte Personen (seine Eltern) - bei kurzfristiger beruflicher Verhinderung - ohne Komplikationen bevollmächtigen könne. Auf den Bericht vom 25.03.2015 wird insoweit verwiesen.

19

Diese Auffassung wird auch von der Verfahrensbeiständin des betroffenen Kindes geteilt. Sie bekundete in dem Termin am 23.03.2015, dass die Kindesmutter auch ihr gegenüber keine Gründe nennen konnte, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen. Sie habe lediglich Bedenken, dass es dem Kindesvater nur um sein Recht gehe und die Tochter völlig in den Hintergrund gerückt wird.

20

Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 45 FamGKG.


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Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen Beschluss, 16. Apr. 2015 - 8 F 402/14 SO zitiert 5 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze


(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) Bei der Pf

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 45 Bestimmte Kindschaftssachen


(1) In einer Kindschaftssache, die 1. die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,2. das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,3. das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1626a Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern; Sorgeerklärungen


(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,1.wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),2.wenn sie einander heiraten oder3.so

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Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 06. Aug. 2014 - 3 UF 130/14

bei uns veröffentlicht am 06.08.2014

Tenor 1. Die Beschwerde der Kindesmutter/Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gardelegen vom 12. März 2014, Az.: 5 F 41/13 SO, wird zurückgewiesen. 2. Die Kindesmutter/Antragsgegnerin trägt die Kosten d

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(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

1.
wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
2.
wenn sie einander heiraten oder
3.
soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

Tenor

1. Die Beschwerde der Kindesmutter/Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gardelegen vom 12. März 2014, Az.: 5 F 41/13 SO, wird zurückgewiesen.

2. Die Kindesmutter/Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

4. Das Verfahrenskostenhilfegesuch der Kindesmutter/Antragsgegnerin für die Beschwerdeinstanz wird zurückgewiesen.

5. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidungen wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde der Kindesmutter/Antragsgegnerin (im Folgenden nur noch: Kindesmutter) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gardelegen vom 12. März 2014, aufgrund dessen dem Antragsteller/Kindesvater (im Folgenden nur noch: Kindesvater) unter Abänderung des vorangegangenen Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gardelegen vom 21. Juni 2011 vollumfänglich die gemeinschaftliche elterliche Sorge für das am 06.02.2008 nichtehelich geborene Kind G. S. übertragen worden ist, ist in der Sache unbegründet.

2

Denn zu Recht hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf - richtigerweise - § 1626 a Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BGB die Voraussetzungen für die Übertragung der elterlichen Mitsorge auf den Kindesvaters betreffend seiner minderjährigen Tochter G. bejaht.

3

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die insoweit zutreffenden und detaillierten Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens anschließt.

4

Lediglich ergänzend sei noch Folgendes bemerkt:

5

Nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB steht nicht verheirateten Eltern eines Kindes die gemeinschaftliche elterliche Sorge zu, soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt. Dabei bestimmt § 1626a Abs. 2 Satz 1 BGB weiter, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam überträgt, wenn die Übertragungdem Kindeswohl nicht widerspricht. Ferner bestimmt § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB, dass, wenn der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegen stehen können, und falls solche auch nicht ersichtlich sind, grundsätzlich vermutet wird, dass dann die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

6

Die Kindesmutter hat der Übertragung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge auf den Kindesvater widersprochen. So hat sie vorgetragen, dass es beiden Elternteilen an einer Kooperationsfähigkeit fehle, da nicht einmal von Seiten des Kindesvaters bei der Kindesübergabe zu Umgangskontakten, sie, die Kindesmutter, von ihm gehörig gegrüßt werde. Auch habe es im Hinblick auf den Ferienumgang wiederholt Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Urlaubsterminen gegeben. Dies habe bereits auf Seiten von G. dazu geführt, dass diese zeitweise den Umgang mit dem Kindesvater verweigert habe, obgleich sie, die Kindesmutter, auf ihre Tochter positiv eingewirkt habe. Bereits hieran zeige sich, dass die Übertragung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge auf den Kindesvater das Wohl von G. gefährde.

7

Dieser Widerspruch der Kindesmutter hatte zur Folge, dass somit das Amtsgericht nicht kraft Gesetzes vermuten konnte, dass die Übertragung der gemeinschaftlichen Sorge auf den Kindesvater dem Wohle G. diene.

8

Indes hat das Amtsgericht nach dem Ergebnis seiner umfänglichen Ermittlungen - folgerichtig - zu Recht detailliert ausgeführt, dass aber die Übertragung der gemeinschaftlichen Sorge auf den Kindesvater dem Kindeswohl nicht widerspricht (negative Kindeswohlprüfung).

9

So sind nämlich die Kommunikationsprobleme zwischen den Kindeseltern nicht in Streitigkeiten über einzelne Fragen der elterlichen Sorge begründet, sondern darin, dass sie sich zeitweise außer Stande sahen, sich hinlänglich über den Umgang mit der Tochter zu einigen. In übrigen Sorgerechtsfragen indes vermag der Senat, ebenso wie das Amtsgericht, keine nachhaltigen Meinungsverschiedenheiten zu erkennen, zumal mittlerweile wieder Umgang zwischen Vater und Tochter stattfindet. Auch ist erkennbar, dass der Umgang positive Auswirkungen auf G. hat. So hat der Verfahrensbeistand A. B. in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 02.01.2014 mitgeteilt, dass er beobachten konnte, dass G. während des Umgangs zunächst eine Aufwärmungsphase benötigte, dann aber erkennbar wurde, dass zwischen dem Mädchen und seinem Vater ein herzlicher und inniger Kontakt besteht. Auch habe sich der Kindesvater - so der Verfahrensbeistand weiter - gut auf die Bedürfnisse von G. eingelassen, und G. habe diese Zuwendungen ihres Vaters gerne angenommen. Aus Sicht des Verfahrensbeistandes, so dessen schriftlicher Bericht vom 02.01.2014 und auch dessen mündliche Stellungnahme im Termin vor dem Amtsgericht vom 26.02.2014, spreche die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge sogar am ehesten dem Kindeswohl. Auch die Jugendamtsmitarbeiterin K. teilt diese Ansicht. Zwar hat diese in ihrem Jugendamtsbericht vom 11.03.2013 die Kommunikationsschwierigkeiten der Kindeseltern ausdrücklich erwähnt und daraus zunächst noch die Schlussfolgerung gezogen, dass die Übertragung des Sorgerechts auf beide Elternteile nicht dem Wohl des Kindes entspreche. In ihrem Folgebericht vom 04.02.2014 teilt indes die Jugendamtsmitarbeiterin K. mit, nachdem die Kindeseltern zwischenzeitlich an einer familientherapeutischen Therapie teilgenommen hatten, dass aus ihrer Sicht keine das Kindeswohl gefährdenden Aspekte vorlägen, welche einer Übertragung des Mitsorgerechts auf den Kindesvater entgegenstünden, wenngleich zu bedenken sei, dass die Eltern kaum in der Lage seien, miteinander zu kommunizieren, wenn es um die Umgangsregelung gehe. Im Termin vor dem Amtsgericht am 26.02.2014 hat die Vertreterin des Jugendamtes K. sich sodann gemeinsam mit dem Verfahrensbeistand A. B. ausdrücklich und abschließend dafür ausgesprochen, beiden Eltern die gemeinsame elterliche Sorge zu übertragen. Nach Einschätzung und aufgrund von Rückfragen bei der Familienberatungsstelle und eigener Wahrnehmung aus Sicht des Jugendamtes bestünden derzeit - so die Jugendamtsvertreterin - keine unüberbrückbaren Hindernisse in der Kommunikation der Beteiligten, die dem Kindeswohl widersprächen. Hinzu kommt nach den Beobachtungen des entscheidenden Richters am Amtsgericht, dass die Anhörung der Kindeseltern deutlich gemacht hat, dass diese, wenngleich unterschiedlichster Auffassungen, sich stets im Termin vor dem Amtsgericht bemüht hätten, in einer sachlichen, von Respekt gekennzeichneten Art und Weise ihre jeweiligen Argumente hierfür auszutauschen.

10

Die vorstehenden Feststellungen lassen erkennen, dass die Kindeseltern zwar Kommunikationsschwierigkeiten haben, sich diese aber vordergründig auf die Umgangsregelung beziehen. Nach der negativen Kindeswohlprüfung, und nur um diese geht es im Falle der hier zur Entscheidung anstehenden gemeinschaftlichen elterlichen Sorge nach § 1626 a Abs. 1 Nr. 3 BGB, ist die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge schon dann vorgesehen, wenn dies nicht dem Kindeswohl widerspricht. Demzufolge sind also die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge nicht zu hoch anzusetzen (vgl. Götz, in: Palandt, BGB, 75. Aufl., 2014, § 1626 a BGB Rdnr. 12; BVerfG, NJW 2010, 3008, Teilziffer 75, zitiert nach juris). Danach setzt zwar die gemeinsame Ausübung des elterlichen Sorgerechtes eine tragfähige Beziehung zwischen den Eltern voraus, allerdings im Übrigen lediglich ein Mindestmaß an Übereinstimmung (Götz, a. a. O., § 1626 a BGB, Rdnr. 12 m.w.N.). Zudem müssen den Kindeseltern, wenn die Kommunikationsstörungen zwischen ihnen die Entscheidungsfindung behindern und das Kind hierdurch erheblich belastet wird, auch nach dem Willen des Gesetzgebers Bemühungen um eine gelingende Kommunikation abverlangt werden, z. B. unter Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe (BT-Drucks. 17/11048, S. 17; Götz, a.a.O., § 1626 a BGB Rdnr. 12).

11

Nach alledem bestehen auch unter Beachtung des letztgenannten Gesetzgeberwillens keine Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge auf den Kindesvater dem Kindeswohle hier widerspricht.

12

Mithin ist die amtsgerichtliche Entscheidung, mit welcher dem Kindesvater die gemeinschaftliche elterliche Sorge für seine minderjährige Tochter G. übertragen worden ist, nicht zu beanstanden, sodass die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter ohne Erfolg bleiben muss.

II.

13

Da die Kindesmutter mit ihrem Rechtsmittel unterlegen war, hat sie nach § 84 FamFG nach dem Willen des Gesetzgebers die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

14

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren war gemäß §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG auf 3.000,00 € festzusetzen.

IV.

15

Das Gesuch der Kindesmutter, ihr für die Beschwerde gegen die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts - Familiengerichts - Gardelegen vom 12. März 2014 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, war zurückzuweisen, da ihre zweitinstanzliche Rechtsverfolgung, wie aus der vorstehenden Ziffer I der Gründe erhellt, nicht die für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in objektiver Hinsicht erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der §§ 76 FamFG, 114 ZPO bietet.

V.

16

Die Rechtsbeschwerde gegen die Senatsentscheidungen war nicht zuzulassen, liegen doch die Voraussetzungen hierfür weder nach § 574 ZPO noch nach § 70 FamFG vor.


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.