Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2023 - II ZR 162/21 von Dirk Streifler

published on 22/08/2024 15:21
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Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2023 - II ZR 162/21

Sachverhalt und Hintergrund

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. März 2023 beschäftigt sich mit der Frage der Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG. Im vorliegenden Fall war die Geschäftsführung einer GmbH & Co. KG ausschließlich einer GmbH-Kommanditistin übertragen worden, was nicht dem klassischen Modell entspricht, bei dem in der Regel eine Komplementär-GmbH die Geschäftsführung innehat.

Der Rechtsstreit entstand, nachdem die geschäftsführende GmbH im Namen der GmbH & Co. KG ein Darlehen an eine dritte Gesellschaft vergab, welches jedoch entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend besichert wurde. Obwohl der beklagte Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH an dieser Entscheidung nicht unmittelbar beteiligt war, wurde er in den ersten beiden Instanzen zur Schadensersatzzahlung verurteilt. Diese Entscheidung wurde vom BGH bestätigt.

 

Entscheidungsgründe des Gerichts

Der BGH entschied, dass die Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH auch die GmbH & Co. KG umfasst, selbst wenn die Geschäftsführung der KG nicht die primäre oder alleinige Aufgabe der GmbH ist. Dies folgt aus der Übertragung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf das Verhältnis zwischen der GmbH & Co. KG und dem Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH erstreckt sich der Schutzbereich des Organverhältnisses zwischen einer Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer auch auf die Kommanditgesellschaft. Diese Rechtsprechung wurde nun auf den Fall der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH angewendet. Der BGH argumentierte, dass die GmbH & Co. KG in jedem Fall auf die Sorgfalt und die sorgfältige Geschäftsführung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH angewiesen sei, unabhängig davon, ob diese GmbH als Komplementärin oder Kommanditistin agiert.

Besonders bemerkenswert ist, dass der BGH auch eine Haftung des Geschäftsführers bejahte, obwohl dieser das streitgegenständliche Darlehen nicht selbst vergab. Der BGH stellte klar, dass auch bei einer internen Ressortaufteilung unter den Geschäftsführern eine Überwachungspflicht für jeden Geschäftsführer besteht, die im Rahmen der sogenannten Allzuständigkeit sicherzustellen ist. Diese Überwachungspflicht erstreckt sich auch auf Entscheidungen, an denen der Geschäftsführer nicht unmittelbar beteiligt ist, um eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG zu vermeiden.

 

Rechtliche Einordnung

Dieses Urteil ist von erheblicher Bedeutung für die rechtliche Einordnung der Geschäftsführerhaftung in GmbH & Co. KGs. Es betont die weitreichende Verantwortung der Geschäftsführer, die sich nicht allein auf die Wahrnehmung spezifischer Aufgabenbereiche beschränkt. Auch wenn eine GmbH mehrere Geschäftsführungsaufgaben in verschiedenen Gesellschaften übernimmt, bleibt die Verpflichtung zur sorgfältigen Geschäftsführung gegenüber jeder dieser Gesellschaften bestehen.

Der BGH machte deutlich, dass die GmbH & Co. KG berechtigt ist, darauf zu vertrauen, dass die geschäftsführende GmbH ihre Aufgaben unabhängig von anderen Verpflichtungen gewissenhaft erfüllt. Sollte dies nicht gewährleistet sein, liegt es in der Verantwortung der GmbH, den Umfang ihrer Aufgaben zu reduzieren, anstatt den Haftungsumfang des Geschäftsführers zu beschränken.

 

Bedeutung für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dieses Urteil, dass Geschäftsführer, insbesondere in komplexen Gesellschaftsstrukturen, stets ein wachsames Auge auf sämtliche Geschäftsvorgänge haben müssen, auch wenn diese formal nicht in ihren direkten Verantwortungsbereich fallen. Die Überwachungspflicht, die sich aus der Allzuständigkeit des Geschäftsführers ergibt, kann nicht durch eine interne Aufgabenverteilung umgangen werden. Insbesondere bei der Führung von mehreren Gesellschaften muss sichergestellt werden, dass keine Interessenkonflikte entstehen, die die sorgfältige Geschäftsführung gefährden könnten.

Darüber hinaus unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit einer ausreichenden Absicherung durch Versicherungen wie die Directors & Officers (D&O)-Versicherung, um das persönliche Haftungsrisiko zu minimieren. Geschäftsführer sollten daher darauf drängen, dass eine solche Versicherung abgeschlossen wird, um sich gegen potenzielle Schadensersatzansprüche abzusichern.

 

Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. März 2023 erweitert die Reichweite der Geschäftsführerhaftung bei geschäftsführenden Kommanditisten-GmbHs auf die gesamte GmbH & Co. KG. Es stellt klar, dass Geschäftsführer auch bei einer Ressortaufteilung die Verantwortung für die gesamte Geschäftsführung tragen und im Falle einer Pflichtverletzung haftbar gemacht werden können. Für die Praxis bedeutet dies eine erhebliche Ausweitung der Überwachungspflichten und betont die Bedeutung eines umfassenden Risikomanagements, einschließlich einer angemessenen Versicherungsschutzstrategie.

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(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Sch
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15/08/2024 16:22

Im folgenden Artikel geht es um die Haftung des GmbH-Geschäftsführers bei fehlendem Compliance-Management-System. Es soll ein Überblick über die komplizierte Thematik entstehen und insbesondere anhand des Urteil des Oberlandesgericht Nürnberg die aktuelle Rechtslage verständlich gemacht werden. Das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 30. März 2022 (12 U 1520/19) die Sorgfaltspflichten von GmbH-Geschäftsführern hinsichtlich der Implementierung eines Compliance-Management-Systems (CMS) näher beleuchtet. Die Entscheidung verdeutlicht die weitreichenden Konsequenzen, die aus der Verletzung dieser Pflichten resultieren können, insbesondere in Form einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers.
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Annotations

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.