Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2023 - II ZR 162/21 von Dirk Streifler
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Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2023 - II ZR 162/21
Bundesgerichtshof
Urteil vom 14. März 2023
Az.: II ZR 162/21
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 17. September 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin), einer Publikums-Kommanditgesellschaft. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin war zur Geschäftsführung ausschließlich eine Kommanditistin, die U. GmbH berechtigt. Der Beklagte wurde am 25. Oktober 2011 zum weiteren Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin bestellt. Die U. GmbH war noch in weiteren Fondsgesellschaften geschäftsführende Kommanditistin.
Die Schuldnerin warb Anlegergelder ein und stellte diese der mittlerweile insolventen D. AG als Darlehen zum Erwerb von Immobilien zur Verfügung. Im Darlehensvertrag war vereinbart, dass die Darlehen umfangreich besichert werden sollten. Aus den laufenden Zinsen sollten Ausschüttungen an die Anleger erfolgen.
Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer Überweisung der Schuldnerin an die D. AG vom 31. Mai 2012 über 510.000 € auf einen Teilbetrag in Höhe von 200.000 € in Anspruch. An der Überweisung wirkte der Beklagte nicht mit. Zum Zeitpunkt der Überweisung waren von den in Höhe von etwa 38 Mio. € als Darlehen an die D. AG vergebenen Anlegergeldern im Widerspruch zu den Vereinbarungen in dem Darlehensvertrag nur etwa 2,7 Mio. € werthaltig besichert worden. Eine weitere Sicherheit wurde der Schuldnerin im Zusammenhang mit der Auszahlung der Darlehenstranche vom 31. Mai 2012 nicht bestellt.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, ZIP 2022, 485) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
Dem Kläger stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG zu. Der Beklagte habe seine Pflichten als Geschäftsführer der U. GmbH verletzt, indem er die Überweisung der Schuldnerin an die D. AG vom 31. Mai 2012 nicht verhindert habe, auch wenn er erst am 1. Januar 2012 seinen nach eigenem Vortrag mit 2.500 € monatlich vergüteten Dienst angetreten habe. Die Darlehensvergabe an die D. AG habe das Kerngeschäft der Schuldnerin dargestellt, mit dem sich der Beklagte bei Dienstantritt hätte befassen müssen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unmittelbaren Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG gegenüber der Kommanditgesellschaft sei auf den Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin übertragbar. Die geschäftsführende Kommanditistin müsse ebenso wie die Komplementärin auf eine sorgfältige Geschäftsführung bedacht sein. Die übrigen Kommanditisten seien unabhängig davon schutzbedürftig, ob der handelnde Geschäftsführer für die Komplementärin oder für die geschäftsführende Kommanditistin auftrete.
Unerheblich sei, dass der U. GmbH zugleich in weiteren Gesellschaften die Geschäftsführung übertragen worden und insofern die Geschäftsführung der Schuldnerin nicht ihre alleinige oder wesentliche Aufgabe gewesen sei. Jedenfalls wenn es wie hier im Zusammenhang mit der behaupteten Pflichtverletzung keinen Interessenkonflikt des Geschäftsführers in Bezug auf die Tätigkeit der geschäftsführenden Kommanditistin für andere Gesellschaften gegeben habe, gebe es keinen Grund, das Schutzbedürfnis der Kommanditgesellschaft hinter die nur abstrakt bestehende Möglichkeit einer Interessenkollision zurücktreten zu lassen. Ob es infolge einer internen Ressortverteilung unter den Geschäftsführern der Kommanditistin nicht die wesentliche Aufgabe gerade des Beklagten gewesen sei, die Geschäfte der Schuldnerin zu führen, sei ebenfalls nicht erheblich, weil ihm die Missstände jedenfalls nicht verborgen geblieben sein könnten.
Indem der Beklagte den Abfluss der 510.000 € an die D. AG nicht verhindert habe, sei der Schuldnerin ein Schaden entstanden, da sie diesen Betrag von der mittlerweile insolventen D. AG weder zurückerlangen noch Ab- oder Aussonderungsrechte an deren Vermögensgegenständen geltend machen könne.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung rechtsfehlerfrei bejaht.
1. Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH darstellt.
a) Der Bundesgerichtshof erstreckt in ständiger Rechtsprechung den Schutzbereich des zwischen der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 - II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323 f.; Urteil vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 193 f.; Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 23/91, WM 1992, 691, 692 f.; Urteil vom 25. Februar 2002 - II ZR 236/00, ZIP 2002, 984, 985; Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 15 f.; Urteil vom 22. September 2020- II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 18).
b) Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Auch der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haftet gegenüber der Kommanditgesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wie gegenüber der GmbH. Denn die Kommanditgesellschaft ist in den Schutzbereich des zwischen der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses einbezogen. Auch ohne die Voraussetzungen des § 328 BGB kann nämlich ein am Vertrag nicht beteiligter, aber von dessen Risiken mit betroffener Dritter berechtigt sein, gegen eine Vertragspartei Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer Schutzpflicht geltend zu machen (BGH, Urteil vom 12. November 1979- II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 322 f. mwN). Die Annahme einer Schutzwirkung zu Gunsten Dritter setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt und der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hat. Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen. Die Einbeziehung Dritter muss schließlich dem Schutzpflichtigen bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 - II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 322 f. mwN; Urteil vom 27. Februar 2020 - VII ZR 151/18, BGHZ 225, 23 Rn. 22; Urteil vom 9. Juli 2020 - IX ZR 289/19, ZIP 2020, 1720 Rn. 12, jeweils mwN). So liegt der Fall hier.
aa) Die Kommanditgesellschaft kommt bestimmungsgemäß mit der Leistung des Geschäftsführers in Berührung, wenn eine Kommanditisten-GmbH die Geschäfte der Kommanditgesellschaft führt, weil sich Fehlleistungen der Geschäftsführung zwangsläufig stets und in erster Linie zum Nachteil der Kommanditgesellschaft auswirken.
bb) Das wohlverstandene Interesse der die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft führenden und an dieser beteiligten GmbH geht dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der GmbH & Co. KG im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt. Sie muss auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung bedacht sein. Vor allem aber haftet sie der Kommanditgesellschaft für Schäden aus der Verletzung der von ihr im Gesellschaftsvertrag übernommenen Geschäftsführungsaufgaben und muss sich dabei gemäß § 31 BGB analog Pflichtverletzungen ihres Geschäftsführers, dessen sie sich zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungsaufgaben bedient, zurechnen lassen (für die Komplementär-GmbH: BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18 mwN; Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 16; Urteil vom 22. September 2020 - II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 38). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die geschäftsführende GmbH die Komplementärin oder eine Kommanditistin der Kommanditgesellschaft ist; anderes zeigt auch die Revision nicht auf.
cc) Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes besteht nach Treu und Glauben ein Bedürfnis. Die Kommanditgesellschaft ist gegenüber der geschäftsführenden GmbH und deren Geschäftsführer schutzbedürftig, ohne dass es darauf ankommt, ob die geschäftsführende GmbH ihre Komplementärin oder ihre Kommanditistin ist.
(1) Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft geht vor allem zu deren Lasten. Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten sind daher auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH angewiesen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18 mwN), unabhängig davon, ob diese die Geschäftsführung als Komplementärin oder als Kommanditistin ausübt.
(2) Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten haben regelmäßig keine Befugnisse, wie namentlich ein Weisungsrecht, um unmittelbar auf den Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH einzuwirken (für die Komplementär-GmbH vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979 - II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323; Urteil vom 14. November 1994 - II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 745; Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 Rn. 18). Dieses Ungleichgewicht wird noch dadurch verstärkt, dass die geschäftsführende GmbH in gewissen Grenzen auf (pfändbare) Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer verzichten oder ihn trotz Kenntnis eines pflichtwidrigen Verhaltens entlasten kann (für die Komplementär-GmbH: BGH, Urteil vom 12. November 1979- II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 323; vgl. auch Urteil vom 14. November 1994- II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 745 f.). Nur wenn der Kommanditgesellschaft aus dem Organ- und Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zur GmbH ein eigener Anspruch gegen den Geschäftsführer zusteht, führt seine Entlastung durch die Gesellschafterversammlung der GmbH nicht zugleich zum Ausschluss der Kommanditgesellschaft mit Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2020 - II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 21 mwN). Dies gilt für die geschäftsführende Komplementär-GmbH und die geschäftsführende Kommanditisten-GmbH gleichermaßen.
(3) Die Schutzbedürftigkeit der Kommanditgesellschaft gegenüber der Kommanditisten-GmbH ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deswegen entscheidend herabgesetzt, weil deren Vollmacht widerruflich ist oder ein Widerspruchsrecht hinsichtlich der Geschäftsführung besteht.
Eine eventuelle Widerrufsmöglichkeit bzw. ein Widerspruchsrecht stünde, wovon auch die Revision ausgeht, lediglich dem Komplementär zu, dessen Interessen mit den schutzbedürftigen Interessen der Kommanditgesellschaft bzw. der übrigen Kommanditisten nicht deckungsgleich sein müssen. Hier waren die weiteren Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin, die ehemaligen Beklagten zu 1 und 3, zugleich die Geschäftsführer der Komplementärin, deren Alleingesellschafter zudem mittelbar der ehemalige Beklagte zu 1 war.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision war das Interesse der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH an der Einbeziehung der Schuldnerin in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses zum Beklagten für diesen als Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH erkennbar und ihm die Erstreckung der Schutzwirkung auf die Schuldnerin zumutbar, auch wenn die GmbH die Geschäfte in weiteren Fondsgesellschaften geführt hat und daher die Geschäftsführung der Schuldnerin nicht ihre alleinige oder wesentliche Aufgabe war.
(1) Der Bundesgerichtshof hat bisher offengelassen, ob der Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG gegenüber der Kommanditgesellschaft auch dann nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet, wenn die Wahrnehmung der Geschäftsführung nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 23/91, WM 1992, 691, 693). In der Literatur wird im Einklang mit einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (ZIP 1984, 825, 833) und weiteren Entscheidungen des Berufungsgerichts (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 29. März 2018 - 11 U 174/16, juris Rn. 67) befürwortet, die Kommanditgesellschaft auch dann in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers mit der geschäftsführenden GmbH einzubeziehen, wenn die GmbH noch weitere wesentliche Aufgaben zu erfüllen hat (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 97; Blaum in: Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Stand: April 2022, § 55 Rn. 3218; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 57; MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 86; Mussaeus in Hesselmann/Tillmann/Müller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 20. Aufl., § 4 Rn. 56, 70; BeckOGK HGB/Notz/Zinger, Stand: 15.1.2021, § 161 Rn. 233; Uwe H. Schneider in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl., § 2 Rn. 2.61; Schnorbus in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 43 Rn. 139; Scholz/Verse, GmbHG, 13. Aufl., § 43 Rn. 445; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, 198; Mühlhaus/Wenzel, GmbH-StB 2014, 87, 92; Otte-Gräbener, BB 2022, 212; Schmitt, WuB 2022, 385, 388; Uwe H. Schneider, GmbHR 2017, 680, 681; Theiselmann, EWiR 2022, 172, 174; differenzierend Nietsch, GmbHR 2014, 348, 353 f.).
(2) Der Senat schließt sich dem an. Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.
(a) Entgegen der Auffassung der Revision bleibt die Haftungserstreckung auf die Kommanditgesellschaft für den Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH auch dann erkennbar, wenn die GmbH, wie hier vom Berufungsgericht festgestellt, die Geschäfte in weiteren Gesellschaften führt. Am Pflichtenkreis des Geschäftsführers ändert sich durch Mehrfach-Geschäftsführungen im Grundsatz nichts; dieser hat sich bei Übernahme der Geschäftsführung über den Umfang der damit verbundenen Aufgaben einen Überblick zu verschaffen. Die Kommanditgesellschaft darf dabei darauf vertrauen, dass die geschäftsführende GmbH bzw. deren Geschäftsführer ihr die geschuldete Obhut und Fürsorge unabhängig von der Anzahl weiterer übernommener Geschäftsführungen oder sonstiger gesellschaftsfremder Aufgaben entgegenbringt. Kann die geschäftsführende GmbH dies nicht gewährleisten, ist nicht der Haftungsumfang zu reduzieren. Vielmehr muss die geschäftsführende GmbH ihre Aufgaben auf das Maß begrenzen, das ihr die geschuldete ordnungsgemäße Erfüllung aller übernommenen Pflichten ermöglicht.
(b) Die unmittelbare Haftung des Geschäftsführers einer GmbH, die in mehreren Gesellschaften die Geschäftsführung übernommen hat, gegenüber der Kommanditgesellschaft ist nicht deswegen unzumutbar, weil es in der Person des Geschäftsführers zu einem Interessenkonflikt kommen könnte. Einer im Hinblick auf die Tätigkeit für mehrere Gesellschaften möglichen Pflichtenkollision kann im Einzelfall auf der Rechtfertigungs- oder Verschuldensebene Rechnung getragen werden (vgl. MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 86; Nietsch, GmbHR 2014, 348, 353 f.). Die darüberhinausgehende Annahme eines abstrakten Interessenkonflikts bei der Geschäftsführung für mehrere Gesellschaften ist nicht geboten, zumal es zwischen den Gesellschaften nicht zwangsläufig wettbewerbsrechtliche Berührungspunkte geben muss.
2.Der Haftung des Beklagten als Geschäftsführer der U. GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG steht nicht entgegen, dass nach der revisionsrechtlich zu unterstellenden internen Ressortverteilung die Geschäftsführung der Schuldnerin nicht seine wesentliche Aufgabe war.
a) Den Geschäftsführer einer GmbH trifft kraft seiner Amtsstellung grundsätzlich die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen. Eine gleichwohl zulässige Ressortverteilung innerhalb der Geschäftsführung einer GmbH lässt daher die Verantwortung für die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der Gesellschaft nicht entfallen. Auch bei einer zulässigen Verteilung von Aufgaben verbleiben dem organisatorisch nicht betroffenen Geschäftsführer wegen seiner Allzuständigkeit Überwachungspflichten, deren Reichweite nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen sind. Insbesondere muss der Geschäftsführer Hinweisen auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden Ressort immer und unverzüglich nachgehen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1985- II ZR 198/84, ZIP 1985, 1135, 1136; Urteil vom 20. März 1986 - II ZR 114/85, ZIP 1987, 1050; Urteil vom 1. März 1993 - II ZR 81/94, ZIP 1994, 891, 892; Urteil vom 15. Oktober 1996 - VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 376 ff.; Urteil vom6. November 2018 - II ZR 11/17, BGHZ 220, 162 Rn. 15, 36).
b) Hinsichtlich der dem ressortunzuständigen Geschäftsführer verbleibenden Überwachungspflichten gibt es keinen sachlichen Grund, die Schutzwirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft zu beschränken und die Überwachungspflichten anders zu behandeln als die Geschäftsführerpflichten im Übrigen. Die Kommanditgesellschaft ist insoweit in gleicher Weise schutzbedürftig wie hinsichtlich der Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen. Der Ressortunzuständigkeit wird bereits durch die Herabstufung der Geschäftsführungspflichten zu Überwachungspflichten ausreichend Rechnung getragen. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich anderes insbesondere nicht aus der Entscheidung des Senats vom 6. November 2018 (II ZR 11/17, BGHZ 220, 162 Rn. 24). Danach dienen zwar die aus dem Gebot zur sorgfältigen Unternehmensführung gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG abgeleiteten Organisationspflichten nicht dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Hier geht es aber um die Schutzwirkung der bei dem ressortunzuständigen Geschäftsführer verbleibenden Überwachungspflichten zugunsten der in den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses zur GmbH einbezogenen Kommanditgesellschaft selbst.
3. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Beklagte seine Überwachungspflichten als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin verletzt hat, indem er die Überweisung der Schuldnerin an die D. AG am 31. Mai 2012 nicht verhindert hat.
a) Die vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung (§ 286 ZPO) festgestellte Verletzung von Überwachungspflichten durch den Beklagten ist revisionsrechtlich nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH, Urteil vom 6. November 2018 - II ZR 11/17, BGHZ 220, 162 Rn. 30). Ausgehend von diesen Maßstäben begegnet die Würdigung des Berufungsgerichts keinen Bedenken. Es hat darauf abgestellt, dass sich bereits aus dem E. -Bericht vom 2. November 2011 ergeben habe, dass die D. AG nur 20,27 % der ihr von der Schuldnerin aus Anlegergeldern gewährten Darlehen besichert und nur 18,13 % der Darlehen in Immobilien investiert habe. Hieran habe sich bis 31. Mai 2012 nichts geändert, so dass bei pflichtgemäßer Geschäftsführung und Ausübung seiner Überwachungspflicht dem Beklagten dieser Missstand im Kerngeschäft der Schuldnerin nicht verborgen geblieben wäre. Rechtsfehler in dieser Begründung sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
b) Soweit die Revision beanstandet, es hätten keine hinreichenden Anhaltspunkte für den Beklagten vorgelegen, dass sein Mitgeschäftsführer, der vormals Beklagte zu 1, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Überweisung vorgenommen hat, in seinem Arbeitsbereich die Geschäfte nicht ordnungsgemäß führe, setzt sie lediglich ihre Würdigung an die Stelle der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts.
4. Soweit die Revision behauptet, das Berufungsgericht habe den Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass er die Beweislast für ein pflichtgemäßes Alternativverhalten trage, hat der Senat die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge (Art. 103 Abs. 1 GG) geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Sachverhalt und Hintergrund
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. März 2023 beschäftigt sich mit der Frage der Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG. Im vorliegenden Fall war die Geschäftsführung einer GmbH & Co. KG ausschließlich einer GmbH-Kommanditistin übertragen worden, was nicht dem klassischen Modell entspricht, bei dem in der Regel eine Komplementär-GmbH die Geschäftsführung innehat.
Der Rechtsstreit entstand, nachdem die geschäftsführende GmbH im Namen der GmbH & Co. KG ein Darlehen an eine dritte Gesellschaft vergab, welches jedoch entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend besichert wurde. Obwohl der beklagte Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH an dieser Entscheidung nicht unmittelbar beteiligt war, wurde er in den ersten beiden Instanzen zur Schadensersatzzahlung verurteilt. Diese Entscheidung wurde vom BGH bestätigt.
Entscheidungsgründe des Gerichts
Der BGH entschied, dass die Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH auch die GmbH & Co. KG umfasst, selbst wenn die Geschäftsführung der KG nicht die primäre oder alleinige Aufgabe der GmbH ist. Dies folgt aus der Übertragung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf das Verhältnis zwischen der GmbH & Co. KG und dem Geschäftsführer der Kommanditisten-GmbH.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH erstreckt sich der Schutzbereich des Organverhältnisses zwischen einer Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer auch auf die Kommanditgesellschaft. Diese Rechtsprechung wurde nun auf den Fall der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH angewendet. Der BGH argumentierte, dass die GmbH & Co. KG in jedem Fall auf die Sorgfalt und die sorgfältige Geschäftsführung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH angewiesen sei, unabhängig davon, ob diese GmbH als Komplementärin oder Kommanditistin agiert.
Besonders bemerkenswert ist, dass der BGH auch eine Haftung des Geschäftsführers bejahte, obwohl dieser das streitgegenständliche Darlehen nicht selbst vergab. Der BGH stellte klar, dass auch bei einer internen Ressortaufteilung unter den Geschäftsführern eine Überwachungspflicht für jeden Geschäftsführer besteht, die im Rahmen der sogenannten Allzuständigkeit sicherzustellen ist. Diese Überwachungspflicht erstreckt sich auch auf Entscheidungen, an denen der Geschäftsführer nicht unmittelbar beteiligt ist, um eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG zu vermeiden.
Rechtliche Einordnung
Dieses Urteil ist von erheblicher Bedeutung für die rechtliche Einordnung der Geschäftsführerhaftung in GmbH & Co. KGs. Es betont die weitreichende Verantwortung der Geschäftsführer, die sich nicht allein auf die Wahrnehmung spezifischer Aufgabenbereiche beschränkt. Auch wenn eine GmbH mehrere Geschäftsführungsaufgaben in verschiedenen Gesellschaften übernimmt, bleibt die Verpflichtung zur sorgfältigen Geschäftsführung gegenüber jeder dieser Gesellschaften bestehen.
Der BGH machte deutlich, dass die GmbH & Co. KG berechtigt ist, darauf zu vertrauen, dass die geschäftsführende GmbH ihre Aufgaben unabhängig von anderen Verpflichtungen gewissenhaft erfüllt. Sollte dies nicht gewährleistet sein, liegt es in der Verantwortung der GmbH, den Umfang ihrer Aufgaben zu reduzieren, anstatt den Haftungsumfang des Geschäftsführers zu beschränken.
Bedeutung für die Praxis
Für die Praxis bedeutet dieses Urteil, dass Geschäftsführer, insbesondere in komplexen Gesellschaftsstrukturen, stets ein wachsames Auge auf sämtliche Geschäftsvorgänge haben müssen, auch wenn diese formal nicht in ihren direkten Verantwortungsbereich fallen. Die Überwachungspflicht, die sich aus der Allzuständigkeit des Geschäftsführers ergibt, kann nicht durch eine interne Aufgabenverteilung umgangen werden. Insbesondere bei der Führung von mehreren Gesellschaften muss sichergestellt werden, dass keine Interessenkonflikte entstehen, die die sorgfältige Geschäftsführung gefährden könnten.
Darüber hinaus unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit einer ausreichenden Absicherung durch Versicherungen wie die Directors & Officers (D&O)-Versicherung, um das persönliche Haftungsrisiko zu minimieren. Geschäftsführer sollten daher darauf drängen, dass eine solche Versicherung abgeschlossen wird, um sich gegen potenzielle Schadensersatzansprüche abzusichern.
Fazit
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. März 2023 erweitert die Reichweite der Geschäftsführerhaftung bei geschäftsführenden Kommanditisten-GmbHs auf die gesamte GmbH & Co. KG. Es stellt klar, dass Geschäftsführer auch bei einer Ressortaufteilung die Verantwortung für die gesamte Geschäftsführung tragen und im Falle einer Pflichtverletzung haftbar gemacht werden können. Für die Praxis bedeutet dies eine erhebliche Ausweitung der Überwachungspflichten und betont die Bedeutung eines umfassenden Risikomanagements, einschließlich einer angemessenen Versicherungsschutzstrategie.
Annotations
(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.
(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.
(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.
(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.