Sorgerecht: Bei Urlaubsreise in Türkei muss Mitsorgeberechtigter zustimmen
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Das sah das OLG ebenso. Die Richter wiesen darauf hin, dass bei Angelegenheiten des täglichen Lebens der Elternteil alleine entscheiden könne, der die Obhut ausübt. Hier liege jedoch keine solche Angelegenheit des täglichen Lebens vor. Der mitsorgeberechtigte Elternteil müsse daher zustimmen.
Zwar ist eine Urlaubsreise nicht generell zustimmungspflichtig. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Reise besondere Gefahren mit sich bringt, die mit dem Reiseziel zusammenhängen. Dies ist hier der Fall. Wegen der Vielzahl an terroristischen Anschlägen in der Türkei liegen besondere Risiken vor, die mit dem gewählten Urlaubsziel zusammenhängen. Die Gefahr für das Kind geht somit über das allgemeine Lebensrisiko hinaus. Daher ist die geplante Reise vorliegend nicht mehr von der Alleinentscheidungsbefugnis der Mutter umfasst.
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.7.2016, (Az.: 5 UF 206/16).
Gründe
Die Kindesmutter beabsichtigt, vom 23.07.2016 bis 05.08.2016 mit ihrem 8jährigen Sohn eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen. Es handelt sich um einen Badeurlaub, der einen Flug von Frankfurt nach Antalya, den Transfer vom Flughafen Antalya zum Hotel in Side, den dortigen Hotelaufenthalt bis 05.08.2016, den Rücktransfer zum Flughafen Antalya und den Rückflug von Antalya nach Frankfurt am Main umfasst. Die Kindesmutter hat diese Reise im Januar 2016 gebucht.
Die Kindeseltern sind geschieden und haben das gemeinsame Sorgerecht für das Kind. Im Mai 2016 hat sie den Kindesvater um Zustimmung zu der beabsichtigten Reise gebeten. Dieser hat die Zustimmung versagt und dies damit begründet, dass er eine Türkeireise vor dem Hintergrund der politischen Lage und einer eventuellen Terrorgefahr zu gefährlich für das Kind halte.
Die Kindesmutter hat beim Amtsgericht Offenbach mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 29.06.2016, der am 01.07.2016 beim Amtsgericht einging, ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag eingeleitet, die Zustimmung des Kindesvaters zu der Reise zu ersetzen. Dem ist der Kindesvater entgegen getreten. Er hält die Reise im Hinblick auf die bestehende Terrorgefahr für zu gefährlich und ist der Ansicht, die Kindesmutter hätte diese Reise wegen der zwischenzeitlichen Anschläge in Istanbul längst stornieren können und müssen. Auch wenn die Anschläge nicht in der Baderegion stattfanden, seien die Gefahren derzeit nicht abschätzbar. So könne es etwa zu Anschlägen am Flughafen Antalya oder während des Transfers vom Flughafen zum Hotel kommen.
Das Amtsgericht Offenbach hat nach Durchführung eines Anhörungstermins mit Beschluss vom 14.07.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung der Kindesmutter die Befugnis übertragen, über die Durchführung der Türkeireise mit dem 8jährigen Sohn alleine zu entscheiden. Die geplante Urlaubsreise stelle angesichts der im Raume stehenden Möglichkeit von terroristischen Anschlägen keine alltägliche Angelegenheit, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, weshalb es der Übertragung der Entscheidungsbefugnis bedürfe, um die Reise durchführen zu können. Die Entscheidungsbefugnis sei der Mutter zu übertragen, da dies dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Wie die Anhörung des Kindes gezeigt habe, freue sich K. auf den Urlaub, da er noch nie einen richtigen Badeurlaub gemacht habe. Er habe auch keine Angst vor der Urlaubsreise. Ohne die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Mutter sei davon auszugehen, dass keine Urlaubsreise durchgeführt werden könne oder die Mutter lediglich in ein Hotel umbuchen könne, dass deutlich weniger kindgerechte Angebote biete als die gebuchte Reise. Im Übrigen sei der Vater auch nicht bereit gewesen, einen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass K. in einer eventuell weniger gefährdeten Region mit gleichem Komfortstandard Urlaub machen könne. Zudem habe er sich bereits mit Freunden, die ebenfalls mit ihren Familien in der dortigen Region Urlaub machen, am Urlaubsort verabredet. Da nur eine entfernte Gefahr bestehe, würden die Nachteile, die eine Nichtdurchführung der Urlaubsreise für K. mit sich brächten, diejenigen überwiegen, die bei Durchführung der Reise drohen.
Hiergegen wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, dass sich durch die Ereignisse, die nach der Beschlussfassung in der Türkei stattgefunden haben, die Gefährdung für das Kind durch eine solche Urlaubsreise noch konkreter geworden sei. Im Hinblick darauf, dass Gefahr für Leib und Leben des Kindes bestehe, sei es geboten, die Reise zu verwehren. Die Probleme, die eine Umbuchung mit sich bringen, seien nicht ihm anzulasten. Die Mutter sei erst im Mai wegen der bereits von ihr im Januar gebuchten Reise an ihn herangetreten. Es fehle ihm auch nicht an der Bereitschaft, einen finanziellen Beitrag zu den mit einer Umbuchung verbundenen Mehrkosten zu leisten, ihm würden allerdings die finanziellen Mittel hierzu fehlen. Es sei nicht hinzunehmen, dass das Kind vorsätzlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wird, zumal es auf dem Reisemarkt eine Vielzahl von Alternativen gebe.
Die Kindesmutter verteidigt den angefochtenen Beschluss. Es gebe keine Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes hinsichtlich Reisen in die Ferienregion von Side. Daran habe sich auch durch den Putschversuch nichts geändert. Die Reise bringe das Kind nicht in die gefährdeten Regionen. Die abstrakten Gefahren durch die geplante Reise seien nicht höher als bei anderen Reisezielen. Die Kindesmutter sei bei Buchung der Reise davon ausgegangen, dass es der Zustimmung des Kindesvaters nicht bedürfe. Bei der dann im Mai nachgesuchten Zustimmung sei es nur darum gegangen, dass der Kindesvater einen Vordruck der Bundespolizei unterzeichnet, die dem Grenzschutz die Ausreisekontrolle erleichtere. Eine ausdrückliche Verweigerung der Zustimmung sei ihr erst am 27.06.2016 zugegangen.
Der Senat hat zur Frage einer Aussetzung der Wirksamkeit rechtliches Gehör gewährt.
Bei einer zulässigen Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung hat das Beschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen, ob Maßnahmen nach § 55 Abs. 1 FamFG geboten sind. Im Übrigen ist inzwischen auch ein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers eingegangen.
Allerdings ist nicht - wie beantragt - die Vollstreckung auszusetzen, da eine sorgerechtliche Entscheidung, mit der die Vertretungsbefugnis der Eltern gerichtlich gestaltet wird, keiner Vollstreckung bedarf. Die Regelung des § 55 Abs. 1 FamFG ist - wie auch die Regelung des § 64 Abs. 3 FamFG - in solchen Fällen auf eine Aussetzung der Wirksamkeit der Entscheidung gerichtet.
Die Wirksamkeit des Beschlusses des Familiengerichts vom 14.07.2016 ist gem. § 55 Abs. 1 FamFG einstweilig auszusetzen. Es besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auf die Beschwerde des Kindesvaters, die gem. § 57 S. 2 i. V. m. §§ 58 ff. FamFG zulässig ist, die angefochtene Entscheidung nach den gegenwärtigen Verhältnissen nicht aufrechtzuerhalten ist.
Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichts, dass eine Urlaubsreise in die Türkei unter den derzeitigen Umständen keine Angelegenheit des täglichen Lebens ist, über die trotz des bestehenden Mitsorgerechts die Kindesmutter als die Obhut ausübender Elternteil gem. § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB alleine entscheiden kann, sondern dass es der Zustimmung des mitsorgeberechtigten Kindesvaters bedarf. Einer solchen Zustimmung zu Urlaubsreisen bedarf es zwar nicht generell. Wenn jedoch Umstände vorliegen, nach denen eine Reise besondere Gefahren mit sich bringt, die mit dem Reiseziel zusammenhängen und die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen, ist die Durchführung einer solchen Reise nicht mehr von der Alleinentscheidungsbefugnis aus § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB gedeckt.
Hier liegen solche besonderen, mit dem Reiseziel zusammenhängenden Risiken vor. Die Türkei war in letzter Zeit mehrfach Ziel terroristischer Anschläge. Auch die Region von Antalya war im Jahr 2015 bereits von solchen Anschlägen betroffen. Schon vor Monaten wurde in den Medien berichtet, dass es Drohungen extremistischer Gruppen mit Anschlägen in der Touristenregion gibt. Diese Gefahrenlage schließt zwar Urlaubsreisen in diese Region nicht aus, weshalb sich Eltern weiterhin dafür entscheiden können, mit ihren Kindern dort ihren Urlaub zu verbringen. Wenn die Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben, setzt dies aber voraus, dass die Entscheidung von beiden Eltern getragen wird.
Zutreffend hat das Familiengericht daher das Begehren der Kindesmutter als Antrag nach § 1628 BGB behandelt. Nach dieser Regelung kann das Gericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einer einzelnen Angelegenheit oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten einem Elternteil übertragen, wenn sich Eltern nicht einigen.
Eine solche Entscheidung kann zwar grundsätzlich auch im Wege einstweiliger Anordnung nach § 49 FamFG ergehen. Dies setzt jedoch neben einem - hier ohne weiteres vorliegenden - Regelungsbedürfnis voraus, dass der geltend gemachte Anspruch materiell-rechtlich besteht. In einem EA-Verfahren können nur solche Anordnungen ergehen, für die es auch in einem Hauptsacheverfahren eine Rechtsgrundlage gibt. Geringere Anforderungen bestehen allein in Bezug auf den Grad der richterlichen Überzeugungsbildung hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen, da in soweit die Glaubhaftmachung genügt, nicht jedoch hinsichtlich der Rechtsanwendung selbst. Wenn - wie hier - eine EA-Entscheidung die Hauptsache endgültig vorwegnimmt, kann eine einstweilige Anordnung nur ergehen, wenn nach der vorhandenen Erkenntnislage mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass auch ein Hauptsacheverfahren zu einer dahingehenden Regelung führen würde.
Es bestehen erhebliche Zweifel des Senats, ob die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände nach ihrer Gewichtung die hier erfolgte Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis auf die Kindesmutter rechtfertigen. Weder kann der Wille des Kindes und dessen Freude auf den Urlaub den Ausschlag geben noch die eventuellen finanziellen Folgen eines Rücktritts von der Reise. Maßgeblich ist zunächst, ob sich die Haltung der Eltern als Ausübung der Elternverantwortung darstellt. Dass es der Elternverantwortung entsprechen kann, von der Reise abzusehen, ist unabhängig von einer etwaigen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes zu beurteilen, die sich nach ganz anderen Kriterien richtet und dabei auch volkswirtschaftliche und diplomatische Auswirkungen im Blick hat.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in der Türkei kann die Haltung des Kindesvaters nicht als schikanöse Intervention abgetan werden. Auch wenn die Mutter die Sorge des Vaters nicht teilt und als sicher davon ausgeht, dass die Reise gefahrlos durchgeführt werden kann, bedeutet dies nicht, dass die Befürchtungen des Vaters von vornherein unbegründet sind. Die Regierung der Türkei hat inzwischen den Ausnahmezustand ausgerufen. Es ist als Folge des Putschversuchs zu Massenverhaftungen sowie zu Regierungsentscheidungen gekommen, die für eine Vielzahl von Betroffenen in der Türkei von existenzieller Bedeutung sind. Bei dieser Sachlage besteht eine konkrete Gefahr, dass es in der Türkei zu Unruhen kommen kann, die auch Auswirkungen auf die Urlaubsregionen haben können. Anders als das Familiengericht hält der Senat - vor allem auch wegen der aktuellen Ereignisse - die nachteiligen Folgen für das Kindeswohl, die ein Nichtantritt des Urlaubs mit sich bringt, für weniger gravierend als die möglichen Folgen, die eine Durchführung der Urlaubsreise nach Side haben kann.
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(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.
(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.
(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.
(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.
(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.