Insolvenzrecht: Berechnung der Verwaltervergütung bei Betriebsfortführung

bei uns veröffentlicht am18.05.2017

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Führt der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb des Schuldners fort, ist auch der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters nur der daraus erzielte Überschuss zugrunde zu legen.
Im Eröffnungsverfahren begründete, aber bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichene Masseverbindlichkeiten sind regelmäßig vom Wert der Insolvenzmasse abzusetzen.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 02.03.2017 (IX ZB 90/15) folgendes entschieden:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 7. Oktober 2015 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 9.731,42 € festgesetzt.

Gründe

Der weitere Beteiligte wurde im Verfahren über den Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen am 5. August 2010 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Mit Beschluss vom 20. August 2010 wurde er ermächtigt, im Rahmen der Fortführung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO zu begründen. Am 1. Oktober 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er führte den Betrieb der Schuldnerin wie schon im Eröffnungsverfahren auch im eröffneten Verfahren bis zum 31. März 2011 fort.

Am 16. Juli 2015 setzte das Insolvenzgericht die Vergütung des weiteren Beteiligten für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer antragsgemäß auf 37.949,12 € fest. Bei der Berechnungsmasse berücksichtigte es einen aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren erzielten Überschuss in Höhe von 182.405,60 €. Diesen hatte der weitere Beteiligte aus der Summe der Einnahmen und der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens offenen Forderungen abzüglich der Ausgaben und der im Zuge der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren begründeten, aber noch nicht beglichenen Verbindlichkeiten ermittelt.

Für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter hat der weitere Beteiligte eine Vergütung in Höhe von insgesamt 121.105,03 € beantragt. In die Berechnungsgrundlage hat er den durch den Einzug der im Eröffnungsverfahren begründeten Forderungen erzielten Betrag von 288.427,46 € einbezogen. Einen Abzug für die im eröffneten Verfahren von ihm beglichenen Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren hat er nicht vorgenommen. Als Ergebnis der Betriebsfortführung im eröffneten Verfahren hat er einen Verlust von 277.725,53 € angegeben. Das Insolvenzgericht hat die Berechnungsgrundlage um den Betrag der übernommenen Masseverbindlichkeiten gekürzt und die Vergütung auf insgesamt 111.373,61 € einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt. Die wegen der teilweisen Zurückweisung seines Vergütungsantrags vom weiteren Beteiligten erhobene sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte sein Begehren weiter.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Vordergerichte haben mit Recht die Berechnungsgrundlage der Vergütung des weiteren Beteiligten als Insolvenzverwalter um die bei der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren begründeten, erst im eröffneten Verfahren beglichenen Masseverbindlichkeiten gekürzt.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe die aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren noch offenen Verbindlichkeiten in Höhe von 270.934,13 €, die sodann im Laufe des eröffneten Verfahrens vom Insolvenzverwalter beglichen wurden, zu Recht für die Errechnung der Berechnungsgrundlage von dessen Einnahmen abgezogen. Für die Ermittlung des Ergebnisses einer Betriebsfortführung spiele der Realisierungszeitpunkt der Einnahmen und Ausgaben nach der Rechtsprechung keine Rolle. Desweiteren sei aus der Systematik des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV, der für die Ausgaben im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung eine Ausnahme von der grundsätzlichen Nichtabsetzbarkeit der Masseverbindlichkeiten mache, zu entnehmen, dass nur Masseverbindlichkeiten, welche die vorhandene Masse schmälern, nicht zu Lasten der Vergütung des Insolvenzverwalters gehen sollen. Anders verhalte es sich mit Masseverbindlichkeiten, die getätigt würden, um weitere Masse zu generieren. In dieser Konstellation erhöhe nur der Überschuss die Berechnungsmasse. Im Ergebnis übernehme der Insolvenzverwalter demnach nur einen im Zeitpunkt der Eröffnung etwa vorhandenen Überschuss aus der Betriebsfortführung im vorläufigen Verfahren.

Diese Ausführungen sind im Ergebnis richtig.

Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden hiervon grundsätzlich nicht abgesetzt. Als Ausnahme hiervon ist, wenn das Unternehmen des Schuldners fortgeführt wird, nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Der Überschuss aus der Betriebsfortführung ist durch eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung zu ermitteln, die auf den Zeitpunkt der Beendigung der abgerechneten Tätigkeit zu beziehen ist. In diese Rechnung sind auf der einen Seite alle Einnahmen und Forderungen, andererseits alle Ausgaben und Verbindlichkeiten aufzunehmen, die durch die Betriebsfortführung entstanden sind, ohne dass es darauf ankommt, ob die Forderungen oder Verbindlichkeiten bereits erfüllt worden sind.

Im Einklang mit diesen Grundsätzen, die nicht nur im eröffneten Verfahren, sondern auch für eine Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren gelten, haben der weitere Beteiligte und ihm folgend das Insolvenzgericht die aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren herrührenden, aber erst im eröffneten Verfahren eingezogenen Forderungen und beglichenen Verbindlichkeiten dem Eröffnungsverfahren zugeordnet und bei der Berechnung der Vergütung für die vorläufige Insolvenzverwaltung den in diesem Verfahrensabschnitt erzielten Fortführungsüberschuss unter Berücksichtigung der damals noch offenen Forderungen und Verbindlichkeiten einbezogen. Ebenfalls zutreffend sind diese Forderungen und Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Ergebnisses der Betriebsfortführung im eröffneten Verfahren außer Betracht geblieben.

Die Zuordnung der in Rede stehenden Masseverbindlichkeiten zum Fortführungsergebnis des Eröffnungsverfahrens hat entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde jedoch nicht zur Folge, dass diese Verbindlichkeiten für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters entsprechend dem in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV niedergelegten Grundsatz ohne Bedeutung wären. Die Berücksichtigung der Verbindlichkeiten als Abzugsposten bei der Berechnung des vom vorläufigen Verwalter im Eröffnungsverfahren erzielten Überschusses schöpft den Sachverhalt nicht aus. Der Sache nach handelt es sich bei der Begleichung der aus dem Eröffnungsverfahren übernommenen Masseverbindlichkeiten wie auch bei dem Einzug der Forderungen um die Abwicklung der Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters. Die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV bringt zum Ausdruck, dass im Falle einer Betriebsfortführung nur der dabei erzielte Überschuss bei der Berechnung der Vergütung des Verwalters berücksichtigt werden soll. Dem widerspräche es, offen gebliebene fortführungsbedingte Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren bei der Berechnung der Vergütung des im eröffneten Verfahren tätigen Verwalters unberücksichtigt zu lassen. Die Aufspaltung der durchgängigen Betriebsfortführung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in zwei getrennte Abschnitte hätte dann zur Folge, dass das Überschussprinzip nur noch teilweise, nämlich hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Verwalters verwirklicht würde. Der Verwalter im eröffneten Verfahren würde hingegen unabhängig vom Ergebnis seiner Betriebsfortführung davon profitieren, dass die im Eröffnungsverfahren begründeten Masseverbindlichkeiten teilweise unerfüllt blieben und sich dadurch die von ihm verwaltete Masse um mehr als den im Eröffnungsverfahren erzielten Fortführungsüberschuss erhöhte. Der vorläufige Verwalter hätte es in der Hand, die Begleichung von Masseverbindlichkeiten gezielt zurückzustellen und dadurch die Berechnungsgrundlage für die Vergütung im eröffneten Verfahren zu erhöhen. Wirtschaftlich betrachtet setzt der Insolvenzverwalter die Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters weiter fort. Er übernimmt das vom vorläufigen Verwalter erzielte Betriebsergebnis. Deshalb ist es sachgerecht, offen gebliebene Masseverbindlichkeiten nicht allein bei der Überschussermittlung der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren zu berücksichtigen, sondern auch bei der Bewertung der vom Insolvenzverwalter verwalteten Masse. Der Wert der Masse ist um den Betrag der aus dem Eröffnungsverfahren herrührenden fortführungsbedingten Masseverbindlichkeiten zu vermindern, soweit andernfalls der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters mehr als der im Eröffnungsverfahren erzielte Fortführungsüberschuss zugrunde gelegt würde. Nur eine solche Betrachtung wird dem mit der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV verfolgten Zweck gerecht, die Verwaltervergütung im Falle der Betriebsfortführung an deren Erfolg zu orientieren und nicht allein auf die erzielten Einnahmen abzustellen.

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(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten: 1. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzv

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung - InsVV | § 1 Berechnungsgrundlage


(1) Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlußrechnung bezieht. Wird das Verfahren nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben oder durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist d

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. März 2017 - IX ZB 90/15

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BESCHLUSS
IX ZB 90/15
vom
2. März 2017
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Führt der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb des Schuldners fort, ist auch
der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters nur der daraus erzielte
Überschuss zugrunde zu legen; im Eröffnungsverfahren begründete, aber bis zur
Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichene Masseverbindlichkeiten sind
regelmäßig vom Wert der Insolvenzmasse abzusetzen.
BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - IX ZB 90/15 - LG Stuttgart
AG Ludwigsburg
ECLI:DE:BGH:2017:020317BIXZB90.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, die Richter Grupp und Dr. Schoppmeyer
am 2. März 2017
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 7. Oktober 2015 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 9.731,42 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte wurde im Verfahren über den Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen am 5. August 2010 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Mit Beschluss vom 20. August 2010 wurde er ermächtigt, im Rahmen der Fortführung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO zu begründen. Am 1. Oktober 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er führte den Betrieb der Schuldnerin wie schon im Eröffnungsverfahren auch im eröffneten Verfahren bis zum 31. März 2011 fort.
2
Am 16. Juli 2015 setzte das Insolvenzgericht die Vergütung des weiteren Beteiligten für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer antragsgemäß auf 37.949,12 € fest. Bei der Berechnungsmasse berücksichtigte es einen aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren erzielten Überschuss in Höhe von 182.405,60 €. Diesen hatte der weitere Beteiligte aus der Summe der Einnahmen (378.984,95 €) und der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens offenen Forderungen (288.427,46 €) abzüglich der Ausgaben (214.072,68 €) und der im Zuge der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren begründeten, aber noch nicht beglichenen Verbindlichkeiten (270.934,13 €) ermittelt.
3
Für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter hat der weitere Beteiligte eine Vergütung in Höhe von insgesamt 121.105,03 € beantragt. In die Berechnungsgrundlage hat er den durch den Einzug der im Eröffnungsverfahren begründeten Forderungen erzielten Betrag von 288.427,46 € einbezogen. Einen Abzug für die im eröffneten Verfahren von ihm beglichenen Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren hat er nicht vorgenommen. Als Ergebnis der Betriebsfortführung im eröffneten Verfahren hat er einen Verlust von 277.725,53 € angegeben. Das Insolvenzgericht hat die Berechnungsgrundlage um den Betrag der übernommenen Masseverbindlichkeiten gekürzt und die Vergütung auf insgesamt 111.373,61 € einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt. Die wegen der teilweisen Zurückweisung seines Vergütungsantrags vom weiteren Beteiligten erhobene sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte sein Begehren weiter.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Vordergerichte haben mit Recht die Berechnungsgrundlage der Vergütung des weiteren Beteiligten als Insolvenzverwalter um die bei der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren begründeten , erst im eröffneten Verfahren beglichenen Masseverbindlichkeiten (auch als nachlaufende Kosten des Eröffnungsverfahrens bezeichnet) gekürzt.
5
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe die aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren noch offenen Verbindlichkeiten in Höhe von 270.934,13 €, die sodann im Laufe des eröffneten Verfahrens vom Insolvenzverwalter beglichen wurden, zu Recht für die Errechnung der Berechnungsgrundlage von dessen Einnahmen abgezogen. Für die Ermittlung des Ergebnisses einer Betriebsfortführung spiele der Realisierungszeitpunkt der Einnahmen und Ausgaben nach der Rechtsprechung keine Rolle. Desweiteren sei aus der Systematik des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV, der für die Ausgaben im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung eine Ausnahme von der grundsätzlichen Nichtabsetzbarkeit der Masseverbindlichkeiten mache, zu entnehmen, dass nur Masseverbindlichkeiten, welche die vorhandene Masse schmälern, nicht zu Lasten der Vergütung des Insolvenzverwalters gehen sollen. Anders verhalte es sich mit Masseverbindlichkeiten, die getätigt würden, um weitere Masse zu generieren. In dieser Konstellation erhöhe nur der Überschuss die Berechnungsmasse. Im Ergebnis übernehme der Insolvenzverwalter demnach nur einen im Zeitpunkt der Eröffnung etwa vorhandenen Überschuss aus der Betriebsfortführung im vorläufigen Verfahren.
6
2. Diese Ausführungen sind im Ergebnis richtig.
7
a) Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV). Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden hiervon grundsätzlich nicht abgesetzt (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV). Als Ausnahme hiervon ist, wenn das Unternehmen des Schuldners fortgeführt wird, nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV). Der Überschuss aus der Betriebsfortführung ist durch eine Einnahmen -/Ausgabenrechnung zu ermitteln, die auf den Zeitpunkt der Beendigung der abgerechneten Tätigkeit zu beziehen ist. In diese Rechnung sind auf der einen Seite alle Einnahmen und Forderungen, andererseits alle Ausgaben und Verbindlichkeiten aufzunehmen, die durch die Betriebsfortführung entstanden sind, ohne dass es darauf ankommt, ob die Forderungen oder Verbindlichkeiten bereits erfüllt worden sind (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - IX ZB 106/06, ZIP 2007, 785 Rn. 15; vom 9. Juni 2011 - IX ZB 47/10, ZInsO 2011, 1519 Rn. 9).
8
b) Im Einklang mit diesen Grundsätzen, die nicht nur im eröffneten Verfahren , sondern auch für eine Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren gelten (BGH, Beschluss vom 26. April 2007 - IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330 Rn. 13), haben der weitere Beteiligte und ihm folgend das Insolvenzgericht die aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren herrührenden, aber erst im eröffneten Verfahren eingezogenen Forderungen und beglichenen Verbindlichkeiten dem Eröffnungsverfahren zugeordnet und bei der Berechnung der Vergütung für die vorläufige Insolvenzverwaltung den in diesem Verfahrensabschnitt erzielten Fortführungsüberschuss unter Berücksichtigung der damals noch of- fenen Forderungen und Verbindlichkeiten einbezogen. Ebenfalls zutreffend sind diese Forderungen und Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Ergebnisses der Betriebsfortführung im eröffneten Verfahren außer Betracht geblieben (vgl. Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 4. Aufl., § 3 Rn. 133 f).
9
c) Die Zuordnung der in Rede stehenden Masseverbindlichkeiten zum Fortführungsergebnis des Eröffnungsverfahrens hat entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde jedoch nicht zur Folge, dass diese Verbindlichkeiten für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters entsprechend dem in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV niedergelegten Grundsatz ohne Bedeutung wären. Die Berücksichtigung der Verbindlichkeiten als Abzugsposten bei der Berechnung des vom vorläufigen Verwalter im Eröffnungsverfahren erzielten Überschusses schöpft den Sachverhalt nicht aus. Der Sache nach handelt es sich bei der Begleichung der aus dem Eröffnungsverfahren übernommenen Masseverbindlichkeiten wie auch bei dem Einzug der Forderungen um die Abwicklung der Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters. Die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV bringt zum Ausdruck, dass im Falle einer Betriebsfortführung nur der dabei erzielte Überschuss bei der Berechnung der Vergütung des Verwalters berücksichtigt werden soll. Dem widerspräche es, offen gebliebene fortführungsbedingte Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren bei der Berechnung der Vergütung des im eröffneten Verfahren tätigen Verwalters unberücksichtigt zu lassen. Die Aufspaltung der durchgängigen Betriebsfortführung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in zwei getrennte Abschnitte hätte dann zur Folge, dass das Überschussprinzip nur noch teilweise, nämlich hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Verwalters verwirklicht würde. Der Verwalter im eröffneten Verfahren würde hingegen unabhängig vom Ergebnis seiner Betriebsfortführung davon profitieren, dass die im Eröffnungsverfahren begründeten Masseverbindlichkeiten teilweise unerfüllt blieben und sich dadurch die von ihm verwaltete Masse um mehr als den im Eröffnungsverfahren erzielten Fortführungsüberschuss erhöhte. Der vorläufige Verwalter hätte es in der Hand, die Begleichung von Masseverbindlichkeiten gezielt zurückzustellen und dadurch die Berechnungsgrundlage für die Vergütung im eröffneten Verfahren zu erhöhen. Wirtschaftlich betrachtet setzt der Insolvenzverwalter die Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters weiter fort. Er übernimmt das vom vorläufigen Verwalter erzielte Betriebsergebnis. Deshalb ist es sachgerecht, offen gebliebene Masseverbindlichkeiten nicht allein bei der Überschussermittlung der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren zu berücksichtigen , sondern auch bei der Bewertung der vom Insolvenzverwalter verwalteten Masse. Der Wert der Masse ist um den Betrag der aus dem Eröffnungsverfahren herrührenden fortführungsbedingten Masseverbindlichkeiten zu vermindern, soweit andernfalls der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters mehr als der im Eröffnungsverfahren erzielte Fortführungsüberschuss zugrunde gelegt würde. Nur eine solche Betrachtung wird dem mit der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV verfolgten Zweck gerecht, die Verwaltervergütung im Falle der Betriebsfortführung an deren Erfolg zu orientieren und nicht allein auf die erzielten Einnahmen abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 5/13, ZIP 2015, 230 Rn. 18).
Kayser Gehrlein Lohmann
Grupp Schoppmeyer

Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 15.07.2015 - 3 IN 355/10 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 07.10.2015 - 19 T 325/15 -

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

(1) Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlußrechnung bezieht. Wird das Verfahren nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben oder durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist die Vergütung nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen.

(2) Die maßgebliche Masse ist im einzelnen wie folgt zu bestimmen:

1.
Massegegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind, werden berücksichtigt, wenn sie durch den Verwalter verwertet werden. Der Mehrbetrag der Vergütung, der auf diese Gegenstände entfällt, darf jedoch 50 vom Hundert des Betrages nicht übersteigen, der für die Kosten ihrer Feststellung in die Masse geflossen ist. Im übrigen werden die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände nur insoweit berücksichtigt, als aus ihnen der Masse ein Überschuß zusteht.
2.
Werden Aus- und Absonderungsrechte abgefunden, so wird die aus der Masse hierfür gewährte Leistung vom Sachwert der Gegenstände abgezogen, auf die sich diese Rechte erstreckten.
3.
Steht einer Forderung eine Gegenforderung gegenüber, so wird lediglich der Überschuß berücksichtigt, der sich bei einer Verrechnung ergibt.
4.
Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt. Es gelten jedoch folgende Ausnahmen:
a)
Beträge, die der Verwalter nach § 5 als Vergütung für den Einsatz besonderer Sachkunde erhält, werden abgezogen.
b)
Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist nur der Überschuß zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt.
5.
Ein Vorschuß, der von einer anderen Person als dem Schuldner zur Durchführung des Verfahrens geleistet worden ist, und ein Zuschuß, den ein Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans oder zum Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung vor Ablauf der Abtretungsfrist geleistet hat, bleiben außer Betracht.