Familienrecht: Aus dem gemeinsamen Haus ausgezogener Ehegatte hat kein Betretungsrecht mehr
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So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Bremen. Die Richter stellten klar, dass der in der Immobilie verbleibende Miteigentümer ohne einen solchen besonderen Grund in seiner nach Art. 13 GG geschützten Privatsphäre verletzt werde, wenn der ausgezogene Miteigentümer die frühere Ehewohnung betrete und besichtige. Ein solcher besonderer Grund liege auch nicht vor, wenn der nicht in dem Haus wohnende Miteigentümer dieses durch einen Makler besichtigen lassen möchte, um die Immobilie freihändig zu verkaufen. Das gelte zumindest, wenn der in der Immobilie verbliebene Ehegatte einen freihändigen Verkauf ablehnt und stattdessen die Teilungsversteigerung betreibt.
Das Oberlandesgericht Bremen hat in seinem Beschluss vom 22.08.2017 (5 WF 62/17) folgendes entschieden:
Ein Ehegatte, der das im Miteigentum stehende Hausgrundstück endgültig verlassen hat, hat kein Recht auf Gewährung von Zutritt zu der Immobilie für sich oder Dritte ohne Vorliegen eines besonderen Grundes.
Der Wunsch nach Besichtigung durch einen Makler und weitere Personen mit dem Ziel des freihändigen Verkaufs der Immobilie stellt keinen besonderen Grund in diesem Sinne dar, wenn der in der Immobilie verbliebene Ehegatte einen freihändigen Verkauf ablehnt und stattdessen die Teilungsversteigerung betreibt.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremerhaven vom 5.5.2017 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten, die beim Amtsgericht - Familiengericht - Bremerhaven ein Scheidungsverfahren betreiben. Sie sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer des von dem Antragsgegner genutzten Hausgrundstücks. Diese Immobilie betreffend ist beim Amtsgericht Bremerhaven ein von dem Antragsgegner eingeleitetes Teilungsversteigerungsverfahren anhängig. Die Antragstellerin hat am 6.1.2017 einen Makler mit der Veräußerung der Immobilie beauftragt. Der Antragsgegner verweigert diesem den Zutritt zu der Immobilie.
Mit ihrem am 1.3.2017 beim Familiengericht eingereichten Antrag sucht die Antragstellerin um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antrag nach, den Antragsgegner zu verpflichten, dem von ihr beauftragten Immobilienmakler und den ihn begleitenden Personen den Zugang zu der Immobilie einschließlich der Besichtigung aller Räumlichkeiten zu ermöglichen.
Sie macht geltend, der Antragsgegner habe in der Vergangenheit den von ihr geforderten Verkauf der Immobilie zum seinerzeit festgestellten Marktwert abgelehnt. Nachdem er nunmehr durch die Einleitung des Teilungsversteigerungsverfahrens zu erkennen gegeben habe, zur Veräußerung der Immobilie bereit zu sein, habe sie den Makler beauftragt, um für die Immobilie im Wege des freihändigen Verkaufs einen "optimalen Preis" zu erzielen und Kosten einzusparen, die mit der Durchführung des Teilungsversteigerungsverfahrens entstünden. Als Miteigentümerin sei sie zum Betreten der Immobilie - auch mit Dritten - berechtigt. Der Makler sei von ihr bevollmächtigt, ihr "Betretungsrecht" für sie auszuüben. Dass der Antragsgegner dem Makler den Zutritt verweigere, sei treuwidrig. Anscheinend wolle er versuchen, die Immobilie zum niedrigsten Preis selbst oder durch einen "Strohmann" zu ersteigern.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis für die von der Antragstellerin beabsichtigte Antragstellung. Da kein freihändiger Verkauf stattfinde, bedürfe es nicht der Einschaltung eines Maklers.
Mit Beschluss vom 5.5.2017 hat das Familiengericht den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin unter Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung, die ihr am 15.5.2017 zugestellt worden ist, wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 15.6.2017, mit der sie ergänzend geltend macht, der beabsichtigte Antrag sei erforderlich, um dem Antragsgegner ein ernsthaftes Kaufangebot für die Immobilie vorlegen zu können, bei dessen Ablehnung er sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig machte. Die beabsichtigten Besichtigungen durch den Makler und Kaufinteressenten stellten keine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung von Rechten des Antragsgegners dar.
Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 5.7.2017 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG i. V. mit §§ 127 Abs. 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Familiengericht hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Recht mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht die nach § 113 Abs. 1 FamFG i. V. mit § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Antragstellerin kann von dem Antragsgegner nicht verlangen, dass dieser dem von ihr beauftragten Makler und diesen begleitenden Personen den Zugang zu der im Miteigentum der Beteiligten stehenden Immobilie zu Besichtigungszwecken ermöglicht. Grundsätzlich steht zwar jedem Miteigentümer nach § 743 Abs. 2 BGB ein Mitbenutzungsrecht zu. Zwischen den Beteiligten ist es jedoch ersichtlich im Zuge der Trennung zu einer Neuregelung der Nutzung der Immobilie dergestalt gekommen, dass diese fortan allein von dem Antragsgegner bewohnt wird. Vor diesem Hintergrund besteht kein uneingeschränktes Zutrittsrecht der Antragstellerin mehr. Ein Ehegatte, der das im Miteigentum stehende Hausgrundstück endgültig verlassen hat, hat kein Recht auf Gewährung von Zutritt zu der Immobilie für sich oder Dritte ohne Vorliegen eines besonderen Grundes.
Ohne einen solchen besonderen Grund stellen das Betreten und die Besichtigung der vormals gemeinsam genutzten Ehewohnung durch den ausgezogenen Miteigentümer vielmehr eine von dem in der Immobilie verbliebenen Miteigentümer nicht hinzunehmende Verletzung seiner nach Art. 13 GG geschützten Privatsphäre dar.
Ob ein besonderer Grund in diesem Sinne z. B. dann vorliegen kann, wenn es um den Wunsch nach Besichtigung durch Bietinteressenten während des Teilungsversteigerungsverfahrens geht, ist streitig. Diese Frage bedarf hier allerdings keiner Entscheidung, weil es der Antragstellerin gerade nicht um eine Besichtigung während des von dem Antragsgegner eingeleiteten Teilungsversteigerungsverfahrens geht, sondern um die Besichtigung zum Zwecke der Vorbereitung eines freihändigen Verkaufs der Immobilie.
Dieses Anliegen der Antragstellerin stellt indes keinen den von ihr begehrten Zutritt des Maklers und etwaiger Kaufinteressenten zu der Immobilie gegen den Willen des Antragsgegners rechtfertigenden besonderen Grund dar, weil ein freihändiger Verkauf der Immobilie hier von vornherein an der ablehnenden Haltung des Antragsgegners scheitert. Das Verhalten des Antragsgegners, das von dessen Hoffnung auf einen günstigen Eigenerwerb der Immobilie in der Teilungsversteigerung getragen sein mag, mag der Antragstellerin aus eigenen wirtschaftlichen Erwägungen nicht gefallen. Es kann jedoch nicht als treuwidrig angesehen werden, weil grundsätzlich keine Verpflichtung besteht, zur Vermeidung einer Teilungsversteigerung einer einverständlichen Lösung zuzustimmen. Denn das Gesetz sieht zwar einen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft gem. §§ 749ff. BGB, aber keinen Anspruch des Miteigentümers auf freihändigen Verkauf vor.
Vor diesem Hintergrund ist auch die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob sich ein Ehegatte, der sich einem möglichen freihändigen Verkauf widersetzt, um die Immobilie selbst zu ersteigern, schadensersatzpflichtig macht, grundsätzlich zu verneinen, zumal die Bruchteilsgemeinschaft keine Pflicht zum Schutz oder zur Förderung der wechselseitigen wirtschaftlichen Interessen der Teilhaber begründet. Ob in speziell gelagerten Einzelfällen etwas anderes gelten kann kann hier dahinstehen, weil der vorliegende Sachverhalt dafür keine Anhaltspunkte bietet.
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(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.
(2) In Familienstreitsachen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Urkunden- und Wechselprozess und über das Mahnverfahren entsprechend.
(3) In Ehesachen und Familienstreitsachen ist § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.
(4) In Ehesachen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über
- 1.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen, - 2.
die Voraussetzungen einer Klageänderung, - 3.
die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren und die Klageerwiderung, - 4.
die Güteverhandlung, - 5.
die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses, - 6.
das Anerkenntnis, - 7.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden, - 8.
den Verzicht auf die Beeidigung des Gegners sowie von Zeugen oder Sachverständigen
(5) Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.