Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 25. Aug. 2004 - 12 S 274/04

published on 25/08/2004 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 25. Aug. 2004 - 12 S 274/04
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Oktober 2003 - 5 K 2899/01 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Gründe

 
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Die Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ist nicht gewahrt worden. Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des Verwaltungsgerichts ist dem Kläger am 13.10.2003 zugestellt worden. Der Zulassungsantrag (Schriftsatz vom 05.12.2003) ging am 08.12.2003 und damit verspätet beim Verwaltungsgericht ein.
Wiedereinsetzung in die versäumte Frist kommt nicht in Betracht. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne sein Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Verschulden liegt vor, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Dabei sind an eine Behörde zwar keine strengeren, aber auch keine geringeren Anforderungen zu stellen als an einen Rechtsanwalt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.10.2002, FEVS 54, 390; Beschluss vom 06.06.1995, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198 = NVwZ-RR jew. m.w.N. 1996, 60; OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1993, NJW 1994, 1299).
Wie ein Rechtsanwalt aufgrund der ihm obliegenden Organisationspflicht in seinem Büro eine wirksame und hinreichend sichere Ausgangskontrolle schaffen muss, die sicherstellt, dass fristwahrende Schriftsätze tatsächlich abgesandt werden, so ist auch eine Behörde in Fristsachen zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet. Die Erledigung des tatsächlichen Abgangs fristwahrender Schriftsätze muss so kontrolliert und vermerkt werden, dass sie zweifelsfrei nachweisbar ist. Dies setzt regelmäßig voraus, dass hinreichende Vorkehrungen im Bereich der behördeneigenen Poststelle getroffen worden sind, die eine sorgfältige Behandlung fristwahrender Schriftstücke in der Poststelle sicherstellen und den nachweisbaren Abgang eines dorthin gelangten Schriftstückes gewährleisten. Erfolgt im Einzelfall gegenüber den Bediensteten der amtsinternen Poststelle kein besonderer Hinweis auf die Wichtigkeit des fristwahrenden Schriftstückes und findet nur eine Kontrolle der Übergabe des Poststücks an die Postausgangsstelle statt, wird die Erledigung also lediglich durch Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet, festgehalten, beruht eine eingetretene Fristversäumnis auf Organisationsverschulden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 04.10.2002 und 06.06.1995, jeweils a.a.O.; OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1993, a.a.O.; BFH, Beschluss vom 07.07.2003, BFH/NV 2003, 1440; BGH, Beschluss vom 15.03.1990, HFR 1990, 522; Beschluss vom 21.04.1988, VersR 1988, 942).
Danach kann im Streitfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die auf eine wirksame Ausgangs- bzw. Endkontrolle im Bereich seiner Poststelle schließen ließen. Dem Vorbringen kann auch nicht entnommen werden, dass der tatsächliche Abgang der ursprünglichen Antragsschrift vom 06.11.2003 hinreichend auf andere Weise sichergestellt worden ist, etwa durch einen - mündlichen oder schriftlichen - Hinweis auf die Art und Bedeutung des Schriftstückes gegenüber den mit der Absendung beauftragten Bediensteten der amtsinternen Poststelle. Insbesondere aus der vorgelegten dienstlichen Erklärung der im Bereich des Rechtsamtes des Klägers beschäftigten Sekretärin vom 08.12.2003 geht hervor, dass diese den Schriftsatz vom 06.11.2003 mit den Nebenabschriften in einen Briefumschlag getan, diesen mit der Anschrift des Verwaltungsgerichts versehen und anschließend in das Ausgangspostfach des Rechtsamtes gelegt hat, wo er am gleichen Tag „von der Poststelle abgeholt“ worden sei. Der Leiter der Poststelle, der den Briefumschlag mit dem Schriftsatz vom 06.11.2003 vom Ausgangspostfach des Rechtsamtes abgeholt hat, kann sich nach dem Vortrag des Klägers „aufgrund der hohen Zahl von Schreiben, die täglich das Haus verlassen,“ nicht mehr an dieses Schriftstück erinnern. Aus alledem und mangels anderweitiger bzw. weiterer Angaben zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages ist davon auszugehen, dass der auf dem vorgelegten Entwurf des Schriftsatzes vom 06.11.2003 angebrachte Abgangsvermerk „ab“ entweder von dem Unterzeichner des verloren gegangenen Schriftsatzes vom 06.11.2003 oder von dessen Sekretärin, nicht aber von einem Bediensteten der behördeneigenen Postausgangsstelle angebracht worden ist. Hinreichende Vorkehrungen, die eine sorgfältige Behandlung fristwahrender Schriftstücke im Bereich der behördlichen Poststelle sicherstellen und den nachweisbaren Abgang des dorthin gelangten Schriftstückes gewährleisten, sind weder im Allgemeinen noch im konkreten Fall des verloren gegangenen Schriftsatzes vom 06.11.2003 benannt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Dies folgt aus § 194 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO a.F. (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27.05.2003 - 12 S 740/03 - und vom 02.06.2003 - 12 S 733/03 -).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

6 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

Annotations

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Zulässigkeit der Berufungen richtet sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht, wenn vor dem 1. Januar 2002

1.
die mündliche Verhandlung, auf die das anzufechtende Urteil ergeht, geschlossen worden ist,
2.
in Verfahren ohne mündliche Verhandlung die Geschäftsstelle die anzufechtende Entscheidung zum Zwecke der Zustellung an die Parteien herausgegeben hat.

(2) Im Übrigen richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht, wenn vor dem 1. Januar 2002 die gerichtliche Entscheidung bekannt gegeben oder verkündet oder von Amts wegen an Stelle einer Verkündung zugestellt worden ist.

(3) Fristgerecht vor dem 1. Januar 2002 eingelegte Rechtsmittel gegen Beschlüsse in Verfahren der Prozesskostenhilfe gelten als durch das Oberverwaltungsgericht zugelassen.

(4) In Verfahren, die vor dem 1. Januar 2002 anhängig geworden sind oder für die die Klagefrist vor diesem Tage begonnen hat, sowie in Verfahren über Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen, die vor dem 1. Januar 2002 bekannt gegeben oder verkündet oder von Amts wegen an Stelle einer Verkündung zugestellt worden sind, gelten für die Prozessvertretung der Beteiligten die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften.

(5) § 40 Abs. 2 Satz 1, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 2 Satz 3 und § 188 Satz 2 sind für die ab 1. Januar 2002 bei Gericht anhängig werdenden Verfahren in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.