Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger, ein libyscher Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 2. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Oktober 2015 einen Asylantrag. Zur Begründung des Asylantrages gab der Kläger im Wesentlichen an: Sein Heimatort sei vom Bürgerkrieg in Libyen betroffen. Die libysche Armee würde auch junge Männer rekrutieren. Er habe Angst vor Schießereien und Bombardierungen. Er wolle nicht im Bürgerkrieg kämpfen.

Mit Bescheid vom 9. Juni 2017 erteilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung nach Libyen oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die akute Bedrohungssituation, die für den Kläger zum Zeitpunkt der Flucht bestanden habe, sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr erkennbar. Es sei nicht erkennbar, dass bei einer Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohe. Die wirtschaftliche Situation in Libyen sei zwar außerordentlich schwierig. Es lägen jedoch keine Umstände vor, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in eine extreme lebensbedrohliche Lage geraten würde. Er sei ein gesunder junger Mann. Die Familie und Großfamilie lebten in Libyen. Der Kläger könne auf die Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk zurückgreifen.

Am 23. Juni 2017 ließ der Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben.

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018 ließ der Kläger erklären: Die Zwangsrekrutierung durch Milizen in Libyen sei eine Verfolgung, die an eine Zugehörigkeit zu der besonders sozialen Gruppe der jungen gesunden Männer in Libyen anknüpfe. Wie im Vorverfahren ausgeführt, sei der Kläger von der Zwangsrekrutierung durch die Gruppierung Ansar al-Sharia bedroht worden und habe fliehen müssen. Eine zumutbare inländische Fluchtalternative habe nicht bestanden, da er als Einwohner von Bengasi in anderen Landesteilen nicht akzeptiert bzw. aufgenommen werden würde. Zudem würden auch dort Zwangsrekrutierungen durch andere Gruppierungen drohen. Die Gruppierung Ansar al-Sharia habe sich nur deshalb aufgelöst, weil sich die zahlreichen Kämpfer anderen islamischen Milizen bzw. der IS angeschlossen hätten. In Libyen gebe es nach der allgemeinen Auskunftslage zahlreiche Gruppierungen bzw. Milizen in Libyen, die ihre Ziele durch Gewalt erreichen wollten. Sämtliche Gruppierungen rekrutierten ihre Kämpfer auch durch Gewalt bzw. Zwang. Für den Kläger bestehe als jungen gesunden Mann landesweit durch verschiedene Gruppierungen und Milizen und sogar durch die libysche Armee die Gefahr der Zwangsrekrutierung.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 28. Juni 2017,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Januar 2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 25. April 2018 lehnte die Kammer den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ab.

In der mündlichen Verhandlung am 3. September 2018 beantragte der (neue, zusätzliche) Klägerbevollmächtigte,

die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Juni 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakte Bezug genommen. Des Weiteren machte das Gericht die Akten des Verfahrens W 8 K 17.33618 zum Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Asyl. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Libyen politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 - 9 C 59/91 - Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 106.84 - BVerwGE 71, 180).

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder droht.

Der Kläger hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auch im Vergleich zum Vorbringen seines Freundes im Verfahren W 8 K 17.33618, welcher sich teilweise auf den gleichen Sachverhalt wie der Kläger bezieht, ungereimte und widersprüchliche sowie teils gesteigerte Angaben gemacht. Auf gerichtliche Fragen antwortete der Kläger teilweise auch ausweichend. Widersprüche und Ungereimtheiten konnte er trotz gerichtlicher Nachfragen und Vorhalte wiederholt nicht überzeugend auflösen. Demgegenüber ließ er eine zweifelsfreie, in sich stimmige Geschichte vermissen. So bleiben aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung letztlich durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens und einer darauf beruhenden tatsächlich drohenden ernsthaften Gefahr.

Auffällig ist schon, dass der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung und damit gesteigert erwähnt hat, dass er inhaftiert gewesen und geschlagen worden sei, auch um ihn zu rekrutieren. Der Einwand des Klägers, der Dolmetscher bzw. der Betreuer der Jugendherberge habe gesagt, er solle diese Sachen nicht über die Miliz sagen, die auch Teil der Armee sei, stimmt schon nicht voll mit dem Vorbringen im Verfahren seines Freundes (W 8 K 17.33618) überein, wonach im Schreiben vom 27. August 2018 ausdrücklich als Begründung aufgeführt ist, sie sollten nichts sagen, weil die dort verbliebenen Eltern und Geschwister in erhebliche Gefahr geraten würden und sie selbst auch. Abgesehen davon wurde der Kläger sowohl im gerichtlichen und behördlichen Verfahren wiederholt dazu aufgefordert, mitzuwirken und alle relevanten Tatsachen vorzubringen, zuletzt durch die gerichtliche Aufforderung nach § 87b Abs. 3 VwGO. Dies gilt umso mehr als der Kläger in Deutschland um Schutz nachsucht. Es ist dem Gericht überdies nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht von sich aus die Tatsachen vorbringt, auf die er sein gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geäußertes Schutzbegehren stützen will. Der Kläger hätte zudem schon durch eigenes Nachdenken darauf kommen müssen, die für ihn relevanten und günstigen Taten möglichst früh und umfangreich von sich aus vorzubringen. Hinzu kommt, dass der Kläger auch anwaltlich vertreten war und ist. So erweckt die nachgeschobene Dramatisierung der Erlebnisse und Ereignisse in Libyen den Eindruck, dass die Vorfluchtgeschichte nun aus asyltaktischen Motiven aufgebauscht worden ist, um Vorteile im Asylverfahren in Deutschland zu erlangen.

Hinzu kommen zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten, die ebenfalls erhebliche und durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens begründen.

Dies gilt schon zu den zeitlichen Angaben. Während im Anwaltsschriftsatz vom 27. August 2018 in dem parallelen Verfahren des Freundes (W 8 K 17.33618) davon die Rede ist, der Kläger und sein Freund seien 2014 von Milizen festgenommen worden, erklärt der Kläger, der Vorfall sei im Jahr 2015 gewesen, ca. drei bis vier Monate vor der Ausreise im August 2015. Sein Freund gab demgegenüber in seiner mündlichen Verhandlung am 3. September 2018 an, die Verhaftung sei Anfang 2015 gewesen.

Widersprüchliche Angaben erfolgten auch zu den Umständen der gemeinsamen Inhaftierung. Der Kläger hatte im Behördenverfahren zunächst angegeben, es habe Anwerbeversuche gegeben, sie seien aber nicht geschlagen worden und auch von einer Inhaftierung war nicht die Rede, vielmehr nur von Beleidigungen. Er sei als Mädchen bezeichnet worden. Im Gegensatz dazu gab er in der mündlichen Verhandlung an, sie seien auch inhaftiert worden. Man habe sie mitgenommen und eingesperrt. Die Milizionäre hätten zu ihnen gesagt, dass sie jetzt richtige Männer werden müssten. Demgegenüber ist im Verfahren seines Freundes W 8 K 17.33618 von diesem erklärt worden, dass Grund für die gemeinsame Verhaftung gewesen sei, dass der Bruder des Klägers gesucht worden sei. Der Kläger sei auch geschlagen worden, um aus ihm herauszupressen, ob er selbst beim IS sei und ob er wisse, wo der Bruder sei. Auf entsprechenden gerichtlichen Vorhalt machte der Kläger zunächst ausweichende Angaben zu seinem Bruder, der angesichts seiner Tätigkeit im Krankenhaus unter dem Verdacht der Milizen gestanden habe, auch den Gegnern geholfen zu haben. Dann erst räumte der Kläger ein, dass er und seine Freunde festgenommen worden seien, weil die Milizen bei der Kontrolle den Bruder nicht erwischt hätten.

Erstmals erwähnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, auch geschlagen worden zu sein, wobei es in dem Zusammenhang ebenfalls Widersprüche zum Motiv der Schläge gibt. Der Kläger brachte zum Motiv eindeutig vor, die Milizionäre seien in die Wohnung gekommen, einer habe nach Alkohol gerochen, dieser habe mit seiner Mutter gesprochen, er habe einen der Milizionäre weggeschubst. Daraufhin seien sie mitgenommen worden und dem Anführer seien die Auffälligkeiten gesagt worden, deshalb sei der Kläger geschlagen worden. Das im anderen Verfahren W 8 K 17.33618 genannte Motiv für die Schläge, den Aufenthaltsort seines Bruders freizupressen, erwähnte der Kläger von sich aus zunächst nicht. Demgegenüber erklärte der Freund des Klägers in seinem Verfahren ausdrücklich als Grund der Schläge, sie sollten sagen, wo der Bruder des Klägers sei, und fügte noch als weiteren Grund auch das Schubsen des Klägers an.

Widersprüchlich und ungereimt sind des Weiteren die Angaben zu der Freilassung des Klägers. Dieser führte in der mündlichen Verhandlung dazu aus, sein ältester Bruder sei zusammen mit anderen älteren Leuten zu der Miliz gegangen und habe die Freilassung gefordert. Die älteren Leute würden respektiert, deshalb seien sie freigelassen worden. Sie seien auch deshalb freigelassen worden, weil sie Sport getrieben hätten. Demgegenüber hat sein Freund in dem anderen Verfahren W 8 K 17.33618 schriftlich sowie mündlich erklärt, sie seien nur deshalb wieder freigelassen worden, weil die Milizen mittlerweile den Bruder des Klägers festgenommen hätten. Sein Freund bestätigte auch in seiner mündlichen Verhandlung nicht, dass der Bruder mit den älteren Menschen gekommen sei und sie deshalb freigekommen seien.

Abgesehen davon ist selbst bei einer Wahrunterstellung zweifelhaft ob dem Kläger bei einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung droht. Denn auch nach dem eigenen Bekunden des Klägers ist eine Zwangsrekrutierung nicht zwingend. Der Kläger erklärte selbst auch mit Hinweis auf den Sport und seinen Fußball, dass sie unbehelligt geblieben seien. Man habe nur gesagt, sie sollten sich nicht mehr auf der Straße zeigen. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, wenn man nicht herausgehe, dann passiere nichts, nur wenn man auf der Straße sei, werde man angesprochen. Außerdem gebe es Auseinandersetzungen und Schlägereien, alle Leute hätten Waffen.

Gegen eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr der Zwangsrekrutierung spricht auch die weitere Angabe des Klägers, dass sein Bruder, der zunächst von der Miliz gesucht worden sei, nach einem Auslandsaufenthalt in Ägypten wieder zurückgekommen und trotzdem nicht von der Miliz zwangsrekrutiert worden sei. Des Weiteren leben zahlreiche weitere Verwandte sowie die gesamte Großfamilie des Klägers noch in Libyen. Gleichwohl hat der Kläger nicht berichtet, dass von diesen weitere Mitglieder zwangsrekrutiert worden seien. Auch dies ist ein Indiz dafür, das gegen eine ernsthaft drohende Gefahr spricht. Der Kläger hat jedenfalls nichts Gegenteiliges vorgetragen. Es wäre aber lebensnah, sich konkrete weitere Informationen über ein Fortbestehen der Gefahr zu besorgen und gegebenenfalls auch dem Gericht und den deutschen Behörden vorzulegen. In diese Richtung hat der Kläger indes nichts Substanzielles vorgetragen.

Nach alledem fehlt es an einem glaubhaften, in sich stimmigen und widerspruchsfreien Vorbringen des Klägers, das Basis für die Annahme einer bestehenden Verfolgungsgefahr oder sonst einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben sein könnte.

Nach der Auskunftslage ist das Gericht auch sonst nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr Verfolgung oder sonst ein ernsthafter Schaden droht (vgl. § 4 Abs. 1 AsylG).

Zwar ist zusammengefasst nach der Erkenntnislage von folgender Situation in Libyen auszugehen:

Nach dem Auswärtigen Amt (Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018) befindet sich Libyen Mitte 2018 im siebten Jahr nach dem Tod des Diktators Gaddafi weiterhin im politischen Umbruch. Landesweite Sicherheit bleibt die größte und wichtigste Herausforderung des seit Dezember 2015 bestehenden Präsidialrats. Große Teile des Landes und der Gesellschaft werden von Milizen kontrolliert, andere Teile sind praktisch unregiert. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung einer Art staatlicher Kontrolle. Eine der größten Gefahren für die Bevölkerung ist es, als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Menschenrechtsverletzungen in Libyen sind an der Tagesordnung. Die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge. Aber auch Libyer sind Menschenrechtsverletzungen durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, ohne sich dagegen wirksam schützen zu können. Ein einheitliches funktionierendes Rechtssystem steht nicht zur Verfügung. Besonders betroffen sind Minderheiten. Die Sicherheitslage in Libyen ist instabil. Dem Präsidialrat gegenüber loyalen Milizen aus der westlibyschen Stadt Misrata gelang es den sogenannten IS im Dezember 2016 aus seiner Hochburg in der zentrallibyschen Küstenstadt Sirte zu vertreiben. Er ist weiterhin in Libyen aktiv und hat auch 2017 bis 2018 Anschläge verübt. In Ostlibyen geht General Haftar gegen islamistische und dschihadistische Gruppen mit wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor. Auch Tripolis ist faktisch im Einflussbereich von vier Milizen. Eine davon ist die salafistische Rada-Miliz. Diese Miliz übt inzwischen die vollständige Kontrolle über den einzigen funktionstüchtigen Flughafen (Mitiga) von Tripolis und das dort gelegene größte Gefängnis Westlibyens aus. Einer Vielzahl von Milizen werden Folter und standrechtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Auch die im Osten vorherrschende LNA ist kein einheitliches Gebilde, vielmehr eine Klammer für einzelne Milizen, die auch eigene Interessen verfolgen und denen ihrerseits Menschenrechtsverletzungen sowie die Hinnahme ziviler Opfer nachgesagt werden.

Alle Konfliktparteien verübten wahllose sowie gezielte Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete, die zum Tod von Zivilpersonen und der rechtswidrigen Tötungen führten. Tausende Menschen wurden von bewaffneten Gruppen verschleppt, willkürlich festgenommen und zeitlich unbegrenzt inhaftiert. In den Gefängnissen waren Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung. Menschen wurden aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer Herkunft, ihrer vermuteten politischen Zugehörigkeit und ihres mutmaßlichen Reichtums von bewaffneten Gruppen und Milizen verschleppt und rechtswidrig inhaftiert (Amnesty International, Report Libyen 2017/2018).

Die Lage im ganzen Land ist extrem unübersichtlich und unsicher. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte. In Abwesenheit staatlicher Kontrolle über das gesamte Territorium setzen sich Dutzende rivalisierende Milizen und militärischen Streitkräfte mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Allianzen straffrei über internationales Recht hinweg. Rivalisierende Milizen und militärische Streitkräfte entführen Personen und lassen diese verschwinden, foltern, inhaftieren willkürlich und führen ungesetzliche Tötungen durch (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017).

Das Gericht geht gleichwohl davon aus, dass dem Kläger kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob derzeit in Libyen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht (vgl. bejahend VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris; VG Ansbach, U.v. 29.3.2018 - AN 10 K 16.32482 - juris; offengelassen VG Chemnitz, U.v. 31.5.2018 - 7 K 2166/16.A - juris; U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; U.v. 2.1.2018 - 7 K 692/16.A - juris; jeweils mit weiteren Nachweisen). Denn selbst wenn, ist die Gefahrendichte jedenfalls nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in die Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).

Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt ist, reichen grundsätzlich nicht, eine individuelle Bedrohung zu begründen. Es ist auch nichts von einer Gefahrendichte ersichtlich, dass hier für jedermann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben besteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass jedenfalls ein Risiko von 1:800 bzw. 1:1.000 in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 und 10 C 11.10 - juris Rn. 20). Ein solcher Gefährdungsgrad ist bei weitem nicht ersichtlich. Dem Gericht fehlen gegenteilige Erkenntnisse. Auch die Klägerseite hat Entsprechendes nicht substanziiert vorgebracht.

Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht erkennbar. Die bloße Aufforderung durch andere, sich ebenfalls einer Miliz oder sonstigen Gruppierung anzuschließen, rechtfertigt bei weitem nicht die Annahme einer politischen Verfolgung oder eines drohenden ernsthaften Schadens (so VG Bayreuth, U.v. 5.7.2017 - B 4 K 16.31506 - juris). Sonstige gefahrerhöhende Umstände, die eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG bedeuten würden, sind nicht gegeben. Vielmehr ist jedenfalls einem alleinstehenden jungen Mann zumutbar, nach Libyen zurückzukehren (so im Ergebnis auch VG Chemnitz, U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; VG Dresden, U.v. 26.1.2018 - 12 K 2548/16.A - juris; U.v. 26.9.2017 - 12 K 304/17.A - juris; VG Würzburg, U.v. 13.9.2017 - W 2 K 17.32898 - juris).

Dem Kläger droht insbesondere auch kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG infolge Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung. Zwar hat das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht angegeben (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018, S. 15), es ist davon auszugehen, dass zurückkehrende Libyer, insbesondere dann, wenn sie durch ausländische Polizei begleitet werden, Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Misstrauen erwecken und bei der Einreise strengen Kontrollen unterzogen werden. Eine anschließende Inhaftierung ist insbesondere am Flughafen Mitiga, der von der salafistischen Rada-Miliz kontrolliert wird, nicht auszuschließen. Es gibt Berichte von Menschenrechtsverletzungen in diesem Gefängnis. Es ist davon auszugehen, dass die salafistische Rada-Miliz, die den Flughafen Mitiga und das dort befindliche Gefängnis kontrolliert, Listen von gesuchten Libyern einsehen kann und bei der Einreisekontrolle strenge Maßstäbe anlegt. Auch die anderen libyschen Flughäfen werden von bewaffneten Gruppen kontrolliert, die meist ihre eigenen Kriterien für Einreise, Befragung und Festnahme setzen. Einzelfalluntersuchungen des Risikos für Abzuschiebende werden in diesem Licht durchzuführen zu sein.

Insofern ist jedoch festzuhalten, dass bei dem Kläger auch insoweit individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen. Darüber hinaus kann sich der Kläger nicht darauf berufen, im Falle einer Abschiebung wegen einer möglichen Polizeibegleitung erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein, weil ihm eine freiwillige Rückkehr zumutbar ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BverwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris).

Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen - in dem schon ausführliche dargelegt ist, dass das Existenzminimum des Klägers bei einer Rückkehr gesichert und die Grundversorgung in Libyen gewährleistet ist (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018, S. 14 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017, S. 14 f.) - und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Kläger ist noch jung und erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt für sich durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Libyen noch lebenden (Groß-)Familie zurückzugreifen. Insofern ist die Lage nicht anders als bei zahlreichen Landsleuten in vergleichbarer Lage (ebenso VG Chemnitz, U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; VG Dresden, U.v. 26.1.2018 - 12 K 2548/16.A - juris; U.v. 26.9.2017 - 12 K 304/17.A - juris; VG Würzburg, U.v. 13.9.2017 - W 2 K 17.32898 - juris).

Nach dem vorstehend Gesagten sind insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 03. Sept. 2018 - W 8 K 18.30770 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 03. Sept. 2018 - W 8 K 17.33618

bei uns veröffentlicht am 03.09.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der am …1999 geborene Kläger, ein libyscher Staatsangehöri

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 05. Juli 2017 - B 4 K 16.31506

bei uns veröffentlicht am 05.07.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der in Tripolis geborene Kläge

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 29. März 2018 - AN 10 K 16.32482

bei uns veröffentlicht am 29.03.2018

Tenor 1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 13. Sept. 2017 - W 2 K 17.32898

bei uns veröffentlicht am 13.09.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand I. Der am ... 1986 geborene Kläger ist staatenloser Palästinenser mit gewöhnlichem A

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 17. Nov. 2011 - 10 C 13/10

bei uns veröffentlicht am 17.11.2011

Tatbestand 1 Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 01. Juni 2011 - 10 C 25/10

bei uns veröffentlicht am 01.06.2011

Tatbestand 1 Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2010 - 10 C 5/09

bei uns veröffentlicht am 27.04.2010

Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 03. Sept. 2018 - W 8 K 17.33618

bei uns veröffentlicht am 03.09.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der am …1999 geborene Kläger, ein libyscher Staatsangehöri

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der am …1999 geborene Kläger, ein libyscher Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 2. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Oktober 2015 einen Asylantrag. Zur Begründung des Asylantrages gab der Kläger im Wesentlichen an: Wegen des Krieges in Libyen gebe es keine Schule und Ausbildung. Das Leben sei schwer und die Lebensmittel teuer geworden. Wegen der Unruhen und Schießereien sei er mit seiner Familie in einen anderen Stadtteil gezogen. Das eigene Zuhause sei zerstört worden.

Mit Bescheid vom 9. November 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung nach Libyen oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorbringen zum Krieg, den Unruhen und den Schießereien in Libyen könne nicht zur Gewährung des Flüchtlingsschutzes führen. Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr aufgrund der dortigen Situation keine erhebliche und individuelle Gefahr aufgrund willkürlicher Gewalt. Erforderlich sei eine Verdichtung, die das für die Schutzgewährung erforderliche Niveau erreiche. Vom Bestehen eines landesweiten Konflikts könne nicht ausgegangen werden. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig sowie ledig. Er könne sich eine existenzsichernde Grundlage schaffen. Er verfüge über schulische Bildung. Außerdem verfüge er über ein großes Familiennetzwerk in seinem Heimatland Libyen.

Nachdem der Kläger am 27. Oktober 2017 zunächst Untätigkeitsklage erhoben hatte, ließ er durch seine Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 21. November 2017, bei Gericht eingegangen am 21. November 2017, Klage gegen den zwischenzeitlich erlassenen streitgegenständlichen Bescheid erheben.

Mit Schriftsatz seines neuen Bevollmächtigten vom 27. August 2018 ließ der Kläger ausführen: Er habe ein neues Dokument in arabischer Sprache vom Vater des Klägers und von der Mutter unterzeichnet. In S. hätten er und sein Freund einen Dolmetscher und Betreuer kennengelernt. Dieser habe geäußert, sie sollten in der persönlichen Anhörung keinesfalls Angaben über Milizen in Libyen tätigen, weil die in Libyen verbliebenen Verwandten in erhebliche Gefahr geraten würden wie sie auch selbst. Der Kläger habe daher keine Angaben zu den Übergriffen getätigt. Der Kläger habe bis 2013 in einem Ortsteil von Benghasi gewohnt. Dort lebten IS-Kämpfer und deren Familien. Es sei nicht mehr möglich gewesen, auf die Straße zu gehen. Anschließend hätten Kampfhandlungen stattgefunden. Der Kläger, seine Eltern sowie seine damals fünf Geschwister hätten das Haus verlassen, welches komplett zerstört worden sei. Sie seien dann in einen anderen Ortsteil von Benghasi gezogen. In diesem Ortsteil habe die Miliz geherrscht. Da der Kläger aber aus S. stamme, in dem die IS-Anhänger lebten, habe die Miliz gemeint, der Kläger selbst und seine Familie seien IS-Angehörige. Beim Freund sei eine Kontrolle durchgeführt worden. Die Milizen hätten den Kläger sowie den Freund mitgenommen und für vier Tage in ein Gefangenenlager verbracht. Der Kläger sei geschlagen worden, um herauszupressen, ob er selbst beim IS sei und ob er wisse, wo sei Bruder des Freundes sei. Sie seien wieder freigelassen worden, weil die Milizen mittlerweile den gesuchten Bruder des Freundes festgenommen hätten. Dies sei Anfang 2014 gewesen. Der Kläger sei ein weiteres Mal in Gefangenschaft geraten. Der Vater habe die Miliz über einen Bekannten überzeugt, dass der Kläger nicht IS-Angehöriger sei. Dies sei Juni 2014 gewesen. Der Vater des Klägers sei von Milizen ins Gefängnis gesteckt worden. Der Bruder des Klägers sei im Alter von 15 Jahren im Jahr 2017 ebenso wie der Kläger gefangen genommen worden. Vom Bruder sei erwartet worden, dass er sich den Milizen anschließe. Bei einer gewaltsamen Kampfhandlung sei der Bruder erschossen worden. Seit der Vater des Klägers von den Milizen im Gefängnis gewesen sei, sei dieser gesundheitlich aufgrund der Übergriffe so schwer gezeichnet, dass er nicht mehr laufen könne. Durch diese Vorkommnisse habe der Kläger den Entschluss gefasst, Libyen zu verlassen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. November 2017,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Januar 2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 24. Mai 2018 lehnte das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten ab.

In der mündlichen Verhandlung am 3. September 2018 beantragte der Klägerbevollmächtigte,

die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Des Weiteren machte das Gericht die Akten des Verfahrens W 8 K 18.30770 zum Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Asyl. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Libyen politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 - 9 C 59/91 - Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 106.84 - BVerwGE 71, 180).

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder droht.

Der Kläger hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auch im Vergleich zum Vorbringen seines Freundes im Verfahren W 8 K 18.30770, welcher sich teilweise auf den gleichen Sachverhalt wie der Kläger bezieht, ungereimte und widersprüchliche sowie teils gesteigerte Angaben gemacht. Auf gerichtliche Fragen antwortete der Kläger teilweise auch ausweichend. Widersprüche und Ungereimtheiten konnte er trotz gerichtlicher Nachfragen und Vorhalte wiederholt nicht überzeugend auflösen. Demgegenüber ließ er eine zweifelsfreie, in sich stimmige Geschichte vermissen. So bleiben aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung letztlich durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens und einer darauf beruhenden tatsächlich drohenden ernsthaften Gefahr.

Auffällig ist schon, dass der Kläger - trotz Aufforderung nach § 87b Abs. 3 VwGO, alle relevanten Tatsachen vorzutragen -, erstmals und gesteigert mit Schreiben vom 27. August 2018, also wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung, vorgebracht hat, zweimal durch Milizen inhaftiert gewesen und geschlagen worden zu sein sowie ein Dokument seiner Eltern zu haben, obwohl er es nach eigenem Bekunden schon vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung in Händen gehabt habe. Der Einwand des Klägers, dass ein früherer Dolmetscher und Betreuer ihm gesagt habe, sie sollten keinesfalls Angaben über die Milizen in Libyen machen, weil die dort verbliebenen Eltern und Geschwister in erheblichen Gefahren gerieten und sie auch selbst, verfängt nicht. Dem Kläger wurde im Laufe des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens wiederholt deutlich gemacht, dass er mitzuwirken und alle relevanten Tatsachen, auf die er sein Asylbegehren stützt, vorzubringen hat. Darüber hinaus hat er, der Kläger, drei verschiedene Anwälte. Es ist dem Gericht überdies nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht von sich aus die Tatsachen vorbringt, auf die er sein gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geäußertes Schutzbegehren stützen will. Das neue Vorbringen, erst kurz vor bzw. in der mündlichen Verhandlung, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nach erneutem Anwaltswechsel durch den Kläger aus asyltaktischen Motiven aufgebauscht worden zu sein, um Vorteile im Asylverfahren zu erlangen.

Darüber hinaus fällt auf, dass weder der Kläger noch sein Freund, der Kläger des Verfahrens W 8 K 18.30770, mit dem er sein Verfolgungsschicksal teilweise teilt und der denselben Einwand zum Dolmetscher vorgebracht hat, die gleiche Begründung genannt haben wie im Anwaltsschriftsatz vom 27. August 2018, nämlich dass andernfalls die Eltern und Geschwister und sie selbst bei einer Rückkehr in Gefahr gerieten. Demgegenüber brachte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor, sie sollten nicht sagen, dass die Miliz gegen Terroristen kämpfe. Es wäre schlimm, wenn sie darüber redeten. Die Politiker würden es nicht glauben. Der Freund gab an, sie sollten es nicht erzählen, weil die Miliz ein Teil der Armee sei. Erst auf gerichtlichen Vorhalt räumte der Kläger auch den schriftlich vorgebrachten Grund ein. Auch im Weiteren zeigt sich das Bild bei Widersprüchen, dass der Kläger erst auf gerichtlichen Vorhalt ohne weitere Vertiefung Betreffendes einräumte, aber die Widersprüche letztlich nicht überzeugend aufzulösen vermochte.

Auch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftstück auf Arabisch von den Eltern des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Schriftstück, das auf Aufforderung des Klägers bzw. dessen Bevollmächtigten von den Eltern gefertigt wurde, ist als Gefälligkeitsschreiben zu werten. Es hat keinen offiziellen Charakter. Zudem wird dort nur pauschal von den zwei Verhaftungen des Klägers sowie dem Tod seines Bruders berichtet, ohne substanziiert und in Einzelheiten auf die Vorfälle einzugehen. Auffällig ist weiterhin, dass der Vater des Klägers die angeblich eigene Verhaftung und die erlittenen Gesundheitsschäden nicht erwähnt und auch sonst dem Schreiben nicht zu entnehmen ist, dass konkret bezogen auf den Kläger bei der Rückkehr nunmehr eine Gefahr der Inhaftierung oder Zwangsrekrutierung und dergleichen konkret drohen sollte.

Abgesehen davon ist auch das neue schriftliche, wie auch mündliche, Vorbringen des Klägers in sich widersprüchlich und ungereimt, so dass erhebliche und durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben bestehen.

Dies gilt schon für die zeitlichen Angaben. Während in dem Schreiben vom 27. August 2018 ausdrücklich steht, dass die erste Verhaftung Anfang 2014 gewesen sei und die zweite Verhaftung im Juni 2014, erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, die erste Verhaftung sei Anfang 2015 gewesen und die zweite Verhaftung kurz vor der Ausreise, etwa im März. Der Freund trug im Verfahren W 8 K 18.30770 wiederum abweichend vor, der Vorfall der ersten Verhaftung sei im Jahr 2015 gewesen. Er schätze es sei drei bis vier Monate vor der Ausreise im August gewesen.

Weiterhin neu und gesteigert ist das Vorbringen zu den Anwerbeversuchen. Während diese bislang nur allgemein und pauschal vorgetragen wurden, erwähnte der Kläger in dem Schreiben vom 27. August 2018 ausdrücklich eine Inhaftierung durch eine Miliz, die IS-Anhänger gesucht habe und den Bruder seines Freundes beschuldigt habe. Der Kläger sowie sein Freund, der Kläger des Verfahrens W 8 K 18.30770, seien inhaftiert worden. Demgegenüber gab der Freund zunächst an, Grund der Verhaftung sei gewesen, dass aus den beiden Freunden nun Männer gemacht werden sollten. Erst auf Vorhalt räumte der Kläger ein, dass dies auch so gewesen sei. Beides seien die Gründe gewesen.

Des Weiteren brachte der Kläger vor, sie seien auch bei der ersten Verhaftung geschlagen worden, um herauszupressen, wo der Bruder seines Freundes sei. Demgegenüber gab der Freund in seiner Verhandlung an, zunächst sei ein Grund für die Schläge gewesen, dass er einen der Milizionäre geschubst habe. Erst auf Vorhalt räumte er ein, dass der Bruder auch ein Grund gewesen sei. Der Kläger räumte ebenfalls erst auf gerichtlichen Vorhalt ein, dass auch ein Grund gewesen sei, dass der Freund einen Milizionär wegen seiner Mutter geschubst habe.

Widersprüchlich und deshalb unglaubhaft sind des Weiteren die Angaben zu den Umständen der Freilassung nach der ersten Verhaftung. Im schriftlichen Vorbringen ließ der Kläger erklären, sie seien nur deshalb wieder freigelassen worden, weil die Milizen mittlerweile den Bruder seines Freundes festgenommen hätten. Demgegenüber erklärte sein Freund, der Bruder sei mit älteren Leuten zu den Milizionären hin und habe die Freilassung gefordert. Demgegenüber erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, ältere Leute hätten mit den Milizionären geredet. Es seien Nachbarn gewesen. Sie seien hin und hätten mit ihnen geredet, damit sie frei kämen. Die Milizionäre hätten sie dann einfach frei gelassen, weil auch der Bruder gekommen sei. Der Bruder sei einfach danach gekommen. Nachdem der Bruder gekommen sei, seien sie raus. Was der Bruder nach seiner Freilassung gemacht habe, wisse er nicht. So konnte letztlich nicht geklärt werden, ob der Bruder des Freundes sich freiwillig gestellt hat, etwa weil er zusammen mit den anderen Menschen hingegangen ist, um die Freilassung zu fordern, oder ob er zwischenzeitlich von den Milizionären festgenommen worden ist.

Weiter gab der Kläger schriftlich an, er sei erneut von den Milizen verfolgt worden. Wegen seines Namens und seiner Herkunft aus Sabri, sei ihm die IS-Mitgliedschaft unterstellt worden. Demgegenüber erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung dazu, er sei in eine Kontrolle gekommen und habe aber keine Ausweise dabei gehabt. Man habe ihm auch vorgeworfen, da er gesagt habe, er komme aus Sabri, dass er mit den Terroristen gekämpft habe.

Widersprüchlich ist weiter die Angabe im Anwaltsschreiben, dass der Bruder des Klägers bei einer gewaltsamen Kampfhandlung erschossen worden sei, während in der mündlichen Verhandlung die Rede davon war, dass er durch eine Rakete oder Mine (laut Freund) ums Leben gekommen sei.

Abgesehen davon ist selbst bei einer Wahrunterstellung nicht zwingend, dass dem Kläger bei einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung oder Inhaftierung droht. Zum einen hat sein Freund in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens W 8 K 18.30770 selbst ausgesagt, wenn man daheim bleibe und sich ruhig verhalte, passiere nichts. Darüber hinaus sind sowohl Verwandte des Freundes als auch die Familie bzw. die Großfamilie des Klägers noch in Libyen vor Ort, ohne dass der Kläger berichtet hätte, dass - abgesehen von dem einen Bruder - weiteren Familienmitgliedern die Gefahr der Zwangsrekrutierung gedroht habe. Darüber ist auch in dem vorgelegten Schreiben der Eltern des Klägers nichts enthalten. Dem Gericht erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht aus eigenem Antrieb, gegebenenfalls weitere konkreten Erkundigungen in dieser Richtung eingezogen hat, die auf eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende ernsthafte Gefahr für ihn hindeuten. Gerade, wenn jemand eine Verfolgung oder ernsthafte Gefahren befürchtet - und damit sein Asylbegehren in Deutschland begründet -, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Gefahr zu besorgen und gegebenenfalls auch entsprechende aussagekräftige Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen.

Im Übrigen haben die Umstände der zweiten Verhaftung und die Freilassung bei der zweiten Verhaftung gezeigt, dass der Kläger bzw. sein Vater über Einflussmöglichkeiten verfügen, um auf die Milizen einzuwirken und dort ebenso, wie beim Vater, klarzustellen, dass sie nicht Mitglieder oder Sympathisanten einer gegnerischen Miliz sind.

Nach alledem fehlt es an einem glaubhaften, in sich stimmigen und widerspruchsfreien Vorbringen des Klägers, das Basis für die Annahme einer bestehenden Verfolgungsgefahr oder sonst einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben sein könnte.

Nach der Auskunftslage ist das Gericht auch sonst nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr Verfolgung oder sonst ein ernsthafter Schaden droht (vgl. § 4 Abs. 1 AsylG).

Zwar ist zusammengefasst nach der Erkenntnislage von folgender Situation in Libyen auszugehen:

Nach dem Auswärtigen Amt (Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018) befindet sich Libyen Mitte 2018 im siebten Jahr nach dem Tod des Diktators Gaddafi weiterhin im politischen Umbruch. Landesweite Sicherheit bleibt die größte und wichtigste Herausforderung des seit Dezember 2015 bestehenden Präsidialrats. Große Teile des Landes und der Gesellschaft werden von Milizen kontrolliert, andere Teile sind praktisch unregiert. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung einer Art staatlicher Kontrolle. Eine der größten Gefahren für die Bevölkerung ist es, als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Menschenrechtsverletzungen in Libyen sind an der Tagesordnung. Die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge. Aber auch Libyer sind Menschenrechtsverletzungen durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, ohne sich dagegen wirksam schützen zu können. Ein einheitliches funktionierendes Rechtssystem steht nicht zur Verfügung. Besonders betroffen sind Minderheiten. Die Sicherheitslage in Libyen ist instabil. Dem Präsidialrat gegenüber loyalen Milizen aus der westlibyschen Stadt Misrata gelang es den sogenannten IS im Dezember 2016 aus seiner Hochburg in der zentrallibyschen Küstenstadt Sirte zu vertreiben. Er ist weiterhin in Libyen aktiv und hat auch 2017 bis 2018 Anschläge verübt. In Ostlibyen geht General Haftar gegen islamistische und dschihadistische Gruppen mit wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor. Auch Tripolis ist faktisch im Einflussbereich von vier Milizen. Eine davon ist die salafistische Rada-Miliz. Diese Miliz übt inzwischen die vollständige Kontrolle über den einzigen funktionstüchtigen Flughafen (M.) von Tripolis und das dort gelegene größte Gefängnis Westlibyens aus. Einer Vielzahl von Milizen werden Folter und standrechtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Auch die im Osten vorherrschende LNA ist kein einheitliches Gebilde, vielmehr eine Klammer für einzelne Milizen, die auch eigene Interessen verfolgen und denen ihrerseits Menschenrechtsverletzungen sowie die Hinnahme ziviler Opfer nachgesagt werden.

Alle Konfliktparteien verübten wahllose sowie gezielte Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete, die zum Tod von Zivilpersonen und der rechtswidrigen Tötungen führten. Tausende Menschen wurden von bewaffneten Gruppen verschleppt, willkürlich festgenommen und zeitlich unbegrenzt inhaftiert. In den Gefängnissen waren Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung. Menschen wurden aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer Herkunft, ihrer vermuteten politischen Zugehörigkeit und ihres mutmaßlichen Reichtums von bewaffneten Gruppen und Milizen verschleppt und rechtswidrig inhaftiert (Amnesty International, Report Libyen 2017/2018).

Die Lage im ganzen Land ist extrem unübersichtlich und unsicher. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte. In Abwesenheit staatlicher Kontrolle über das gesamte Territorium setzen sich Dutzende rivalisierende Milizen und militärischen Streitkräfte mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Allianzen straffrei über internationales Recht hinweg. Rivalisierende Milizen und militärische Streitkräfte entführen Personen und lassen diese verschwinden, foltern, inhaftieren willkürlich und führen ungesetzliche Tötungen durch (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017).

Das Gericht geht gleichwohl davon aus, dass dem Kläger kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob derzeit in Libyen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht (vgl. bejahend VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris; VG Ansbach, U.v. 29.3.2018 - AN 10 K 16.32482 - juris; offengelassen VG Chemnitz, U.v. 31.5.2018 - 7 K 2166/16.A - juris; U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; U.v. 2.1.2018 - 7 K 692/16.A - juris; jeweils mit weiteren Nachweisen). Denn selbst wenn, ist die Gefahrendichte jedenfalls nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in die Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).

Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt ist, reichen grundsätzlich nicht, eine individuelle Bedrohung zu begründen. Es ist auch nichts von einer Gefahrendichte ersichtlich, dass hier für jedermann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben besteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass jedenfalls ein Risiko von 1:800 bzw. 1:1.000 in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 und 10 C 11.10 - juris Rn. 20). Ein solcher Gefährdungsgrad ist bei weitem nicht ersichtlich. Dem Gericht fehlen gegenteilige Erkenntnisse. Auch die Klägerseite hat Entsprechendes nicht substanziiert vorgebracht.

Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht erkennbar. Die bloße Aufforderung, durch andere, sich ebenfalls einer Miliz oder sonstigen Gruppierung anzuschließen, rechtfertigt bei weitem nicht die Annahme einer politischen Verfolgung oder eines drohenden ernsthaften Schadens (so VG Bayreuth, U.v. 5.7.2017 - B 4 K 16.31506 - juris). Sonstige gefahrerhöhende Umstände, die eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG bedeuten würden, sind nicht gegeben. Vielmehr ist jedenfalls einem alleinstehenden jungen Mann zumutbar, nach Libyen zurückzukehren (so im Ergebnis auch VG Chemnitz, U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; VG Dresden, U.v. 26.1.2018 - 12 K 2548/16.A - juris; U.v. 26.9.2017 - 12 K 304/17.A - juris; VG Würzburg, U.v. 13.9.2017 - W 2 K 17.32898 - juris).

Dem Kläger droht insbesondere auch kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG infolge Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung. Zwar hat das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht angegeben (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018, S. 15), es ist davon auszugehen, dass zurückkehrende Libyer, insbesondere dann, wenn sie durch ausländische Polizei begleitet werden, Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Misstrauen erwecken und bei der Einreise strengen Kontrollen unterzogen werden. Eine anschließende Inhaftierung ist insbesondere am Flughafen M., der von der salafistischen Rada-Miliz kontrolliert wird, nicht auszuschließen. Es gibt Berichte von Menschenrechtsverletzungen in diesem Gefängnis. Es ist davon auszugehen, dass die salafistische Rada-Miliz, die den Flughafen M. und das dort befindliche Gefängnis kontrolliert, Listen von gesuchten Libyern einsehen kann und bei der Einreisekontrolle strenge Maßstäbe anlegt. Auch die anderen libyschen Flughäfen werden von bewaffneten Gruppen kontrolliert, die meist ihre eigenen Kriterien für Einreise, Befragung und Festnahme setzen. Einzelfalluntersuchungen des Risikos für Abzuschiebende werden in diesem Licht durchzuführen zu sein.

Insofern ist jedoch festzuhalten, dass bei dem Kläger auch insoweit individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen. Darüber hinaus kann sich der Kläger nicht darauf berufen, im Falle einer Abschiebung wegen einer möglichen Polizeibegleitung erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein, weil ihm eine freiwillige Rückkehr zumutbar ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BverwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris).

Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen - in dem schon ausführliche dargelegt ist, dass das Existenzminimum des Klägers bei einer Rückkehr gesichert und die Grundversorgung in Libyen gewährleistet ist (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018, S. 14 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017, S. 14 f.) - und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Kläger ist noch jung und erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt für sich durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Libyen noch lebenden (Groß-)Familie zurückzugreifen. Insofern ist die Lage nicht anders als bei zahlreichen Landsleuten in vergleichbarer Lage (ebenso VG Chemnitz, U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; VG Dresden, U.v. 26.1.2018 - 12 K 2548/16.A - juris; U.v. 26.9.2017 - 12 K 304/17.A - juris; VG Würzburg, U.v. 13.9.2017 - W 2 K 17.32898 - juris).

Nach dem vorstehend Gesagten sind insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.

2

Er stellte im Oktober 1992 einen Asylantrag. Nachdem er unbekannt verzogen war, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - den Antrag mit Bescheid vom 8. November 1993 als offensichtlich unbegründet ab. Einen weiteren Asylantrag unter einem Aliasnamen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24. September 1993 ab.

3

Im November 1994 wurde der Kläger von den französischen Behörden wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Aktionen in Algerien festgenommen. Das Tribunal de Grande Instance de Paris verurteilte ihn am 22. Januar 1999 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.

4

Nachdem der Kläger im März 2001 aus französischer Haft entlassen worden war, stellte er im Juli 2001 in Deutschland einen Asylfolgeantrag, den er auf die überregionale Berichterstattung über den Strafprozess in Frankreich und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Algerien stützte. Er gab an, nie für eine terroristische Vereinigung aktiv gewesen zu sein; der Prozess in Frankreich sei eine Farce gewesen. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 lehnte das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Algeriens fest. Angesichts der Berichterstattung über den Strafprozess müsse davon ausgegangen werden, dass der algerische Auslandsgeheimdienst den Prozess beobachtet habe und der Kläger in das Blickfeld algerischer Behörden geraten sei. Bei einer Rückkehr nach Algerien bestehe deshalb die beachtliche Gefahr von Folter und Haft.

5

Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 nahm das Bundesamt den Anerkennungsbescheid vom 15. Oktober 2002 mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die Feststellung sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, da das Vorliegen der Ausnahmetatbestände in § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 3 AuslG verkannt worden sei. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in Frankreich stehe fest, dass der Kläger eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2006 aufgehoben, da das Bundesamt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG versäumt habe.

6

Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein, in dessen Verlauf der Kläger bestritt, dass sich die Verhältnisse in Algerien entscheidungserheblich geändert hätten. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Darüber hinaus stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Durch die im September 2005 per Referendum angenommene "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" sowie die zu deren Umsetzung erlassenen Vorschriften habe Algerien weitgehende Straferlasse für Mitglieder islamistischer Terrorgruppen eingeführt. Die Amnestieregelungen würden konsequent und großzügig umgesetzt und fänden auch nach Ablauf des vorgesehenen Stichtags weiter Anwendung. Der Kläger habe daher im Falle seiner Rückkehr nach Algerien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgung zu befürchten.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid durch Urteil vom 20. Mai 2008 aufgehoben, da dem Widerruf bereits die Rechtskraft des Urteils vom 27. Oktober 2006 entgegenstehe. Der angefochtene Widerruf erweise sich im Ergebnis als eine die Rücknahme vom 1. Juni 2005 ersetzende Entscheidung.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Dezember 2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar stehe die Rechtskraft des die Rücknahme aufhebenden Urteils dem Widerruf nicht entgegen, denn die Streitgegenstände dieser beiden Verwaltungsakte seien nicht identisch. Dennoch erweise sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, da die Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht vorlägen. Dieser sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur möglich, wenn der Betroffene wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Heimatstaat vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Er falle nicht unter die Stichtagsregelung der Amnestieregelung; ob die Anwendungspraxis auch den Fall des Klägers erfasse, sei unsicher. Angesichts der weiterhin bestehenden Repressionsstrukturen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Liberalisierung in Algerien nicht vorhanden.

9

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von dem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie würde selbst ein Vorverfolgter nur durch die widerlegbare Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie privilegiert. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sei beim Widerruf eines nicht Vorverfolgten der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

10

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil aus den Gründen der Ausgangsentscheidung. Darüber hinaus macht er geltend, dass einem anerkannten Flüchtling aufgrund seines Aufenthalts in der Bundesrepublik und des Vertrauens auf seinen gefestigten Status ein größerer Schutz zu gewähren sei als einem Asylbewerber bei der Entscheidung über seine Anerkennung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet, denn das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar hat das Berufungsgericht den Widerrufsbescheid zu Recht sachlich geprüft und nicht bereits wegen des aus der Rechtskraft folgenden Wiederholungsverbots aufgehoben (1.). Es hat aber der Verfolgungsprognose, die es bei Prüfung der Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gestellt hat, einen unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt (2.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache weder in positiver noch in negativer Hinsicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Dem Erlass des streitgegenständlichen Widerrufsbescheids steht nicht entgegen, dass die zuvor verfügte Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung im Vorprozess rechtskräftig aufgehoben worden ist. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage daran gehindert, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <257 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 28. Januar 2010 - BVerwG 4 C 6.08 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 99). Das Wiederholungsverbot erfasst aber nur inhaltsgleiche Verwaltungsakte, d.h. die Regelung desselben Sachverhalts durch Anordnung der gleichen Rechtsfolge (Urteil vom 30. August 1962 - BVerwG 1 C 161.58 - BVerwGE 14, 359 <362> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 4 und Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 - BVerwGE 29, 210 <213 f.>).

13

In Anwendung dieser Kriterien erweisen sich Rücknahme einer Flüchtlingsanerkennung wegen Nichtbeachtung zwingender Ausschlussgründe und deren Widerruf wegen Wegfalls der sie begründenden Umstände nicht als inhaltsgleich. Zwar erfolgte die Rücknahme im Fall des Klägers nur mit Wirkung für die Zukunft, so dass die beiden Verwaltungsakte auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet waren (vgl. aus einer anderen Perspektive Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>). Aber die den beiden Aufhebungsakten zugrunde liegenden rechtlichen Voraussetzungen und die hierbei zu berücksichtigenden Tatsachen unterscheiden sich: Während die Rücknahme auf einer anderen rechtlichen Beurteilung eines vergangenen Sachverhalts beruht, stützt sich der Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG auf eine nach der Anerkennung eingetretene Sachverhaltsänderung. Daher greift das Wiederholungsverbot im vorliegenden Fall nicht.

14

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798). Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Daher sind die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - juris Rn. 9; zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen).

16

Der angefochtene Bescheid erweist sich nicht deshalb als rechtswidrig, weil das Bundesamt bei seiner Widerrufsentscheidung kein Ermessen ausgeübt hat. Durch die klarstellende Neuregelung in § 73 Abs. 7 AsylVfG ist geklärt, dass in den Fällen, in denen - wie vorliegend - die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hat. Damit hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Altanerkennungen getroffen und festgelegt, bis wann diese auf einen Widerruf oder eine Rücknahme zu überprüfen sind. Daraus folgt, dass es vor einer solchen Prüfung und Verneinung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen in dem seit dem 1. Januar 2005 vorgeschriebenen Verfahren (Negativentscheidung) keiner Ermessensentscheidung bedarf (Urteil vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 53.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 31 Rn. 13 ff.).

17

Das Berufungsurteil ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen und speziell mit Blick auf den der Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG auszulegen ist. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie). Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.

18

a) Diese unionsrechtlichen Vorgaben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) dahingehend konkretisiert, dass der in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie angesprochene "Schutz des Landes" sich nur auf den bis dahin fehlenden Schutz vor den in der Richtlinie aufgeführten Verfolgungshandlungen bezieht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 67, 76, 78 f.). Dazu hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung verhält. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG sieht - ebenso wie Art. 1 C Nr. 5 GFK - vor, dass die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn die Umstände, aufgrund derer sie zuerkannt wurde, weggefallen sind, wenn also die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht mehr vorliegen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 65). Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes seiner Staatsangehörigkeit befindet, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 66), soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss (ebd. Rn. 76). Die Umstände, die zur Zuerkennung oder umgekehrt zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft führen, stehen sich mithin in symmetrischer Weise gegenüber (so EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 68).

19

Mit Blick auf die Maßstäbe für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 der Richtlinie hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72). Dafür muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 73).

20

aa) Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, denn reiner Zeitablauf bewirkt für sich genommen keine Sachlagenänderung. Allerdings sind wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt (vgl. Urteile vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <84> und vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <124 f.>).

21

Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Danach setzte der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung voraus, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 277 <281> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 18; so auch das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung). Dieser gegenüber der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abgesenkte Maßstab ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt worden. Er wurde dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen und hat schließlich Eingang in die Widerrufsvoraussetzungen gefunden, soweit nicht eine gänzlich neue oder andersartige Verfolgung geltend gemacht wird, die in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der früheren steht (Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26).

22

Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG fremd. Sie verfolgt vielmehr bei einheitlichem Prognosemaßstab für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt (Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 20 ff. und vom 7. September 2010 - BVerwG 10 C 11.09 - juris Rn. 15). Das ergibt sich neben dem Wortlaut der zuletzt genannten Vorschrift auch aus der Entstehungsgeschichte, denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Demzufolge gilt unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 ; Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22).

23

Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich der Maßstab der Erheblichkeit für die Veränderung der Umstände danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.). Die Richtlinie kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird. Es spricht viel dafür, dass die Mitgliedstaaten hiervon in Widerrufsverfahren nicht nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können. Denn die zwingenden Erlöschensgründe dürften zu den Kernregelungen zählen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind, um das von der Richtlinie 2004/83/EG geschaffene System nicht zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09, B und D - NVwZ 2011, 285 Rn. 120 zu den Ausschlussgründen). Das kann aber hier dahinstehen, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an den oben dargelegten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben des nationalen Rechts festhalten wollte. Vielmehr belegt der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht hat.

24

bb) Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Senat hat in einem Fall, in dem ein verfolgendes Regime gestürzt worden ist (Irak), bereits entschieden, dass eine Veränderung in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden kann, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>; Beschluss vom 7. Februar 2008 a.a.O. juris Rn. 37), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 90). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden.

25

b) Das Berufungsgericht hat vorliegend bei seiner Verfolgungsprognose den Maßstab der hinreichenden Sicherheit zugrunde gelegt. Damit hat es § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG verletzt; auf dieser Verletzung beruht die Berufungsentscheidung. Da das Berufungsgericht seine tatsächlichen Feststellungen unter einem - wie dargelegt - rechtlich unzutreffenden Maßstab getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn es ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung des Betroffenen zugrunde lagen, eine Gefahrenprognose unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zu erstellen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

2

Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.

3

Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.

4

Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.

5

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.

6

Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.

7

Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.

8

Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.

9

Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.

10

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12

1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.

13

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 ). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).

14

Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.

15

3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).

16

Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.

17

Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.

18

a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

19

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

20

Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.

21

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).

22

Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).

23

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).

24

b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.

25

Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183 ; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.

26

Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.

27

4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

28

5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.

29

Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan - ) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.

(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.

(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.

(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.

(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.

(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.

(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.

(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.

(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der am …1999 geborene Kläger, ein libyscher Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 2. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 8. Oktober 2015 einen Asylantrag. Zur Begründung des Asylantrages gab der Kläger im Wesentlichen an: Wegen des Krieges in Libyen gebe es keine Schule und Ausbildung. Das Leben sei schwer und die Lebensmittel teuer geworden. Wegen der Unruhen und Schießereien sei er mit seiner Familie in einen anderen Stadtteil gezogen. Das eigene Zuhause sei zerstört worden.

Mit Bescheid vom 9. November 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung nach Libyen oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorbringen zum Krieg, den Unruhen und den Schießereien in Libyen könne nicht zur Gewährung des Flüchtlingsschutzes führen. Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr aufgrund der dortigen Situation keine erhebliche und individuelle Gefahr aufgrund willkürlicher Gewalt. Erforderlich sei eine Verdichtung, die das für die Schutzgewährung erforderliche Niveau erreiche. Vom Bestehen eines landesweiten Konflikts könne nicht ausgegangen werden. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig sowie ledig. Er könne sich eine existenzsichernde Grundlage schaffen. Er verfüge über schulische Bildung. Außerdem verfüge er über ein großes Familiennetzwerk in seinem Heimatland Libyen.

Nachdem der Kläger am 27. Oktober 2017 zunächst Untätigkeitsklage erhoben hatte, ließ er durch seine Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 21. November 2017, bei Gericht eingegangen am 21. November 2017, Klage gegen den zwischenzeitlich erlassenen streitgegenständlichen Bescheid erheben.

Mit Schriftsatz seines neuen Bevollmächtigten vom 27. August 2018 ließ der Kläger ausführen: Er habe ein neues Dokument in arabischer Sprache vom Vater des Klägers und von der Mutter unterzeichnet. In S. hätten er und sein Freund einen Dolmetscher und Betreuer kennengelernt. Dieser habe geäußert, sie sollten in der persönlichen Anhörung keinesfalls Angaben über Milizen in Libyen tätigen, weil die in Libyen verbliebenen Verwandten in erhebliche Gefahr geraten würden wie sie auch selbst. Der Kläger habe daher keine Angaben zu den Übergriffen getätigt. Der Kläger habe bis 2013 in einem Ortsteil von Benghasi gewohnt. Dort lebten IS-Kämpfer und deren Familien. Es sei nicht mehr möglich gewesen, auf die Straße zu gehen. Anschließend hätten Kampfhandlungen stattgefunden. Der Kläger, seine Eltern sowie seine damals fünf Geschwister hätten das Haus verlassen, welches komplett zerstört worden sei. Sie seien dann in einen anderen Ortsteil von Benghasi gezogen. In diesem Ortsteil habe die Miliz geherrscht. Da der Kläger aber aus S. stamme, in dem die IS-Anhänger lebten, habe die Miliz gemeint, der Kläger selbst und seine Familie seien IS-Angehörige. Beim Freund sei eine Kontrolle durchgeführt worden. Die Milizen hätten den Kläger sowie den Freund mitgenommen und für vier Tage in ein Gefangenenlager verbracht. Der Kläger sei geschlagen worden, um herauszupressen, ob er selbst beim IS sei und ob er wisse, wo sei Bruder des Freundes sei. Sie seien wieder freigelassen worden, weil die Milizen mittlerweile den gesuchten Bruder des Freundes festgenommen hätten. Dies sei Anfang 2014 gewesen. Der Kläger sei ein weiteres Mal in Gefangenschaft geraten. Der Vater habe die Miliz über einen Bekannten überzeugt, dass der Kläger nicht IS-Angehöriger sei. Dies sei Juni 2014 gewesen. Der Vater des Klägers sei von Milizen ins Gefängnis gesteckt worden. Der Bruder des Klägers sei im Alter von 15 Jahren im Jahr 2017 ebenso wie der Kläger gefangen genommen worden. Vom Bruder sei erwartet worden, dass er sich den Milizen anschließe. Bei einer gewaltsamen Kampfhandlung sei der Bruder erschossen worden. Seit der Vater des Klägers von den Milizen im Gefängnis gewesen sei, sei dieser gesundheitlich aufgrund der Übergriffe so schwer gezeichnet, dass er nicht mehr laufen könne. Durch diese Vorkommnisse habe der Kläger den Entschluss gefasst, Libyen zu verlassen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. November 2017,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Januar 2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 24. Mai 2018 lehnte das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Prozessbevollmächtigten ab.

In der mündlichen Verhandlung am 3. September 2018 beantragte der Klägerbevollmächtigte,

die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Des Weiteren machte das Gericht die Akten des Verfahrens W 8 K 18.30770 zum Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Asyl. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Libyen politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 - 9 C 59/91 - Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).

Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 106.84 - BVerwGE 71, 180).

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder droht.

Der Kläger hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auch im Vergleich zum Vorbringen seines Freundes im Verfahren W 8 K 18.30770, welcher sich teilweise auf den gleichen Sachverhalt wie der Kläger bezieht, ungereimte und widersprüchliche sowie teils gesteigerte Angaben gemacht. Auf gerichtliche Fragen antwortete der Kläger teilweise auch ausweichend. Widersprüche und Ungereimtheiten konnte er trotz gerichtlicher Nachfragen und Vorhalte wiederholt nicht überzeugend auflösen. Demgegenüber ließ er eine zweifelsfreie, in sich stimmige Geschichte vermissen. So bleiben aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung letztlich durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens und einer darauf beruhenden tatsächlich drohenden ernsthaften Gefahr.

Auffällig ist schon, dass der Kläger - trotz Aufforderung nach § 87b Abs. 3 VwGO, alle relevanten Tatsachen vorzutragen -, erstmals und gesteigert mit Schreiben vom 27. August 2018, also wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung, vorgebracht hat, zweimal durch Milizen inhaftiert gewesen und geschlagen worden zu sein sowie ein Dokument seiner Eltern zu haben, obwohl er es nach eigenem Bekunden schon vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung in Händen gehabt habe. Der Einwand des Klägers, dass ein früherer Dolmetscher und Betreuer ihm gesagt habe, sie sollten keinesfalls Angaben über die Milizen in Libyen machen, weil die dort verbliebenen Eltern und Geschwister in erheblichen Gefahren gerieten und sie auch selbst, verfängt nicht. Dem Kläger wurde im Laufe des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens wiederholt deutlich gemacht, dass er mitzuwirken und alle relevanten Tatsachen, auf die er sein Asylbegehren stützt, vorzubringen hat. Darüber hinaus hat er, der Kläger, drei verschiedene Anwälte. Es ist dem Gericht überdies nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht von sich aus die Tatsachen vorbringt, auf die er sein gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geäußertes Schutzbegehren stützen will. Das neue Vorbringen, erst kurz vor bzw. in der mündlichen Verhandlung, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nach erneutem Anwaltswechsel durch den Kläger aus asyltaktischen Motiven aufgebauscht worden zu sein, um Vorteile im Asylverfahren zu erlangen.

Darüber hinaus fällt auf, dass weder der Kläger noch sein Freund, der Kläger des Verfahrens W 8 K 18.30770, mit dem er sein Verfolgungsschicksal teilweise teilt und der denselben Einwand zum Dolmetscher vorgebracht hat, die gleiche Begründung genannt haben wie im Anwaltsschriftsatz vom 27. August 2018, nämlich dass andernfalls die Eltern und Geschwister und sie selbst bei einer Rückkehr in Gefahr gerieten. Demgegenüber brachte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor, sie sollten nicht sagen, dass die Miliz gegen Terroristen kämpfe. Es wäre schlimm, wenn sie darüber redeten. Die Politiker würden es nicht glauben. Der Freund gab an, sie sollten es nicht erzählen, weil die Miliz ein Teil der Armee sei. Erst auf gerichtlichen Vorhalt räumte der Kläger auch den schriftlich vorgebrachten Grund ein. Auch im Weiteren zeigt sich das Bild bei Widersprüchen, dass der Kläger erst auf gerichtlichen Vorhalt ohne weitere Vertiefung Betreffendes einräumte, aber die Widersprüche letztlich nicht überzeugend aufzulösen vermochte.

Auch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schriftstück auf Arabisch von den Eltern des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Schriftstück, das auf Aufforderung des Klägers bzw. dessen Bevollmächtigten von den Eltern gefertigt wurde, ist als Gefälligkeitsschreiben zu werten. Es hat keinen offiziellen Charakter. Zudem wird dort nur pauschal von den zwei Verhaftungen des Klägers sowie dem Tod seines Bruders berichtet, ohne substanziiert und in Einzelheiten auf die Vorfälle einzugehen. Auffällig ist weiterhin, dass der Vater des Klägers die angeblich eigene Verhaftung und die erlittenen Gesundheitsschäden nicht erwähnt und auch sonst dem Schreiben nicht zu entnehmen ist, dass konkret bezogen auf den Kläger bei der Rückkehr nunmehr eine Gefahr der Inhaftierung oder Zwangsrekrutierung und dergleichen konkret drohen sollte.

Abgesehen davon ist auch das neue schriftliche, wie auch mündliche, Vorbringen des Klägers in sich widersprüchlich und ungereimt, so dass erhebliche und durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben bestehen.

Dies gilt schon für die zeitlichen Angaben. Während in dem Schreiben vom 27. August 2018 ausdrücklich steht, dass die erste Verhaftung Anfang 2014 gewesen sei und die zweite Verhaftung im Juni 2014, erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, die erste Verhaftung sei Anfang 2015 gewesen und die zweite Verhaftung kurz vor der Ausreise, etwa im März. Der Freund trug im Verfahren W 8 K 18.30770 wiederum abweichend vor, der Vorfall der ersten Verhaftung sei im Jahr 2015 gewesen. Er schätze es sei drei bis vier Monate vor der Ausreise im August gewesen.

Weiterhin neu und gesteigert ist das Vorbringen zu den Anwerbeversuchen. Während diese bislang nur allgemein und pauschal vorgetragen wurden, erwähnte der Kläger in dem Schreiben vom 27. August 2018 ausdrücklich eine Inhaftierung durch eine Miliz, die IS-Anhänger gesucht habe und den Bruder seines Freundes beschuldigt habe. Der Kläger sowie sein Freund, der Kläger des Verfahrens W 8 K 18.30770, seien inhaftiert worden. Demgegenüber gab der Freund zunächst an, Grund der Verhaftung sei gewesen, dass aus den beiden Freunden nun Männer gemacht werden sollten. Erst auf Vorhalt räumte der Kläger ein, dass dies auch so gewesen sei. Beides seien die Gründe gewesen.

Des Weiteren brachte der Kläger vor, sie seien auch bei der ersten Verhaftung geschlagen worden, um herauszupressen, wo der Bruder seines Freundes sei. Demgegenüber gab der Freund in seiner Verhandlung an, zunächst sei ein Grund für die Schläge gewesen, dass er einen der Milizionäre geschubst habe. Erst auf Vorhalt räumte er ein, dass der Bruder auch ein Grund gewesen sei. Der Kläger räumte ebenfalls erst auf gerichtlichen Vorhalt ein, dass auch ein Grund gewesen sei, dass der Freund einen Milizionär wegen seiner Mutter geschubst habe.

Widersprüchlich und deshalb unglaubhaft sind des Weiteren die Angaben zu den Umständen der Freilassung nach der ersten Verhaftung. Im schriftlichen Vorbringen ließ der Kläger erklären, sie seien nur deshalb wieder freigelassen worden, weil die Milizen mittlerweile den Bruder seines Freundes festgenommen hätten. Demgegenüber erklärte sein Freund, der Bruder sei mit älteren Leuten zu den Milizionären hin und habe die Freilassung gefordert. Demgegenüber erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, ältere Leute hätten mit den Milizionären geredet. Es seien Nachbarn gewesen. Sie seien hin und hätten mit ihnen geredet, damit sie frei kämen. Die Milizionäre hätten sie dann einfach frei gelassen, weil auch der Bruder gekommen sei. Der Bruder sei einfach danach gekommen. Nachdem der Bruder gekommen sei, seien sie raus. Was der Bruder nach seiner Freilassung gemacht habe, wisse er nicht. So konnte letztlich nicht geklärt werden, ob der Bruder des Freundes sich freiwillig gestellt hat, etwa weil er zusammen mit den anderen Menschen hingegangen ist, um die Freilassung zu fordern, oder ob er zwischenzeitlich von den Milizionären festgenommen worden ist.

Weiter gab der Kläger schriftlich an, er sei erneut von den Milizen verfolgt worden. Wegen seines Namens und seiner Herkunft aus Sabri, sei ihm die IS-Mitgliedschaft unterstellt worden. Demgegenüber erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung dazu, er sei in eine Kontrolle gekommen und habe aber keine Ausweise dabei gehabt. Man habe ihm auch vorgeworfen, da er gesagt habe, er komme aus Sabri, dass er mit den Terroristen gekämpft habe.

Widersprüchlich ist weiter die Angabe im Anwaltsschreiben, dass der Bruder des Klägers bei einer gewaltsamen Kampfhandlung erschossen worden sei, während in der mündlichen Verhandlung die Rede davon war, dass er durch eine Rakete oder Mine (laut Freund) ums Leben gekommen sei.

Abgesehen davon ist selbst bei einer Wahrunterstellung nicht zwingend, dass dem Kläger bei einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung oder Inhaftierung droht. Zum einen hat sein Freund in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens W 8 K 18.30770 selbst ausgesagt, wenn man daheim bleibe und sich ruhig verhalte, passiere nichts. Darüber hinaus sind sowohl Verwandte des Freundes als auch die Familie bzw. die Großfamilie des Klägers noch in Libyen vor Ort, ohne dass der Kläger berichtet hätte, dass - abgesehen von dem einen Bruder - weiteren Familienmitgliedern die Gefahr der Zwangsrekrutierung gedroht habe. Darüber ist auch in dem vorgelegten Schreiben der Eltern des Klägers nichts enthalten. Dem Gericht erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht aus eigenem Antrieb, gegebenenfalls weitere konkreten Erkundigungen in dieser Richtung eingezogen hat, die auf eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende ernsthafte Gefahr für ihn hindeuten. Gerade, wenn jemand eine Verfolgung oder ernsthafte Gefahren befürchtet - und damit sein Asylbegehren in Deutschland begründet -, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Gefahr zu besorgen und gegebenenfalls auch entsprechende aussagekräftige Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen.

Im Übrigen haben die Umstände der zweiten Verhaftung und die Freilassung bei der zweiten Verhaftung gezeigt, dass der Kläger bzw. sein Vater über Einflussmöglichkeiten verfügen, um auf die Milizen einzuwirken und dort ebenso, wie beim Vater, klarzustellen, dass sie nicht Mitglieder oder Sympathisanten einer gegnerischen Miliz sind.

Nach alledem fehlt es an einem glaubhaften, in sich stimmigen und widerspruchsfreien Vorbringen des Klägers, das Basis für die Annahme einer bestehenden Verfolgungsgefahr oder sonst einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben sein könnte.

Nach der Auskunftslage ist das Gericht auch sonst nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr Verfolgung oder sonst ein ernsthafter Schaden droht (vgl. § 4 Abs. 1 AsylG).

Zwar ist zusammengefasst nach der Erkenntnislage von folgender Situation in Libyen auszugehen:

Nach dem Auswärtigen Amt (Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018) befindet sich Libyen Mitte 2018 im siebten Jahr nach dem Tod des Diktators Gaddafi weiterhin im politischen Umbruch. Landesweite Sicherheit bleibt die größte und wichtigste Herausforderung des seit Dezember 2015 bestehenden Präsidialrats. Große Teile des Landes und der Gesellschaft werden von Milizen kontrolliert, andere Teile sind praktisch unregiert. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung einer Art staatlicher Kontrolle. Eine der größten Gefahren für die Bevölkerung ist es, als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Menschenrechtsverletzungen in Libyen sind an der Tagesordnung. Die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge. Aber auch Libyer sind Menschenrechtsverletzungen durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, ohne sich dagegen wirksam schützen zu können. Ein einheitliches funktionierendes Rechtssystem steht nicht zur Verfügung. Besonders betroffen sind Minderheiten. Die Sicherheitslage in Libyen ist instabil. Dem Präsidialrat gegenüber loyalen Milizen aus der westlibyschen Stadt Misrata gelang es den sogenannten IS im Dezember 2016 aus seiner Hochburg in der zentrallibyschen Küstenstadt Sirte zu vertreiben. Er ist weiterhin in Libyen aktiv und hat auch 2017 bis 2018 Anschläge verübt. In Ostlibyen geht General Haftar gegen islamistische und dschihadistische Gruppen mit wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor. Auch Tripolis ist faktisch im Einflussbereich von vier Milizen. Eine davon ist die salafistische Rada-Miliz. Diese Miliz übt inzwischen die vollständige Kontrolle über den einzigen funktionstüchtigen Flughafen (M.) von Tripolis und das dort gelegene größte Gefängnis Westlibyens aus. Einer Vielzahl von Milizen werden Folter und standrechtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Auch die im Osten vorherrschende LNA ist kein einheitliches Gebilde, vielmehr eine Klammer für einzelne Milizen, die auch eigene Interessen verfolgen und denen ihrerseits Menschenrechtsverletzungen sowie die Hinnahme ziviler Opfer nachgesagt werden.

Alle Konfliktparteien verübten wahllose sowie gezielte Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete, die zum Tod von Zivilpersonen und der rechtswidrigen Tötungen führten. Tausende Menschen wurden von bewaffneten Gruppen verschleppt, willkürlich festgenommen und zeitlich unbegrenzt inhaftiert. In den Gefängnissen waren Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung. Menschen wurden aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer Herkunft, ihrer vermuteten politischen Zugehörigkeit und ihres mutmaßlichen Reichtums von bewaffneten Gruppen und Milizen verschleppt und rechtswidrig inhaftiert (Amnesty International, Report Libyen 2017/2018).

Die Lage im ganzen Land ist extrem unübersichtlich und unsicher. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte. In Abwesenheit staatlicher Kontrolle über das gesamte Territorium setzen sich Dutzende rivalisierende Milizen und militärischen Streitkräfte mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Allianzen straffrei über internationales Recht hinweg. Rivalisierende Milizen und militärische Streitkräfte entführen Personen und lassen diese verschwinden, foltern, inhaftieren willkürlich und führen ungesetzliche Tötungen durch (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017).

Das Gericht geht gleichwohl davon aus, dass dem Kläger kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob derzeit in Libyen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht (vgl. bejahend VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris; VG Ansbach, U.v. 29.3.2018 - AN 10 K 16.32482 - juris; offengelassen VG Chemnitz, U.v. 31.5.2018 - 7 K 2166/16.A - juris; U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; U.v. 2.1.2018 - 7 K 692/16.A - juris; jeweils mit weiteren Nachweisen). Denn selbst wenn, ist die Gefahrendichte jedenfalls nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in die Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).

Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt ist, reichen grundsätzlich nicht, eine individuelle Bedrohung zu begründen. Es ist auch nichts von einer Gefahrendichte ersichtlich, dass hier für jedermann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben besteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass jedenfalls ein Risiko von 1:800 bzw. 1:1.000 in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 und 10 C 11.10 - juris Rn. 20). Ein solcher Gefährdungsgrad ist bei weitem nicht ersichtlich. Dem Gericht fehlen gegenteilige Erkenntnisse. Auch die Klägerseite hat Entsprechendes nicht substanziiert vorgebracht.

Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht erkennbar. Die bloße Aufforderung, durch andere, sich ebenfalls einer Miliz oder sonstigen Gruppierung anzuschließen, rechtfertigt bei weitem nicht die Annahme einer politischen Verfolgung oder eines drohenden ernsthaften Schadens (so VG Bayreuth, U.v. 5.7.2017 - B 4 K 16.31506 - juris). Sonstige gefahrerhöhende Umstände, die eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG bedeuten würden, sind nicht gegeben. Vielmehr ist jedenfalls einem alleinstehenden jungen Mann zumutbar, nach Libyen zurückzukehren (so im Ergebnis auch VG Chemnitz, U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; VG Dresden, U.v. 26.1.2018 - 12 K 2548/16.A - juris; U.v. 26.9.2017 - 12 K 304/17.A - juris; VG Würzburg, U.v. 13.9.2017 - W 2 K 17.32898 - juris).

Dem Kläger droht insbesondere auch kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG infolge Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung. Zwar hat das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht angegeben (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018, S. 15), es ist davon auszugehen, dass zurückkehrende Libyer, insbesondere dann, wenn sie durch ausländische Polizei begleitet werden, Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Misstrauen erwecken und bei der Einreise strengen Kontrollen unterzogen werden. Eine anschließende Inhaftierung ist insbesondere am Flughafen M., der von der salafistischen Rada-Miliz kontrolliert wird, nicht auszuschließen. Es gibt Berichte von Menschenrechtsverletzungen in diesem Gefängnis. Es ist davon auszugehen, dass die salafistische Rada-Miliz, die den Flughafen M. und das dort befindliche Gefängnis kontrolliert, Listen von gesuchten Libyern einsehen kann und bei der Einreisekontrolle strenge Maßstäbe anlegt. Auch die anderen libyschen Flughäfen werden von bewaffneten Gruppen kontrolliert, die meist ihre eigenen Kriterien für Einreise, Befragung und Festnahme setzen. Einzelfalluntersuchungen des Risikos für Abzuschiebende werden in diesem Licht durchzuführen zu sein.

Insofern ist jedoch festzuhalten, dass bei dem Kläger auch insoweit individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen. Darüber hinaus kann sich der Kläger nicht darauf berufen, im Falle einer Abschiebung wegen einer möglichen Polizeibegleitung erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein, weil ihm eine freiwillige Rückkehr zumutbar ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BverwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris).

Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen - in dem schon ausführliche dargelegt ist, dass das Existenzminimum des Klägers bei einer Rückkehr gesichert und die Grundversorgung in Libyen gewährleistet ist (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018, S. 14 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017, S. 14 f.) - und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Der Kläger ist noch jung und erwerbsfähig; ihm ist zuzumuten zur Sicherung seines Existenzminimums den notwendigen Lebensunterhalt für sich durch Erwerbstätigkeit zu verdienen und gegebenenfalls auf die Unterstützung durch Familienangehörige der in Libyen noch lebenden (Groß-)Familie zurückzugreifen. Insofern ist die Lage nicht anders als bei zahlreichen Landsleuten in vergleichbarer Lage (ebenso VG Chemnitz, U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; VG Dresden, U.v. 26.1.2018 - 12 K 2548/16.A - juris; U.v. 26.9.2017 - 12 K 304/17.A - juris; VG Würzburg, U.v. 13.9.2017 - W 2 K 17.32898 - juris).

Nach dem vorstehend Gesagten sind insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

Die Kläger sind staatenlose Palästinenser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Libyen. Der Kläger zu 1) wurde in Syrien geboren, lebt aber seit seinem 4. Lebensjahr in Libyen, seine Ehefrau, die Klägerin zu 2) sowie die Kinder, die weiteren Kläger, sind in Libyen geboren. Die Kläger reisten am 24. September 2014 über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, nachdem sie das Mittelmeer mit einem Boot Richtung Italien überquert hatten. Sie stellten am 30. September 2014 Asylantrag.

Die persönliche Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) erfolgte am 7. Mai 2015. Dabei gab der Kläger zu 1) im Wesentlichen an, dass er in Libyen in ... gelebt hatte, in der … Siedlung. Sie hätten das Land auf Grund des Krieges in Libyen und wegen der fehlenden Sicherheit dort verlassen. Sie seien vertrieben und hätten keinen sicheren Ort, um dort zu leben. Er wäre zwar persönlich nicht bedroht worden. Die Sicherheitslage wäre jedoch allgemein schlecht und sie würden nirgendwo mehr aufgenommen werden wegen ihrer palästinensischen Volkszugehörigkeit. Er hätte als staatenloser Palästinenser in Libyen keine Rechte gehabt. Die Situation dort wäre unbeschreiblich gewesen. Er hätte auch nicht in einen anderen Landesteil gehen können, denn er hätte sich dort nicht frei bewegen können. Er hätte manchmal eine ganze Woche zu Hause bleiben müssen und dann die Kinder nicht versorgen können. Nach Syrien könne er nicht gehen, denn wenn er Libyen verlassen würde, würde man ihn nicht wieder reinlassen. Außerdem würde er in Syrien zum Wehrdienst eingezogen werden. Die Klägerin zu 2) schloss sich bei der persönlichen Anhörung den Ausführungen ihres Ehemannes an und ergänzte, dass ihr Mann blond sei und die Libyer großen Hass gegen die Palästinenser hätten. Die Palästinenser würden als Verräter betrachtet, weil sie während der libyschen Revolution zu Gaddafi gehalten haben. Der Kläger zu 1) äußerte sich im Behördenverfahren unter dem 27. November 2015 zudem noch schriftlich gegenüber dem Bundesamt und führte insbesondere aus, in Libyen gäbe es auf Grund der fehlenden Regierung keine Sicherheit und keinen Frieden. Mörder und Straftäter würden freigelassen und Waffen wären fast überall erreichbar. Es käme zu Kindesentführungen, Diebstahl und Vergewaltigung. Als Ausländer wäre er besonders betroffen, da keine Schutzmöglichkeit mehr bestünde. Er führte weiter aus, dass das Haus seines Vaters, wo er mit seiner Familie gewohnt hätte, in der Nähe eines militärischen Lagers in … gewesen sei. Hier sei die Gefahr besonders groß gewesen, da auf dieses Lager Raketen und Bomben abgeworfen worden seien. Sie hätten auch versucht, einen anderen sicheren Ort zu finden, dies wäre jedoch auch deswegen nicht möglich gewesen, weil die Wege teilweise gesperrt gewesen seien. Nach Mitteilung des Klägers zu 1) vom 3. August 2016 an das Bundesamt würden sich seine Mutter und seine Geschwister ebenfalls in Deutschland aufhalten und hätten einen Aufenthaltstitel erhalten. Das Bundesamt teilte zum Verbleib der Familien am 19. Februar 2018 zudem mit, dass die Familie der Klägerin zu 2) weiterhin in ... lebe.

Am 14. Dezember 2016 erging der streitgegenständliche Bescheid, mit dem die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde, die Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt wurden, der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde und festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Kläger wurden zur Ausreise binnen 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert, andernfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Libyen bzw. in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen und der zu einer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Hinsichtlich der Begründung führte das Bundesamt zur Prüfung des Flüchtlingsschutzes nur aus, es sei nicht von einer Verfolgung der Kläger auszugehen, da sie vorgetragen haben, dass sie nicht persönlich bedroht oder verfolgt wurden. Auch subsidiärer Schutz käme deswegen nicht in Betracht, weil in Libyen zwar ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrsche, den Klägern aber nicht, wie es erforderlich sei, eine erhebliche individuelle Gefahr auf Grund willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit diesem Konflikt drohe. Ohne nähere Feststellungen führte das Bundesamt in der Bescheidsbegründung aus, dass der Grad an willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit diesem Konflikt nicht das Niveau erreiche, dass gleichsam jeder Angehörige der Zivilbevölkerung bei Rückkehr in das Kampfgebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Außerdem hätten die Kläger auch keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vorgetragen. Zur Prüfung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, einem möglichen Abschiebungsverbot aus humanitären Gründen wegen einer allgemeinen schlechten humanitären Situation führte das Bundesamt ohne weitere Feststellungen zur humanitären Situation in Libyen aus, dass ein derartiges Abschiebungsverbot für die Kläger angesichts des erwerbsfähigen Alters der Kläger zu 1) und zu 2) und der Unterstützung durch die noch in Libyen lebende Familie der Klägerin zu 2) nicht in Betracht käme.

Hiergegen richten sich die Klagen vom 21. Dezember 2016 mit denen beantragt wurde, den Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2016 aufzuheben, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus, hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nicht-libysche Staatsangehörige, wie die Kläger, würden in Libyen unter ständiger Bedrohung leben und müssten nahezu täglich mit ihrer Ausweisung rechnen. Der libysche Staat sei gegenüber den Klägern nicht schutzwillig. Angesichts des ungesicherten Aufenthaltsstatus in Libyen sei im Falle einer Abschiebung mit einer Abschiebung nach Syrien zu rechnen, so dass die Grundsätze für syrische Flüchtlinge herangezogen werden müssten.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass in Libyen einige Zehntausend Palästinenser dauerhaft leben würden, diese staatenlos sein würden und vor allem in der Region ... leben würden. Bei einer Ausreise aus Libyen würde ihnen meist die Rückkehr verwehrt werden. Nach dem Sturz Gaddafis hätte sich die islamistische Miliz Ansar al-Scharia in ... eingenistet und wäre zur maßgeblichen Kraft im machthabenden Revolutionsrat vom ... geworden. Sodann wäre die Stadt seit 2014 durch konkurrierende Milizen unter dem Kommando von General Haftar angegriffen worden. Dieser Angriff stehte im Zusammenhang mit dem 2. libyschen Bürgerkrieg seit 2014, bei dem sich rivalisierende Gruppen gegenüberstehen, im Wesentlichen die sogenannte Einheitsregierung, die im Westen des Landes Kontrolle ausübt sowie dem Machthaber Ostlibyens, dem General Haftar. Zudem fand sich zeitweise mit dem IS eine dritte Konfliktpartei. Zur Begründung der Klage wurde weiter auf das aktuelle Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Palästinensern in Libyen und auf das aktuelle Themenpapier des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research und Documentation zur Frage der Palästinenser in Libyen verwiesen, ohne dies jedoch weiter zu diskutieren. Weiter wurde darauf verwiesen, dass die Familie der Klägerin zu 2) weiterhin in ... lebt und die Klägerin zu 2) sowie ihre Kinder in Libyen geboren seien und dass die Stadt ... bei erwünschter Rückkehr über den Landweg als auch über den See Weg und den Luftweg zur erreichen sei.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte der Vertreter der Kläger aus, dass Palästinenser, die nicht in Libyen geboren seien, von vornherein kein Aufenthaltsrecht in Libyen hätten. Bei in Libyen geborenen Palästinensern sei die Sache möglicherweise anders zu beurteilen. Da die Kläger jedoch aus Libyen ausgereist seien, seien sie bei einer erneuten Einreise so zu behandeln, als wären sie neu in Libyen und außerhalb des Landes geboren.

Der Vertreter der Beklagten führte aus, dass eine Abschiebung nach Syrien nicht im Raum stünde.

Die informatorisch angehörten Kläger gaben im Wesentlichen Folgendes an: Es sei so, dass man als ausgereister Palästinenser keinesfalls nach Libyen zurück dürfe. Darüber gäbe es auch ein Papier. In ... wäre man auf Grund des Konflikts ständig in Gefahr gewesen. Es hätte Raketenangriffe, Sprengungen von Autos und weiteres gegeben. Gerade als Fremder werde man immer angegriffen. Die Kläger hätten in Libyen Reisepapiere besessen, auf denen vermerkt gewesen sei, dass sie Palästinenser seien, auf dem Reisedokument des Klägers zu 1) sei auch vermerkt, dass er aus Syrien stamme. In Libyen wäre es zu zunehmenden Diskriminierungen gegenüber den Palästinensern und vor allem gegenüber dem Kläger zu 1), der aus Syrien stamme, gekommen. Die Klägerin zu 2) berichtete, dass ihre Familie, die sich noch in Libyen aufhalte, zunehmend ausgeschlossen wird, die Kinder dürften unter anderem nicht zur Schule gehen. Auf das Haus der Familie der Klägerin zu 2) wären Schüsse gefallen. Zudem hätte es einen Bombenanschlag auf das Auto des Bruders der Klägerin zu 2) in Libyen gegeben. In Libyen hätte man insgesamt damit zu rechnen, gerade als Palästinenser, von den Konfliktparteien vorgehalten zu bekommen, jeweils die andere Seite zu unterstützen, da man fremd sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet, da die Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zwar einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG) haben und die Klage daher gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO insoweit begründet ist, ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG jedoch nicht besteht.

1. Das Gericht geht hinsichtlich der Lage im Herkunftsland von folgenden Feststellungen aus:

Nachdem einige Jahre vom Auswärtigen Amt kein Lagebericht zu Libyen vorgelegt wurde, existiert nun ein Lagebericht vom 12. Februar 2018 (Geschäftszeichen 508-516.80/3) zu Libyen. Angesichts der volatilen Lage in Libyen und angesichts dessen, dass sich in Libyen keine Deutsche Botschaft befindet, basiert der Lagebericht neben den Informationen, die von Kontaktpersonen über die lokalen Verhältnisse bezogen sind, im Wesentlichen auch aus der Auswertung anderer Berichte. Der Lagebericht geht nicht speziell auf die Situation der Palästinenser in Libyen ein. Wesentliche Aussage des Lageberichts ist, dass Teile des Landes von Milizen kontrolliert werden, andere Teile praktisch unregiert sind und insgesamt keine gesamtstaatliche Kontrolle besteht. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung staatlicher Kontrolle. Daher sei es eine der größten Gefahren für die Bevölkerung als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Weiter ist ausgeführt, dass alle bewaffneten Gruppen in Libyen mit unpräzisen Waffen, wie Mörser oder Artilleriegranaten schießen und damit letztlich häufig wahllos auf Zivilisten. Außerdem werden Minen und Sprengfallen genutzt. Weiter ist ausgeführt, dass in ... bis Ende 2017 Luftangriffe auf dicht besiedelte zivile Gebiete stattfanden. Auch Autobomben seien dort benutzt worden. Außerdem wäre es zu Angriffen auf Krankenhäuser gekommen, auch in .... 2017 wäre über 371 zivile Kriegsopfer, also Tote und verwundete Zivilisten, berichtet worden. Die höchste Opferzahl wurde in ... erreicht. Nach dem Lagebericht dürfte diese Zahl weit entfernt sein von der tatsächlichen Opferzahl. Weiter ist im Lagebericht ausgeführt, dass Menschenrechtsverletzungen in Libyen an der Tagesordnung seien, die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge, die der Repression von staatlichen wie auch nicht-staatlichen Akteuren ausgesetzt seien, ohne sich wirksam schützen zu können. Zurückzuführen ist dies wohl auf Betreiben des Westens, um die Fluchtrouten aus Afrika über Libyen zu schließen. Zur allgemeinen Lage in Libyen führt weiter der aktuelle Bericht des britischen Innenministeriums zur Sicherheitslage und zur humanitären Situation im Libyen vom Januar 2018, der im Internet öffentlich abrufbar ist (https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/673747/Libya_-_Security_Situation_-_CPIN_-_v3.0.pdf), aus, dass die humanitäre Versorgungslage äußerst schlecht sei, insbesondere im Hinblick auf die medizinische Versorgung. Von den etwa 6,5 Millionen Einwohnern in Libyen wären 1,3 Millionen Einwohner auf humanitäre Hilfe angewiesen, insbesondere in .... Es gäbe etwa 200.000 Binnenflüchtlinge. Es sei im Hinblick auf diese Information zwar nicht generell davon auszugehen, dass die humanitäre Lage dergestalt ist, dass eine Rückführung dorthin eine Verletzung des Verbots der Folter bzw. der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Dies könne sich in manchen Landesteilen jedoch anders darstellen, insbesondere bei verletzlichen Personen. In dem britischen Bericht ist weiter ausgeführt, dass die Sicherheitslage derart schlecht sei, dass ungeachtet möglicher weniger Landesteile, die trotz der Abwesenheit einer Regierung relativ sicher seien, insgesamt für Libyen davon auszugehen sei, dass Zivilisten auf Grund des Bürgerkriegs dort ernsthaft individuell gefährdet seien und somit die Schwelle von Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie erreicht sei, also von einer ernsthaften individuellen Bedrohung auf Grund willkürlicher Gewalt auf Grund des bewaffneten Konflikts auszugehen sei.

Hinsichtlich der Sicherheitslage in ... im Allgemeinen, zum derzeitigen Zeitpunkt, ist wenig bekannt. Wie aus dem englischsprachigen Wikipedia-Artikel zu ... hervorgeht, berichten internationale Medien, dass der General Haftar, der Machthaber im Osten des Landes, die letzten Widerstandsnester der vorher in ... machthabenden islamistischen Miliz zum Ende des Jahres 2017 eingenommen hat. Ob die Miliz noch im Untergrund wirkt, ist nicht bekannt, solches ist jedoch nicht auszuschließen. Nach dem auf der Web-Seite der United Nations Support Mission in Libya, erschienen Human Rights Report on Civilian Casualties vom 1. März 2018 (https://unsmil.unmissions.org/human-rights-report-civilian-casualties-march-2018) hätte es im Februar 2018 146 zivile Opfer, Tote und Verwundete, des bewaffneten Konflikts gegeben. Die meisten Opfer wären auf Minen zurückzuführen. 126 der Opfer stammten aus .... Die Minen seien wohl wahrscheinlich von der vorher machthabenden Miliz zurückgelassen worden Die Lage der palästinensischen Flüchtlinge in Libyen im Speziellen würdigte zum einen das Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) vom 19. Januar 2017 (abrufbar im Internet unter www...net) und die Schweizerische Flüchtlingshilfe in einem Themenpapier vom 31. Oktober 2017, über die Internetseite der Schweizerischen Flüchtlingshilfe abrufbar (fluechtlingshilfe.ch). Bei diesen Berichten der Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen handelt es sich um die aktuellsten Berichte zu der hier interessierenden Frage. Die Quellen, andere Berichte sowie Angaben von Informanten werden ausgewiesen. Im Wesentlichen wird im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu der hier interessierenden Frage Folgendes ausgeführt: Nachdem die Palästinenser aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten nach Gründung des Israelischen Staates vertrieben worden sind und bis heute in Flüchtlingslagern in den arabischen Nachbarstaaten sich aufhalten, kamen vor allem in 1970er Jahren mehr Palästinenser zum Arbeiten nach Libyen. In Libyen sind Palästinenser generell als arabische Freunde empfangen worden. Nach einem Richtungswechsel des früheren Staatsführers Gaddafi wurde ab dem Jahr 1994 ein Großteil der Palästinenser aus Libyen herausgeschafft bzw. sie verloren ihre Arbeitsstellen und Aufenthaltsbewilligungen. Diese Politik wurde jedoch 1997 beendet und die Palästinenser wurden wieder aufgenommen. Im Jahr 2011 hätten in Libyen etwa 70.000 Palästinenser gewohnt. Nach Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 wären noch zunehmend weitere palästinensische Flüchtlinge aus Syrien nach Libyen gekommen. Zwischen den Neuankömmlingen und den sich schon länger in Libyen aufhaltenden Palästinenser zu unterscheiden sei kaum möglich. Die Mehrheit der Palästinenser würde in ... leben. Nach Ausbruch des Konflikts in Libyen wären sie in einer prekären Lage gewesen, da sie nicht mehr in ihre früheren Herkunftsgebiete zurückkehren konnten. Das Klima in Libyen ihnen gegenüber sei 2011 jedoch zunehmend schärfer geworden. Bis 2011 hätten Palästinenser ohne Visum nach Libyen einreisen können. Dies hätte sich jedoch geändert. Im Januar 2015 erließ die damalige Regierung in Dohuk im Osten des Landes eine Einreisesperre für Palästinenser, Syrer und Sudaner, da sie befürchtete, diese Personen würden islamistische Gruppierungen unterstützen. Dies gilt auch für Frauen und Kinder. Die tatsächliche Umsetzung dieser Einreisesperre ist jedoch unklar. Der im Osten des Landes machthabende Militärgeneral Haftar, der nun auch Herrschaft in ... ausübt, erließ im April 2017 eine Einreisesperre für Personen aus Syrien, Sudan, Pakistan und Bangladesh. Ob dies auch für Palästinenser gilt, gerade die die schon vorher in Libyen, gerade vor 2011, gelebt hatten, ist jedoch unklar. Im Bericht würde weiter ausgeführt, dass hinsichtlich der Migranten und Flüchtlinge in Libyen diese überwiegend in Haftanstalten sich aufhalten müssen. Dort komme es zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen wie Folterungen und Versklavungen bis hin zu Tötungen. Viele dort Inhaftierte sterben wegen Hunger, Durst oder Krankheiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe geht weiter davon aus, dass es sich bei den inhaftierten Migranten hauptsächlich um solche aus der Subsahara-Region handelt. Es sei nicht davon auszugehen, dass Palästinenser im gleichen Maße wie Subsahara-Flüchtlinge systematisch verhaftet werden. Verhaftungen von Palästinensern aus Sicherheitsgründen wären inzwischen jedoch auch schon bekannt geworden, da vermutet wurde, sie würden islamistische Gruppierungen unterstützen. In einem solchen Fall gäbe es wohl keine Rechtsschutzmöglichkeiten. Verhaftungen von Palästinensern stünden wohl hauptsächlich im Zusammenhang mit einer Flucht über das Mittelmeer. Weiter ist im Bericht ausgeführt, dass sich vermehrt Palästinenser um Unterstützung bei dem UN-Flüchtlingshilfewerk bemühten. Aus ... seien viele Palästinenser durch Gewalt vertrieben worden. Im ganzen Land gäbe es Check-Points, die von Behörden und Milizen kontrolliert werden. An diesen Check-Points sei mit Verhaftungen zu rechnen. Auch Palästinenser würden an derartigen Check-Points zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Gegenüber Palästinensern hätte es nach dem Jahr 2011 zunehmend Gewalt gegeben, da ihnen einerseits eine Verbindung zum damaligen Regime nachgesagt wurde, andererseits ihnen vorgeworfen wurde, nicht für das Regime zu kämpfen. Wegen Gewalt und weitere Kriminalität hätten die Palästinenser weder Zugang zu Schutz bei Stammesnetzwerken noch bei Behörden. Nach Fall des Gaddafi-Regimes wäre das Klima noch schlimmer geworden und Palästinenser wären aus ihren Wohnungen vertrieben worden, da die Grundstücke vormals von anderen Besitzern durch das ehemalige Regime konfisziert worden seien. Die Ankunft von neuen Palästinensern und Syrern hätte das Land zusätzlich belastet, da es nun zu einer erhöhten Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt und bei sozialen Dienstleistungen gekommen sei. Nachdem sich die Lage nach Ausbruch des erneuten Bürgerkriegs im Jahr 2014 weiter verschlechtert hätte, wären Palästinenser in der Gesellschaft zunehmend wegen der Verschlechterung der Lage als Sündenböcke angesehen worden. Es hätte Gerüchte gegeben, dass sie in Verbindung zu Milizen und radikalen Gruppen stehen. Dies gelte insbesondere für Palästinenser, die in ... wohnen würden. Nachdem die Palästinenser vor 2011 in vielen Belangen gleich behandelt wurden wie libysche Bürger, sei zunehmend der Zugang zu Leistungen, wie dem Gesundheitssystem und zur Bildung eingeschränkt. Der letzte Bericht des UN-Flüchtlingshilfewerks vom Oktober 2015 zu Libyen bestätigt diese Aussage zur Situation der Palästinenser in Libyen und sieht daher Rückführungen nach Libyen nicht als möglich an. Das Bundesamt führt in einer aktuellen Stellungnahme vom 14. März 2018 im Verfahren AN 10 K 17.34737 zur Problematik aus, dass auf Grund des bewaffneten Konflikt und der politischen Instabilität in Libyen die humanitäre Lage prekär sei. Rund 2,44 Millionen Menschen bedürften humanitärer Unterstützung, was libysche Staatsangehörige ebenso wie Flüchtlinge beträfe. Besonders schwierig sei die Situation für Familien mit Kindern und alleinstehenden Frauen. Nach Fall des Gaddafi-Regimes seien die Palästinenser Opfer von Belästigungen und Einschüchterungen geworden, die Palästinenser wären zu Sündenböcken gemacht worden und ihnen wären Verbindungen zu Milizen und radikalen Gruppen unterstellt worden. Zusammenfassend geht das Bundesamt in der Stellungnahme davon aus, dass es Palästinensern auch in ihrer besonderen Situation nicht generell unmöglich ist, ihre Existenz in Libyen zu sichern. Es gäbe jedoch Situationen bei vulnerablen Personen, wie Familien mit kleinen Kindern, bei denen dies nicht erwartet werden könne und denen daher ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben werden müsse.

Weitere Sachaufklärung durch die Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes war nicht veranlasst, angesichts dessen, das Auswärtige Amt in Libyen nicht präsent ist, der aktuelle Lagebericht nicht auf die Situation der Palästinenser eingeht und angesichts dessen, dass das Gericht durch die anderen aktuellen Auskünfte, insbesondere der einschlägigen Auskunft des Schweizer Flüchtlingshilfewerks vom 31. Oktober 2017 genügend informiert ist. Diese Auskunft ist aufgrund ihres sachlichen Charakters und der Angabe der Quellen bei einzelnen Ausführungen auch hinreichend verlässlich und nachvollziehbar. Die letzte Auskunft des Auswärtigen Amtes an ein Verwaltungsgericht datiert vom 30. Juni 2017 (Geschäftszeichen 508-516.80/ 49491). Nach dieser Auskunft würden Palästinenser in Libyen nicht diskriminiert werden und sie könnten einen Aufenthaltstitel erhalten. Die Auskunft, die sich in Ergebnissätzen erschöpft und im Übrigen keine Quellen angibt, geht nicht auf die ersichtlich bekannt gewordenen zunehmenden Diskriminierungen, wie sie im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aufgeführt sind, ein und geht auch nicht darauf ein, dass zunehmend Einreisesperren verhängt werden, die möglicherweise auch gegen Palästinenser gelten. Auch angesichts dieser Schwächen war die Einholung einer neuen Auskunft des Auswärtigen Amtes zur Einschätzung der Lage der Palästinenser, die sich in den letzten Monaten nicht wesentlich verändert hat, nicht veranlasst.

2. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger und der erhältlichen Erkenntnismittel ist den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG nicht zuzuerkennen, da die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen.

Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Herkunftsland ist entweder das Land, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Da die Kläger allesamt staatenlos sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Libyen hatten, ist insoweit auf Libyen abzustellen. Nach dem Vortrag der Kläger droht ihnen in Libyen jedoch keine Verfolgungshandlung gemäß § 3 a Abs. 1 AsylG, die nach dem Gesetz gegen die Kläger individuell gerichtet sein muss. Kam es bereits zu einer Vorverfolgung, also bereits zu Verfolgungshandlungen vor Ausreise, so streitet für die Kläger eine tatsächliche Vermutung, dass sie bei Rückkehr ebenfalls wieder Verfolgung erleiden müssen, andernfalls sind stichhaltige Gründe von den Klägern darzulegen (siehe hierzu VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Ein solches wurde von den Klägern jedoch nicht vorgetragen. Sie berufen sich hauptsächlich hinsichtlich ihres Fluchtgrundes auf die allgemeine Sicherheitslage und humanitäre Lage in Libyen gerade im Hinblick auf die besondere Situation von Palästinensern. Der Kläger zu 1) berichtete lediglich in der mündlichen Verhandlung ergänzend zu der Bundesamtsanhörung, es hätte einen konkreten Vorfall gegeben, bei dem, als er in … unterwegs war, Bewaffnete gekommen wären, die ihn bedroht hätten und das Auto hätten wegnehmen wollen. Dieser Vortrag, erreicht, selbst wenn man ihn als wahr unterstellt, jedoch nicht den nach § 3 a Abs. 1 AsylG erforderlichen Schweregrad. Weiteres hat der Kläger zu 1) auch auf Nachfrage, ob er noch etwas vorzutragen hätte, auch in der mündlichen Verhandlung nicht erzählt.

Nach Überzeugung des Gerichts droht den Klägern nicht allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Palästinenser eine Verfolgung in Libyen. Die Annahme einer solchen gruppengerichteten Verfolgung setzt voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsschutzbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald Opfer einer solchen Verfolgungsmaßnahme zu werden. Es geht also darum, ob die Verfolgungshandlungen auf alle sich im Herkunftssaat befindlichen Gruppenmitglieder abzielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten und wiederholt um sich greifen, dass für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht (BVerwG, Urteil vom 21.4.2009, 10 C 11/08). Für eine Bejahung der Gruppenverfolgung bedarf es nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Feststellung zur Anzahl und Intensität der Verfolgungsmaßnahme, die zur Gesamtzahl der Gruppenangehörigen unter abschließender Würdigung der Gesamtumstände im Rahmen einer wertenden Betrachtung in Verhältnis gesetzt wird. Neben der Ermittlung einer erforderlichen Verfolgungsdichte kann auch dann von einer Gruppenverfolgung ausgegangen werden, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, etwa wenn der Heimatstaat die betroffene Gruppe physisch vernichten oder ausrotten oder aus seinem Staatsglied vertreiben will (BVerwG, Urteil vom 5.7.1994, 9 C 158/94). Nach diesen Maßstäben ist jedoch vorliegend nicht von einer Gruppenverfolgung von staatenlosen Palästinensern bzw. Palästinensern in Libyen auszugehen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm zur Vernichtung der Palästinenser. Die in den Erkenntnismitteln berichteten einzelnen Verhaftungen sowie auch die Diskriminierungen, von denen berichtet wird, geben insgesamt nicht das Gesamtbild, dass der libysche Staat bzw. die in einzelnen Landesteilen machthabenden Parteien oder Organisationen bzw. Militärs sich zum Ziel gesetzt haben, die Palästinenser zu vernichten. Es ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass eine Vertreibung aus Libyen der Palästinenser insgesamt oder durch einzelne Verhaftungen bezweckt ist. Vielmehr ergibt sich das Bild eines zunehmend feindseligen Klimas gegenüber den Palästinensern in der Gesellschaft, vor allem wegen der schlechten Sicherheitslage und dem laufenden Konflikt sowie der angespannten Versorgungssituation. Palästinensern wird zunehmend feindselig gegenübergetreten und sie werden zunehmend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Dieses Bild wird letztlich auch von dem Vortrag der Kläger bestätigt, die sich vor allem auf die schlechte Sicherheitslage berufen sowie auf das Gefühl, vom Leben immer mehr ausgeschlossen zu sein, da alles Fremde in Libyen nicht mehr wohlgelitten ist. Diese Problematik, die also für alle Fremden in Libyen besteht, wobei wohl auch die sich schon früher in Libyen befindlichen Palästinenser als fremd angesehen werden, ergibt auch nicht den Eindruck einer gezielten Vertreibung, wie sie nach der Auskunftslage in den 90ern gegenüber den Palästinenser noch betrieben wurde. Nach alledem ist somit nicht von einem staatlichen Verfolgungsprogramm auszugehen.

Auch ansonsten ist mangels hinreichender Verfolgungsdichte nicht von einer Verfolgung aller Palästinenser in Libyen bzw. auch der Palästinenser in ... auszugehen. Es fehlt an der Intensität und Häufigkeit von Verfolgungshandlungen gegen einzelne Gruppenmitglieder, so dass von einer Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds ausgegangen werden könne. In den Erkenntnismitteln ist von vereinzelten Verhaftungen von Palästinensern die Rede, die gegen die Situation von anderen Migranten, vor allem aus der Subsahara-Region, die reihenweise verhaftet werden und menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt sind, gegenüberzustellen ist. Zudem hätten sich immer mehr Palästinenser hilfesuchend an das UN-Flüchtlingshilfewerk gewandt. Weiteres zu den Verhaftungen und einer damit verbundenen Agenda ist nicht bekannt. Die Kläger haben zudem zu diesem Punkt auch nichts vorgetragen. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass diese Maßnahmen die Häufigkeit erreichen, die für die Annahme einer Gruppenverfolgung nötig wäre. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die vorgetragenen Diskriminierungen. Dies gilt zum einen für die berichteten Einschränkungen beim Zugang zum Gesundheitssystem und zur Bildung. Da nach § 3 a Abs. 2 Nr. 2 AsylG auch diskriminierende Maßnahmen Verfolgungshandlungen darstellen können, und die nach § 3 a Abs. 1 AsylG erforderliche Erheblichkeitsschwelle, die für eine Verfolgungshandlung gefordert wird, auch bei der Komulation unterschiedlicher Maßnahmen bestehen kann, ist eine Verfolgung bei fehlenden bzw. verweigertem Zugang zu wichtigen Institutionen und System nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 20.2.2013, 10 C 23/12). Angesichts dessen, dass nach der Auskunftslage, insbesondere dem Bericht des britischen Homeoffice vom Januar 2018 alle Bevölkerungsgruppen Schwierigkeiten mit dem Zugang zur Bildung und zum Gesundheitssystem haben, ist jedoch nicht hinsichtlich dieses Aspektes von einer Verfolgungshandlung auszugehen, zumal eine Verfolgung im Regelfall nur bei einer schwerwiegenden Verletzung von in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Rechten, insbesondere dem Recht auf Leben, dem Verbot von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, dem Verbot von Sklaverei und dem Verbot von Verurteilung ohne gesetzliche Grundlage vorliegt (hierzu Heusch/Haderlein/ Schönenbroicher, Das Neue Asylrecht 2016, Seite 21 m.w.N. zur Rspr.). Nach der Auskunftslage ist zudem davon auszugehen, dass Palästinenser in Libyen einer Arbeit nachgehen dürfen. Hinsichtlich der weiteren Umstände, mit denen Palästinenser in Libyen nach der Auskunftslage zu rechnen haben, entsteht für das Gericht das Bild, dass diese im Schwerpunkt nicht dem Staat, sondern der libyschen Gesellschaft zuzurechnen sind. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass Palästinenser zunehmend zu Sündenböcken gemacht werden und ihnen Verbindungen zu radikalen Gruppen unterstellt werden, die zunehmend verübte Kriminalität gegenüber Palästinensern und allgemein das feindselige Klima ihnen gegenüber. Die Maßnahmen sind daher kaum einem Verfolgungsakteur zuzurechnen, was jedoch nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG Anspruchsvoraussetzung ist. Zwar kann nach § 3 c Nr. 3 AsylG die Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen wenn der Staat oder andere herrschende Organisationen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz zu gewährleisten. Angesichts der Erkenntnismittellage ist eher nicht von einer Schutzfähigkeit und einem Schutzwillen des libyschen Staates bzw. der in den jeweiligen Landesteilen herrschenden Gruppen und Organisationen auszugehen. Zudem können Palästinenser nicht auf den Schutz von Stammesstrukturen wie ansässige Libyer zurückgreifen. Andererseits geht das Gericht nach der aktuellen Erkenntnismittellage nicht davon aus, dass diese Umstände staatlich forciert werden. Die zuletzt erwähnten Umstände und Vorkommnisse können letztlich deswegen nicht bei der Prüfung der Gruppenverfolgung herangezogen werden, weil sie den bereits eingeführten asylrechtlichen Erheblichkeitsmaßstab nicht überschreiten, die Verfolgungshandlungen nicht den erforderlichen Schweregrad haben, denn eine Lebensgefährdung bzw. eine Behandlung, die einer Folter gleichkommt sowie eine Versklavung ist darin nicht zu erblicken.

Nach alledem ist nicht von einer Gruppenverfolgung in Libyen von Palästinensern auszugehen.

In Bezug auf die vorstehenden Ausführungen ist auch im Hinblick auf den individuellen Vortrag der Kläger keine Schlechterstellung im Hinblick auf den Zugang zur Bildung und Gesundheit gegenüber libyschen Staatsangehörigen festzustellen, die den asylrechtlichen Schweregrad nach § 3 a Abs. 1 AsylG erreicht. Gleiches gilt für Maßnahmen, die den Klägern möglicherweise von der libyschen Bevölkerung zugefügt werden könnten. Der Vortrag der Kläger hierzu ist auch nicht hinreichend substantiiert (zu diesem Erfordernis an den klägerischen Vortrag, BVerwG, Urteil vom 22.3.1983, 9 C 68.81).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Aussperrung oder Ausgrenzung in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne Rückkehrverweigerung eine politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale erfolge. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nahe, wenn eigene Staatsangehörige betroffen sind. Bei Staatenlosen liege es demgegenüber nahe, dass eine solche Maßnahme auf anderen als asylrechtlichen Gründen beruht, etwa wenn der Staat ein Interesse daran habe, die durch den Aufenthalt entstandene wirtschaftliche Belastung zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit und potentielle Unruhestifter zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 24.10.1995, 9 C 75/95). So liegt der Fall hier. Es handelt sich bei den Klägern nicht um Staatsbürger, sondern Staatenlose. Nach der Erkenntnismittellage ist wohl eher davon auszugehen, dass Palästinenser nach Libyen nicht mehr einreisen dürfen. Betroffen sind jedoch nicht nur Palästinenser, sondern auch Staatsangehörige einer Vielzahl von Ländern. Es deutet daher nichts auf eine Diskriminierung von Palästinensern hin. Angesichts der vorgetragenen Motive, möglichst Sympathisanten von Islamisten fernzuhalten und angesichts der angespannten Versorgungslage im Land, liegt es auch nahe, dass die Motive für die Verweigerung der Nichteinreise nicht in der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung von Palästinensern liegen, sondern in Sicherheitsbedenken und Versorgungsbedenken motiviert waren. Dies ist jedoch im Rahmen des § 3 AsylG nicht beachtlich.

Nach alledem war der Antrag auf Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzulehnen und es war über den Hilfsantrag zu entscheiden.

3. Die Kläger haben einen Anspruch auf Verpflichtung zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Denn die Anspruchsvoraussetzungen liegen zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) vor.

Den Klägern droht bei einer möglichen Rückkehr nach Libyen ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG, in der Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit von einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Ein bewaffneter Konflikt ist dadurch gekennzeichnet, dass er die Schwelle von reinen Unruhen, Spannungen und Gewaltakten überschreitet und dass mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen (EuGH, Urteil vom 30.1.2014, C 285/12). Angesichts des nach wie vor bestehenden Bürgerkrieges in Libyen, bei dem sich im Wesentlichen zwei Lager gegenüberstehen, es in manchen Landesteilen jedoch keine Herrschaftsmacht gibt und sich eine Vielzahl von rivalisierenden Milizen finden, ist von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts angesichts der Auskunftslage auszugehen (so auch VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16).

Nach der Rechtsprechung muss dieser Konflikt insbesondere in der Herkunftsregion der Kläger liegen, in die die Kläger typischerweise zurückkehren würden, wenn der Konflikt nicht landesweit besteht (BVerwG, Urteil vom 14.7.2009, 10 C 9/08). Die aktuellen Berichte, insbesondere der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes sowie auch der Bericht des britischen Homeoffice vom Januar 2018 gehen jedoch von einem landesweiten bewaffneten Konflikt aus. Insbesondere gäbe es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Milizen. Auf Grund des Konflikts zwischen einer islamistischen Miliz und dem General Haftar ist insbesondere ... über die vergangenen Jahre der Schwerpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen gewesen. Nach der Auskunftslage ist ... zwar von dem General Haftar eingenommen worden und nach dem Eintrag des Online-Lexikons Wikipedia, das auf internationale Presse verweist, wäre auch das letzte Widerstandsnest der Islamisten eingenommen worden. Dies soll Ende des Jahres 2017 passiert sein. Diese Ereignisse liegen angesichts der Einschätzung zur allgemeinen Lage in Libyen noch nicht lange genug zurück, um sicher davon sprechen zu können, dass auch in ... kein bewaffneter Konflikt mehr besteht, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die bisher in ... machthabende Miliz oder andere Milizen noch vorhanden sind und aus dem Untergrund weiter Krieg führen oder zurückkehren. Zudem kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bei der Prüfung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, da die Tatbestandsmerkmale aufeinander bezogen sind und letztlich entscheidend der Schutz von Zivilpersonen vor der beschriebenen Gewalt ist, entscheidend nur darauf an, ob in der Herkunftsregion tatsächlich ein derartiger Grad von Gewalt herrscht, der zu der beschriebenen ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson führt (EuGH, Urteil vom 30.1.2014, C 285/12).

Eine derartige ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt liegt jedoch hinsichtlich der Kläger, wenn man auf die Herkunftsregion ... abstellt, vor.

Zugrunde zu legen ist hier der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, 10 C 5/12). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab erfordert, dass eine Rechtsgutsverletzung nicht nur im Bereich des Möglichen liegt. Bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend, ob bei einem vernünftig denkenden besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutsverletzung gerechtfertigt ist, müssen die für die Rechtsgutsverletzung sprechenden Umstände größeres Gewicht haben als die dagegensprechenden Tatsachen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, 9 C 9/95). Damit ist auch gesagt, dass es bei dieser Gefahrenabschätzung bzw. Prognose zwar nicht auf das Individuum und somit nicht auf eine besonders ängstliche Person ankommt, aber die gefährlichen Umstände dennoch subjektivierend, aus der Perspektive eines vernünftigen besonnenen Menschen zu betrachten sind. Daher ist nicht erforderlich, dass der ernsthafte Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG bereits eingetreten ist, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr besteht. Weiter fordert die beachtliche Wahrscheinlichkeit mehr als die theoretische Möglichkeit einer solchen Schädigung, es ist aber auch nicht automatisch zu fordern, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts immer über 50 Prozent liegen muss. Ein vernünftiger besonnener Mensch wird nicht nur die Wahrscheinlichkeit allein in Betracht ziehen, sondern auch die Schwere eines befürchteten Eingriffs. Bei hinreichenden schweren Gefahren, insbesondere Todesgefahr, kann bei einer geringen mathematischen Schadens-Wahrscheinlichkeit die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, die bei einem vernünftigen besonnenen Menschen zu einer begründeten Furcht vor derartigen Folgen führt, überschritten werden (zu den Grundsätzen: BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008, 10 C 33.07 und Berlit, ZAR 2017, 110).

Nach diesen Maßstäben liegt hinsichtlich der Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor. Eine solche kann dann zu bejahen sein, wenn der Grad an willkürlicher Gewalt so hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson, die in das Land bzw. Landesteil reist, davon betroffen ist. Zur Beurteilung bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte, also Feststellungen zu den Opferzahlen, die ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gesetzt wird, sowie abschließend einer wertenden Gesamtbetrachtung (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, 10 C 4.09). Auf Grund dieser wertenden Gesamtbetrachtung ist das quantitative Verhältnis zwischen der Opferzahl und der Gesamtbevölkerung nur ein Hilfsmittel bei der Gefahrabschätzung und nicht das alleinige Kriterium, da es sonst auf eine inhumane reine Knochenzählerei hinausliefe. Denn zur Einschätzung der Konfliktlage und der Gefährdung der Kläger bedarf es auch der Würdigung von deren individuellen Situation sowie hinsichtlich des Konflikts der qualitativen Beurteilung, etwa im Hinblick auf politische, strukturelle, wirtschaftliche und taktische Konfliktmerkmale. Denn in Bürgerkriegssituationen wird selten rational gehandelt (Berlit, ZAR 2017, 110). Dies gilt besonders deswegen, weil die Feststellungen zu den Opferzahlen häufig auf ungenauen Angaben basieren, die Verhältnisse im Herkunftsland auf Grund des Konflikts nicht hinreichend klar und die Zahlen daher nicht verlässlich sind (Berlit, ZAR 2017, 110). Es gibt daher keine konkrete Messzahl, ab der gesagt werden kann, dass der Grad willkürlicher Gewalt genügend hoch oder zu niedrig ist. Eine solche Aussage trifft auch das Revisionsgericht Bundesverwaltungsgericht nicht, zumal es keine Tatsacheninstanz ist. Lediglich zur Situation im Irak fand sich die Aussage, dass ein Schadensrisiko von 1:1.000 sehr weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt anzusehen ist (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, 10 C 13.10). Angesichts dessen, dass es immer einer wertenden Betrachtung für das konkrete Land für den konkreten Konflikt bedarf, können diese Zahlen kaum als fester Messwert angesehen werden. Im Übrigen erscheint es dem Gericht, dass hinsichtlich einer quantitativen Betrachtungsweise auch deswegen äußerste Vorsicht geboten ist, da auch in Ländern mit hohen Schutzquoten, die Gefahrendichte in einer quantitativen Betrachtung sehr gering ausfällt. Beispielsweise wird für Afghanistan, ein Land mit etwas über 30 Millionen Einwohnern, die zivile Opferzahl durch den Bürgerkrieg mit 140.000 Opfern bemessen (Berlit, ZAR 2017, 110). Gleiches gilt für Syrien, wo nach übereinstimmenden Medienberichten die zivile Opferzahl in die Hunderttausende geht, bei einer Einwohnerzahl von etwa 20 Millionen. Zudem kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben den bekannten Opferzahlen eine Dunkelziffer hinzugerechnet werden (BVerwG, Beschluss vom 29.11.1996, 9 B 445.96). Vorliegend berichtet die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL), im Internet frei abrufbar, zu zivilen Opfern des Konflikts in Libyen. 2016 gab es insgesamt 567 berichtete Opfer, 2017 242 berichtete Opfer bei einer Gesamtzahl von 6,5 Millionen Einwohnern in Libyen (vgl. zu dieser Berechnung auch VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). In ... wurden von der Unterstützermission der UN für 2017 96 Opfer und für 2016 296 zivile Opfer berichtet (zu dieser Berechnung: VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Nachdem der Kampf um ... zum Ende des Jahres 2017 offiziell beendet worden ist, hat sich die Sicherheitslage möglicherweise etwas entspannt, gleichwohl werden von der Unterstützermission für Februar 2018 122 Opfer in ... berichtet. Neben den Zahlen ist für das erkennende Gericht insbesondere maßgeblich, dass der Konflikt in Libyen, wie auch vom Auswärtigen Amt im aktuellen Lagebericht dargestellt, sich so darstellt, dass es eine Vielzahl von Unruheherden gibt, gerade auch durch die vielen am Kampf beteiligten Milizen und ... der absolute Schwerpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen im Osten des Landes war. Kennzeichnend ist auch, dass die Konfliktparteien zu unpräzisen Waffen wie Mörser- und Artilleriegranaten gegriffen haben und bei deren Einsatz somit bewusst in Kauf genommen haben, dass zivile Gebiete getroffen werden. Die Unterstützermission der UN berichtet, dass es zu Bombardements durch Flugzeuge von Wohngebieten gekommen ist. Weiterhin wurde Gebrauch gemacht von Kampfmitteln wie Minen und Sprengfallen. Dies sind Kampfmittel, die gerade die Zivilbevölkerung besonders betreffen und zum Ziel haben, die Sicherheit in einem bestimmten Gebiet längerfristig zu unterminieren. Es handelt sich dabei um ein Paradebeispiel von willkürlicher Gewalt, also im Rahmen des Konflikts eingesetzter Gewalt, die sich gegen die Zivilbevölkerung richtet. Besonders ... ist davon insbesondere betroffen, weil nach aktuellen Informationen der Unterstützermission der UN die allermeisten Opfer in ... Opfer von Minen sind. Angesichts dessen, dass der akute Kampf in ... erst vor kurzem beendet wurde, liegt es nahe, dass Angehörige der Zivilbevölkerung, insbesondere in ..., Furcht vor Lebensgefahren bzw. Gefahren wegen körperlicher Unversehrtheit in begründetem Ausmaß haben, die auf kriegerische Handlungen zurückzuführen ist. Dies vor allem deswegen, weil nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes die Dunkelziffer der Opferzahl nicht nur um ein Vielfaches, sondern wohl weit über den berichteten Opferzahlen liegen dürfte. Es ist daher fraglich, ob bei der Dunkelziffer eine Vervierfachung ausreicht (so VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Entwickeln sich die Opferzahlen im Jahr 2018 weiter wie im Februar 2018, so wäre zumindest von einer berichteten Opferzahl im vierstelligen Bereich auszugehen. Selbst wenn man die Dunkelziffer mit dem Faktor 4 ansetzt und von 650.000 Einwohnern in ... ausgeht, berechnet sich bei den somit geschätzten 4.000 Opfern, bezogen auf die Einwohnerzahl, ein nicht unerheblicher Faktor von etwa 6:1.000. Die Frage, ob für jede Zivilperson der verlangte Gefahrengrad vorliegt, muss jedoch letztlich entschieden werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Gefahrengrad niedriger ausfallen, wenn gefahrerhöhende Umstände vorliegen. Solche Umstände sind etwa, von Berufs wegen, etwa als Arzt oder Journalist, gezwungen zu sein, nahe an den Kämpfen zu sein. Weiter zählen dazu auch solche persönlichen Umstände, auf Grund derer die Kläger als Zivilpersonen zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte, etwa wegen der religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit, ausgesetzt sind (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, 10 C 4/09). Das Bundesverwaltungsgericht bezieht daher nicht nur die für Bürgerkriege bzw. bewaffnete Konflikte typischen Gefahren, durch Kollateralschäden gefährdet zu sein, in den Schutz des § 4 Abs. 1 AsylG mit ein. Nach dem Verständnis des erkennenden Gerichtes geht es vom Sinn und Zweck her wegen des Einbezuges von Teilen der Zivilbevölkerung mit besonderen Merkmalen auch darum, davor zu schützen, dass im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes der Zusammenbruch der Ordnung ausgenutzt wird, um Personen, gegenüber denen Feindseligkeiten bestehen, bewusst zu schädigen. Das erkennende Gericht deutet dies so, dass § 4 Abs. 1 AsylG nicht nur vor bewussten Schädigungen durch die Konfliktparteien schützen will, da ein solcher Schutz im Regelfall bereits über § 3 Abs. 1 AsylG gewährleistet ist und dass es Gewaltphänomene gegenüber gefährdeten Gruppen gibt, die im Rahmen von bewaffneten Konflikten gerade diesen drohen wie etwa Aggressionen durch die Gesellschaft, die angesichts des Zusammenbruchs der Ordnung und der kriegsbedingten schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage nicht verhütet werden und denen diese Bevölkerung schutzlos ausgeliefert ist. Dies dient letztlich auch der Schließung von Schutzlücken.

Nach der so verstandenen Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bestehen ernsthafte individuelle Bedrohungen von Leben oder der Unversehrtheit, wenn nicht für die Palästinenser in... allgemein durch den dort herrschenden Konflikt, zumindest für die Kläger. Wie bereits ausgeführt, besteht für Palästinenser in ... ein erhebliches Klima der Feindseligkeit der Gewalt und Kriminalität. Auf Grund der zunehmend schlechten Lage werden die Palästinenser, die nunmehr als Fremde angesehen werden, zu Sündenböcken gemacht, und gegen sie richten sich Aggressionen, gegen die kein staatlicher Schutz zu erlangen ist. Zudem wird Palästinensern nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch von den Konfliktparteien unterstellt, die jeweils andere Seite zu unterstützen bzw. Terroristen oder Islamisten zu sein. Es steht daher zu befürchten, dass wegen des Konflikts, der zum Zusammenbruch der Sicherheit und Ordnung geführt hat, ein Klima entstanden ist, welches Bedrohungen des Lebens und der Unversehrtheit durch bewaffnete Gruppen oder die Bevölkerung allgemein in ... wenn nicht gegenüber allen Palästinensern zumindest im Hinblick auf die Kläger bestehen würde. Die Kläger sind auf Grund ihrer individuellen Umstände besonders schutzbedürftig. Als Familie mit kleinen Kindern, insbesondere einem Neugeborenen (Verfahren AN 10 K 18.30213), sind sie besonders verwundbar. Die Familie der Klägerin zu 2), die sich wohl noch in ... aufhält, ist selbst nach dem Vortrag der Kläger konkreten Bedrohungen wie Bombenanschlägen schon noch ausgesetzt gewesen und deswegen selbst gefährdet. Eine Unterstützung von dieser Seite dürfte daher eingeschränkt sein. Zudem dürfte der Kläger zu 1) besonders als Fremder wahrgenommen und erkannt werden. Denn er stammt ursprünglich aus Syrien und ist dort auch geboren, was nach seinen glaubhaften Angaben in den libyschen Reisepapieren auch vermerkt ist. Zudem ist der Kläger zu 1), wie manche Palästinenser in der Levante, deutlich hellhäutig und hat eine blonde Haarfarbe. Da die meisten nordafrikanischen Araber eher dunkelhäutig sind und dunkles Haar tragen, ist der Kläger zu 1) daher deutlich auffällig und als Fremder erkennbar. Auf die besondere Situation von Palästinensern geht die bisherige einschlägige erstinstanzliche Rechtsprechung (statt aller VG Dresden, U. v. 22.9.2017, 12 K 2300/16.A) bei der Prüfung des § 4 AsylG nicht genügend ein.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hinsichtlich der Kläger vor.

Interner Schutz nach § 3 e Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG ist für die Kläger auf Grund des landesweiten bewaffneten Konfliktes, des landesweit feindseligen Klimas gegenüber Palästinensern und vor allem hinsichtlich der vielen im Land sich befindlichen Check-Points, die auch von Milizen betrieben werden, nicht zu erlangen. Bei einer möglichen Einreise in das Land bzw. einer Weiterreise in andere Landesteile ist daher zu erwarten, dass die Kläger, insbesondere wegen des auffälligen Aussehens des Klägers zu 1), als Fremde bzw. Palästinenser erkannt werden und ihnen die beschriebenen Gefährdungen dann drohen.

4. Über den weiteren Hilfsantrag war daher nicht mehr zu entscheiden. Angesichts der nach der Auskunftslage in Libyen bestehenden allgemeinen desolaten humanitären Situation, die nach der Stellungnahme des Bundesamts gerade bei vulnerablen Personengruppen beachtlich ist, wäre die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG für die Kläger angesichts der beschriebenen persönlichen Merkmale, insbesondere der Tatsache, dass es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handelt, nahegelegen.

5. Die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG war daher obsolet und aufzuheben. Dies gilt auch für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in § 11 Abs. 2 AufenthG.

6. Die Kosten des nach § 83 b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens waren gemäß § 155 Abs. 1 VwGO gegeneinander aufzuheben, da der Flüchtlingsschutz, hinsichtlich dessen die Kläger unterlegen sind, wertmäßig die Hälfte gegenüber den übrigen Streitgegenständen ausmacht.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.

2

Der 1976 in Mosul geborene Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens. Zur Begründung des im Juli 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) gestellten Asylantrags gab er an, dass er in Mosul ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe. Eine von einem Kunden in seinem Laden abgestellte Tasche, die Flugblätter von Schiiten enthalten habe, sei von einem Unbekannten inspiziert worden. Sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und sei seinetwegen später verhaftet worden. Er befürchte, wegen des Vorfalls getötet oder lebenslang inhaftiert zu werden. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich des Irak vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung verfolgt werde.

3

Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 16. März 2006 die Flüchtlingsanerkennung und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

4

Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Er könne auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.

5

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seine Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 44.07 - das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.

6

Während des neuen Berufungsverfahrens hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei. Damit sei sein Aufenthalt gesichert und es komme auf subsidiären Schutz nicht mehr an.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Die Berufung sei zulässig, denn für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG könne dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln. Die Berufung sei aber unbegründet. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls sei der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An seinem Herkunftsort in Mosul bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus der Zahl der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,12 % oder ca. 1:800 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei dem Kläger nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.

8

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wendet sich der Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Er rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.

9

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Revisionsantrags auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).

12

Für diesen Verpflichtungsantrag ist, obwohl der Kläger mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG besitzt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Dieses Interesse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich nach nationalem Aufenthaltsrecht die Rechtsstellung eines Ausländers in der Situation des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG ist, durch die Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes derzeit nicht verbessern kann. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Denn aus dem Umsetzungsdefizit des deutschen Gesetzgebers, der - entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG im 5. Erwägungsgrund, in Art. 2 Buchst. f und in Art. 18 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten im nationalen Recht nicht explizit ausgeformt hat, darf für den Kläger kein Nachteil entstehen (vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Er hat daher ein legitimes Interesse, dass trotz seiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Stellung mit Blick auf diesen Schutzstatus und die damit einhergehenden Vergünstigungen über das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots entschieden wird.

13

Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).

14

1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17 und Rn. 36).

15

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil der Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

16

a) Für seine Prognose, ob der Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Herkunftsregion Mosul abgestellt. Dort hat der Kläger zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).

17

b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Mosul für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).

18

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei dem Kläger nicht festgestellt (UA S. 12); dem ist der Kläger mit der Revision auch nicht entgegengetreten.

19

Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).

20

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).

21

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).

22

Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Mosul verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Provinz Ninive und deren Hauptstadt Mosul lebenden Zivilpersonen annäherungsweise ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:800 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

23

Zwar bedarf es - wie die Revision im Ansatz zu Recht rügt - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.

24

Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, denn das Vorfluchtschicksal des Klägers gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.

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2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der in Tripolis geborene Kläger ist staatenloser Palästinenser sunnitischen Glaubens. Er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Libyen, bevor er am 23.08.2014 nach Italien übersetzte und am 28.08.2014 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste. Dort stellte er am 20.11.2014 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).

Bei seiner Anhörung am 26.11.2014 legte der Antragsteller eine Registrierungskarte der Vereinten Nationen (UNRWA) vor und gab an, in Libyen habe er einen Personalausweis und einen Reiseausweis besessen. Hierbei habe es sich um libanesische Dokumente gehandelt, die er regelmäßig von der libanesischen Botschaft in Libyen habe verlängern lassen. Seine Eltern stammten aus dem Libanon. Er selbst habe sich dort nie längere Zeit, sondern nur besuchsweise aufgehalten. Er habe seinen Großvater väterlicherseits besucht, der zwischenzeitlich verstorben sei. In Libyen habe er Programmierer studiert und anschließend in einem Geschäft gearbeitet, in dem Computer repariert und programmiert worden seien. Seine wirtschaftliche Situation in Libyen würde er als durchschnittlich beschreiben. Verwandte habe er sowohl in Libyen als auch im Libanon, außerdem in Russland, Kanada, Abu Dhabi und Ramallah. Libyen habe er wegen des Krieges verlassen, das Leben sei dort nicht mehr sicher. Es gebe viele Räuber, Entführungen und Vergewaltigungen. Aus diesem Grund seien seine Schwestern nicht mehr zur Schule gegangen. Es habe passieren können, dass einfach Leute gekommen seien und Geld verlangt hätten. Es habe dort keine Polizei mehr gegeben, Chaos habe geherrscht. In dem Land herrsche Bürgerkrieg. Man bekomme seine Rechte nicht, wenn einem etwas passiert sei. Zuletzt habe es auch keine Arbeit mehr gegeben. Man habe sich wie in einem Gefängnis gefühlt. Sei man rausgegangen, habe man damit rechnen müssen, dass alles passieren könne. An eine Rückkehr in den Libanon hätten er und seine Familie nicht gedacht. Zwar hätten sie dort Verwandtschaft, sonst aber nichts. Es sei ganz schwer, sich dort ein neues Leben aufzubauen. Dort gebe es auch keine Arbeit. In Libyen sei das Leben für einen Palästinenser nicht einfach. Unter dem alten Regime habe es für sie Schutz gegeben, unter dem jetzigen Regime sei das nicht mehr der Fall. Die Leute in Libyen hassten Palästinenser und behandelten sie schlecht.

Mit Bescheid vom 19.10.2016 wurden vom Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz abgelehnt (Ziffern 1, 2 und 3), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), dem Kläger unter Bestimmung einer Frist von 30 Tagen für die freiwillige Ausreise die Abschiebung nach Libyen angedroht (Ziffer 5) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 31.10.2016, beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am 02.11.2016, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 19.10.2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, hilfsweise, festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Bundesamt hat mit Schriftsatz vom 10.11.2016 unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Klagebegründung machte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22.06.2017 geltend, ihm drohe im Falle einer Rückkehr nach Libyen eine Verfolgung aufgrund seiner palästinensischen Volkszugehörigkeit. Insbesondere würden Palästinenser oftmals als Unterstützer des früheren libyschen Machthabers Gaddafi betrachtet und als solche aufgrund einer unterstellten politischen Überzeugung verfolgt. Dem Verdacht einer Unterstützung des Regimes von Gaddafi sehe sich der Kläger auch deshalb ausgesetzt, weil die Kfz-Lackierer-Werkstatt seines Vaters Familienangehörige von Gaddafi als Kunden gehabt habe. Des Weiteren seien der Kläger und sein Bruder von Rebellen der Nähe zum Gaddafi-Regime bezichtigt worden. Sie hätten für die Rebellen kämpfen sollen. Nach einer Weigerung der Familie habe diese zunächst ihre Wohnung in Tripolis verloren und das Geschäft des Vaters sei enteignet worden. Aufgrund der weiterhin drohenden Zwangsrekrutierung und Bedrohung durch die unterstellte Nähe zum Regime von Gaddafi hätten der Kläger und seine Familie beschlossen, sich in Sicherheit zu bringen und zu flüchten. Hilfsweise stehe dem Kläger ein Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu, nachdem sich die Lage in Libyen seit dem Jahr 2014, in dem ein solches Ausmaß der willkürlichen Gewalt noch zweifelhaft gewesen sei, deutlich verschlechtert habe. Hilfsweise ergebe sich aus § 4 AsylG in Verbindung mit Art. 3 EMRK ein Anspruch des Klägers auf subsidiären Schutz, weil ihm bei einer Rückkehr nach Libyen aufgrund der Sicherheitslage und der sozialen Bedingungen besonders schlechte humanitäre Bedingungen drohten, die als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gemäß Art. 3 EMRK zu werten seien. Eine inländische Fluchtalternative bestehe in Libyen nicht, weil sowohl der innerstaatliche Konflikt als auch die schlechten humanitären Bedingungen das gesamte Staatsgebiet erfassten und die Reisefreiheit in Libyen deutlich eingeschränkt sei. Höchsthilfsweise ergäben sich sowohl aus den schlechten humanitären Bedingungen als auch aus der Diskriminierung der Palästinenser Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.

Verwiesen wurde auf diverse Erkenntnisquellen, die auszugsweise auch zitiert wurden (ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Libyen: Palästinenser: Anzahl und Verteilung, Status (langjähriger Aufenthalt 1989-2014), Rückkehrverbot, allgemeine Lage, Sicherheitslage, Bedrohung, Einschränkungen [a-9987-1], 19. Januar 2017 (verfügbar auf ecoi.net); Bericht des Centre for Country of Origin Information and Analysis „Thematic Report: Palestinians & Syrians in Libya“ vom 23.02.2016; ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Libyen: Lage von Menschen, die im Verdacht stehen, UnterstützerInnen des Gaddafi-Regimes zu sein 2014 bis heute [a-9987-2 (10002) ], 19. Januar 2017 (verfügbar auf ecoi.net); Home Office „Country Information and Guidance Libya: Security and humanitarian situation“, Version 1.0, June 2016; Human Rights Watch „World Report 2016 – Libya” und „World Report 2017 – Libya”; United Nations Support Mission in Libya “Report on the human rights situations in Libya” vom 16.11.2015; UNHCR “Investigation by the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights on Libya: detailed findings” vom 23.02.2016; United States State Department “Country Report on Human Rights Practices – Libya – 2015” vom 13. April 2016; Amnesty International “Libya: World must help pull Libya out of human rights chaos five years since uprising that ousted al-Gaddafi” vom 16.02.2016; UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) “Shattered lives: Civilians suffer from the use of explosive weapons in Libya”, September 2015; UNHCR Position on Returns to Libya – Update I, Oktober 2015; UNOCHA “Humanita rian Bulletin Libya: The crisis that should not be”, 16. Februar 2016; UN News Service, 22. Dezember 2016; UN News Service “Dire Health situation of 2 million Libyans cannot wait for political solution to conflict – UN agency official”, 28.01.2016; United States State Department “Country Report on Human Rights Practices – Libya – 2015”, 13. April 2016).

In der mündlichen Verhandlung am 27.06.2017 trug der Kläger vor, ihm persönlich sei nichts zugestoßen. Der Hauptgrund für seine Ausreise sei der Krieg gewesen. Vor dem Regimewechsel hätten Palästinenser in Libyen gut leben können. Jetzt wäre es so, dass die Libyer meinten, die Palästinenser hätten zu viele Rechte bekommen, die ihnen nicht zustehen. Jetzt würden Palästinenser gegenüber Libyern ungleich behandelt. Er selbst habe in einem Geschäft gearbeitet, dass Computer repariert habe. Sein Arbeitgeber sei Palästinenser gewesen und habe die Geschäftsräume gemietet gehabt. Er sei mündlich aufgefordert worden, das Geschäft zu räumen, da die Eigentümer (Libyer) es anderweitig nutzen wollten. Als weiteres Beispiel für die Ungleichbehandlung von Palästinensern könne er anführen, dass palästinensische Staatsbürger aus ihren Häusern geworfen worden seien, dies sei auch einer Tante von ihm passiert. Es werde dann ganz offen gesagt, dass man Palästinenser in seinem Haus nicht haben wolle. Die einzige Möglichkeit, in Libyen zu überleben, sei, dass man sich den Milizen anschließe und für sie kämpfe. Das hätten er und sein Bruder auf gar keinen Fall gewollt und deshalb die Aufforderung von jungen Männern aus ihrem Wohnviertel, die sich den Rebellen angeschlossen hätten, dies ebenfalls zu tun, abgelehnt. Sie hätten aber damit gerechnet, dass sie nicht in Ruhe gelassen und immer wieder aufgefordert würden. Deshalb seien sie mit ihrer Familie ausgereist.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere den Schriftsatz vom 22.06.2017 und die Niederschrift vom 27.06.2017, sowie der beigezogenen Bundesamtsakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 trotz Ausbleibens der Beklagten entschieden werden kann, nachdem bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet, weil der Bescheid des Bundesamtes vom 19.10.2016 rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

Das Bundesamt hat zu Recht den Kläger nicht als Asylberechtigten anerkannt, ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, ihm keinen subsidiären Schutz gewährt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Demzufolge ist auch die Abschiebungsandrohung nach Libyen gemäß § 34 AsylG in Verbindung mit § 59 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG rechtmäßig.

Seinen gemäß Ziffer 2 des Bescheides vom 19.10.2016 abgelehnten Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter hat der Kläger nicht weiter verfolgt. Insoweit ist der Bescheid bestandskräftig geworden.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) hat der Kläger weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG noch einen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Herkunftsland ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG das Land, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchstabe a) bzw. das Land, in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchstabe b). Da es keinen Staat Palästina gibt, der eine palästinensische Staatsangehörigkeit vermitteln kann, ist der Kläger als palästinensischer Volkszugehöriger, der keine andere Staatsangehörigkeit erworben hat, staatenlos, sodass für ihn die Alternative b in Betracht kommt (VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 30.05.2017 – 6 K 1442/17.A, juris).

Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben, die einzelnen Verfolgungsgründe werden in § 3b AsylG einer näheren Begriffsbestimmung zugeführt. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG, d.h. wirksam und nicht nur vorübergehend, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Subsidiär Schutzberechtigter ist ein Ausländer gemäß § 4 Abs. 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei als ernsthafter Schaden gilt 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Gemäß § 4 Abs. 3 AsylG gelten die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend, wobei an die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens treten.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf der Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zwar nicht von Akteuren im Sinne des § 4 Abs. 3 in Verbindung mit § 3c AsylG ausgeht, aber dennoch wegen der im Zielstaat herrschenden schwierigen Lebensbedingungen tatsächlich droht.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet bzw. die Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht tatsächlich, wenn dem Ausländer eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG bzw. ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich droht. Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft ebenso wie bei der des subsidiären Schutzes in Orientierung an der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK („real risk“) der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung bzw. vor einem ernsthaften Schaden hervorgerufen werden kann (VG München, Urteil vom 02.02.2017 – M 17 K 16.34939, juris Rn. 20 m. w. N.).

Die Tatsache, dass ein Drittstaatsangehöriger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gem. Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. Vorgeschädigten wird in Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU (sowohl für die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz als auch für die Gewährung subsidiären Schutzes) eine tatsächliche (aber im Einzelfall widerlegbare) Vermutung normiert, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden, sofern ein innerer Zusammenhang zwischen der erlittenen Verfolgung bzw. dem erlittenen Schaden und der befürchteten Verfolgung bzw. dem befürchteten Schaden besteht. Dadurch wird der Vorverfolgte / Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden (VG München, a.a.O. Rn. 21 m. w. N.).

Das Gericht muss – für einen Erfolg der Klage – von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und von der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung bzw. eines ernsthaften Schadens begründet, vollständig überzeugt sein. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Herkunftsstaat befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumen von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist dabei gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (VG München, a.a.O. Rn. 22).

Zur allgemeinen derzeitigen Lage in Libyen hat das Verwaltungsgericht Chemnitz Folgendes ausgeführt (Urteil vom 11.05.2017 – 7 K 2874/16.A, juris Rn. 18 ff):

„Die politische Lage in Libyen stellt sich ausweislich des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Libyen vom 23.01.2017 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich wie folgt dar:

Nach dem Sturz Gaddafis 2011 entstand in Libyen aufgrund eines frühen Abzugs internationaler staatlicher Institutionen ein Machtvakuum, das die Ausbreitung von Milizen und bewaffneten Gruppen ermöglichte, die brutal um Gebiete kämpften. Die Gewalteskalation kulminierte, als das House of Representatives (HoR) im August 2014 von Tripolis in die östliche Stadt Tobruk vertrieben wurde, während das selbst ernannte konkurrierende Parlament, der Generalnationalkongress (GNC), die Macht in Tripolis übernahm. Es erfolgte die politische Spaltung des Landes und beide Seiten bekämpften sich im Osten und Westen des Landes. Seit Mitte 2014 gab es folglich zwei konkurrierende Lager: Das im Juni/Juli 2014 gewählte Parlament House of Representatives (HoR) mit der Regierung Abdallah al-Thinni, welches die militärischen Kräfte im Osten des Landes, die sich ab Mai 2014 unter Führung von General Kalifa Haftar mit dem Namen „Würde“ (Karama) formiert hatten, integrierte. Im Westen ließ die als „Morgenröte“ (Fajr) benannte militärische Allianz aus islamistischen Milizen und Revolutionären aus der wichtigen Hafenstadt Misrata den im Juni 2014 abgewählten allgemeinen Volkskongress (GNC) wieder auferstehen und bildete eine Gegenregierung „der nationalen Rettung“. Ihren Legitimitätsanspruch stützte Fajr seit dem 06.11.2014 auf ein Urteil des obersten Gerichtshofes, der die Gesetze, die zur Wahl des HoR führten, für verfassungswidrig erklärt hatte.

Keine der beiden Regierungen konnte in der Folgezeit politisch oder militärisch großräumig effektive Macht ausüben. Libyen fragmentierte in zahlreiche Kampfzonen mit jeweils eigener Dynamik. Die zunehmende Einnistung der Terrorgruppe IS, insbesondere in der zentrallibyschen Küste (Großraum Syrte), verstärkte jedoch lagerübergreifend das Bewusstsein, einen gemeinsamen Feind zu haben. Parallel fanden unter Vermittlung der UNO seit September 2014 kontinuierlich Verhandlungen zwischen den verschiedenen Streitparteien statt, die am 17.12.2015 in die Unterzeichnung des politischen Abkommens „Libyan Political Agreement – LPA“ in Marokko mündeten. Dieses LPA bewirkte die Einrichtung eines 9köpfigen Präsidialausschusses sowie des Government of National Accord - GNA -, geführt von Premier Fayezs Serraj, im März 2016. Die USA und führende europäische Staaten sicherten der Einheitsregierung ihre Unterstützung zu und gaben in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt, diese als einzige legitime Vertretung Libyens anzuerkennen. Hardliner der libyschen Machtblöcke werfen der Einheitsregierung jedoch vor, sie sei von außen etabliert worden und nicht aus einem internen politischen Prozess entstanden und daher abzulehnen. Beide Lager legitimierten das neu gebildete Kabinett daher nicht. Das Resultat dieser einzigartigen Situation ist ein Libyen mit drei Regierungen.

Knapp acht Monate nach Beginn der Offensive gegen den IS in Syrte hat Libyens Ministerpräsident Fajez al-Serraj Ende Dezember 2016 die Rückeroberung der IS-Hochburg Syrte verkündet. Syrte war das letzte größere vom IS kontrollierte Gebiet in Libyen. Allerdings müsse nach Serraj der Kampf gegen den Terrorismus fortgeführt werden.

Insgesamt ist die Lage im ganzen Land sehr unübersichtlich. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, ohne dass staatliche Organe ausreichenden Schutz garantieren. Bewaffnete Gruppen mit zum Teil unklarer Zugehörigkeit treten häufig als Vertreter der öffentlichen Ordnung auf. In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte. Im ganzen Land besteht ein hohes Risiko von Anschlägen und Entführungen. Die Kriminalität ist hoch (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Libyen, 23.01.2017, BfA, Bundesamt für Fremdwesen und Asyl, Republik Österreich, Seiten 6-8).

Aktuell geht aus einem jüngeren Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 16.02.2017 („Deal ohne Handschlag“, veröffentlich unter www.sueddeutsche.de) hervor, dass beide Machtblöcke sich aufgrund einer Initiative der Regionalmacht Ägypten in Kairo für einen gemeinsamen Fahrplan und Parlamentswahlen in ganz Libyen verständigt haben sollen. Daher sei mit einer Entspannung der Lage zu rechnen.

Hinsichtlich der Lage der Zivilbevölkerung lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen:

Amnesty International berichtet im Amnesty Report 2016 betreffend Libyen über mögliche Kriegsverbrechen sowie andere schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts und Menschenrechtsverstöße, welche insbesondere auch die Zivilbevölkerung beträfen. So seien alle Konfliktparteien daran beteiligt, Zivilpersonen zu verschleppen und zu inhaftieren, darunter auch Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen und medizinisches Personal, als Vergeltung für deren Herkunft oder vermeintliche politische Zugehörigkeit. In vielen Fällen seien die Betroffenen als Geisel gehalten worden, um einen Gefangenenaustausch zu erreichen oder Lösegeld zu erpressen. Häftlinge seien gefoltert worden und in anderer Weise misshandelt und es sei zu summarischen Tötungen gekommen. Die Konfliktparteien seien außerdem für wahllose und unverhältnismäßige Angriffe sowie für direkte Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Ziele verantwortlich gewesen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte am 18.03.2016 fest („Die Zivilbevölkerung zahlt den Preis“, veröffentlicht unter www.faz.net), in der Hafenstadt Benghasi tobe ein Krieg zwischen islamistischen Milizen eines Schura-Rates, zu denen die Dschihadistengruppe Ansar al Scharia gehört und den Truppen von General Chalifa Haftar. Zuletzt habe Haftar verkündet, seine Gegner aus der Stadt vertrieben zu haben. Die Kämpfe seien aber nicht vorbei und die Lage für Zivilisten sei dramatisch. Fast die Hälfte der Bevölkerung der Großstadt Benghasi sei vertrieben worden. Viele dieser Binnenflüchtlinge würden nun unter erbärmlichen Bedingungen leben. Zehntausende Menschen seien während der Kämpfe getötet worden. Die Gesundheitsversorgung sei am Boden. Schulen seien Flüchtlingsunterkünfte, die Universität sei zerbombt. Abertausende Familien seien durch die Kämpfe eingeschlossen.

Die Tagesschau berichtet am 28.02.2017 („Geiselnahmen – ein florierendes Geschäft“, veröffentlich unter www.tagesschau.de), dass die Libyer mit kriminellen Milizen und ständigen Geiselnahmen zu kämpfen hätten.

Aus der Dokumentation bekannter Vorfälle des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) ergeben sich für das gesamte Land im Jahr 2015 1.255 Vorfälle und 2.705 Todesopfer. Im ersten Halbjahr 2016 dokumentierte ACCORD insgesamt 496 Vorfälle und 1.294 Todesopfer (Zahlen veröffentlicht in Home Office, Country Policy an Information Note, Libya: Security and humanitarian situation, January 2017). Diesen steht eine Gesamteinwohnerzahl von rund 6,2 Millionen gegenüber. Für die von der Einheitsregierung kontrollierte Stadt Tripolis mit 1,6 Millionen Einwohnern wurden für 2015 168 Vorfälle und 111 Todesopfer sowie für das erste Halbjahr 2016 87 Vorfälle und 103 Todesopfer erfasst.

Diese Auskunftslage heranziehend, die bereits Zweifel lässt, ob trotz der jüngsten Entwicklungen (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 16.02.2017) flächendeckend noch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG anzunehmen ist, kann die Kammer jedenfalls nicht feststellen, dass eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers bei einer Rückkehr nach Libyen, speziell nach Tripolis, droht.

Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson ergibt sich regelmäßig nicht allein aus Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein durch einen bewaffneten Konflikt ausgesetzt ist (EuGH, Urteil vom 30.08.2014, C-258/12, juris). Vielmehr ist - wie der Begriff schon vorgibt – eine individuelle Betroffenheit erforderlich. Diese kann sich zum einen aus gefahrerhöhenden Umständen ergeben, die in der Person des Betroffenen selbst zu finden sind, etwa durch die politische Stellung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Sie kann sich aber auch daraus ableiten, dass die sich aus dem bewaffneten Konflikt ergebende Gefahrendichte ein so hohes Niveau erreicht, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit Gefahr liefe, einer Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 30.08.2014, a. a. O.). Beides ist vorliegend nicht der Fall.

Gefahrerhöhende individuelle Umstände liegen beim Kläger ersichtlich nicht vor, … Die Kammer vermag aber auch keine individuelle Betroffenheit aus der Gefahrendichte abzuleiten. Die bestehende Gefahrendichte wird durch Abwägung sämtlicher den Konflikt betreffender Umstände ermittelt. Als besonders wichtiges Kriterium ist hierbei das Tötungs- und Verletzungsrisiko zu berücksichtigen. Hierbei sind die Gesamtzahl der in den betreffenden Gebieten lebenden Zivilpersonen einerseits und die der Akte willkürlicher Gewalt andererseits zu ermitteln und die daraus zu gewinnende Quote in die wertende Gesamtbetrachtung einzustellen (SächsOVG, Beschluss vom 20.01.2016, 5 A 163/15.A, juris, Rn. 14 f.; EuGH, Urteil vom 17.02.2009, C-465/09, juris; BVerwG, Urteil vom 27.04.2010, 10 C-4/09, juris).

Nach den bereits genannten Zahlen ergibt sich für Libyen ein Risiko von 1:2.292 und für Tripolis ein solches von 1:7.767. Selbst wenn man zur Berücksichtigung der bei den Vorfällen zwar nicht getöteten, wohl aber verletzten Personen, sowie zur Berücksichtigung möglicher nicht bekannt gewordener Vorfälle die angegebenen Opferzahlen erheblich erhöht, etwa vervierfacht, wäre das Risiko binnen eines Jahres etwa im Großraum Tripolis aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes getötet oder verletzt zu werden, mit weniger als 1:1900 auszuweisen und damit noch weitaus geringer als das vom Bundesverwaltungsgericht in anderer Sache für unbedenklich gehaltene Risiko von 1:800 (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, 10 C-13/10, juris; BayVGH, Beschluss vom 06.04.2017 - 13a ZB 17.30254 -, juris; Prof. Dr. B., Die Bestimmung der „Gefahrendichte“ im Rahmen der Prüfung der Anerkennung als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter; ZAR, 2017,110). Dabei bleibt zugunsten des Klägers unberücksichtigt, dass die angegebenen Opferzahlen neben Zivilisten wohl auch Kämpfer enthalten.

Angesichts der sich in absoluten Zahlen ausdrückenden Betroffenheit der Zivilbevölkerung, vor allem in Tripolis von weniger als 1:7000 gemessen an der Einwohnerzahl, lässt die Würdigung der Gesamtumstände unter Beachtung der aktuellen Entwicklungen in Libyen, hier insbesondere die „gemeinsame“ Bekämpfung und Vertreibung des Islamischen Staats, die internationale Unterstützung der Übergangsregierung in Tripolis durch die Vereinten Nationen sowie nicht zuletzt die jüngste Annäherung der beiden Machtblöcke unter Vermittlung Ägyptens und die hierbei in Aussicht gestellten demokratischen Wahlen den Schluss zu, dass in Libyen insgesamt, jedenfalls aber in Tripolis, keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 AsylG bei einer Rückkehr besteht.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AsylG bestehen unter Bezugnahme auf die vorgenannten Ausführungen nicht.“

Diese Ausführungen macht sich das erkennende Gericht vollumfänglich zu Eigen. Zu ergänzen ist, dass der Kläger eine Vorverfolgung bzw. Vorschädigung oder gefahrerhöhende individuelle Umstände nicht geltend gemacht hat. Die schriftlich vorgetragene Bezichtigung der Nähe zum Gaddafi-Regime wegen der Kunden des Vaters hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ebenso wenig bestätigt wie den Verlust von Wohnung und Geschäft aufgrund der Weigerung, für die Rebellen zu kämpfen. Die bloße Aufforderung durch andere junge Männer, sich ebenfalls den Rebellen anzuschließen, rechtfertigt bei Weitem nicht die Annahme einer politischen Verfolgung oder eines drohenden ernsthaften Schadens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff der ZPO.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

I.

Der am ... 1986 geborene Kläger ist staatenloser Palästinenser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Libyen. Er reiste am 8. September 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. Januar 2015 einen Asylantrag.

In seiner Anhörung am 28. Januar 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an: Er sei in Tripolis in Libyen geboren. Er habe das Gymnasium in Ägypten besucht, sich jedoch ansonsten nur in Libyen aufgehalten. Auch zuletzt habe er sich in Tripolis aufgehalten. Seine Familienangehörigen (Mutter, Bruder und Schwester) hielten sich weiterhin in Tripolis auf. Früher habe er eine Bäckerei besessen. Diese sei zerstört worden. In den letzten 18 Monaten vor seiner Ausreise habe er als angestellter Bäcker gearbeitet. Die Lage in Libyen sei immer schlimmer geworden. Es habe keine Arbeit mehr gegeben. Sie seien angegriffen und beleidigt worden. Es werde einem Geld abgenommen. Nachdem seine Bäckerei angezündet worden sei, habe er mehr und mehr Probleme bekommen. Deshalb habe er beschlossen, Libyen zu verlassen. Er selbst sei an dem Tag, an dem seine Bäckerei angezündet worden sei, beschimpft und geschlagen worden, damit er sein Geschäft verlasse. Ihm sei kein Geld gestohlen worden. Es seien kriminelle Gruppen gewesen. Die Polizei sei nicht gekommen, nur die Feuerwehr. Wegen dieser kriminellen Gruppierungen könne man in Libyen nicht arbeiten und nicht leben.

Mit Bescheid vom 25. August 2016, dem Kläger nach eigenem Bekunden am 31. August 2016 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab (Ziffer 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft und einen subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 1 und 3), und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Es forderte ihn unter Androhung der Abschiebung nach Libyen zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen auf (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete es gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Brandanschlag einer kriminellen Bande auf die Bäckerei des Klägers stehe in keiner zeitlichen oder kausalen Beziehung zur Ausreise des Klägers. Er könne keine Vorverfolgung begründen. Trotz der prekären Sicherheitslage in Libyen stehe es dem Kläger zudem offen, sich in eine andere Stadt zu begeben, um die kriminelle Gruppierung zu meiden. Mit Tobruk und Misrata seien zumindest zwei Städte mit relativ stabiler Sicherheitslage sporadisch mit Inlandsflügen erreichbar. Die bewaffneten Auseinandersetzungen in Libyen würden nicht die für einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt notwendige Dauer und das Ausmaß erreichen. Es lägen zudem in der Person des Klägers keine gefahrerhöhenden Umstände vor, die zu einer schutzerheblichen Gefahrverdichtung führen würden. Als gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter mit Familienangehörigen in Libyen sei auch in einer ihm fremden Stadt in Libyen davon auszugehen, dass er sich Einkommensquellen erschließen könne, die ihm ein Leben oberhalb des Existenzminimums ermöglichen.

II.

Dagegen ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13. September 2016, am gleichen Tag vorab als Telefax bei Gericht eingegangen, Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben.

Zur Begründung ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigen im Wesentlichen ausführen: Der Kläger habe in seiner Bäckerei zu Zeiten des Bürgerkriegs Brot für die Soldaten des Machthabers Al Gaddafi backen müssen, sonst hätten „sie“ ihn ohne weiteres ermordet. Nach dem Sturz des Machthabers sei der Kläger von den Aufständischen verfolgt worden. Zum einen sei er aufgrund seiner palästinensischen Abstammung in Libyen nicht mehr erwünscht. Zum anderen unterstelle man ihm, dass er gegen die libysche Revolution gewesen sei, da er die Armee mit Brot versorgt habe. Er sei mehrfach bedroht und ausgeraubt worden. Man habe ihn aufgefordert, das Geschäft zu schließen. Im Juli 2012 sei seine Bäckerei von den Aufständischen verbrannt worden, die ihn zuvor mehrfach bedroht hätten. Ein Freund habe ihn angerufen und mitgeteilt, dass er gesucht werde und er nicht nach Hause gehen solle, da er Gaddafi vermeintlich unterstützt habe und kein richtiger Libyer sei. Der Kläger sei mit dem ebenfalls verfolgten Bruder und der Mutter nach Misrata geflüchtet. Dort habe sich die Lage nicht verbessert. „Man“ habe nach wie vor nach dem Kläger gesucht. Ihm sei deshalb nichts anderes geblieben als im Juli 2014 zu fliehen. Die Mutter, die auch in Misrata unter der Verfolgung gelitten habe, sei an einem Herzinfarkt verstorben. Sämtliche Informationen, wie Bilder der verbrannten Bäckerei seien im Smartphone des Klägers enthalten gewesen. Dies sei jedoch von den Aufständischen entwendet worden. Nach der Flucht habe der Bruder des Klägers ihm telefonisch mitgeteilt, dass er auf keinen Fall nach Libyen zurückkommen solle. Er werde nach wie vor gesucht und man wolle ihn umbringen. Bei der Bundesamtsanhörung habe der Kläger nicht den gesamten Sachverhalt vortragen können, da die Übersetzung nicht einwandfrei gelaufen sei.

Der Kläger lässt beantragen,

die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2016, zugegangen am 31. August 2016, Geschäftszeichen AZ.: 5881876-499, verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise ihm subsidiären Schutz i.S. § 4 AsylG zuzuerkennen, sowie äußerst hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sie sich auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss vom 15. September 2016 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Libyen (Stand: September 2017) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 13. September 2017, auf das weitere schriftliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakte der Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die auch in Abwesenheit beider Parteien verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG oder des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen in seiner Person auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. In den §§ 3a bis 3e AsylG sind in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 vom 20.12.2011) – QRL – (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 19) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und Akteure, die Schutz bieten können, und für internen Schutz geregelt. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 – II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).

Der Schutzsuchende muss sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Er muss die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, zu denen insbesondere seine persönlichen Erlebnisse fallen, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen (VG Bayreuth, U.v. 13.7.2015 – B 3 K 14.30344 – juris). Dies ist nicht der Fall, wenn der Schutzsuchende im Laufe der Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen unauflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich erachtet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – beide juris).

1.1. Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger keine individuelle Vorverfolgung glaubhaft gemacht, die eine weitere Verfolgung als wahrscheinlich erscheinen lässt. So ließ er erstmals im Schriftsatz vom 13. Oktober 2016 vortragen, dass Aufständische seine Bäckerei im Juli 2012 zerstört hätten, weil sie ihn als Gegner der Rebellion angesehen hätten. Er sei deswegen mehrfach bedroht und ausgeraubt worden. Dies steht im Gegensatz zu seinen Einlassungen beim Bundesamt, wo er auf Nachfrage angegeben hatte, dass die Zerstörung von kriminellen Gruppen ausgegangen sei, man ihm jedoch kein Geld gestohlen habe. Auch die Behauptung, ein Freund habe ihn angerufen und gewarnt, dass er als vermeintlicher Gaddafi-Unterstützer gesucht werde, wurde erstmals im Schriftsatz vom 13. Oktober 2016 erhoben. Im direkten Widerspruch zu seinem Vorbringen beim Bundesamt steht außerdem die behauptete Flucht der Familie nach Misrata. So hatte er sowohl am 20. Januar 2015 als auch am 28. Januar 2015 angegeben, sich bis zu seiner Ausreise in Tripolis aufgehalten zu haben, wo seine Mutter (zum damaligen Zeitpunkt) noch gelebt habe. Insgesamt ist der schriftsätzliche Vortrag vom 13. Oktober 2016 sehr oberflächlich und wenig detailliert. Insbesondere die im Gegensatz zu den Bundesamtsanhörungen stehenden neuen Behauptungen sind im Hinblick auf die Einordnung des Brandanschlages und die interne Fluchtalternative sichtlich auf die Begründung des Bescheides vom 25. August 2016 gemünzt und sollen offensichtlich dazu dienen, die dort gegen eine Verfolgung sprechenden Umstände auszuräumen.

Allein die pauschale Behauptung, im Rahmen der Asylanhörung sei die Übersetzung nicht einwandfrei verlaufen, kann die offensichtlichen Widersprüche zu seinen Einlassungen im Rahmen der Bundesamtsanhörungen nicht erklären. So musste dem ordnungsgemäß belehrten Kläger bei der Asylanhörung die Bedeutung seines Vortrags bewusst gewesen sein. Ausweislich des Protokolls war dem Kläger die Niederschrift während der Anhörung satzweise rückübersetzt worden. Der Kläger hat auf dem Kontrollbogen am 28. Januar 2015 ausdrücklich mit seiner Unterschrift bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe und seine Angaben vollständig seien und der Wahrheit entsprächen. Da die am 28. Januar 2015 festgehaltenen Angaben des Klägers widerspruchsfrei und in sich stimmig sind, hat das Gericht keinerlei Anlass an einer ordnungsgemäßen Übersetzung zu zweifeln. Da der Kläger der mündlichen Verhandlung, trotz ordnungsgemäßer Ladung, fern geblieben ist, war es dem Gericht auch nicht möglich, die aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten in der mündlichen Verhandlung aufzuklären bzw. den pauschalen Vortrag weiter zu substantiieren. Mithin bleibt es anhand der Akten- und Schriftsatzlage dabei, dass der Kläger eine individuelle Vorverfolgung nicht glaubhaft gemacht hat, so dass ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugutekommt.

1.2. Von einer flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung – ohne Vorverfolgung – ist nicht auszugehen. Zur Überzeugung des Gerichts besteht in Libyen keine Gruppenverfolgung für staatenlose Palästinenser. Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1994 – 9 C 158/94 –, juris Rn. 18). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15/05 –, juris Rn. 20). Dabei stellen nicht alle Rechtsgutsverletzungen, die die Gruppenmitglieder zu erleiden haben, Verfolgungshandlungen dar. Nicht dazu zählen insbesondere Rechtsgutsverletzungen, denen es an der asylerheblichen Intensität mangelt. Die asylerhebliche Intensität liegt bei Eingriffen in die Schutzgüter des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der physischen Freiheit – sofern der Eingriff nicht ganz unerheblich ist – generell vor, bei Eingriffen in andere Schutzgüter jedoch nur, wenn diese nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.1988 – 9 C 37/88 –, juris Rn. 9). Welches Verhältnis insoweit notwendig ist, um eine relevante Verfolgungsdichte zu begründen, hängt daneben maßgebend von der Qualität der festgestellten Verfolgungshandlungen ab. Bei der Ermittlung der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte ist schließlich zu berücksichtigen, dass nur solche Verfolgungsmaßnahmen als Referenzfälle heranzuziehen sind, die die Mitglieder der Gruppe gerade wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit getroffen haben (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1994, a.a.O., Rn. 21).

Ausgehend von diesen Grundsätzen droht Palästinensern in Libyen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gruppenverfolgung. Im Einklang mit dem Verwaltungsgericht Berlin (U.v. 10.7.2017 – 34 K 197.16 A – juris Rn. 45 - 47) stellt sich dem Gericht die Lage für Palästinenser in Libyen wie folgt dar:

Palästinenser wanderten ab den 1970er Jahren nach Libyen ein und hatten dort traditionell eine günstigere Position als andere Migranten. Sie halfen beim Aufbau der libyschen Wirtschaft mit und wurden von den Libyern auch aufgrund ihres hohen Bildungsstandes als arabische Mitbürger betrachtet. Viele von ihnen arbeiteten als Fachkräfte im Ölsektor. Der damalige Machthaber Muammar al-Gaddafi war ein Unterstützer der PLO und subventionierte zunächst Studium, Arbeit und Unterkunft von in Libyen lebenden Palästinensern (Lifos, Thematic Report, S. 17). In den 1990er Jahren lebten ca. 30.000 Palästinenser in Libyen. 1994 beschloss Gaddafi jedoch, alle Palästinenser aus Libyen auszuweisen, um seine Missgunst über den Oslo-Friedensprozess zum Ausdruck zu bringen. Ca. 17.000 Palästinenser wurden abgeschoben; wer Libyen nicht verlassen konnte, wurde in ein Lager nahe der ägyptischen Grenze umgesiedelt. 1997 änderte Gaddafi seine Meinung und bot die Wiederaufnahme aller zuvor ausgewiesenen Palästinenser an, was jedoch nur von wenigen in Anspruch genommen wurde. Die in Libyen verbliebenen Palästinenser begannen, sich in die Gesellschaft zu reintegrieren. Aktuelle Zahlen über in Libyen lebende Palästinenser sind schwer zu erhalten. Bis 2011 sollen sich ca. 50.000 – 70.000 palästinensische Arbeitsmigranten in Libyen aufgehalten haben (Lifos, Thematic Report, S. 18; ACCORD, a-9987-1). Der UNHCR geht hingegen davon aus, dass derzeit die Mehrheit der Palästinenser – ca. 20.000 – in Bengasi lebt, weitere insbesondere in Tripolis und im Süden. Infolge des Syrienkonflikts sollen bis 2014 weitere 5.000 Palästinenser nach Libyen eingewandert sein (Lifos, Thematic Report, S. 8 ff.).

Im Zuge der Absetzung Gaddafis gerieten die Palästinenser zwischen die Fronten und waren Gewalt sowohl von Seiten regimetreuer Gruppen – insbesondere bei Verweigerung, sich diesen anzuschließen – als auch von Regimegegnern ausgesetzt (Lifos, Thematic Report, S. 18). Nach dem Sturz Gaddafis wurden viele Palästinenser aus ihren – unter Gaddafi zu ihren Gunsten konfiszierten – Wohnungen vertrieben, da deren ursprüngliche Besitzer diese zurückforderten (Lifos, Thematic Report, S. 18; Accord, a-9987-1). Zudem kam mit dem Ausbruch des Syrienkonflikts 2011 eine neue Welle von Syrern und Palästinensern nach Libyen, was eine zusätzliche Belastung der libyschen Strukturen darstellte und zu einer verstärkten Konkurrenz zwischen Libyern und Nicht-Libyern um die knappen Ressourcen und Arbeitsstellen führte. In der Folge erließ der nach der Absetzung Gaddafis gewählte General National Congress (GNC) Visabeschränkungen für Syrer und Palästinenser. Die lokalen Behörden in Misrata forderten Syrer und Palästinenser auf, die Stadt zu verlassen, wobei konkrete Folgen dieser Aufforderung nicht berichtet wurden. Spätestens mit dem Ausbruch verstärkter Kämpfe ab Mai 2014 zwischen den konkurrierenden Regierungen verschlechterte sich die Situation der Palästinenser deutlich und wandelte sich die Wahrnehmung der Palästinenser von dem Bild der Mit-Araber hin zu unerwünschten Ausländern. Palästinenser wurden als Sündenböcke für konfliktbedingte Probleme angesehen und ihnen wurden Verbindungen zu radikalen Gruppen nachgesagt, was allerdings eher Palästinenser in Bengasi als solche in Tripolis und Westlibyen betrifft (Lifos, Thematic Report, S. 17 ff.; Accord, a-9987-1). Konkrete Übergriffe auf Palästinenser werden jedoch nicht berichtet. Auch stellt sich die Lage in Tripolis – wo sich der Kläger zur Überzeugung des Gerichts bis zu seiner Ausreise aufhielt – Berichten zufolge besser darstellt als etwa in Misrata. Generell werden Palästinenser nicht mehr mit libyschen Bürgern gleichbehandelt, sondern erfahren zum Teil – wie andere Ausländer auch – faktische Diskriminierung beim Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen (Lifos, Thematic Report, S. 19 f.). Jedoch sind Palästinenser – wie andere Migranten auch – mangels Schutzes durch ihre Stammesgruppen stärker als Libyer von kriminellen Handlungen wie Missbrauch, Entführungen, Gewalt und Diebstahl betroffen und haben aufgrund ihres oft unklaren Aufenthaltsstatus größere Schwierigkeiten, die zahlreichen Checkpoints im Lande zu passieren (Lifos, Thematic Report, S. 20 ff.). Eine darüber hinausgehende Verfolgung von Palästinensern lässt sich der Berichtslage jedoch nicht entnehmen (vgl. auch Auskunft AA an das VG Braunschweig vom 30.6.2017). Damit sind weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht die Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung erfüllt.

Dem Kläger steht mithin kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.

2.1. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG bestehen nicht.

2.2. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dem Kläger droht kein ernsthafter Schaden in Form von Folter bzw. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung. Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Erfasst werden Maßnahmen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer gegen die Menschenwürde verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 4 AsylG, Rn. 10). Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1, §§ 3c bis 3e AsylG auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher bzw. quasistaatlicher oder interner Schutz zur Verfügung steht.

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Libyen Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Insbesondere ist eine möglicherweise auf der schlechten allgemeinen humanitären oder medizinischen Lage beruhende Beeinträchtigung des Klägers nicht an § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG zu messen. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 – Elgafaji (juris Rn. 32) ausgeführt, die den Nr. 1 und 2 des § 4 AsylG entsprechenden Buchstaben a und b des Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 (wortgleich mit Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 – Qualifikationsrichtlinie) erfassten nur Situationen, in denen der Antragsteller spezifisch der Gefahr ausgesetzt sei, einen Schaden ganz bestimmter Art zu erleiden, während der Nr. 3 des § 4 AsylG entsprechende Art. 15 Buchst. c eine Schadensgefahr allgemeinerer Art betreffe. An anderer Stelle hat er ausgeführt, dass der in Art. 15 Buchst. b definierte ernsthafte Schaden nicht das Fehlen einer angemessenen medizinischen Behandlung erfasse, wenn dies nicht auf die absichtliche Verweigerung der Behandlung zurückzuführen sei (vgl. EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 41), und schließt somit ein nicht zweckgerichtetes Leiden vom Anwendungsbereich von Art. 15 Buchstabe b der Qualifikationsrichtlinie aus (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 4 Rn. 32 m.w.Nachw.). Anhaltspunkte, dass dem Kläger eine notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde, bestehen jedoch nicht. Dass der Kläger auf eine medizinische Behandlung angewiesen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2.3. Als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG eine ersthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen ausüben können. Hiervon abzugrenzen sind Fälle bloßer innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulte oder vereinzelt auftretende Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, was beispielsweise bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen der Fall ist (vgl. EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-285/12; VGH BW, U.v. 6.3.2012 – A 11 S 3070/11 – beide juris). Aufgrund eines derartigen Konflikts muss für den Schutzsuchenden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit bestehen. Hierbei ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Schutzsuchenden so verdichtet hat, dass sie eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt. Hierbei ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren würde (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – BVerwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 – 13a B 11.30427 – juris Rn. 15 m.w.N.), also auf seinen „tatsächlichen Zielort“ (EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – juris Rn. 40). Da der Kläger sich zur Überzeugung des Gerichts bis zu seiner Ausreise in Tripolis aufgehalten hat, ist auf diese Herkunftsregion abzustellen.

Nach den o.g. Maßstäben kann vorliegend offen bleiben, ob derzeit in Libyen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht, den die Gefahrendichte für den Raum Tripolis ist jedenfalls nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in die Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07; EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – beide juris). Der jüngste Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) dokumentiert für den Zeitraum 1. Dezember 2016 bis 17. Februar 2017 für ganz Libyen eine Gesamtzahl von 48 zivilen Opfern, davon 24 Verletzte und 24 Tote (vgl. UN Security Council, UNSMIL Report April 2017, S. 7). Auf ein Jahr hochgerechnet bedeutet dies eine Zahl von ca. 230 Opfern. Selbst bei einer Dunkelziffer von 200% würde dies im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Libyens von ca. 6,4 Millionen eine Wahrscheinlichkeit von 0,011% ergeben, in Libyen im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden. Die ist weit von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Sinne der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entfernt.

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15. Mai 2017 an das Verwaltungsgericht Dresden lebten im Jahr 2014 ca. 1,126 Mio. Menschen in der libyschen Hauptstadt Tripolis und 1,78 Mio. Menschen im Großraum Tripolis. Dem stehen laut Auswärtigem Amt 235 Akte willkürlicher Gewalt mit 419 Todesopfern gegenüber (Bezugszeitraum wohl 2014 bis 2016). Die Zahl der Verwundeten habe nicht ermittelt werden können. Bei den Todesopfern habe es sich ausschließlich um „Militionäre“ gehandelt, da die Auseinandersetzungen nicht gegen die Zivilbevölkerung gerichtet gewesen seien und meist nach Einbruch der Dunkelheit und nicht in dicht bewohnten Stadtteilen ausgetragen worden seien. Im Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 4. April 2017 werden in der Region Tripolis für die Monate Dezember 2016 bis Februar 2017 mehrere Vorfälle mit insgesamt 49 Toten genannt (vgl. UN Security Council, UNSMIL Report April 2017, S. 3), wobei jeweils die Anzahl von Verletzten einerseits und der Anteil der betroffenen Zivilisten andererseits unklar bleiben. Nach all diesen Angaben lässt sich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, bei Rückkehr einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein, nicht feststellen (so für den Großraum Tripolis im Ergebnis auch VG Berlin, U.v. 10.7.2017 – 34 K 197.16 A; VG Chemnitz, U.v. 11.5.2017 – 7 K 3769/16.A und 7 K 2874/16.A – beide juris).

Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich allein aus der Zugehörigkeit zur Gruppe der staatenlosen Palästinenser keine erhöhte Gefahr, Opfer von Akten willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts zu werden. Übergriffe auf Palästinenser sind den Erkenntnismitteln – wie oben dargestellt – gerade nicht zu entnehmen.

Auch bei wertender Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung weiterer Faktoren wie der Schwere der Schädigungen und der medizinischen Versorgungslage (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 –, beide juris) oder der extrem hohen allgemeinen Rate an Gewaltverbrechen ergibt sich keine andere Beurteilung.

3. Es liegen auch keine im vorliegenden Verfahren zu prüfenden Abschiebungsverbote vor.

3.1. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG liegen nicht vor. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers in Nicht-Vertragsstaaten ist danach unzulässig, wenn ihm dort unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der EMRK verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 –, juris Rn. 11). Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07). Sind die schlechten humanitären Bedingungen hingegen – wie vorliegend anzunehmen ist – ganz oder überwiegend auf staatliches Handeln bzw. im Falle des bewaffneten Konflikts auf Handlungen der Konfliktparteien oder auf Handlungen anderer Akteure zurückzuführen, die dem Staat mangels ausreichenden Schutzes zurechenbar sind, sind danach für die Beurteilung der Intensität der „Behandlung“ bei einem Schutzsuchenden, der völlig abhängig von staatlicher Unterstützung ist, die Fähigkeit, im Zielgebiet seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu decken, seine Verletzlichkeit durch Misshandlungen und die Aussicht auf Verbesserung innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens maßgeblich (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09, Rn. 250 ff.; EGMR, Urteil vom 28.6.2011 – 8319/07, Rn. 283).

Nach diesem Maßstab ist in Bezug auf den Kläger nicht davon auszugehen, dass ihm in Libyen aufgrund der humanitären Lage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Zwar ist die humanitäre Lage in Libyen nach einhelliger Darstellung der herangezogenen Erkenntnismittel problematisch. Nach Angaben von UNOCHA ist ein Fünftel der libyschen Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Unter den 1,3 Millionen hilfsbedürftigen Menschen befinden sich 356.000 Rückkehrer (d.h. Menschen, die nach einer Vertreibung in ihre Herkunftsregion zurückkehren), 295.000 Flüchtlinge und andere Migranten sowie 241.000 Binnenflüchtlinge; ca. 437.000 Menschen benötigen in ihrer Herkunftsregion humanitäre Hilfe. Der Zugang zu Nahrungsmitteln ist aufgrund von Kämpfen bzw. der schlechten Sicherheitslage, des Machtvakuums, der Inflation und der begrenzten Verfügbarkeit von Bargeld vielerorts erheblich eingeschränkt. Auch die öffentliche Versorgung mit Wasser, Benzin und Elektrizität ist wegen fehlender Ressourcen und mangelnder Verwaltung häufig nicht vorhanden bzw. immer wieder gestört. Die politische Instabilität bzw. das dadurch bedingte Machtvakuum hat zum Kollaps der öffentlichen Verwaltung geführt (UNOCHA, Libya 2017, S. 8 f.). Das Justizsystem ist im Wesentlichen funktionslos (vgl. OHCHR, Investigation, S. 10). Entführungen und willkürliche Inhaftierungen sind verbreitet und es herrscht ein Klima der Straflosigkeit (UNOCHA, Libya 2017, S. 9). Die medizinische Versorgung verschlechterte sich zwischen 2014 und 2016 nach Angaben des Auswärtigen Amtes (Auskunft an das VG Dresden vom 15.5.2017) zusehends. Auch einige Krankrenhäuser mussten vorübergehend schließen. Seither normalisiere sich – so das Auswärtige Amt (a.a.O.) die Lage jedoch insbesondere durch Importe mit von der Regierung (GNA) zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln wieder.

Vorliegend sprechen nach Überzeugung des Gerichts jedoch überwiegende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger trotz der allgemein schwierigen Lage in Libyen im Stande sein wird, durch Erwerbstätigkeit seine grundlegenden Bedürfnisse in einem Umfeld hinreichender persönlicher Sicherheit zu erfüllen. Von einer Vielzahl der aus humanitärer Sicht problematischen Aspekte wird der Kläger voraussichtlich nicht betroffen sein. Als arbeitsfähiger junger Mann mit abgeschlossener Schulbildung, praktischer Berufserfahrung und Kenntnis der lokalen Gegebenheiten wird er die Versorgung mit Nahrung und Wohnraum – wie auch in der Vergangenheit – durch sein Einkommen und ggf. mit Hilfe der noch in Libyen lebenden Geschwister – bestreiten können. Es ist mithin nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Libyen sich einer solchen Verelendung gegenübersieht, dass es den Schweregrad einer Verletzung von Art. 3 EMRK entspräche.

3.2. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG ist ebenfalls nichts ersichtlich. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 2 der Vorschrift liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Entsprechende Erkrankungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

4. Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind gegeben.

5. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.

Somit konnte die Klage keinen Erfolg haben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

gez. Opel Beschluss

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt. Zur Begründung wird auf das Urteil in der Hauptsache vom gleichen Tag verwiesen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.