Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Unter dem 22. April 2013 erließ die Beklagte gegen die Kläger folgenden Bescheid:

„1. Auflagen für die Haltung der Boxermischlingshündin, Rufname ‚L.‘:

a. Das Tier darf das Haltergrundstück, W. Straße ..., K. nicht ohne Aufsicht verlassen. Es ist sicherzustellen, dass der Hund auf dem Grundstück ausbruchsicher gehalten wird.

b. Innerhalb der geschlossenen Bebauung ist das Tiere an einer reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband zu führen.

c. Außerhalb der geschlossenen Bebauung ist das Tier immer an einer reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband zu führen, wenn andere Hunde sich nähern. Die Leine darf nur abgenommen werden, wenn mit Sicherheit ein ungewollter Kontakt mit anderen Hunden ausgeschlossen ist.

d. Das Tier darf nur von den Haltern ... und ... ausgeführt werden.

2. Es wird die sofortige Vollziehung angeordnet.

3. Für den Fall, dass der Anordnung nicht gefolgt wird, wird ein Zwangsgeld verhängt.“

Auf die Begründung dieses Bescheids wird Bezug genommen.

Nach Zugang eines Gutachtens der öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für das Hundewesen ..., A., vom 10. Mai 2013 und der auf dieses Gutachten bezogenen Stellungnahme des Landratsamts A1, Veterinäramt, vom 12. Juni 2013 erließ die Beklagte am 25. Juni 2013 in Abänderung des Bescheids vom 22. April 2013 folgenden Bescheid:

„1. Auflagen für die Haltung der Boxermischlingshündin, Rufname ‚L.‘:

a. Das Tier darf das Haltergrundstück, W. Straße ..., K. nicht unerlaubt und ohne Aufsicht verlassen. Es ist sicherzustellen, dass der Hund auf dem Grundstück ausbruchsicher gehalten wird.

b. Vor dem Verlassen des Haltergrundstücks ist der Hündin ein Maulkorb anzulegen. Dieser sollte gut sitzen und der Hündin problemlos das Hecheln ermöglichen, aber das Beißen von Personen oder anderen Tieren sicher verhindern. Der Maulkorb darf erst nach Rückkehr auf das Haltergrundstück wieder abgenommen werden.

c. Innerhalb der geschlossenen Bebauung und in unübersichtlichem Gelände ist das Tier an einer maximal 2 m langen, reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband zu führen.

d. Außerhalb der geschlossenen Bebauung ist das Tier immer an einer maximal 2 m langen, reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband zu führen, wenn andere Hunde sich nähern. Die Leine darf nur abgenommen werden, wenn mit Sicherheit ein ungewollter Kontakt mit anderen Hunden ausgeschlossen ist.

e. In Anwesenheit von kleinen Kindern (das eigene Kleinkind eingeschlossen) ist die Hündin von einer erwachsenen Person zu beaufsichtigen.

f. Das Tier darf nur von den Haltern ... und ... ausgeführt werden.

2. Es wird die sofortige Vollziehung angeordnet.

3. Für den Fall, dass der Anordnung nicht gefolgt wird, wird ein Zwangsgeld verhängt.“

Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, mit der Boxermischlingshündin „L.“ sei es im Dezember 2012 und im März 2013 zu zwei Beißvorfällen mit verschiedenen anderen Hunden gekommen. Das Verhalten der Hündin „L.“ stelle eine konkrete Gefahr für geschützte Rechtsgüter von anderen Personen, wie die Unversehrtheit des Körpers oder der Schutz von Sachwerten, dar. Deshalb seien Maßnahmen nach Art. 18 LStVG zu prüfen. Maßnahmen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG stünden im Ermessen der Gemeinde. Bei der Ermessensprüfung sei im Fall der Hündin „L.“ Handlungsbedarf festzustellen, da angesichts der Gefahr, die von der Hündin in bestimmten Situationen ausgehe, die Notwendigkeit bestehe, Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit zu ergreifen. Im Rahmen der Gefahrenabwehr habe die Gemeinde zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geeignet, erforderlich und angemessen seien. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass das Tier erneut geschützte Rechtsgüter anderer Personen verletze. Die Anordnung, den Hund nur mit Maulkorb auszuführen, sei das geeignete Mittel, dies zu verhindern. Zur Zweckerreichung sei auch kein milderes Mittel ersichtlich (Art. 8 LStVG). Insoweit sei die Maßnahme auch angemessen. Die Notwendigkeit und die Art der anzuordnenden Maßnahmen seien im Benehmen mit dem Veterinäramt des Landratsamts A1 geprüft und durch die Sachverständige für das Hundewesen ... gutachterlich bescheinigt worden. Die Beißangriffe hätten mehrfach stattgefunden. Weitere Attacken könnten nicht ausgeschlossen werden. Die Anordnung, dass der Hündin beim Ausführen ein Maulkorb anzulegen sei und sie innerhalb der geschlossenen Bebauung immer an einer maximal 2 m langen, reißfesten Leine und mit schlupfsicherem Halsband zu führen sei, und außerhalb der geschlossenen Bebauung, wenn sich andere Hunde näherten, sei daher notwendig.

Die erforderliche Anhörung sei mit Schreiben vom 4. April 2013 erfolgt. Die Anordnung entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen (Art. 40 BayVwVfG).

Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Da die Androhung des Zwangsgeldes einen Leistungsbescheid i. S. von Art. 23 Abs. 1 VwZVG enthalte, könne das Zwangsgeld im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, wenn die Zwangsgeldforderung fällig werde, ohne dass es eines neuen Bescheids bedürfe.

Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Kläger laut Postzustellungsurkunde am 27. Juni 2013 zugestellt.

2. Am 29. Juli 2013 (Montag) ließen die Kläger Klage erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2013 aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 29. August 2013 ließen die Kläger beantragen,

Nr. 1b des Bescheids der Beklagten vom 25. Juni 2013 aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, die angegriffene Nr. 1b des Bescheids sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Der ergänzend zum Leinenzwang angeordnete Maulkorbzwang stelle zwar möglicherweise ein geeignetes, nicht jedoch ein zulässiges Mittel dar, um der Gefahrenlage zu begegnen. Die Anordnung, den Hund nur mit Maulkorb auszuführen, entspreche nicht dem in Art. 8 LStVG geregelten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Beißvorfälle im Dezember 2012 und im März 2013 seien darauf zurückzuführen, dass die Hündin unangeleint ausgeführt worden sei. Die Anordnung des Leinenzwangs innerhalb der geschlossenen Bebauung und in unübersichtlichem Gelände sei ausreichend, um der von einem großen, kräftigen Hund ausgehenden Gefahr hinreichend Rechnung zu tragen. Die von der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid geschilderten Vorfälle ließen nicht den Rückschluss zu, dass die Hündin, wenn sie angeleint sei, sich losreißen und andere Hunde oder Menschen beißen würde. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil die Beklagte in Nr. 1f des Bescheides angeordnet habe, dass das Tier nur von den Klägern, also erwachsenen, zuverlässigen und körperlich hinreichend befähigten Personen ausgeführt werden dürfe. Zur Vermeidung der von der Rechtsprechung angenommenen, von großen Hunden ausgehenden Gefahr sei es regelmäßig ausreichend, dass innerhalb bebauter Ortsteile ein Leinenzwang für den jeweiligen Hund verfügt werde. Ein zusätzlicher Maulkorbzwang könne nur angeordnet werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar sei, einen kombinierten Leinen- und Maulkorbzwang zu verhängen. Aus den im Bescheid angeführten Vorfällen ergebe sich jedoch keine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass die Hündin der Kläger auch angeleint zubeißen würde. Der Leinenzwang allein sei zur Verhinderung von Beißgefahren geeignet, da in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt sei, dass die Hündin auch angeleint zubeißen oder sich sogar losreißen könnte. Insbesondere durch die Anordnungen in Nrn. 1c und 1d des Bescheids sei den in den Vorfällen im Dezember 2012 und März 2013 zutage getretenen Gefahren Genüge getan. Auch für den freien Auslauf außerhalb der geschlossenen Bebauung sei die Anordnung des Maulkorbzwangs abdingbar, denn die Leine dürfe nur abgenommen werden, wenn mit Sicherheit ein ungewollter Kontakt mit anderen Hunden ausgeschlossen sei. Da das Tier bei Annäherung anderer Hunde an einer maximal 2 m langen, reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband zu führen sei, befinde es sich im unmittelbaren Zugriffsbereich der Kläger. Die konkrete Gefahr von Beißvorfällen mit anderen Hunden sei hier dann nicht gegeben. Der Bescheid verstoße damit gegen das Übermaßverbot. Es seien weniger einschneidende Maßnahmen gleichermaßen geeignet, nämlich der bereits angeordnete Leinenzwang. Nr. 1b des angefochtenen Bescheides erweise sich jedenfalls deswegen als rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen beim Erlass der Anordnung nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt habe. Die Formulierung des Bescheids lasse erkennen, dass die Beklagte nicht erkannt habe, dass sie auch bei Vorliegen einer konkreten Gefahr das ihr nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausüben müsse. Dieser Ermessensnichtgebrauch mache die streitgegenständliche Anordnung rechtswidrig.

Die Beklagte ließ beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Klageabweisungsantrags wurde ausgeführt, Ziffer 1b des Bescheids vom 25. Juni 2013 sei rechtmäßig. Grundlage für den streitgegenständlichen Bescheid seien das Gutachten der Sachverständigen ... vom 10. Mai 2013 sowie die Stellungnahme des Landratsamts A1, Veterinäramt, vom 12. Juni 2013. Hierbei habe die Beklagte zu Recht angenommen, dass durch den Hund der Kläger eine konkrete Gefahr sowohl für andere Hunde, insbesondere aber auch für Kleinkinder ausgehe. Es sei zwar zutreffend, dass die Beißvorfälle mit dem nicht angeleinten Hund der Kläger erfolgt seien, jedoch habe die Begutachtung des Hundes sowie die Beurteilung durch das Veterinäramt ergeben, dass bei einem Zusammentreffen mit (gegebenenfalls unangeleinten) Artgenossen erneut Beißvorfälle zu befürchten seien. In diesem Zusammenhang müsse außerdem berücksichtigt werden, dass die Kläger in entscheidenden Situationen nicht in der Lage seien, ausreichend auf den Hund einzuwirken. Die Anordnung eines Maulkorbzwangs werde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht. Es hätten bereits zwei Beißvorfälle stattgefunden. Insbesondere die Verletzungen beim zweiten Vorfall dokumentierten, dass in besonderen Situationen eine gesteigerte Aggressivität des Hundes bestehe und zu schwerwiegenden Verletzungen geführt habe. Von der Beklagten sei sowohl durch die Verwertung des Gutachtens vom 10. Mai 2013 als auch durch die Einholung der zusätzlichen Stellungnahme des Landratsamtes A1, dessen Beurteilung sich die Beklagte angeschlossen habe, das ihr zustehende Ermessen ausgeübt worden.

3. Mit Beschluss vom 2. Februar 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

4. In der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2015 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert und die Sachverständige ... befragt.

Das Verfahren betreffend Nrn. 1 a, 1 c, 1 d, 1 e, 1 f und 3 des Bescheids vom 25. Juni 2013 wurde abgetrennt und unter dem Az. W 5 K 15.196 fortgeführt.

Der Klägerbevollmächtigte wiederholte den Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 29. August 2013. Der Beklagtenbevollmächtigte beantragte Klageabweisung.

Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

5. Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Nr. 1b des Bescheids der Beklagten vom 25. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Danach können die Gemeinden zum Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn im zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Letzteres ist dann der Fall, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass es in absehbarer Zeit zu einem Schaden, d. h. einer Verletzung der geschützten Rechtsgüter, kommt. Hierbei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden ist. Es ist für die Bejahung einer konkreten Gefahr nicht erforderlich, dass vor dem Erlass entsprechender Anordnungen bereits (Beiß-)Zwischenfälle stattgefunden haben (st. Rspr. d. BayVGH, s. U.v. 21.12.2011 Nr. 10 B 10.2806). Ist es jedoch bereits zu einem Beißvorfall oder einem sonstigen Vorfall gekommen, bei dem ein Hund eine Person oder einen anderen Hund angegriffen hat, so hat sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert. Es besteht dann die konkrete Gefahr weiterer derartiger Vorfälle, die Gefährlichkeit des Hundes bedarf dann keiner weiteren Nachprüfung mehr, etwa durch ein Gutachten (Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 18 Rn. 40, 42). Eine vollständige Aufklärung des tatsächlichen Ablaufs eines Vorfalls ist als Voraussetzung für ein sicherheitsbehördliches Einschreiten nicht erforderlich (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 53, m. w. N.). Es ist auch unerheblich, wie schwerwiegend die Folgen des Vorfalls waren, denn die konkrete (Verletzungs-)Folge hängt oft nur vom Zufall ab (zu Körperverletzungen vgl. Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 42). Für die Beurteilung der konkreten Gefährlichkeit eines Hundes hat ein bestandener Wesenstest ebenfalls keinerlei Aussagekraft (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 45a). Ein solcher Wesenstest kann immer nur eine Momentaufnahme vom Verhalten des überprüften Tieres sein und bedeutet insbesondere nicht, dass es für den begutachteten Hund keinen Reiz gibt, der zu einem anderen Zeitpunkt oder in einer anderen Situation ein aggressives Verhalten auslöst (BayVGH, B.v. 11.2.2015 Nr. 10 ZB 14.2299). Bei der Abnahme von Wesenstests vorgenommene Vorsichtsmaßnahmen können eher die Unberechenbarkeit der überprüften Hunde bestätigen (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 40).

Nach diesen Maßgaben ist die Gefahrenprognose der Beklagten nicht zu beanstanden. Von der streitgegenständlichen Hündin geht eine konkrete Gefahr jedenfalls für das Schutzgut Eigentum (an anderen Hunden) aus. Die Hündin L. war in zwei Beißvorfälle mit anderen Hunden verwickelt, wobei sie beim zweiten Beißvorfall den anderen Hund schwer verletzt hat. Ob die Gefahrenprognose der Beklagten hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit von Personen zutreffend war, kann offen bleiben. Ausschließlich zum Schutz von Personen getroffene Maßnahmen (vgl. Nr. 1e des Bescheids vom 25. Juni 2013) sind nicht (mehr) Streitgegenstand.

Es kann dahinstehen, ob bei der erforderlichen Gefahrenprognose auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen ist oder ob es sich bei der sicherheitsbehördlichen Anordnung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, für dessen gerichtliche Überprüfung auch hinsichtlich der Gefahrenprognose der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (offen gelassen in BayVGH, U.v. 26.11.2014 Nr. 10 B 14.1235), denn auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist von einer weiter vom klägerischen Hund ausgehenden konkreten Gefahr zumindest für das Schutzgut Eigentum auszugehen: Zwar hat L., soweit dem Gericht bekannt, kein weiteres Tier gebissen. Dies mag jedoch an der Befolgung des kombiniert angeordneten Leinen- und Maulkorbzwangs durch die Kläger gelegen haben. Jedenfalls ist die vom streitgegenständlichen Hund ausgehende Gefahr nicht deshalb entfallen, weil es seitdem zu keinen weiteren Zwischenfällen mehr gekommen ist. Von einem Wegfall der konkreten Gefahr kann allenfalls dann ausgegangen werden, wenn über den bloßen Zeitablauf hinaus Tatsachen vorliegen, aus denen der sichere Schluss gezogen werden kann, dass von dem Hund inzwischen keine Gefahr mehr ausgeht (BayVGH, U.v. 26.11.2014 Nr. 10 B 14.1235). Solche konkreten Tatsachen sind im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich.

Ein Ermessensfehlgebrauch hinsichtlich der Anordnung der Beklagten in Nr. 1b des Bescheids vom 25. Juni 2013 ist nicht zu erkennen.

Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden nach Art. 18 Abs. 2 LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Liegt eine konkrete Gefahr vor, sind an die Begründung des Entschließungsermessens regelmäßig keine hohen Anforderungen zu stellen (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 61). Weiterhin müssen die getroffenen Anordnungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) genügen, d. h., sie müssen zur Abwehr der festgestellten Gefahr erforderlich und geeignet sowie verhältnismäßig im engeren Sinne sein, d. h. angemessen und zumutbar (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 63).

Nach den ergänzenden Erläuterungen der Beklagten in der Klageerwiderung und in der mündlichen Verhandlung sowie den ergänzenden Ausführungen der Sachverständigen für das Hundewesen in der mündlichen Verhandlung ist die Ermessensausübung der Beklagten bei Bescheiderlass nicht zu beanstanden. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hinreichend beachtet.

Soweit der angeordnete Maulkorbzwang sich auf den nach dem Bescheid vom 25. Juni 2013 möglichen Freilauf des Hundes außerhalb der geschlossenen Bebauung in übersichtlichem Gelände bezieht, begegnet dieser aufgrund der Beißvorfälle, bei denen der Hund nicht angeleint war, keinen Bedenken. Wenn ein Hund, dessen Gefährlichkeit belegt ist, unangeleint frei laufen darf und sich nicht mehr im unmittelbaren Einflussbereich des Halters befindet, können Tiere oder Personen durch einen Maulkorbzwang in angemessener Weise geschützt werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2011 Nr. 10 ZB 10.1825). Der Kläger akzeptierte in der mündlichen Verhandlung für den Freilauf des Hundes auch den von der Beklagten angeordneten Beißkorbzwang.

Doch auch soweit ein kombinierter Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet ist, ist der Bescheid verhältnismäßig und entspricht pflichtgemäßer Ermessensausübung. Eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang verstößt nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ständige Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, B.v. 5.2.2014 Nr. 10 ZB 13.1645). Ein zusätzlicher Maulkorbzwang kann zwar nur verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist, weil z. B. eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen würde (vgl. VG Augsburg, B.v. 26.4.2012 Nr. Au 5 S 12.316). Dies ist jedoch vorliegend der Fall. Es ist zwar kein Beißvorfall aktenkundig, bei dem der streitgegenständliche Hund angeleint gewesen ist. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Anordnung des Leinenzwangs unter den konkreten Umständen nicht ausreichend ist, um der von der streitgegenständlichen Hündin ausgehenden Gefahr hinreichend Rechnung zu tragen

Die Erforderlichkeit des von der Beklagten zusätzlich zum Leinenzwang verfügten Beißkorbzwangs ist durch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Andere weniger einschneidende Maßnahmen, die in gleicher Weise geeignet wären, die von dem Hund auch im angeleinten Zustand für andere Hunde ausgehenden Gefahren abzuwenden, sind nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat die Anordnung des Maulkorbzwangs nach fachlicher Beratung durch das Landratsamt A1 (Veterinäramt) vorgenommen. Dass im Gutachten der Sachverständigen .vom 10. Mai 2013 keine Empfehlung enthalten war, auch dem angeleinten Hund einen Maulkorb anzulegen, ist darauf zurückzuführen, dass die Sachverständige nach ihrer Aussage vor der Gutachtenerstellung die Schwere der Verletzungen des anderen Hundes beim zweiten Beißvorfall nicht gekannt hat, und führt nicht zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Entscheidung der Beklagten. Die ergänzende Befragung der Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung nach Kenntnis der Lichtbilder des am 10. März 2013 verletzten Hundes hat ergeben, dass der Leinenzwang auch aus ihrer Sicht alleine nicht geeignet ist, das „Fassen“ und Verletzen anderer Hunde durch die Hündin der Kläger auszuschließen. Nach der nachvollziehbaren Darstellung der Sachverständigen stellt L. eine Gefährdung für andere Hunde dar, die unkontrolliert in L. „hineinlaufen“. Die Sachverständige sieht z. B. eine Gefahr beim Führen der streitgegenständlichen Hündin ohne Maulkorb an der Leine bei der Begegnung mit einem freilaufenden Hund, der sich nicht abrufen lässt, etwa weil er alt ist und schlecht hört. Sie nimmt dahingehend Stellung, dass auch beim Führen an der kurzen Leine ein Zubeißen der streitgegenständlichen Hündin nicht verhindert werden könne, wenn ein gewisser Abstand zu einem anderen Hund unterschritten werde. Aufgrund der von der streitgegenständlichen Hündin bereits verursachten massiven Verletzungen eines anderen Hundes ist die Sachverständige der Auffassung, die streitgegenständliche Hündin solle außerhalb des Halteranwesens einen Maulkorb tragen. Da es nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Amtstierärztin L. im behördlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung nahe liegt, dass bei dem streitgegenständlichen Hund eine Störung in der Verhaltenssteuerung vorliegt, ist ein gegen einen anderen Hund gerichtetes unvermitteltes Zubeißen bzw. Festbeißen der Hündin im angeleinten Zustand auch hinreichend wahrscheinlich. Nachdem die zu befürchtenden Schäden von einigem Gewicht sind, sind an die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadenseintritts keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.

Der Maulkorbzwang ist auch ansonsten verhältnismäßig. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Hunde mit angelegtem Maulkorb unerträglich in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt sind oder durch das zeitlich beschränkte Tragen eines Maulkorbs eine Wesensänderung erfahren (Bengl/Berner/Emmerig, a. a. O., Art. 18 Rn. 70). Vorliegend hat die Begutachtung darüber hinaus ergeben, dass der Maulkorb für die streitgegenständliche Hündin keine Beeinträchtigung darstellt.

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Die vom Kläger allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht geht in der angegriffenen Entscheidung, die gemäß § 84 Abs. 4 VwGO in zulässiger Weise auf die Entscheidungsgründe des vorangegangenen Gerichtsbescheids vom 13. Mai 2014 Bezug nimmt und an dessen Begründung im Wesentlichen festhält, davon aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vom freien Umherlaufen großer Hunde auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr, vom Führen derartiger Hunde durch eine hierzu nicht befähigte Person oder von einer nicht ausbruchsicheren Unterbringung dieser Hunde regelmäßig eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgehe und im Hinblick auf die Bedeutung der geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ausreiche, um eine konkrete Gefahr in diesem Sinne anzunehmen. Bei seiner Gefahrenprognose stellt das Erstgericht darauf ab, dass Anordnungen zur Hundehaltung nicht erst dann zulässig seien, wenn es durch den Hund zu einem Angriff gekommen sei. Weder der von den Hunden des Klägers bestandene sogenannte Wesenstest noch die Tatsache, dass es vor Erlass des streitbefangenen Bescheids außer den in der Behördenakte dokumentierten Begebenheiten im Zusammenhang mit den Hunden des Klägers zu keinen besonderen (Beiß-)Vorfällen und keiner Schädigung von Personen gekommen sei, stünden der Annahme einer konkreten Gefahrenlage entgegen. Auch die zahlreichen vom Kläger vorgelegten Bekundungen Dritter zur - vereinfacht ausgedrückt - Ungefährlichkeit seiner Hunde widerlegten die Prognose einer konkreten Gefahr nicht. Der durch Aktenvermerk der Beklagten dokumentierte Vorfall mit den Hunden des Klägers vom 30. Oktober 2013 bestätige im Übrigen die angestellte Prognose und die Erforderlichkeit der von der Beklagten getroffenen Anordnungen.

Dagegen macht der Kläger mit seinem Zulassungsantrag geltend, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung der von ihm herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verkannt, wonach eine konkrete Gefahr von großen Hunden, wenn sie auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr umherliefen, nur „regelmäßig“ ausgehe. Demgemäß bedürfe es einer entsprechenden konkreten Betrachtung im Einzelfall, um eine konkrete Gefahr tatsächlich bejahen zu können. Eine schematische Betrachtung ohne Einbeziehung aller für die Gefahrenprognose maßgeblichen Kriterien sei dagegen nicht geeignet, derartige Maßnahmen zu begründen. Vielmehr beinhalte der Begriff „regelmäßig“ einen Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die Pflicht zur Ausübung dieses vorhandenen Ermessens. Im Rahmen dieser Ermessensausübung müssten sämtliche Aspekte Berücksichtigung finden, was jedoch weder in der streitbefangenen Verfügung der Beklagten noch der Entscheidung des Gerichts erfolgt sei. So seien weder das erstinstanzlich vorgelegte Gutachten, welches die besonders gute Sozialisierung und Ungefährlichkeit der Hunde bestätigte, noch die zahlreichen Aussagen und Bewertungen von Menschen, die bereits mehrfach Kontakt mit den Hunden gehabt hätten, ausreichend berücksichtigt worden. Der Erziehungsstand seiner Hunde sei als besonders gut eingestuft worden, konkrete Gefährdungssituationen habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass für die Hunde die Möglichkeit eines artgerechten Auslaufs gegeben sein müsse. Dies sei bei dem Anleinzwang mit einer maximal 1,5 m langen Leine aber nicht möglich. Die Hunde seien in jeder Situation von den Familienmitgliedern abrufbar, so dass ein Anleinen bei einem Zusammentreffen mit Spaziergängern nicht gefordert werden dürfe. Auch sei es kaum möglich, ein Freilaufgelände mit besucherleeren Wegen zu finden. Ebenso wenig befänden sich (geeignete) Hundeplätze in der Nähe. Auch mangels ausreichender Bewegungsmöglichkeiten für die Hunde seien die Anordnungen deshalb nicht verhältnismäßig. Demgemäß halte der Kläger ein weiteres freies Umherlaufen seiner Hunde für richtig.

Mit diesem Vorbringen stellt der Kläger aber die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die unter Nr. I. des angefochtenen Bescheids aufgrund von Art. 18 Abs. 2 StVG getroffenen Anordnungen zur Hundehaltung (Leinenzwang sowie eingeschränkter Freilauf außerhalb bewohnter Gebiete) rechtmäßig seien, nicht ernsthaft in Frage. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zu Recht davon ausgegangen, dass Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden nach Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG nur getroffen werden dürfen, wenn im jeweils gesondert zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die betreffenden Schutzgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) besteht (vgl. insbes. BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B. v. 29.4.2013 - 10 ZB 10.2523 - juris Rn. 4; BayVGH, U. v. 26.11.2014 - 10 B 14.1235 - juris Rn. 20 jeweils m. w. N.). Dies ist dann der Fall, wenn bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in dem zu beurteilenden Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt gerechnet werden kann. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schutzwürdiger das bedrohte Schutzgut und je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Von großen Hunden - wie den Hunden des Klägers, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen, vom Führen derartiger Hunde durch eine hierzu nicht befähigte Person oder durch eine nicht ausbruchsichere Unterbringung solcher Hunde geht dabei in der Regel ein konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter oder für andere Hunde aus; zu (Beiß-)Zwischenfällen muss es vor dem Erlass entsprechender Anordnungen nicht gekommen sein (BayVGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 18 u. 22; BayVGH, B. v. 29.4.2013 a. a. O. Rn. 4 u. 12; BayVGH, B. v. 20.8.2014 - 10 ZB 14.1184 - juris Rn. 5). Dies gilt im Übrigen selbst dann, wenn ein Hund sich freundlich und friedlich verhält. Denn bei frei umherlaufenden größeren Hunden kommt es häufig vor, dass unerfahrene oder ängstliche Personen in Angstzustände versetzt werden, was bereits als Beeinträchtigung der Gesundheit anzusehen ist. Auch wenn der einzelne Hund gutmütig und von friedlicher Wesensart ist, fühlen sich solche Personen nicht selten durch den Hund bedroht und fürchten, von ihm gebissen zu werden. Da viele Menschen keine Erfahrung im Umgang mit Hunden haben und nicht einschätzen können, ob ein Hund friedlich auf sie zuläuft oder ob er sich in aggressiver Weise nähert, reagieren sie falsch, was zu erheblichen Gefahren insbesondere auch deshalb führen kann, weil der Hund zum Beißen animiert wird (BayVGH, B. v. 29.4.2013 a. a. O. Rn. 12 m. w. Rspr-nachweisen).

Ausgehend davon haben die Beklagte im streitbefangenen Bescheid vom 11. Juli 2013 und das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung bei den Hunden des Klägers, bei denen es sich unstreitig um große und kräftige Tiere handelt, auch unter Berücksichtigung von Klagen und Beschwerden besorgter Eltern und Anwohner in der Vergangenheit, die sich von diesen Hunden bedroht fühlten, als diese sich „herrenlos“ außerhalb des Halteranwesens befanden, eine solche konkrete Gefahr für das Schutzgut Gesundheit angenommen. Den durch Aktenvermerk der Beklagten vom 11. November 2013 festgehaltenen Vorfall mit den klägerischen Hunden vom 30. Oktober 2013 hat das Verwaltungsgericht dabei zu Recht als Bestätigung seiner angestellten Gefahrenprognose angesehen. Der Kläger macht überdies mit seinem Zulassungsantrag geltend, er wolle selbstverständlich seine Hunde auch in Zukunft frei umherlaufen lassen.

Entgegen der Auffassung des Klägers in der Zulassungsbegründung besteht bei dieser Gefahrenprognose kein „Ermessensspielraum“ der zuständigen Sicherheitsbehörde. Vielmehr unterliegt die durch die Behörde getroffene Einschätzung hinsichtlich der Gefahrenprognose nicht nur in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle, sondern es ist im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu prüfen (s. § 86 Abs. 1 VwGO), ob vom betreffenden Hund eine konkrete Gefahr im Sinne von Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 LStVG ausgeht (BayVGH, U. v. 26.11.2014 a. a. O. Rn. 25 m. w. N.). Die diesbezügliche Prüfung und Beurteilung des Verwaltungsgerichts ist aber auch unter Berücksichtigung der Einwände des Klägers nicht zu beanstanden.

Nicht durchgreifend ist zunächst der Einwand, bei der angestellten Prognose sei das vom Kläger vorgelegte Gutachten, das die Ungefährlichkeit der Hunde bestätige, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Denn das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs diesem Gutachten insoweit keine entscheidende Bedeutung zugemessen. Ein positiver Wesenstest nach Art. 1 Abs. 2 KampfhundeV steht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats einer sicherheitsrechtlichen Anordnung nicht entgegen, da ein solcher Wesenstest immer nur eine Momentaufnahme vom Verhalten des überprüften Tieres sein kann und insbesondere nicht bedeutet, dass es für den begutachteten Hund keinen Reiz gibt, der zu einem anderen Zeitpunkt oder in einer anderen Situation ein aggressives Verhalten auslöst (vgl. BayVGH, B. v. 7.4.2004 - 24 CS 04.53 - juris Rn. 18 f.; BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris Rn. 19 f.). Denn auch bei als „normal aggressiv“ eingestuften Hunden wie den klägerischen Hunden ist unter bestimmten Bedingungen - zum Beispiel Angriffen gegen den Hundeführer und/oder das eigene Territorium oder sich selbst - mit einem Verhalten zu rechnen, das nach der von der Sachverständigen im Gutachten zugrunde gelegten Klassifizierung des Aggressionsverhaltens als „wehrhaft verteidigen“ bezeichnet wird. Gerade in Verbindung mit Fehleinschätzungen oder Fehlverhalten von Passanten (zum Beispiel Kindern) bedeutet ein solches „wehrhaftes Verteidigen“ eine erhebliche Gefahr insbesondere für das hochwertige Schutzgut Gesundheit (BayVGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 21). Dementsprechend durfte das Verwaltungsgericht auch den vom Kläger im Verfahren vorgelegten zahlreichen Aussagen und Bewertungen von Menschen, die bereits Kontakt mit den Hunden des Klägers hatten und deren Gutmütigkeit und freundliches Verhalten „aus eigener Wahrnehmung“ bestätigten, bei seiner Gefahrenprognose keine die Einschätzung einer konkreten Gefahr widerlegende Bedeutung beimessen. Auch der Hinweis des Klägers auf den in der Begutachtung festgestellten „besonders guten Erziehungsstand“ seine Hunde verfängt daher insoweit nicht. Denn auch daraus kann - wie im Übrigen die in der Behördenakte festgehaltenen Beschwerden von Anwohnern und besorgten Eltern sowie der Vorfall vom 30. Oktober 2013 belegen - nicht der sichere Schluss gezogen werden, dass es bei den Hunden des Klägers, wenn diese frei herumlaufen, zu den oben beschriebenen Gefahrensituationen nicht (mehr) kommen wird.

Die streitbefangenen Anordnungen der Beklagten zu Haltung der klägerischen Hunde erweisen sich auch nicht als ermessensfehlerhaft (s. Art. 40 BayVwVfG). Die Beklagte hat diese Anordnungen nach pflichtgemäßem Ermessen verfügt, um dadurch den oben beschriebenen Gefahrensituationen durch die frei umherlaufenden Hunde des Klägers zu begegnen. Die Beklagte hat auch ihr Auswahlermessen (s. Art. 8 LStVG) entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Befugnisnorm ausgeübt und die Grenzen des Ermessens eingehalten. Sie hat insbesondere auch den tierschutzrechtlichen Aspekt eines notwendigen freien Auslaufs der Hunde berücksichtigt und in die Interessenabwägung eingestellt.

Der diesbezügliche klägerische Einwand, aufgrund der getroffenen behördlichen Anordnungen könnten seine Hunde ihren natürlichen Bewegungsdrang nicht mehr stillen und ein geeignetes Freilaufgelände sei in der Praxis (vor allem in der Nähe) nicht zu finden, greift ebenfalls nicht durch. Dass Anordnungen zur Haltung von Hunden wie die hier streitbefangenen Anordnungen der Beklagten (zum Leinenzwang) auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 2 LStVG verfügt werden können, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. nur BayVGH, U. v. 21.12.2011 - 10 B 10.2806 - juris). Der Senat hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass das Recht der Allgemeinheit auf Nutzung öffentlicher Wege und Straßen den Vorrang vor den Belangen des Hundes bzw. seines Besitzers, diesen frei laufen zu lassen, haben muss (BayVGH, U. v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 26). Im Übrigen ist es Sache des Hundehalters, für eine artgerechte Haltung seines Hundes und für den nötigen Auslauf zu sorgen. Dass der Kläger für seine Hunde ein geeignetes Freilaufgelände tatsächlich nicht finden kann, ist nach Auffassung des Senats eine unsubstantiierte und auch nicht nachvollziehbare Behauptung.

Soweit der Kläger noch geltend macht, der im angefochtenen Bescheid enthaltene Vorbehalt weiterer Auflagen sei ebenfalls rechtswidrig, weil auch insoweit das Vorliegen einer konkreten Gefahr zu fordern sei, welche hier aber nicht vorliege, wird dadurch unabhängig von dem oben Ausgeführten ein tragender Rechtssatz des Erstgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn das Verwaltungsgericht hat den Vorbehalt der Festsetzung weiterer Auflagen zwar als „Nebenbestimmung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG“ angesehen, aber gleichzeitig festgestellt, dieser beinhalte keine den Kläger in seinen Rechten einschränkende Regelung, sondern sei vielmehr als (unverbindlicher) Hinweis auf die ohnehin unabhängig von diesem Vorbehalt bestehende Möglichkeit, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (des Art. 18 Abs. 2 LStVG) weitere Anordnungen zu treffen, zu bewerten. Der Vorbehalt im Bescheid selbst eröffne nicht die Möglichkeit, unabhängig von diesen gesetzlichen Regelungen Auflagen anzuordnen. Diese die Entscheidung insoweit tragende Erwägung zieht der Kläger aber nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Zweifel.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Unter Abänderung der Nr. I des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. August 2012 wird der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 insoweit aufgehoben, als dieser einen Leinenzwang auch für die Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile enthält.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Unter Abänderung der Nr. II des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. August 2012 tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils die Hälfte der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Halterin des etwa sechs Jahre alten Hundes „L.“ der Rasse Rhodesian Ridgeback mit einer Widerristhöhe von über 60 cm.

Am 14. März 2012 kam es zu einem Beißvorfall mit dem Hund der Klägerin. Anlässlich eines Spaziergangs mit der Klägerin - zusammen mit dem Collie der Mutter der Klägerin und dem Berner Sennenhund der Schwester der Klägerin - lief „L.“ auf einem außerhalb bebauter Ortschaften verlaufenden Radweg auf den angeleinten Jack-Russel-Terrier „St.“ zu und fügte ihm eine Bisswunde bei.

Nach Anhörung erließ die Beklagte am 20. April 2012 eine sicherheitsrechtliche Anordnung, mit der sie der Klägerin untersagte, ihren Hund sich außerhalb ihres Grundstückes unangeleint bewegen zu lassen (Leinenzwang), sowie ihr aufgab, den Hund außerhalb ihres Anwesens grundsätzlich an einer reißfesten, maximal 2 m langen Leine mit Hakenkarabiner zu führen und ihm ein schlupfsicheres Halsband anzulegen (Nr. 1 des Bescheids). Unter Nr. 2 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Nr. 1 an. Für den Fall, dass die Klägerin die in Nr. 1 genannte Verpflichtung nicht sofort erfülle, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1000.- Euro angedroht (Nr. 3). Zur Begründung des auf Art. 7 Abs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützten Bescheids wurde ausgeführt, vom Hund der Klägerin gehe eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, da nach den gegebenen Tatsachen zu befürchten sei, dass der Hund in naher Zukunft wieder Tiere verletzen oder unter Umständen Menschen Schaden zufügen werde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anordnung für den Einzelfall zur Haltung von Hunden seien erfüllt. Der Erlass einer solchen Anordnung stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde. Die Beklagte halte ein Einschreiten im öffentlichen Interesse für notwendig. Der Vorfall zeige, dass der Hund der Klägerin ohne vorhersehbaren Anlass aus seiner ungebändigten Natur heraus zu einer schweren Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen werde könne, wenn er sich außerhalb des Grundstücks unangeleint aufhalte. Bei der Beißattacke am 14. März 2012 seien drei Hunde unangeleint auf einen anderen Hund zugelaufen. Aufgrund des Rudelverhaltens der Tiere sei eine konkrete Gefahr zu bejahen. Das Interesse des Halters, von sicherheitsrechtlichen Maßnahmen verschont zu bleiben, sei grundsätzlich nachrangig und müsse hinter das höherwertige Ziel des Schutzes von Menschen zurücktreten, ebenso wie der natürliche Bewegungsdrang des Tieres. Unerheblich sei zudem, ob der beteiligte unterlegene Hund den Beißvorfall mitverursacht habe. Hinzu komme, dass es nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht erforderlich sei, dass ein Hund bereits durch Beißen von Menschen oder Tieren oder durch sonstiges aggressives Verhalten auffällig geworden sei. Die Abwehr von Gefahren setze nicht voraus, dass bereits ein schädigendes Ereignis stattgefunden habe. Bei dem klägerischen Hund komme erschwerend hinzu, dass es sich um ein großes Tier handle. Sei es bereits zu einem Beißvorfall gekommen, seien Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zur Gefahrenabwehr nicht nur zulässig, sondern vielmehr geboten. Das Ermessen sei auf Null reduziert. Die Anordnung des Leinenzwangs entspreche somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Dem Antrag der Klägerin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gab das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 24. Mai 2012 insoweit statt, als angeordnet wurde, den Hund der Klägerin auch außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile anzuleinen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2012 ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 aufzuheben. Zur Begründung wurde vorgebracht, der Bescheid gehe unrichtigerweise davon aus, dass sich neben dem Hund der Klägerin auch die Hunde von deren Mutter und Schwester auf „St.“ gestürzt hätten. Auf ein Rudelverhalten könne der Bescheid nicht gestützt werden, da nur der Hund der Klägerin und „St.“ am Beißvorfall beteiligt gewesen seien. Zudem sei zu berücksichtigen, dass „St.“ unsozialisiert im Zwinger gehalten werde und äußerst aggressiv sei. Ein Beißen des Hundes der Klägerin sei unwahrscheinlich, vielmehr habe sich „St.“ nicht artgerecht verhalten, sondern versucht, sich aus dem Bissgriff des Ridgeback zu lösen. Dabei sei es wohl zu den nicht nachgewiesenen Verletzungen des Jack Russel gekommen. Die Anordnung begegne auch insoweit rechtlichen Bedenken, als der Hund der Klägerin nur noch auf dem eigenen Grundstück frei laufen dürfe. Zudem sei kein Grund zu erkennen, warum beispielsweise außerhalb von Ortschaften nicht eine längere Laufleine (z. B. mit 8 Metern) erlaubt sein solle. Auch sei nicht erkennbar, wieso eventuellen Gefahren nicht dadurch begegnet werden könne, dass der Hund (wahlweise) einen Maulkorb tragen müsse. Zudem sei die Anordnung zu unbestimmt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und führte aus, es könne dahinstehen, ob der gebissene Hund aggressiv sei oder unsozialisiert, denn darauf komme es bei einer Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht an. Ausreichend sei, dass vom klägerischen Hund eine konkrete Gefahr ausgehe. Auch erweise sich die angeordnete Maßnahme des Leinenzwangs als erforderlich und verhältnismäßig. Ein Maulkorbzwang sei nicht angebracht, da auch gerade das hundetypische freie Zulaufen auf andere Hunde und Personen eine Gefahr darstelle, die durch einen Maulkorbzwang nicht verhindert werden könne. Der klägerische Hund sei zudem aufgrund seiner Größe und seines Gewichts immer noch in der Lage, auch mit einem Maulkorb Personen anzuspringen oder umzuwerfen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg am 14. August 2012 wurden sowohl die Halterin des gebissenen Hundes „St.“ als auch die Schwester und die Mutter der Klägerin als Zeuginnen einvernommen. Insoweit wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Mit Urteil vom 14. August 2012 wies das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg die Klage der Klägerin ab und begründete dies wie folgt: Die angeordnete Anleinpflicht sei durch Art. 18 Abs. 2 LStVG gedeckt. Vom Hund der Klägerin gehe eine konkrete Gefahr für die Unversehrtheit anderer Hunde aus. Dies habe sich aufgrund des Beißvorfalls am 14. März 2012 gezeigt. Der angeordneten Anleinpflicht stehe nicht entgegen, dass sich die Hunde bei dem Beißvorfall womöglich artgerecht verhalten hätten. Auch hundetypisches Verhalten könne eine Gefahr begründen. Der angeordnete Leinenzwang sei geeignet, die bestehende Gefahr zu mindern und sei auch nicht unverhältnismäßig. Zum einen stelle ein frei umherlaufender großer und kräftiger Hund nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits eine konkrete Gefahr i. S. d. Art. 18 Abs. 2 LStVG dar. Zum anderen habe die Sicherheitsbehörde bei der Auswahl der angeordneten Maßnahmen einen Ermessensspielraum. Der angeordnete Leinenzwang sei auch rechtmäßig, soweit er für den Außenbereich gelte und insoweit keine Ausnahmen zulasse. Denn der Beißvorfall habe gerade im Außenbereich stattgefunden. Es bestehe die Gefahr, dass es wieder zu einem Beißvorfall komme, wenn der klägerische Hund nicht stets angeleint werde, wenn er sich außerhalb des klägerischen Anwesens befinde.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat die lediglich auf eine Einschränkung des Anleinzwangs gerichtete Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 4. Juni 2014 zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Der angefochtene Bescheid lasse nämlich jegliche Ermessenserwägungen bei der Anordnung eines ausnahmslosen Anleinzwangs vermissen.

In ihrem Schriftsatz vom 10. Juli 2014 zur Begründung ihrer Berufung stellte die Klägerin nochmals klar, dass sie nicht eine vollständige Aufhebung des sicherheitsrechtlich angeordneten Leinenzwangs für ihren Hund begehre, sondern eine Einschränkung des Leinenzwangs, der einerseits dem Sicherheitsbedürfnis Dritter, aber andererseits auch dem artgerechten Bewegungsbedürfnis ihres Hundes und der ihr obliegenden Verpflichtung als Halterin, für eine artgerechte Bewegung ihres Tieres Sorge zu tragen, entgegenkomme und die gegenläufigen Belange abwäge und angemessen berücksichtige. Soweit der angefochtene Bescheid außerhalb ihres Grundstücks einen ausnahmslosen Anleinzwang für ihren Hund anordne, liege eine nicht notwendige und unverhältnismäßige Einschränkung der artgemäßen Bewegung für den Hund vor, die sowohl die Rechte der Klägerin als Hundehalterin als auch die Belange ihres Hundes in unvertretbarer, rechtswidriger Weise beeinträchtige. Der ausnahmslose Leinenzwang, der sich ausweislich des Wortlauts der Anordnung auch auf Hundeschulen und -pensionen sowie auf eingefriedete und gesicherte Grundstücke bzw. Privatgrundstücke, die einem öffentlichen Verkehr nicht zugänglich seien, beziehe, sei rechtswidrig, da mildere Mittel erkennbar seien, die zum gleichen Ergebnis führten. Ohne dass Dritten Gefahr drohe, könnte vom Leinenzwang abgesehen werden, wenn sich der Hund in Bereichen außerhalb von Ortschaften auf öffentlichen Wegen oder Straßen befinde und durch die Klägerin oder eine andere Person beaufsichtigt werde und sich weder Menschen noch Tiere näherten noch sonstige Gefahrensituationen vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. August 2012 den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 insoweit aufzuheben, als dieser einen Leinenzwang auch für die Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile enthalte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für die Beklagte habe aufgrund des konkreten Vorfalls kein Grund zur Ausübung eines Auswahlermessens bestanden, da ohnehin eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Der unbeschränkte Leinenzwang sei die einzige ermessensgerechte Entscheidung gewesen. Auch wenn Art. 18 Abs. 2 LStVG grundsätzlich ein Ermessen einräume, könne sich im Rahmen der Gefahrenprognose ergeben, dass nur eine Maßnahme effektiv die Gefahren beseitigen könne. Dabei sei einerseits der auslösende Vorfall zu beachten, aber auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei den nach Art. 18 Abs. 1 LStVG geschützten Rechtsgütern grundsätzlich um höherrangige Interessen als die Bewegungsfreiheit des Hundes handle. Da es sich um einen großen Hund handle, der bereits zuvor einmal eine Katze gebissen habe, ergebe sich innerorts allein daraus eine Ermessensreduzierung auf Null. Aber auch außerhalb der Ortschaft gewähre allein der Leinenzwang eine sichere Vermeidung von Gefahren. Der Hund könne, wenn er frei umherlaufe, in gleicher Weise wie innerhalb des Ortes in Kontakt mit dritten Personen kommen. Diese Gefahr lasse sich ausschließlich mit einer Leine verhindern. Selbst mit einem Maulkorb könne der Hund immer noch Dritte verfolgen. Dies könne zu Panikreaktionen führen und damit mittelbar auch zu Verletzungen. Zudem könne sich der Hund ohne Leinenzwang grundsätzlich unbeschränkt entfernen. Dies zeige sich gerade in dem konkreten Vorfall und dem damaligen typischen Rudelverhalten des Hundes. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Es sei Aufgabe des Hundehalters, für den nötigen Auslauf auf einem ausreichend großen Privatgrundstück zu sorgen. Ein milderes Mittel als die Anordnung des Leinenzwangs sei bei einem bissigen Hund nicht ersichtlich. Zudem stelle der Leinenzwang nur einen geringen Eingriff dar, denn der Bescheid gelte ohnehin nicht für Privatgrundstücke oder Hundesportplätze, so dass ausreichend Möglichkeit zur Bewegung des Hundes bestehe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenunterlagen ebenso Bezug genommen wie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Senats am 24. November 2014, in der der Beklagtenvertreter klargestellt hat, dass die Anordnung des Leinenzwangs im streitgegenständlichen Bescheid nicht für ausreichend umfriedete Privatgrundstücke und Hundesport- und Hundetrainingsplätze gelte.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2012 ist, soweit er noch Gegenstand der Anfechtungsklage der Klägerin ist, aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 des Landesstraf- und -Verordnungsgesetzes (LStVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1982 (BayRS 2011-2-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2013 (GVBl S. 403) vor (dazu 1.). Jedoch leidet der angegriffene Verwaltungsakt an einem Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) (dazu 2.).

Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist gemäß dem nach § 88 VwGO ermittelten Klagebegehren, das auch in dem durch die Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten, allein maßgeblichen Klageantrag (s. § 103 Abs. 3 VwGO) zum Ausdruck kommt, nur noch die auf Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützte und vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil für rechtmäßig erachtete Anordnung (Leinenzwang) in Nr. 1 des Bescheids, soweit sich diese auf Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile bezieht. Die Klägerin konnte ihre Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) insoweit gegenständlich beschränken, weil die betroffene sicherheitsbehördliche Anordnung (Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) entsprechend teilbar ist (Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 88 Rn. 11 sowie Schmidt, a. a. O., § 113 Rn. 9). Die räumliche Beschränkung und damit Teilaufhebung des fehlerhaften Teils dieser Anordnung in Nr. 1 des Bescheids - Leinenzwang außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile - ist rechtlich zulässig, weil dieser (aufzuhebende) Teil mit dem verbleibenden Teil der Anordnung (des Verwaltungsakts) nicht in einem untrennbaren Zusammenhang steht und auch die durch die Beklagte getroffene (einheitliche) Ermessensentscheidung dem nicht entgegensteht. Vielmehr kann der verbleibende Teil - Leinenzwang innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile - ohne weiteres selbstständig bestehen. Er erlangt durch die Teilaufhebung auch keine andere Bedeutung, als ihm nach der Entscheidung der Beklagten als Sicherheitsbehörde ursprünglich zukam (vgl. Schmidt, a. a. O., Rn. 9). Damit ist Streitgegenstand, ob die Beklagte der Klägerin untersagen durfte, ihren Hund im Bereich außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile sich unangeleint bewegen zu lassen (Leinenzwang), ihn dort grundsätzlich an einer reißfesten, maximal 2 m langen Leine mit Hakenkarabiner zu führen und ihm ein schlupfsicheres Halsband anzulegen.

1. Im vorliegenden Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine sicherheitsrechtliche Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG gegeben. Danach können Gemeinden zum Schutz bestimmter in Abs. 1 genannter Rechtsgüter Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. In Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG sind als Rechtsgüter Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit genannt. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 LStVG vor, steht der Erlass einer Anordnung im Ermessen der Behörde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. BayVGH v. 12.5.2014 -10 B 12.2084 - juris Rn. 35 m. w. N.), darf eine Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nur erlassen werden, wenn im jeweils gesondert zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die betreffenden Schutzgüter vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann. Ob bei einer erforderlichen Gefahrenprognose dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids abzustellen ist, hier also auf den 20. April 2012 (vgl. BayVGH v. 29.8.2001 - 24 ZS 01.1967 - juris) oder ob es sich bei der betreffenden sicherheitsbehördlichen Anordnung (Untersagungsverfügung) um einen Dauerverwaltungsakt handelt, für dessen gerichtliche Überprüfung auch hinsichtlich der Gefahrenprognose der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist - wofür mit Blick auf Art. 8 Abs. 3 LStVG erwägenswerte Gründe sprechen - (offen gelassen BayVGH, B. v. 13.1.2012 - 10 CS 11.2379 - juris Rn. 29; für tierschutzrechtliche Anordnungen vgl. BVerwG, B. v. 9.7.2013 - 3 B 100/12 - juris Rn. 6; für Anordnungen zum Leinen- und Maulkorbzwang vgl. OVG NRW, B. v. 30.4.2004 - 5 A 1890/03 -juris Rn. 24), kann aber dahinstehen, denn der Tatbestand des Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 LStVG ist in beiden Zeitpunkten erfüllt.

1.1. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom August 2012 lag nach Auffassung des Senats eine vom klägerischen Hund „L.“ ausgehende konkrete Gefahr jedenfalls für das Schutzgut Eigentum (an anderen Hunden) vor.

Aus dem Bescheid selbst ergibt sich allerdings nicht hinreichend klar, worin die Beklagte diese konkrete Gefahr sieht. Sie führt zwar zunächst aus, dass zu befürchten sei, „L.“ werde in naher Zukunft wieder Tiere verletzen oder unter Umständen Menschen Schaden zufügen. In der weiteren Begründung ist dann jedoch mehrfach davon die Rede, dass „L.“ eine „schwere Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen“ sei. Eine solche Gefahr lässt sich aber nicht ohne Weiteres aus dem Beißvorfall vom 14. März 2012 herleiten, der Anlass für die Anordnung war. Damals hat der klägerische Hund auf einem Radweg in der freien Natur einen wesentlich kleineren Jack-Russel-Terrier angegriffen und verletzt. Menschen kamen dabei aber nicht zu Schaden. Auch anschließend bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids im August 2012 sind keine Vorfälle bekannt, bei denen „L.“ Menschen bedroht, angegriffen oder gar verletzt hätte.

Ob sich zudem, wie im Bescheid angenommen wurde, eine konkrete Gefahr aufgrund eines Rudelverhaltens der am Tag des Vorfalls anwesenden drei Hunde, nämlich dem klägerischen Hund, dem Hund der Mutter der Klägerin und dem Hund der Schwester der Klägerin, bejahen lässt, ist zweifelhaft. Zwar befanden sich alle drei Hunde in unmittelbarer Nähe des gebissenen Hundes, jedoch steht nicht fest, dass sich alle drei Hunde gemeinsam auf das Opfer gestürzt hätten. Insoweit hat auch die Einvernahme der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 24. November 2014 keine eindeutige Klärung erbracht. Gebissen hat jedenfalls nur der klägerische Hund, was nach Aussage aller Beteiligten feststeht.

Die Beklagte geht in ihrem Bescheid vom April 2012 im Ansatz zutreffend davon aus, dass von Hunden ausgehende Gefahren auch auf einem hundetypischen, artgerechten Verhalten beruhen können und dass der Hund der Klägerin ein großes Tier sei, das in der Lage sei, Mensch und Tier erhebliche Verletzungen zuzufügen. Der klägerische Rhodesian Ridgeback ist nämlich bereits von seiner Größe (Widerristhöhe über 60 cm) und seinem Gewicht (über 30 kg) her ein großer und kräftiger Hund, der anderen Tieren (und Menschen) allein aufgrund seines Körperbaus Angst einflössen und anlässlich eines Beißvorfalls erhebliche Schäden zufügen kann, wenngleich er vom Charakter her keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweist (vgl. „Rhodesian Ridgeback“ bei Wikipedia). Insoweit nimmt die Beklagte offensichtlich Bezug auf die Rechtsprechung des Senats, der bereits mehrfach (vgl. grundlegend U. v. 9.11.2010 - 10 BV 06.3053 - juris Rn. 25) die Auffassung vertreten hat, dass von großen Hunden, die frei herumlaufen, eine konkrete Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgehe. Dies gilt allerdings im Regelfall nur für öffentliche Straßen und Wege mit relevantem Publikumsverkehr. Ob hier ausnahmsweise auch für den Außenbereich angenommen werden kann, dass der klägerische Hund, obwohl er noch nie einen Menschen verletzt oder angegriffen hat, allein wegen seiner Größe und des Beißvorfalls mit dem Hund eine konkrete Gefahr auch für das Schutzgut Gesundheit darstellt, kann letztlich offen bleiben.

Ungeachtet der womöglich unrichtigen Begründung im streitgegenständlichen Bescheid unterliegt die von der Beklagten getroffene Einschätzung hinsichtlich der Gefahrenprognose nicht nur in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BayVGH, U. v. 15.3.2005 - 24 BV 04.2755 - juris Rn. 22), sondern es ist im gerichtlichen Verfahren auch von Amts wegen zu prüfen, ob vom betreffenden Hund eine konkrete Gefahr i. S. v. Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 LStVG ausgeht. Lagen demnach im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten Tatsachen vor, die eine von der Beklagten getroffene Gefahrenprognose hinreichend stützen, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 LStVG gegeben, auch wenn die anordnende Behörde die Gefahrenprognose missverständlich oder fehlerhaft begründet hat.

So steht im vorliegenden Fall fest, dass der klägerische Hund „L.“ in einen Beißvorfall verwickelt war, bei dem er einen wesentlich kleineren Jack-Russel-Terrier auf einem Radweg außerhalb bebauter Bereiche angegriffen und gebissen hat. Der von der Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr bestrittene Beißvorfall zeigt, dass ihr Hund durchaus über ein gewisses Aggressionspotential verfügt und damit die Gefahr besteht, dass er sich in einer ähnlichen Situation erneut auf einen anderen Hund stürzen könnte. Dass der Jack-Russel möglicherweise selbst ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das nicht artgerecht ist, und er aufgrund seiner aus einer Zwingerhaltung resultierenden nicht sozialisierten Wesensart den Vorfall womöglich provoziert hat, spielt dabei keine Rolle. Ausreichend ist, dass „L.“ das Eigentum von Menschen, hier den gebissenen Hund, verletzt hat und damit eine konkrete Gefahr für ein in Art. 18 Abs. 1 LStVG genanntes Schutzgut darstellt.

1.2. Auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also dem 24. November 2014, ist von einer weiter vom klägerischen Hund ausgehenden konkreten Gefahr für ein solches Schutzgut auszugehen. Zwar hat „L.“, soweit dem Senat bekannt ist, kein weiteres Tier mehr gebissen oder angegriffen. Dies mag auch daher rühren, dass er seit dem Erlass des Bescheides im August 2012 an der Leine geführt wird. Dennoch ist die vom Hund der Klägerin ausgehende konkrete Gefahr nicht deshalb entfallen, weil es seitdem zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen ist. Denn mangels eines Erfahrungssatzes, nach dem ein Hund, der über einen bestimmten Zeitraum unauffällig war, es auch in Zukunft bleiben wird, widerlegt ein längerer seit einem Beißvorfall verstrichener Zeitraum nicht per se die durch den vorherigen Beißvorfall indizierte Gefahrenlage (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2012 - 10 CS 12.1791 - juris Rn. 25). Von einem Wegfall der konkreten Gefahr kann vielmehr allenfalls dann ausgegangen werden, wenn über den bloßen Zeitablauf ohne weitere Zwischenfälle hinaus Tatsachen vorliegen, aus denen der sichere Schluss gezogen werden kann, dass von dem betroffenen Hund inzwischen keine Gefahr mehr ausgeht (vgl. BayVGH, B. v. 25.8.2014 - juris Rn. 8; B. v. 28.9.2012 - 10 CS 12.1791 - juris Rn. 25). Solche konkreten Tatsachen sind im vorliegenden Falle aber nicht ersichtlich.

2. Die Anordnung Nr. 1 im noch streitbefangenen Umfang erweist sich aber deshalb als rechtswidrig, weil sie ermessensfehlerhaft ist (Art. 40 BayVwVfG). Dies trifft sowohl auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids zu (dazu 2.1.) als auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (dazu 2.2.), denn eine ausreichende Ermessensergänzung des Verwaltungsakts ist auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht gemäß § 114 Satz 2 VwGO erfolgt.

2.1. Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden nach Art. 18 Abs. 2 LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Erschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG).

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids, also am 20. April 2012, hat die Beklagte zwar gesehen, dass ihr ein Ermessen dahingehend zusteht, ob sie Anordnungen hinsichtlich der Haltung des Hundes der Klägerin erlassen will und hat ein Einschreiten im öffentlichen Interesse ausdrücklich für notwendig gehalten. Allerdings ist sie dabei davon ausgegangen, dass vom klägerischen Hund eine schwere Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen ausgeht, wenn er sich außerhalb des klägerischen Grundstücks unangeleint aufhält. „L.“ hat aber bislang nie Anlass dafür gegeben, bei ihm von einer derart schweren Gefahr für diese Schutzgüter auszugehen. Zwar steht fest, dass er den Jack-Russel „St.“ beim streitgegenständlichen Beißvorfall verletzt hat, jedoch sind sonstige Beißattacken nicht nachweislich bekannt. Dass „L.“ schon einmal eine Katze gebissen hat, wird zwar behauptet, steht aber nicht eindeutig fest. Schon gar nicht hat er Menschen angegriffen und verletzt. Auch wenn die Beklagte davon ausgeht, dass der klägerische Hund eine Gefahr für Gesundheit und Leben von Menschen darstellen könne, hat auch sie nicht behauptet, ein Mensch sei von diesem Hund jemals verletzt oder auch nur sonst angegangen worden. Damit ist aber bereits fraglich, ob die Beklagte ihr Ermessen, ob sie gegen die Hundehalterin einschreiten will, ordnungsgemäß ausgeübt hat. Denn dies ist nur dann der Fall, wenn sie ihren Ermessenserwägungen Tatsachen zugrunde legt, die auch zutreffen.

Verfehlt ist überdies die rechtliche Bewertung der Beklagten, ein Einschreiten sei (zwingend) geboten, weshalb es für die Frage, ob Anordnungen überhaupt getroffen werden, keiner Ermessenserwägungen mehr bedürfe. Die Annahme der Beklagten im angefochtenen Bescheid, Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zur Abwehr der realisierten Gefahr seien dann, wenn es bereits zu einem Beißvorfall gekommen sei, nicht nur zulässig, sondern vielmehr geboten, trifft in der Form hier nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind zwar in Fällen, in denen es in der Vergangenheit bereits zu Beißvorfällen mit Verletzungen der Gesundheit von Menschen gekommen ist, Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht nur zulässig, sondern regelmäßig sogar geboten (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 25.8.2014 -10 ZB 12.2673 - juris Rn. 8). Die Argumentation der Beklagten, bei Gefährdung von Leben und Gesundheit sei das Ermessen „auf Null“ reduziert mit der Folge, dass geeignete Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr ergriffen werden müssten, ist gleichwohl hier verfehlt. Gerade dies liegt im vorliegenden Fall nämlich nicht vor, da Leben und Gesundheit von Menschen vom klägerischen Hund niemals gefährdet waren.

Selbst wenn man unter Hintanstellung aller Bedenken davon ausgeht, dass die Beklagte ihr Ermessen, ob sie Anordnungen hinsichtlich der Haltung des Hundes der Klägerin erlassen will, ermessensfehlerfrei ausgeübt hat, fehlt es jedenfalls an ausreichenden und nachvollziehbaren Ermessenserwägungen dahingehend, welche Maßnahmen geeignet und erforderlich waren und warum diese der Klägerin auch zumutbar waren (Art. 8 LStVG). Zu den im Bescheidstenor angeordneten Maßnahmen, nämlich Leinenzwang außerhalb des Grundstücks der Klägerin, Führen an einer reißfesten, maximal 2 Meter langen Leine mit Hakenkarabiner und Anlegen eines schlupfsicheren Halsbands enthalten die Bescheidsgründe keinerlei Ausführungen. Schon gar nicht unterscheidet die Beklagte zwischen einem Anleinzwang im Bereich bebauter Ortsteile und in Bereichen außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile. Sie führt im Bescheid zwar aus, dass der Erlass von Anordnungen im pflichtgemäßen Ermessen stehe und dass ein Einschreiten im öffentlichen Interesse notwendig sei, verliert zu den einzelnen Maßnahmen aber kein Wort. Mit dem Einzelfall der Klägerin befasst sie sich überhaupt nicht und kommt letztendlich ohne nähere Begründung zum Ergebnis, „die Anordnung hinsichtlich des Leinenzwangs entspricht somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“. Eine Abwägung zwischen den Belangen der Klägerin und den öffentlichen Interessen findet nicht statt. Das Interesse des Halters, von sicherheitsrechtlichen Maßnahmen verschont zu bleiben, wird lediglich insofern erwähnt, als nach Auffassung der Beklagten dieses grundsätzlich nachrangig sei und regelmäßig hinter das höherwertige Ziel des Schutzes von Menschen zurücktreten müsse. Wie oben bereits dargelegt, ist im Bescheid aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich, inwiefern das Schutzziel der Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen im vorliegenden Fall überhaupt tangiert sein soll, da der klägerische Hund bislang keine anderen Personen angegriffen oder gar verletzt hat. Eine fehlerfreie Ermessensausübung ist aber schon vom Ansatz her nur dann möglich, wenn ein zutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt und konkret herausgearbeitet wird, welche Gefahr vom streitgegenständlichen Hund ausgeht und ob diese Gefahr auch mit dem streitgegenständlichen Bescheid bekämpft werden soll und kann und zudem in welcher Weise.

So ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob eine derart gravierende Anordnung wie ein zeitlich und räumlich unbeschränkter Leinenzwang tatsächlich erforderlich ist, um dem in Zukunft zu befürchtenden Schadenseintritt zu begegnen oder ob andere weniger beeinträchtigende Maßnahmen ausreichen. Diese Pflicht entfällt auch nicht deshalb, weil der klägerische Hund ein großer Hund mit einem allen großen Hunden immanenten Gefahrenpotential ist (vgl. oben S. 10). Für Bereiche außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile geht der Senat nämlich in der Regel davon aus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dann verletzt und demgemäß das Ermessen dann fehlerhaft ausgeübt ist, wenn generell für das gesamte Gemeindegebiet eine Anleinpflicht angeordnet wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2001 - 24 N 00.1638 - juris Rn. 25). Dies gilt auch für große Hunde. Alternativen zum Leinenzwang werden von der Beklagten aber gar nicht aufgezeigt. Die Beklagte legt auch nicht ansatzweise dar, wieso im vorliegenden Fall die in vergleichbaren Fällen übliche Anordnung, nämlich bei ansonsten freiem Auslauf außerhalb bewohnter Gebiete den Hund unverzüglich an die Leine zu legen, wenn sich Menschen oder andere Tiere nähern oder eine sonstige Situation dies aus Sicherheitsgründen erfordert, verfügt wurde. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der klägerische Hund gerade im Außenbereich einen anderen Hund gebissen hat und deshalb womöglich auch für diesen Bereich Anordnungen zur Hundehaltung erforderlich sind, fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit der Art und Weise dieser Anordnungen. Denn außer einem zeitlich und örtlich nicht beschränkten Leinenzwang sind auch andere Anordnungen denkbar, die ein Beißen verhindern können, aber dem natürlichen Bewegungsdrang des Hundes mehr Raum lassen und deshalb einer artgerechteren Haltung dienen. Zieht man in Erwägung, dass der klägerische Hund zwar einen anderen Hund gebissen, ansonsten aber bisher weder für Menschen eine Gefahr dargestellt und weder Personen verletzt noch angesprungen hat, könnte beispielsweise auch eine längere Laufleine, die dem Hund mehr Bewegungsfreiheit eröffnet, oder das Anlegen eines Maulkorbs zur Gefahrenabwehr in Betracht kommen. Dass der uneingeschränkte Leinenzwang die einzig mögliche Maßnahme war, um zu verhindern, dass der klägerische Hund erneut einen anderen Hund beißt, wird auch im angefochtenen Bescheid weder behauptet geschweige denn hinreichend dargelegt.

2.2. Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht den rechtlichen Anforderungen entsprechend (§ 114 Satz 2 VwGO) ergänzt, so dass sich der Bescheid auch dann, wenn zur Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit auf den jetzigen Zeitpunkt abzustellen wäre, nicht als ermessensfehlerfrei erweist.

Ungeachtet der Frage, ob der angefochtene Bescheid im Hinblick auf das Auswahlermessen überhaupt Ermessenserwägungen beinhaltet, die gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt werden können, und der Frage, ob hier ein Fall gegeben ist, in dem auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ermessensentscheidung nachgeholt werden kann und erstmals Ermessenserwägungen angestellt werden dürfen (vgl. dazu BVerwG, U. v. 3.8.2004 - 1 C 30/02 - juris Rn. 31; BVerwG, U. v. 5.9.2006 - 1 C 20/09 - juris Rn. 22), hat die Beklagte jedenfalls ihr Ermessen auch nachträglich nicht ordnungsgemäß ausgeübt bzw. ergänzt. Weder im erstinstanzlichen noch im Berufungsverfahren wurden durch die Beklagte am Zweck der Ermächtigung orientierte und den Einzelfall in den Blick nehmende Ermessenserwägungen angestellt. Vielmehr hat sie in ihrem Berufungserwiderungsschriftsatz vom 7. August 2014 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für sie kein Grund zur Ausübung eines Auswahlermessens bestanden habe, da insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen habe. Der unbeschränkte Leinenzwang sei die einzige ermessensgerechte Entscheidung gewesen. Auch in der mündlichen Verhandlung des Senats am 24. November 2014, in der die Beklagte im Rechtsgespräch darauf hingewiesen worden ist, dass ein Leinenzwang ohne jede Einschränkung wohl mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kaum vereinbar sei und ein intendiertes Ermessen oder eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des Auswahlermessens wohl nicht in Betracht komme, hat die Beklagte keine ermessensergänzenden Ausführungen mehr gemacht.

Aus den genannten Gründen war der Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 f. ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Juni 2013 wird zugelassen, soweit damit die Klage gegen die Anordnung der Beklagten in Nr. 2. des Bescheids vom 6. September 2011 abgewiesen wurde.

Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

II.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Anordnung der Beklagten in Nr. 2. des Bescheids vom 6. September 2011 abgewiesen hat, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dargelegt sind und vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 und § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.). Hinsichtlich der Nr. 1. des Bescheids vom 6. September 2011 (Leinenzwang) ist der Antrag auf Zulassung der Berufung dagegen als unzulässig abzulehnen, da der Kläger durch die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts insoweit nicht beschwert ist (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist bezüglich der die Anordnung der Beklagten in Nr. 2. des Bescheids vom 6. September 2011 (Verpflichtung, der Schäferhündin „Raja“ außerhalb des selbstbewohnten Grundstücks einen abstreifsicheren Maulkorb oder eine abstreifsichere Maulschlaufe anzulegen) betreffenden Klageabweisung der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung darauf gestützt, dass der von der Beklagten neben dem Leinenzwang angeordnete Maulkorb- bzw. Maulschlaufenzwang zur Abwehr der von der Schäferhündin des Klägers „Raja“ ausgehenden Gefahr dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) entspreche und von der Beklagten auch sonst ermessensfehlerfrei verfügt worden sei. Die durch die Anordnungen der Beklagten erfolgte „doppelte“ Absicherung durch eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang erfordere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (besondere) rechtfertigende Umstände. Solche Umstände lägen schon aufgrund der Intensität des den Anordnungen zugrunde liegenden Vorfalls vom 3. Juli 2011 vor, bei dem die Schäferhündin neben einem Pudel auch dessen Halterin gebissen habe. Dadurch sei das stark ausgeprägte „Trieb(Dominanz)verhalten“ des Hundes bei geringer Auslöseschwelle belegt. Der Leinenzwang (allein) sei nicht geeignet, ein „Fassen“ anderer Tiere oder die Verletzung von Personen auszuschließen. Dazu kämen das Verhalten der den Hund ausführenden Ehefrau des Klägers, die den Hund bei dem Vorfall absichtlich von der Leine gelassen habe, sowie die uneinsichtige Reaktion des Klägers auf den Vorfall, der damit zeige, dass er sich des Gefahrenpotenzials seines Hundes nicht bewusst sei.

Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen ernsthaft infrage gestellt. So hat der Kläger vorgetragen, dass der der streitbefangenen Anordnung zugrunde liegende erstmalige Vorfall vom 3. Juli 2011 allein darauf zurückzuführen sei, dass seine Ehefrau die Schäferhündin von der Leine genommen habe, wodurch diese dem bellenden Pudel hinterher jagen und ihn fassen habe können. Wäre die Schäferhündin angeleint gewesen bzw. geblieben, wäre es zu dem Vorfall nicht gekommen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass zu besorgen wäre, dass seine Ehefrau nach der (erstmaligen) behördlichen Anordnung eines zwangsgeldbewehrten Leinenzwangs in ähnlich gelagerten Situationen die Schäferhündin erneut von der Leine nehmen könnte, zumal der Kläger in Nr. 3. des Bescheids vom 6. September 2011, ebenfalls zwangsgeldbewehrt, sicherzustellen habe, dass nur zuverlässige Dritte mit der Führung der Schäferhündin beauftragt würden. Soweit das Verwaltungsgericht den angeordneten Leinenzwang (allein) nicht für geeignet halte, das „Fassen“ anderer Tiere oder die Verletzung von Personen auszuschließen, sei dies nicht nachvollziehbar. Dies würde letztlich dazu führen, dass stets ein Nebeneinander von Leinen- und Maulkorbzwang verhältnismäßig und damit rechtlich zulässig wäre. Damit hat der Kläger aber mit schlüssigen Gegenargumenten die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Maßnahme durch das Verwaltungsgerichts infrage gestellt. Denn sowohl von der Beklagten im angefochtenen Bescheid als auch vom Verwaltungsgericht ist nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass die Schäferhündin des Klägers vor dem Vorfall am 3. Juli 2011 offensichtlich regelmäßig an einer Leine ausgeführt wurde und sich bis zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise auffällig verhalten hat. Auch seit diesem Vorfall gab es, soweit aus den Akten ersichtlich, keine weiteren konkreten Gefahrensituationen oder Vorfälle im Zusammenhang mit der Schäferhündin des Klägers. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des Klägers, wenn „Raja“ angeleint sei, gehe von ihr keine konkrete Gefahr mehr (für die in Art. 18 Abs. 1 LStVG geschützten Rechtsgüter) aus, hinreichend nachvollziehbar und schlüssig. Dem kann auch ohne entsprechende konkrete Anhaltspunkte nicht entgegengehalten werden, der Kläger oder seine Ehefrau würden sich nicht zuverlässig an den behördlich verfügten und mit einer Zwangsgeldandrohung versehenen Leinenzwang halten. Das Erstgericht hat bei seiner Bewertung, der Kläger sei sich über die von seinem Hund ausgehenden Gefahren überhaupt nicht im Klaren, im Übrigen auch unberücksichtigt gelassen, dass sich der Kläger gegen den durch die Beklagte angeordneten Leinenzwang mit seiner Klage nicht gewandt und eine dadurch abzuwehrende Gefahrenlage anerkannt hat. Soweit das Verwaltungsgericht schließlich den Leinenzwang für nicht geeignet gehalten hat, „ein Fassen anderer Tiere oder die Verletzung von Personen auszuschließen“, ist in der angefochtenen Entscheidung weder dargelegt noch hier sonst ersichtlich, aufgrund welcher Erwägungen oder Umstände eine derartige konkrete Gefahr bei der Schäferhündin des Klägers angenommen wird, auch wenn diese - wie angeordnet - durch eine Person an der Leine geführt wird, die zuverlässig und körperlich hinreichend befähigt ist, den Hund zu kontrollieren. Die vom Erstgericht festgestellte Intensität des einmaligen Beißvorfalls vom 3. Juli 2011 dürfte jedenfalls dafür allein (noch) nicht ausreichen. Auch wenn eine Kombination von Leinen- und Maulkorbzwang nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt (vgl. z. B. B. v. 28.9.2012 - 10 CS 12.1791 - juris Rn. 28), sind die vom Kläger in seinem Fall geltend gemachten Bedenken gegen die Notwendigkeit dieser Kombination und die daraus abgeleitete Unverhältnismäßigkeit der angefochtenen Anordnung nach alledem geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen.

2. Hinsichtlich der Nr. 1. des Bescheids vom 6. September 2011 (Leinenzwang) ist der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung als Rechtsmittel nicht statthaft und damit unzulässig, weil ihm als Rechtsmittelführer insoweit die erforderliche Beschwer fehlt (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 25. Ergänzungslieferung 2013, Vorbemerkung § 124 Rn. 39 und § 124a Rn. 122). Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem angegriffenen Urteil über die Rechtmäßigkeit der Anordnung in Nr. 1. des Bescheids vom 6. September 2011 (Leinenzwang) zu Recht nicht entschieden, weil sich das Klagebegehren des Klägers (s. § 88 VwGO) und damit der Streitgegenstand in erster Instanz (nur) auf die Anfechtung der Nr. 2. dieses Bescheids beschränkte (vgl. den in der mündlichen Verhandlung am 23.6.2013 gestellten Klageantrag aus dem Klageschriftsatz des Klägers vom 6.10.2011, Bl. 1 und 33 der VG-Akte). Daher war der Antrag auf Zulassung der Berufung im Übrigen abzulehnen.

Die Kostenentscheidung bleibt auch bezüglich des abgelehnten Antrags dem Berufungsverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 2 GKG. [8] Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Belehrung

Das Verfahren wird, soweit die Berufung zugelassen worden ist, als Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.