Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2017 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Antrag auf Schulwegbeförderung unter Berücksichtigung des konkreten Schulwegs stattzugeben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt Schulwegbeförderung für das Schuljahr 2017/2018.
Der 2011 geborene Kläger besucht seit September 2017 die örtliche Grundschule. Er bewohnt mit seiner Familie einen zum Gemeindegebiet der Beklagten gehörenden, abgelegenen Weiler, der nicht an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen ist.
Die Bitte der Beklagten, den Kläger gegen Wegstreckenentschädigung selbst zur Schule zu bringen und abzuholen, lehnten die Eltern des Klägers unter Hinweis auf die mangelnde Verfügbarkeit eines Fahrzeugs ab und beantragte mit Schreiben vom 16. April 2017 die Beförderung des Klägers ab der Haustüre zur örtlichen Grundschule.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2017, den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 20. Juli 2017 zugegangen, lehnte die Beklagte den Antrag auf Schülerbeförderung ab der Haustüre ab (Ziffer 1) und bot den Eltern des Klägers stattdessen die Wahl zwischen einer Wegstreckenentschädigung von 6,00 EUR pro Tag bei Beförderung mit einem privaten PKW (Ziffer 2 Buchst. a) oder eine Wegstreckenentschädigung von 4,00 EUR pro Tag sowie die Übernahme der Busfahrkarte bei einer Beförderung mit einem privaten PKW zur nächstgelegenen, 4 km entfernten, Bushaltestelle (Ziffer 2 Buchst. b) an. Zugleich erhob sie für den Bescheid Gebühren in Höhe von 100,00 EUR und Auslagen für die Postzustellungsurkunde in Höhe von 3,45 EUR (Ziffer 3 und 4). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV) i.d.F. v. 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), zuletzt geändert durch V.v. 14. Juni 2017 (GVBl. S. 381), bestehe zwar eine Beförderungspflicht. Da der Weiler nicht an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angebunden sei, könne die Beklagte ihre Beförderungspflicht jedoch auch dadurch erfüllen, dass sie für den zumutbaren Einsatz von privaten Kraftfahrzeugen (PKW) eine Wegstreckenentschädigung anbiete. Es seien zwei Angebote von Taxiunternehmen eingeholt worden, die mit 40,90 EUR pro Tag bzw. 33,00 EUR pro Tag jeweils weitaus teurer als die angebotenen Wahlmöglichkeiten seien. Die relativ kurze Wegstrecke zur Schule sei mit 6 km und mit einer Fahrzeit von ca. 9 Minuten keine unverhältnismäßige Belastung für die Familie des Klägers. Auch sei es zumutbar, dabei auf die Hilfe von Dritten wie beispielsweise Großeltern, Nachbarn und Verwandten zurückzugreifen. Die Kosten einer anderen als einer der beiden angebotenen Lösungen wären unverhältnismäßig und aufgrund der knappen Haushaltslage der Beklagten nicht zu verantworten. Sofern in der Vergangenheit individuelle Lösungen bei der Schülerbeförderung gefunden worden seien, seien immer mehrere Kinder von den Weilern betroffen gewesen, so dass eine Beförderung für die Beklagte wirtschaftlicher gewesen sei. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 17. Juli 2017 Bezug genommen.
II.
Dagegen ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben, die dort vorab als Telefax am 16. August 2017 einging. Zur Klagegründung wird im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte sei gem. § 3 SchBefV zur Schülerbeförderung verpflichtet. Die Familie des Klägers verfüge lediglich über einen PKW, den der Vater für den täglichen Weg zur Arbeit benötige. Seine Arbeitszeit sei auf 6.00 Uhr bis 16.00 Uhr festgelegt. Arbeitszeitabweichungen seien nicht möglich. Es sei dem Vater deshalb weder möglich den Kläger zur Schule oder zur Bushaltestelle zubringen noch ihn nach Unterrichtsende von dort abzuholen. Für den Kläger seien mehrstündige Wartezeiten in der Schule nicht zumutbar. Hinzu käme, dass diese sich bei Unterrichtsausfall, der gerade in der ersten Klasse häufig auftrete, entsprechend verlängern würde. Auch könne weder vom Vater noch von dessen Arbeitgeber verlangt werden, dass die Arbeit zur Schulwegbeförderung des Klägers unterbrochen werde. Einen Zweitwagen besitze die Familie nicht. Sie könne sich dies aus finanziellen Gründen nicht leisten. Es sei auch nicht verhältnismäßig, einen Zweitwagen alleine zur Schulwegbeförderung anzuschaffen. Es sei der Mutter des Klägers nicht zuzumuten, den Vater morgens zur Arbeit zu fahren, um so das Fahrzeug zur Beförderung des Klägers zur Verfügung zu haben. Da der Vater das Haus um kurz nach fünf Uhr verlasse, müsste die Mutter in diesem Fall die Kinder, den sechsjährigen Kläger und seine zweijährige Schwester, bereits vor fünf Uhr wecken und fertig machen. Dies sei weder für die Mutter noch für die Kinder zumutbar. Soweit die Beklagte auf die Hilfe Dritter, beispielsweise der Großeltern, verweise, sei es zwar möglich, das Auto der Großeltern oder Nachbarn gelegentlich auszuleihen, jedoch keinesfalls regelmäßig und verlässlich immer zu Schulbeginn und Schulende. Zwar sei richtig, dass den Großeltern des Klägers zwei PKWs zur Verfügung stünden. Beide seien jedoch berufstätig und benötigten ihre privaten PKWs berufsbedingt. Der Firmenwagen des Großvaters könne schon aus versicherungstechnischen Gründen nicht benutzt werden. Eine leihweise Nutzung der privaten PKWs sei immer nur sporadisch und nach Absprache möglich. Zu Kindergartenzeiten habe das kein Problem dargestellt, weil der Kläger dann tageweise dem Kindergarten ferngeblieben sei. Die Beklagte „überziehe“ die unbeteiligten Großeltern jedoch indirekt mit der Beförderungspflicht ohne dass es dafür – auch unter Berücksichtigung von § 1601 BGB – eine Rechtsgrundlage gebe. Ebenso wenig wären die Großeltern dazu verpflichtet, die Kinder jeden Morgen zu betreuen, wenn die Mutter den Vater zur Arbeitsstelle fahren müsste. Die angebotene Wegstreckenentschädigung gehe angesichts des fehlenden PKWs ins Leere. Der Einsatz anderer Verkehrsmittel i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 2 SchBefV sei notwendig, ohne dass es auf eine etwaige Wirtschaftlichkeit im Hinblick auf den Vergleich „Wegstreckenentschädigung – Taxikosten“ ankomme. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 14. August 2017, 5. September 2017 und 18. September 2017 Bezug genommen.
Der Kläger lässt beantragen,
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17. Juli 2017 verpflichtet, dem Antrag des Klägers auf Schulwegbeförderung unter Berücksichtigung des konkreten Schulwegs stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:
Der Bescheid vom 17. Juli 2017 sei rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Da der Kläger ab dem Schuljahr 2017/2018 der einzige zu befördernde Schüler von den gemeindeangehörenden Weilern sei, sei eine Schülerbeförderung ab der Haustüre vollkommen unwirtschaftlich und für die Beklagte nicht tragbar. Der Gleichheitsgrundsatz werde nicht verletzt. Soweit in der Vergangenheit individuelle Lösungen getroffen worden seien, sei immer mehr als ein Schüler zu befördern gewesen. Die Großeltern des Klägers wohnten mit seiner Familie im gleichen Haus. Auf den Großvater seien mehrere Fahrzeuge, darunter zwei PKWs, zugelassen. Diese PKWs würden auch von den Eltern des Klägers genutzt und könnten zur Schulwegbeförderung herangezogen werden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 29. August 2017 Bezug genommen.
Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes trug die Beklagte inhaltlich weiterhin vor: Es sei der Familie des Klägers zumutbar, den täglichen Arbeitsweg des Vaters so zu gestalten, dass der PKW der Familie für die Schulwegbeförderung zur Verfügung stehe. Von der 4 km entfernten Bushaltestelle fahre um 5:26 Uhr ein Bus, der um 5:33 Uhr in Laufweite der Arbeitsstelle des Vaters halte. Die Mutter könne den Vater morgens zur Bushaltestelle oder direkt zu seiner 9,2 km entfernten Arbeitsstelle fahren, ohne dafür die Kinder wecken zu müssen. Die kurzfristige Betreuung der Kinder bis zur Rückkehr der Mutter könne durch die Großeltern übernommen werden, da zu diesem frühen Zeitpunkt davon auszugehen sei, dass zumindest ein Großelternteil zuhause sei. Auch die Rückkehr des Vaters sei mithilfe des ÖPNV kombiniert mit Abholung durch die Mutter mit dem PKW bei Mitnahme der Kinder oder wiederum kurzfristiger Betreuung durch die Großeltern möglich.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes W 2 E 17.947 wurde die Beklagte mit Beschluss vom 6. September 2017 verpflichtet, den Kläger vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vom Weiler zur Schule zu befördern.
In der mündlichen Verhandlung trug der Beklagtenvertreter vor, der Kläger werde derzeit auf der Grundlage der gerichtlichen Anordnung von 6. September 2017 von einem Mitarbeiter des kommunalen Bauhofs mit einem gemeindeeigenen Fahrzeug zur Schule und zurück befördert. Man habe dafür die Dienstzeiten und die Mittagspausenregelung auf dem Bauhof verändern müssen. Im bevorstehenden Winter könne dies jedoch zu Problemen beim gemeindlichen Räum- und Streudienst führen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes W 2 E 17.947, die beigezogene Behördenakte und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 29. November 2017 Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat für das Schuljahr 2017/2018 einen Anspruch auf tatsächliche Beförderung zur Schule und kann nicht auf die zumutbare Nutzung eines privaten PKWs unter Erstattung einer Wegstreckenentschädigung verwiesen werden.
Als Schulaufwandsträgerin ist die Beklagte gem. § 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchBefV zur Beförderung des Klägers zu der von ihm seit September 2017 besuchten, örtlichen Grundschule verpflichtet. Zwar besteht dabei grundsätzlich kein Anspruch auf Beförderung von „Tür zu Tür“. So schließt § 2 Abs. 2 Nr. 1 SchBefV nicht aus, dass auch bei bestehender Beförderungspflicht auf dem Schulweg unter Umständen Restwege von und zu Haltestellen verbleiben können. Ob es sich dabei um einen – hinzunehmenden – Rest Weg zur nächstgelegenen Haltestelle handelt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. dazu BayVGH, U.v. 7.4.2015 – 7 B 14.1636 – juris). Als Grundschüler ist dem Kläger jedoch schon im Hinblick auf den Wertungsmaßstab des § 2 Abs. 2 Satz 1 SchBefV die Strecke von 4 km zur nächsten Haltestelle des regulären Buslinienverkehrs – unabhängig von der konkreten Wegbeschaffenheit – als „Rest Weg“ nicht zuzumuten. Die Beförderungspflicht der Beklagten erstreckt sich mithin auch auf den Abschnitt zwischen dem vom Kläger bewohnten Weiler und der nächstgelegenen Bushaltestelle. Da für diese Etappe die in § 3 Abs. 1 Satz 1 SchBefV als vorrangig vorgesehene Beförderung mit Hilfe des öffentlichen Personenverkehrs mangels bestehender Anbindung nicht möglich ist, ist – jedenfalls für diesen Teilstrecke – der Einsatz anderer Verkehrsmittel wie z.B. Schulbus, privates Kraftfahrzeug, Taxi oder Mietwagen notwendig i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 2 SchBefV.
Bei der Wahl der oder des zum Einsatz kommenden Transportmittel darf sich die Beklagte grundsätzlich an der Frage der Wirtschaftlichkeit orientieren. So eröffnet § 3 Abs. 3 Satz 1 SchBefV gerade unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit für den Einzelfall die Möglichkeit, die Beförderungspflicht auch durch das Anbieten einer Wegstreckenentschädigung für den zumutbaren Einsatz von privaten Kraftfahrzeugen anzubieten.
Ein entsprechendes Auswahlermessen ist jedoch nur dann eröffnet, wenn der Einsatz eines PKWs auch im konkreten Fall dem Kläger und seiner Familie tatsächlich zumutbar ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff „zumutbar“ auf der Tatbestandsseite der Norm ist gerichtlich voll überprüfbar. Für die Frage der Zumutbarkeit kann nicht allein abstrakt auf die relativ kurze Strecke und Dauer der notwendigen Beförderung zu Bushaltestelle bzw. Schule abgestellt werden. Vielmehr sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und einzubeziehen.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist der Einsatz eines PKWs nicht schon dann unzumutbar, wenn er für die Erziehungsberechtigten zu Unbequemlichkeiten und unangenehmen zeitlichen Bindungen oder für den Schüler zu gelegentlichen Wartezeiten von geringer Dauer führt. Unzumutbarkeit liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Einsatz des PKWs zu ganz unverhältnismäßigen, für die Eltern letztlich nicht tragbaren Belastungen führt (vgl. BayVGH, U.v. 11.6.1997 – ZB 96.3121). Diese Zumutbarkeitsschwelle ist zur Überzeugung des Gerichts im konkreten Einzelfall jedoch überschritten:
Den ebenfalls auf dem Anwesen ansässigen Großeltern des Klägers erwächst auch aus der grundsätzlich bestehenden Unterhaltsverpflichtung des § 1601 BGB keine Rechtspflicht, den Eltern des Klägers für dessen tägliche Schulwegbeförderung ein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Auch kann aus der Tatsache, dass auf die Großeltern mehrere Fahrzeuge zugelassen sind, weder gefolgert werden, dass den Eltern des Klägers die Fahrzeuge der Großeltern für den täglichen Beförderungsbedarf der Kinder bzw. Enkelkinder ohne weiteres zur Verfügung stünden. Noch kann daraus eine entsprechende Überlassensverpflichtung der Großeltern abgeleitet werden. Der Hinweis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die Mutter des Klägers würde für anderweitige Fahren wie beispielsweise zum Kindergarten und zum Einkauf auch auf die Fahrzeuge der Großeltern zurückgreifen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Vater des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass die Nutzung der Fahrzeuge der Großeltern zwar gelegentlich und nach Absprache möglich sei. Es sei jedoch im Hinblick auf die Berufstätigkeit der Großeltern gerade nicht möglich, ein Fahrzeug zuverlässig und gebunden an die Schulzeiten des Klägers für die Schülerbeförderung freizustellen. Mithin kann bei der Frage der Zumutbarkeit der Nutzung eines privaten PKWs zur Schülerbeförderung alleine auf das Fahrzeug der Eltern abgestellt werden.
Die von der Beklagten vorgetragene Möglichkeit, dass die Mutter des Klägers dessen Vater morgens zur Bushaltestelle fährt, wo um 5:26 Uhr ein Bus zu dessen Arbeitsstelle abfährt, scheitert zwar noch nicht daran, dass beide Eltern des Klägers entsprechend früh aufstehen müssten. Nicht zumutbar ist zur Überzeugung des Gerichts jedoch, dass auch in diesem Fall die Großeltern ohne bestehende Rechtspflicht in die Betreuung der Kinder bzw. Enkelkinder durch Übernahme der Verantwortung bis zur Rückkehr der Mutter täglich eingebunden werden müssten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die beiden zwei- und sechsjährigen Kinder zu dieser Uhrzeit regelmäßig noch schlafen und der Betreuungsaufwand entsprechend gering ausfiele, wäre dies jedoch zwingend damit verbunden, dass sich mindestens ein Großelternteil bereit erklären müsste, ebenfalls gegen 5:00 Uhr aufzustehen und – ggf. mittels Babyphone – die Verantwortung für die Kinder zu übernehmen. Dies mag von den sorgeberechtigten Eltern als „Unbequemlichkeit“ abverlangt werden können, nicht jedoch von den gerade nicht in der Pflicht stehenden Großeltern. Die Übernahme einer solch dauerhaften Obliegenheit mag – wie von der Beklagten beschrieben – in manchen Familien auch heute noch üblich sein, sie kann jedoch – selbst wenn man in einem Haus zusammen wohnt – nicht von der Beklagten als primär Beförderungspflichtigem eingefordert bzw. vorausgesetzt werden. Anders als in der vom Verwaltungsgericht Ansbach im Urteil vom 9. Februar 2012 (AN 2 K 11.02138 – juris) entschiedenen Fallkonstellation geht es dabei gerade nicht um die „grundsätzliche Möglichkeit“ ein Kleinkind gelegentlich bei Verwandten lassen zu können, statt es bei der Fahrt zur Schule des älteren Geschwisterkindes mitzunehmen. Es geht vielmehr um die Übernahme einer festen Betreuungsleistung, die das tägliche Aufstehen um 5:00 Uhr voraussetzt. Eine Ausweichmöglichkeit steht dem Antragsteller und seiner Familie gerade nicht zur Verfügung. Unter dem Gesichtspunkt der elterlichen Aufsichtspflicht wäre es indiskutabel, die beiden (schlafenden) sechs- und zweijährigen Kinder täglich – und sei es auch nur für die kurze Fahrdauer zur Bushaltestelle und zurück – alleine in der Wohnung zu lassen. Der Vortrag der Beklagten, der Kläger könne für diese kurze Zeitspanne im Fall des vorzeitigen Erwachens die Aufsicht über seine zweijährige Schwester übernehmen, übersteigt offensichtlich die einem Sechsjährigen alters- und entwicklungsangemessen übertragbare Verantwortung. Auch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ins Spiel gebrachten Möglichkeiten einer Fernüberwachung durch die autofahrende Mutter mittels Smartphone und Babysitter-App wird den elterlichen Aufsichtspflichten nicht gerecht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich dabei „nur“ um die Zeitspanne handelt, die die Mutter des Klägers mit dem Auto für die Strecke zur Bushaltestelle und zurück benötigt. Jedoch genügt diese Zeitspanne, um seitens der beiden Kinder gefahrengeneigte Abläufe im Haushalt in Gang zu setzen, ohne dass die abwesende Mutter mittels Babyphone tatsächlich eingreifen könnte. Zwar ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof noch in seinem Urteil vom 11. Juni 1997 (a.a.O.) davon ausgegangen, dass Babys für kurze Zeit unbeaufsichtigt bleiben könnten. Jedoch entspricht dies jedenfalls nicht mehr dem heutigen Verständnis elterlicher Aufsichtspflicht, zumal es sich gerade nicht um einen – in seiner Mobilität noch sehr eingeschränkten – Säugling handelt, sondern um zwei völlig mobile Kinder, denen altersbedingt noch die Verstandesreife zu eigenverantwortlichem Handeln im Falle eines vorzeitigen Aufwachens fehlt. Dem Wertungsmaßstab des § 828 Abs. 1 BGB folgend sind Kinder selbst für vorsätzlich verursachte Schäden bis zur Vollendung des siebten Lebensjahrs grundsätzlich nicht verantwortlich, im Straßenverkehr gilt das für unfallbedingte Schäden sogar bis zum zehnten Lebensjahr. Diesen, auf entwicklungspsychologischen Erkenntnissen basierenden Wertungen dürfen bei der Dichte der Aufsichtspflicht hier nicht außer Betracht bleiben. Auch wird die Beklagte – vor diesem Wertungshintergrund – jedenfalls nicht vor Vollendung des 10. Lebensjahres des Klägers von dessen Eltern fordern können, dass sie dem Kläger die Verantwortung für die kleinere Schwester für die Dauer der Hin- und Rückfahrt zur Bushaltestelle bzw. Arbeitsstelle des Vaters zu übertragen. Für das verfahrensgegenständliche Schuljahr 2017/2018 ist es den Eltern im Hinblick auf ihre Aufsichtspflicht zweifellos nicht zumutbar, die beiden Kinder auch nur für die Dauer der Fahrt zur Bushaltestelle und zurück ohne Aufsicht durch einen anwesenden Erwachsenen zu lassen. Im Hinblick auf das Kindeswohl wäre – wie von der Beklagten nicht bestritten – es ebenfalls nicht tragbar, die beiden Kinder vor 5:00 Uhr aus dem Schlaf zu reißen, um sie bei der Fahrt zur Bushaltestelle und zurück im Auto mitzunehmen.
Da die insoweit materiell beweisbelastete Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung keine für die Familie des Klägers i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 1 SchBefV zumutbare Möglichkeit aufzeigen konnte, wie sie die tägliche Schulwegbeförderung des Klägers mittels des vorhandenen privaten Kraftfahrzeug zuverlässig organisieren kann, ist ihr die Möglichkeit ihre Beförderungspflicht durch das Angebot einer Wegstreckenentschädigung zu erfüllen nicht eröffnet. Es verbleibt mithin bei der grundsätzlichen Beförderungspflicht des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchBefV.
Im Rahmen ihrer Umsetzungskompetenz bleibt es der Beklagten dabei selbstverständlich offen, mit welchen Mitteln sie ihrer Beförderungspflicht nachkommt. Ihr bleibt es beispielsweise unbenommen, unter Einbeziehung des ÖPNV ab der Bushaltestelle „Altes Rathaus“ eine für den Kläger – und dessen Eltern – zumutbare Lösung mittels Schulbus, Taxi oder ggf. in Absprache mit dem überörtlichen Träger des ÖPNV oder auch – wie es derzeit praktiziert wird – gemeindeeigenen Fahrzeuge zu finden. Es steht in ihrem Ermessen, eine Beförderung direkt vom Weiler zur Schule zu wählen oder lediglich zu gewährleisten, dass der Kläger zu einer Haltestelle des ÖPNV verbracht wird, von der aus er einen geeigneten Bus zur Schule nehmen kann. Gleiches gilt für die Gestaltung des Heimwegs.
Dabei obliegt es der Organisationsverantwortung der Beklagten mögliche Probleme, die sich im Winter bezüglich des vom Bauhof parallel wahrzunehmenden Räum- und Streudienstes ergeben könnten, sei es durch phasenweise Hinzuziehung eines Taxiunternehmens, sei es in Zusammenarbeit mit den Eltern des Klägers oder anderweitig auszuräumen.
Der Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.