Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 08. Juli 2014 - 1 K 10.200
Gericht
Tenor
I.
Ziffern 2 und 3 des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom 18. August 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2010 werden aufgehoben.
II.
Der Beklagte wird verpflichtet, folgende Körperschäden als Folgen des Dienstunfalls vom 10. Dezember 1998 anzuerkennen:
a. Tinnitus,
b. Kleinkapazitäre Low-compliance-Blase mit ausgeprägten neurogenen Detrusorhyperaktivitäten, Urgesymptomatik und Urgeinkontinenz Grad II,
c. Chronisches Cervikocephalsyndrom, chronischer Spannungskopfschmerz, Streckdefizit des linken Ellenbogens, Coxalgie links.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3 zu tragen.
V.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Neufestsetzung des Dienstunfallausgleichs und begehrt außerdem die Feststellung bestimmter Körperschäden und Erkrankungen als weitere Dienstunfallfolgen.
Die Klägerin, Jahrgang 1950, stand als Lehrerin (Besoldungsgruppe A12) im Dienste des Beklagten. Mit Ablauf des Monats März 2000 wurde sie in den Ruhestand versetzt.
Am 10. Dezember 1998 erlitt die Klägerin auf dem Weg zur Schule mit ihrem privaten Pkw einen schweren Verkehrsunfall. Das Unfallereignis wurde mit Bescheid der Bezirksfinanzdirektion Würzburg vom 28. Januar 1999 als Dienstunfall anerkannt. Als Dienstunfallfolgen wurden zunächst u. a. anerkannt: „Oberschenkelschaftfraktur links“, „supracondyläre Humerustrümmerfraktur links“, „stumpfes Bauchtrauma mit Einriss des Mesenterium commune des Dünndarms und des Mesocolon sigmoideum“ und „Querfortsatzfraktur am LWK I und II rechts“.
Mit Bescheiden vom 22. März 1999, 19. November 1999, 6. September 2000, 9. April 2002 und 1. Oktober 2003 wurden weitere Körperschäden bzw. Erkrankungen als Dienstunfallfolgen anerkannt, u. a. „posttraumatische Belastungsstörung mit chronischem Verlauf, majore Depression i. S. einer anhaltenden affektiven Störung“.
Mit Bescheid der Bezirksfinanzdirektion Würzburg vom 20. Oktober 1999 wurde der Klägerin Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG bewilligt. Dabei wurde von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v. H. ab 16. August 1999 ausgegangen.
Ein im Auftrag des Beklagten erstattetes Sachverständigengutachten des Herrn Dr. S. vom 28. Februar 2003 zur Frage der Dienstunfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin u. a. folgende unfallbedingte Gesundheitsschäden zurückgeblieben seien: Chronisches Cervikocephalsyndrom, chronischer Spannungskopfschmerz, Zustand nach oberflächlicher Nervenverletzung im Bereich der linken unteren Extremität nach Trauma und wiederholten operativen Eingriffen, Teilsteife des linken Ellenbogens, Coxalgie links, Verdacht auf beginnende degenerative LWS-Erkrankung. Ein höhergradiges Schädelhirntrauma habe nicht vorgelegen. Die unfallbedingte MdE sei mit 100 v. H. zu bewerten.
Der Amtsarzt des Landratsamtes Bad Kissingen - Staatliches Gesundheitsamt - stimmte dem Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 13. August 2008 im Wesentlichen zu. Lediglich einzelne Punkte speziell im Bereich der im Zusammenhang mit dem Dienstunfall genannte Diagnosen erschienen nicht nachvollziehbar. Es werde im Gutachten nachvollziehbar dargelegt, dass eine wie auch immer geartete latente Disposition keinen wesentlichen Einfluss auf die durch das Unfalltrauma hervorgerufene Gesundheitsschädigung gehabt habe. Aus der Sicht des Gutachters sollten im Rahmen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge die entsprechenden Behandlungskosten vom Beklagten ohne entsprechende formale Erweiterung der Dienstunfalldiagnosen übernommen werden. Dies gelte auch für die Beschwerden im LWS-Bereich, obwohl die durch Herrn Dr. Sch. orthopädischerseits beschriebenen degenerativen Veränderungen eine, wenn auch nicht wesentliche, Teilursache vermuten ließen. Eine Notwendigkeit der Änderung der Einschätzung der MdE wurde vom Amtsarzt nicht gesehen.
Im Zuge der Überprüfung der dienstunfallbedingten MdE holte das Staatliche Gesundheitsamt Bad Kissingen weitere Sachverständigengutachten aus dem orthopädischen sowie dem psychiatrischem Fachgebiet ein.
Der Sachverständige Dr. med. W. kam in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 11. Juni 2007 (Bl. 460 ff. der Dienstunfallakte III) zu dem (zusammengefassten) Ergebnis, dass aufgrund der folgenlosen Ausheilung verschiedener unfallbedingter Körperschäden (u. a. Querfortsatzbruch am LWK I und II rechts) die Gesamt-MdE auf orthopädischem Fachgebiet nunmehr 25 v. H. betrage. Diese setze sich wie folgt zusammen:
- Einzel-MdE von 20 v. H. für folgende verbliebene Körperschäden: Knochennarben linker körperferner Oberarm, Gelenkanteil körpernahe Elle, bei liegendem Osteosynthesematerial nach operativ behandeltem Ellenbogengelenkmehrfachbruch, knöchern konsolidiert, beginnender Ellenbogengelenksverschleiss, Streckdefizit linker Ellenbogen, Muskelminderung linker Arm bis 2 cm.
- Einzel-MdE von unter 10 v. H. für folgende verbliebene Körperschäden: Gelenkverschleiß Mittelgelenk rechter Ringfinger, mit end- bis mittelgradiger Bewegungseinschränkung im Mittelgelenk nach Mittelgliedbasistrümmerbruch.
- Einzel-MdE von 10 v. H. für folgende verbliebene Körperschäden: Knochennarben linker Oberschenkel nach operativ behandeltem
- achsen- und gelenkgerecht konsolidiertem Oberschenkelschaftbruch, reizlos liegender Marknagel, endgradige Beugeeinschränkung linkes Kniegelenk.
Die geklagten Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule könnten nicht auf den Dienstunfall zurückgeführt werden, sondern seien unfallunabhängig schicksalhaft-degenerativer Natur.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juni 2008 begründete der Sachverständige Dr. W. die vorgeschlagenen MdE-Einzelwerte näher. Aus der als weitere Dienstunfallfolge anerkannten Lockerung der Schraube im linken Oberschenkel ergebe sich keine MdE-relevante Funktionsstörung. Die Verletzungen am linken Oberschenkel führten laut den „Anhaltspunkten für die gutachterliche Tätigkeit“ zu einer Einzel-MdE von 10 v. H. Der vom Versorgungsamt zuerkannte Grad der Behinderung (GdB) von 30 sei insoweit nicht nachvollziehbar, weil er einer vollständigen Versteifung entsprechen würde, die bei der Klägerin nicht vorliege. In Bezug auf die Gesamt-MdE sei anzumerken, dass die Funktionsstörungen des linken Armes sich nicht mit den Funktionsstörungen des linken Beines überlappten. Somit sei eine Erhöhung der MdE von 20 v. H. aufgrund der Funktionsstörungen des linken Armes um 5 v. H., bedingt durch die Funktionsstörungen des linken Beines, auf 25 v. H. gerechtfertigt. Durch die Funktionsstörungen des linken Beines werde jedoch keine wesentliche Verschlimmerung verursacht, welche eine Erhöhung um 10 auf 30 v. H. rechtfertigen würde. Sollte die Verwaltung dieser Beurteilung nicht folgen, so wäre die Gesamt-MdE von Seiten des orthopädischen Fachgebietes mit 20 v. H. festzusetzen.
Der Sachverständige Dr. med. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, kam in seinem psychiatrischen Gutachten vom 28. Juli 2007 (zusammenfassend) zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine somatoforme Störung in der Form einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie persistierende Symptome einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsreaktion vorliege. Im Sinne der sog. konkurrierenden Kausalität sei die eingetretene Schädigung durch den Dienstunfall eine Teilursache, die andere „schädigungsunabhängige“ Kausalfaktoren - insbesondere die prädisponierende Persönlichkeitsstruktur der Klägerin - würden aber zumindest bei Betrachtung des Zeitverlaufs zunehmend Übergewicht gewinnen und hätten mittlerweile überwiegende Bedeutung. Als direkte Unfallfolgen lägen ein typisches Vermeidungsverhalten und Reinszenierungen, eine geringe psychophysische Belastbarkeit, rasche Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen sowie psychovegetative Symptome wie Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit und Schlafstörungen vor. Aufgrund dieser Funktionsbeeinträchtigungen sei aus psychiatrischer Sicht zum Zeitpunkt der Begutachtung von einer MdE von 40 bis 50 v. H. auszugehen, wobei die MdE aufgrund der besonderen Betroffenheit durch den Berufsverlust höher zu bewerten sei.
In seinem Ergänzungsgutachten vom 30. März 2008 erläuterte der Sachverständige Dr. M., nach den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ handle es sich um die Folge eines psychischen Traumas, wobei die Funktionsdefizite eine stärker behindernde Störung darstellten und damit die MdE in den Bereich von 30 bis 40 v. H. einzuordnen sei. Aufgrund der nach Angaben der Klägerin doch bestehenden ausgeprägten sozialen Anpassungsschwierigkeiten sei im Gutachten der Grad der MdE im Bereich zwischen 40 und 50 v. H. angegeben worden. Als genauer Wert sei die MdE aufgrund der direkt durch den Unfall verursachten und noch vorhandenen Symptomatik tendenziell mit 40 v. H. einzuschätzen.
Aufgrund dieser Gutachten kam das Staatliche Gesundheitsamt Bad Kissingen in seiner abschließenden amtsärztlichen Stellungnahme vom 26. Juni 2008 zu dem Ergebnis, dass die Einzel-MdE wie folgt festzustellen seien:
|
Fachgebiet: |
Einzel-MdE: |
|
Orthopädie |
20 v. H. |
|
Psychiatrie |
40 v. H. |
|
Darmerkrankungen |
10 v. H. |
Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen seien voneinander unabhängig und beträfen verschiedene Bereiche des täglichen Lebens, die sich in ihrer Gesamtwirkung gegenseitig verstärkten und damit zu einer höheren Funktionsbeeinträchtigung führten als die Einzelwerte auszudrücken vermöchten. Insgesamt ergebe sich durch die teilweise revidierten fachärztlichen MdE-Beurteilungen eine Gesamt-MdE von 50 v. H. ab dem 7. September 2007.
Mit Bescheid vom 18. August 2008 wurde der Unfallausgleich ab dem 7. September 2007 auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten MdE von nunmehr 50 v. H. neu festgestellt und ab dem 1. September 2008 auf 221,00 EUR festgesetzt. Außerdem wurde als weitere Dienstunfallfolge anerkannt: „Schraubenlockerung bei reizlos liegendem Marknagel linker Oberschenkel“. Zur Begründung wurde auf die amtsärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamtes Bad Kissingen vom 26. Juni 2008 sowie auf die dieser zugrundeliegenden fachärztlichen Sachverständigengutachten des Herrn Dr. med. W. vom 11. Juni 2007 und Dr. med. M. vom 28. Juli 2007 sowie auf die ergänzenden Stellungnahmen der Gutachter vom 2. Juni 2008 (Dr. W.) und vom 30. März 2008 (Dr. M.) Bezug genommen. Demnach mindere sich ab dem 7. September 2007 die maßgebende dienstunfallbedingte MdE von bisher 80 v. H. auf 50 v. H. Dies begründe sich zum einen damit, dass auf orthopädischem Fachgebiet einige unfallbedingte Verletzungen inzwischen folgenlos ausgeheilt seien. Aus der nunmehr anerkannten Dienstunfallfolge „Schraubenlockerung bei reizlos liegendem Marknagel linker Oberschenkel“ ergebe sich keine MdE-relevante Funktionsstörung, da der Oberschenkelbruch vollständig knöchern konsolidiert sei. Zum anderen würden auf psychiatrischer Seite die schädigungsunabhängigen Kausalfaktoren, insbesondere in Form der prädisponierenden Persönlichkeitsstruktur, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Somit liege eine wesentliche Änderung der für die Feststellung des Unfallausgleichs maßgebenden Verhältnisse i. S. des § 35 Abs. 3 BeamtVG i. V. m. der Teilziffer 35.3.1 BeamtVGVwV vor.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2010, der Klägerin am 12. Februar 2010 zugestellt, als unbegründet zurückgewiesen.
II.
Am 10. März 2010 ließ die Klägerin Klage erheben, mit der sie zunächst weitere Dienstunfallausgleichsleistungen auf der Basis einer MdE von mindestens 80 v. H. begehrte. Eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Unfallausgleichs maßgebend gewesen seien, i. S. des § 35 Abs. 3 BeamtVG liege nicht vor. Bei der nunmehrigen MdE-Betrachtung blieben etwaige Beschwerden auf HNO-fachärztlichem Gebiet unberücksichtigt. Nach einem Attest des Herrn Dr. med. T. vom 5. Januar 2001 leide die Klägerin seit dem Dienstunfall unter Schwindel und einer Hörminderung sowie Ohrrauschen und Druckgefühl im linken und rechten Ohr. Audiometrisch zeige sich eine geringgradige Tiefton-, Mittelton- und eine beginnend mittelgradige Hochtonhörminderung beidseits. Da die Beschwerden nach dem Polytrauma aufgetreten seien, gehe der behandelnde Arzt davon aus, dass es sich um eine Folge des Unfalls handle. Außerdem sei noch während der Behandlung der Klägerin auf der Intensivstation am 15. Dezember 1998 nach dem Unfall ein „Paukenerguss“ fachärztlich festgestellt worden. Bei dem Unfallgeschehen sei es zu einem lauten Knall und zu einem starken Aufprall gekommen, was ein Knall- und Schleudertrauma mit entsprechenden Folgen bewirkt habe. Die Klägerin leide insbesondere unter einem Tinnitus mit entsprechender Begleitsymptomatik, der sich zwischenzeitlich noch verstärkt habe. Nicht richtig vorgenommen sei des Weiteren die MdE-Bewertung auf psychiatrischem Fachgebiet, denn zu Unrecht würden neurologische Folgen nicht berücksichtigt bzw. dem psychiatrischen Fachgebiet zugeschrieben und des Weiteren Folgen als dienstunfallunabhängig gewertet. Bereits der Gutachter Dr. med. S. habe in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 28. Februar 2003 nachvollziehbar dargelegt, dass er die als Folge des Unfalls bedingte MdE im allgemeinen Erwerbsleben mit 100 v. H. ansetze. Insbesondere trenne er auch die Folgen auf psychiatrischem Fachgebiet einerseits (posttraumatische Belastungsstörung, chronischer Verlauf und majore Depression i. S. einer anhaltenden affektiven Störung) und auf neurologischem Gebiet andererseits (u. a. chronisches Schmerzsyndrom, chronischer Spannungskopfschmerz etc.). Diesem Gutachten habe sich das Gesundheitsamt Bad Kissingen in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 13. August 2003 angeschlossen, eine Abänderung der bisherigen MdE-Festsetzung aber für nicht erforderlich gehalten. Obwohl Herr Dr. S. seine MdE-Einschätzung mit 100 v. H. angesetzt habe, sei der Amtsarzt bei dem niedrigsten Wert von 80 v. H. geblieben. Vor diesem Hintergrund sei es auch nicht richtig, dass Herr Dr. M. in seinem Gutachten von einer somatoformen Schmerzstörung ausgehe, deren Ursache er in der prämorbiden Persönlichkeitsstruktur der Klägerin sehe. Herr Dr. S. habe in seinem Gutachten gerade ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für eine prämorbide Persönlichkeitsstruktur vorhanden seien. Im Gutachten von Herrn Dr. M. werde das Unfallereignis in den Vordergrund gestellt. Dabei müsse aber auch berücksichtigt werden, dass durch den akut eingetretenen Darmverschluss am 8. Juli 1999 eine Retraumatisierung eingetreten sei. Dies sei vom Gutachter Dr. M. nicht gewürdigt worden. Weiterhin sei auch nicht nachvollziehbar, warum Herr Dr. M. noch im Gutachten vom 28. Juli 2007 eine MdE von 40 bis 50 v. H. festgestellt habe, die er in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 30. März 2008 mit den doch ausgeprägten sozialen Anpassungsschwierigkeiten der Klägerin begründet habe und dann für den gleichen Sachverhalt eine MdE von 30 bis 40 v. H. festgelegt habe. Keine Berücksichtigung bei der MdE-Bewertung hätten die Folgen auf neurologischem Gebiet gefunden, die das nervenfachärztliche Gutachten des Herrn Dr. S. ausdrücklich festgestellt habe. Die dargelegten Beschwerden bzw. Befunde wie chronisches Cervikocephalsyndrom, chronischer Spannungskopfschmerz, Zustand nach oberflächlicher Nervenverletzung im Bereich der linken unteren Extremität und wiederholten operativen Eingriffen sowie Teilsteife des linken Ellenbogens seien dienstunfallbedingt und damit Dienstunfallfolgen. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne dem Gutachten von Herrn Dr. M. nicht entnommen werden, dass die genannten Beschwerden im Zusammenhang mit der psychiatrischen Problematik stünden, bei der die Prädisposition im Vordergrund stehe. Herr Dr. M. betone in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. März 2008 ausdrücklich, dass bei der Klägerin zwischen der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und der Restsymptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung unterschieden werden müsse, wobei eine genaue Trennung des Beschwerdekomplexes kaum möglich sei. Nach dem Gutachten des Herrn Dr. S. seien die genannten Beschwerden wesentliche Folge des Unfalls auf neurologischem Gebiet. Herr Dr. M. sei hingegen der Auffassung, dass die somatoforme Schmerzstörung nicht wesentlich dienstunfallbedingt sei und sich erst vier Jahre nach dem Gutachten von Herrn Dr. S. entwickelt habe. Demnach könnten die genannten, als Dienstunfallfolgen anerkannten Beschwerden nicht Ausdruck der psychischen Beschwerden sein. Dies bedeute aber gleichzeitig, dass diese Beschwerden bei der MdE-Betrachtung keinen Eingang gefunden hätten. Des Weiteren stelle sich die Frage, warum von Herrn Dr. S. der Dienstunfall als alleinige Ursache für die posttraumatische Belastungsstörung anerkannt und dies vom Amtsarzt entsprechend bestätigt worden sei, während Herr Dr. M. für die eingetretene Schädigung den Unfall nur als Teilursache sehe. Nach der Stellungnahme des Gesundheitsamtes Bad Kissingen vom 20. November 2007 bestehe der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Unfall und Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Des Weiteren könne auch der Bewertung in dem orthopädischen Gutachten, welches Eingang in die amtsärztliche Stellungnahme gefunden habe, nicht zugestimmt werden. Es sei nicht erkennbar, warum der Gutachter Dr. W. in seinem ursprünglichen Gutachten vom 11. Juni 2007 noch zu einer MdE von 25 v. H. gelange, während er in der ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juni 2008 nur noch 20 v. H. annehme. Des Weiteren treffe es nicht zu, wie der Gutachter ausgeführt habe (S. 18 des orthopädischen Fachgutachtens), dass die Beugung des linken Armes nicht beeinträchtigt sei, denn in der Beweglichkeit des linken Armes habe sich nichts verbessert. Auch Herr Dr. S. habe in seinem Gutachten (S. 35) festgestellt, dass bei der neurologischen Durchuntersuchung eine Beuge- und Streckhemmung i. S. einer partiellen Einsteifung des linken Ellenbogengelenkes auffalle. Die geforderte Objektivität des Gutachters Dr. W. sei nicht gegeben, da dieser bereits vor seiner Begutachtung ausführlich mit Herrn Dr. M. gesprochen habe. Außerdem habe er seinem Gutachten fälschlicherweise zugrunde gelegt, dass die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule nicht Unfallfolgen sein könnten, sondern unfallunabhängig schicksalhaft-degenerativer Natur seien (S. 13 des Gutachtens Dr. W.). Dies stehe aber im Widerspruch zu den amtsärztlichen Feststellungen in der Stellungnahme vom 13. August 2003, wonach aufgrund der Schwere des stattgehabten Unfalltraumas von einer wesentlichen Gefügestörung der HWS ausgegangen werde, die auch das chronische Cervikocephalsyndrom und die chronischen Spannungskopfschmerzen hinreichend begründeten. Auch die Coxalgie lasse sich ebenso wie die Nervenverletzungen im Bereich der linken unteren Extremitäten mit den Verletzungen als Folge des Dienstunfalls in Übereinstimmung bringen. Dies gelte auch für die Beschwerden im LWS-Bereich. Etwaige degenerative Veränderungen seien keine wesentliche Teilursache (Stellungnahme des Gesundheitsamtes Bad Kissingen vom 13.08.2003, S. 2, Bl. 379 Dienstunfallakte III). Im Rahmen der Einzel-MdE von 10 v. H. für den Bereich der Darmerkrankungen seien die Harndranginkontinenz und die Fistelproblematik nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Die Klägerin beantragte zunächst,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 18. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2010 zu verpflichten, der Klägerin Dienstunfallausgleich über den 7. September 2007 hinaus auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 80 v. H. festzusetzen und auf dieser Basis ab dem 1. September 2008 Dienstunfallausgleichsleistungen monatlich zu zahlen sowie den Nachzahlungsbetrag ab Rechtshängigkeit mit 5% über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
In Anbetracht der bestandskräftigen Entscheidungen über die Gewährung des Unfallausgleichs seien die von der Klägerin herangezogenen ärztlichen Aussagen, die sich mit ihrem Gesundheitszustand bis zu dem genannten Zeitpunkt beschäftigten, ungeeignet, die Rechtmäßigkeit der für die Zeit ab dem 7. September 2007 getroffenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Zum anderen berücksichtige die Klägerin nicht, dass etwaige Beschwerden auf HNO-fachärztlichem Gebiet nicht als Dienstunfallfolge festgestellt seien. Bezeichnenderweise berücksichtigten die Bescheide zur Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin ebenfalls keine derartigen Beschwerden.
Mit Schriftsatz vom Juni 2010 ließ die Klägerin einen Arztbrief des Herrn Dr. M., Krankenhaus Juliusspital Würzburg, vom 19. Januar 2010 vorlegen, in dem eine anhaltende affektive Störung diagnostiziert wurde. Dies bestätige die Diagnose des Herrn Dr. S. in seinem Gutachten vom 28. Februar 2003. Demgegenüber habe Herr Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme (S. 6) ausgeführt, dass sich zum Zeitpunkt der Begutachtung keine depressive Episode mehr habe nachweisen lassen. In der Stellungnahme des Staatlichen Gesundheitsamtes Bad Kissingen vom 20. November 2007 werde zum psychiatrischen Gutachten des Herrn Dr. M. vom 28. Juli 2007 ausgeführt, dass bei der Klägerin von einer schweren Störung mit mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen sei, dann aber für diesen Bereich der niedrigste Wert der MdE von 50% vergeben, während in den Anhaltspunkten für die gutachterlichen Richtlinien dafür eine MdE von 50 bis 70 genannt werde.
Der Beklagte erwiderte hierauf, die Klägerin differenziere nicht zwischen dienstunfallbedingten und nicht dienstunfallbedingten gesundheitlichen Schäden. Auf die Zusammenstellung der anerkannten Körperschäden im Schriftsatz vom 31. März 2010 werde verwiesen. Zu den durch die Körperschäden beeinträchtigten Funktionen, die für die Erwerbsfähigkeit von Bedeutung seien, äußere sich die Klägerin ebenfalls nicht. Daher fehle es auch an einer Bewertung, in welchem Maße diese Funktionen gestört seien, an der Bewertung der Störungen im Hinblick auf die Anforderungen des gesamten Arbeitsmarktes und der Bewertung des Anteils von Erwerbsmöglichkeiten, welcher der Klägerin deshalb verschlossen sei. Nicht jeder Körperschaden führe zu einer neuen selbstständigen Funktionsbeeinträchtigung, vielmehr könnten sich die Funktionsbeeinträchtigungen überschneiden und müssten nicht notwendig zu einer höheren MdE führen. Die MdE sei nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen.
III.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Unfallfolgen und der daraus resultierenden MdE auf HNO-fachlichem Gebiet.
Der Sachverständige Dr. med. B. Hals-Nasen-Ohrenarzt, kommt in seinem Gutachten vom 14. Januar 2011 zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Untersuchung eine Schwerhörigkeit sowie insbesondere eine traumatische Schädigung des Innenohres ausschließen lasse. Der geklagte Schwindel sei am Ehesten auf eine Morbus Menière des Ohres zurückzuführen, er sei nicht unfallbedingt. Die erst Jahre nach dem Unfall aufgetretene Riechstörung erscheine ebenfalls nicht unfallbedingt. Der bestehende Tinnitus, der durch die chronifizierte, posttraumatische Belastungsstörung Krankheitswert erhalte, sei auf den Unfall zurückzuführen, hierfür werde eine MdE von 5 v. H. angenommen.
Hierzu führte der Beklagte mit Schriftsatz vom 1. Februar 2011 aus, nach der Anlage zu den versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Teil A Nr. 3 d) ee) zu § 2 VersMedV führten im Rahmen einer Gesamtbewertung zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Grad der Schädigungsfolgen von 10 bedingten, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestünden. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 sei es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der gerichtliche Sachverständige sage ausdrücklich (S. 12 bis 14 des Gutachtens), der Tinnitus gewinne Krankheitswert (nur) in Verbindung mit der als Dienstunfallfolge anerkannten posttraumatischen Belastungsstörung mit chronischem Verlauf (MdE auf psychiatrischem Gebiet 40 v. H.). Ganz allgemein sei ein Tinnitus im Rahmen einer Gesamt-MdE integrierend und nicht durch einfache Addition zu berücksichtigen. Schließlich sei nach Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen der Tinnitus durch die bestehende Hochtonempfindungsschwerhörigkeit ausgelöst, von der Entstehung her damit auch nicht unmittelbar durch den Dienstunfall verursacht. Danach müsse der Tinnitus bei der Feststellung einer dienstunfallbedingten MdE ohnehin außer Betracht bleiben.
Die Klägerin ließ mit Schriftsatz vom 31. März 2011 erwidern, das Gutachten des Herrn Dr. B. berücksichtige nicht, dass es bei dem Unfallhergang zu einer erheblichen zweimaligen Aufprallwucht und einer sehr lauten Knall- und Lärmbelastung des Gehörs gekommen sei. Des Weiteren habe der Gutachter die im Gutachten von Herrn Dr. S. festgestellten Unfallschäden wie z. B. „chronisches Cervikocephalsyndrom, chronischer Spannungskopfschmerz u. a.“ nicht genannt. Gerade diese dem neurologischen Fachgebiet zugeordneten Unfallschäden könnten aber Ursachen für die Beschwerden sein. Zum Beleg wurde ein privatärztliches Attest vom 17. Februar 2011 vorgelegt. Alle von Herrn Dr. S. festgestellten Gesundheitsschäden seien vom Amtsarzt als Dienstunfallfolgen gewertet worden. Hinsichtlich des geklagten Tinnitus habe der Gutachter ausgeführt, dass dieser einen wesentlichen Bezug zum Unfallereignis erhalte (S. 15 des Gutachtens Dr. B.). Demzufolge sei dieser auch als wesentliche Dienstunfallfolge anzuerkennen. Zu der Riechstörung führe Herr Dr. B. aus, dass von einer Hyposmie, d. h. einer unvollständigen Riechstörung auszugehen sei. Er stufe diese allerdings nicht als dienstunfallbedingt ein, da sie erst Jahre nach dem Unfall aufgetreten sei. Die Riechstörung sei bereits im Jahr 2004 privatärztlich festgestellt worden, der entsprechende Arztbrief sei in der amtsärztlichen Untersuchung am 10. August 2004 vorgelegt worden. Der Gutachter habe des Weiteren bemerkt, dass eine altersentsprechende Normalhörigkeit beidseits vorliege (S. 11 des Gutachtens Dr. B.). Bereits im Gutachten von Herrn Dr. S. vom 28. Februar 2003 sei jedoch festgestellt worden: „Befund vereinbar mit peripherer Hörminderung links“ (S. 36 des Gutachtens Dr. S.). Im bereits vorgelegten Attest des Herrn Dr. T. vom 17. Februar 2011 werde ausgeführt, dass die Klägerin seit dem Unfall an einer Hörminderung mit Ohrgeräuschen beidseits sowie Schwindel und einer Geruchsstörung leide. Zusätzlich bestehe seither ein chronisches Cervikocephalsyndrom mit einseitigen Kopfschmerzen, Nackenschmerzen links betont bis in den linken Arm, der seither eine stark eingeschränkte Beweglichkeit im linken Ellenbogen habe. Vor dem Unfall habe die Klägerin nie über diese Beschwerden geklagt.
Des Weiteren ließ die Klägerin ein Attest der Fachärztin für Urologie Dr. K. vom 7. Dezember 2010 vorlegen, das einen Harnwegsinfekt sowie relative Low-compliance-bladder mit motorischer Urgesymptomatik feststellt. Die Blasenentleerungsstörung sei zur Zeit der Reoperation im Juli 1999 mit vorausgegangener abdomineller Operation bei stumpfem Bauchtrauma mit Mesenterialeinriss erfolgt. Somit bestehe ein Kausalzusammenhang. Die Klägerin führe demnach ihre seit dem Dienstunfallereignis aufgetretenen Harndrang-Inkontinenz-Beschwerden auf den Dienstunfall zurück. Des Weiteren wurde zur Glaubhaftmachung der geschilderten Beschwerden eine Stellungnahme des Herrn Dr. H., Abteilung für Urologie des Krankenhauses Juliusspital Würzburg vom 14. Januar 2011 vorgelegt. Dort wird ausgeführt, dass die jetzt nachgewiesene kleinkapazitäre Low-compliance-bladder mit deutlicher motorischer Urgesymptomatik und Inkontinenz mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der damals stattgefundenen Prellung des Rückenmarks knapp oberhalb des unteren Motoneurons passe. Der Abriss des rechten Querfortsatzes von LWK I rechts und des Querfortsatzes von LWK II wiesen darauf hin, dass erhebliche Kräfte, die bei dem Verkehrsunfall freigesetzt worden seien, auch auf die Wirbelsäule knapp oberhalb des unteren Motoneurons eingewirkt hätten. Vor diesem Hintergrund sehe der behandelnde Arzt einen wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und der Gesundheitsstörung in Form einer Blasenentleerungsstörung. Des Weiteren ließ die Klägerin ein ärztliches Attest des Herrn Prof. Dr. Kr. vom 3. Februar 2011 vorlegen, worin ausgeführt wird, dass in den Bereich der Scheide eine hauchdünne recto-vaginale Fistel münden könne. Es sei nicht auszuschließen, dass ein hauchdünner Fistelgang in diesem Bereich bestehe, der die zu beobachtenden Wind- und Stuhlabgänge über die Scheide erklären würde. Hierzu wurde des Weiteren vorgelegt ein Bericht des Facharztes für Gynäkologie J. B. vom 28. Januar 2011. Danach sei bei einer Untersuchung während des stationären Krankenhausaufenthaltes der Klägerin nach dem Dienstunfall am 27. Januar 1999 ein etwa 1 cm großer Abszess der rechten Vulva festgestellt worden. Herr Prof. Kr. sehe darin die Ursache für die Bildung einer recto-vaginalen Fistel mit dem entsprechenden Beschwerdebild. Aus dem Gutachten des Herrn Dr. S. sowie der dazu erstellten Stellungnahme des Amtsarztes und der Anerkennung der posttraumatischen Belastungsstörung mit chronischem Verlauf und der majoren Depression i. S. einer anhaltenden affektiven Störung als weitere Dienstunfallfolgen im Bescheid vom 1. Oktober 2003 sei zu folgern, dass zumindest in der Vergangenheit die auf neurologischem Fachgebiet festgestellten Dienstunfallfolgen wie z. B. Kopfschmerzen etc. als solche anerkannt worden seien, dass diese Beschwerden aber nunmehr nicht mehr als wesentlich auf dem Dienstunfall beruhend bewertet würden. Daraus folge aber im Ergebnis, dass die Behörde auch davon ausgehe, dass diese zumindest in der Vergangenheit anerkannt worden seien. Eine Rücknahme dieser anerkannten Folgen sei nicht erfolgt. Insbesondere setze sich auch das psychiatrische Gutachten vom 28. Juli 2007 mit dieser Problematik nicht auseinander, sondern sei nur auf psychischem Fachgebiet ergangen. Zwar seien die Beschwerden auf neurologischem Gebiet, wohl entsprechend der Empfehlung des Amtsarztes, formell i. S. einer Feststellung im Bescheidstenor nicht festgestellt worden, unabhängig davon sei die Behörde aber von dienstunfallbedingten Folgen ausgegangen. Die Klägerin gehe daher davon aus, dass die Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet, die Herr Dr. S. benannt habe, anerkannt und noch nicht zurückgenommen seien mit der Folge, dass diese auch zum jetzigen Zeitpunkt bei der Bewertung des dienstunfallbedingten MdE Beachtung finden müssten.
Die Klägerin ließ nunmehr beantragen:
1. Der Beklagte wird verpflichtet, als Dienstunfallfolgen des Dienstunfallereignisses vom 10. Dezember 1998 anzuerkennen:
a) Schwindel, Hörminderung beidseits, Ohrrauschen beidseits, Druckgefühl, geringgradige Tief-, Mittel- und Hochtonhörminderung beidseits, Riechstörung, Tinnitus sowie
b) relative Low-compliance-bladder mit motorischer Urgesymptomatik/Harndranginkontinenz und recto-vaginaler Fistelproblematik.
2. Es wird festgestellt, dass als wesentliche Folge des Unfallereignisses vom 10. Dezember 1998 anerkannt ist: Schädelhirntrauma, chronisches Cervikocephalsyndrom, chronischer Spannungskopfschmerz, Z.n. oberflächlicher Nervenverletzung im Bereich der linken unteren Extremität nach Trauma und wiederholten operativen Eingriffen, Teilsteife des linken Ellenbogens, Coxalgie links, beginnende degenerative LWS-Erkrankung,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, die zuvor genannten Gesundheitsschäden als wesentliche Folgen des Unfallereignisses vom 10. Dezember 1998 anzuerkennen.
3. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2010 verpflichtet, der Klägerin Dienstunfallausgleichsleistungen über den 7. September 2007 hinaus auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 80 v. H. festzusetzen und Dienstunfallausgleichsleistungen monatlich unter Anrechnung gewährter Leistungen bis 31. August 2008 zu zahlen sowie den Nachzahlungsbetrag ab Rechtshängigkeit mit 5% Zinsen über dem Basiszinssatz zu verzinsen, hilfsweise über die Weitergewährung von Dienstunfallausgleichsleistungen auf der Basis einer MdE von 80% unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Sachverständige Dr. B. nahm unter dem 29. April 2011 ergänzend zu seinem Gutachten Stellung. Die das HNO-Gebiet betreffenden Unfallverletzungen seien korrekt und vollständig aufgeführt worden, auf eine Auflistung der nicht dieses Fachgebiet betreffenden Verletzungen sei verzichtet worden, um eine bessere Übersichtlichkeit zu erreichen. Bezüglich der im Gutachten getroffenen Feststellungen bestehe keine Unsicherheit, sondern es werde die Meinung des Gutachters wiedergegeben. Das Gehör der Klägerin sei als altersentsprechend normal anzusehen. Diese Normalhörigkeit lasse sich sowohl bei der Untersuchung zum Gutachten, als auch durch sämtliche andere vorliegende Tonaudiogramme belegen. Einzig im Tonaudiogramm von Dr. T. vom 11. März 2008 sei eine zu einem Morbus Menière passende, vorübergehende Tieftonempfindungsschwerhörigkeit links nachgewiesen worden. Auch im Sprachaudiogramm bestehe bei Anwendung der üblichen Beurteilungstabelle nach Bönninghaus und Röser (1973) Normalhörigkeit. Ein Knalltrauma durch die Auslösung von Airbags sei ausgeschlossen. Das Aufprallgeräusch bei einem Unfall sei in der Regel nicht ausreichend laut, um ein dauerhaftes Lärmtrauma zu erzeugen. Die von der Patientin geklagten Höreinschränkungen bei Gruppengesprächen seien nicht auf das periphere Gehör, sondern eher auf die insgesamt depressive Stimmungslage zurückzuführen. Da sowohl im Ton- als auch im Sprachaudiogramm eine Schwerhörigkeit ausgeschlossen werden könne, könne eine Innenohrschädigung durch das Unfalltrauma nicht vorliegen. Bezüglich der Schwindelbeschwerden habe die Klägerin angegeben, dass seit 2002 Drehschwindelanfälle mit einer Dauer von bis zu zweieinhalb Stunden aufträten. Seit 2001 bestehe ein Lagerungsschwindel. Der erstmals im Jahr 2002 oder 2003 aufgetretene Drehschwindel stehe in keinem zeitlichen Zusammenhang zu dem Unfallgeschehen. Da die Drehschwindelanfälle gleichzeitig mit einer Tieftonschwerhörigkeit des linken Ohres aufträten und sich auf eine Infusionstherapie jeweils zusammen mit der Innenohrschwerhörigkeit zurückbildeten, liege mit großer Wahrscheinlichkeit ein Morbus Menière des linken Ohres vor. Auch könne durch die gutachterliche Untersuchung eine dauerhafte peripher-vestibuläre Störung ausgeschlossen werden. Die geklagte Gangunsicherheit mit Schwankschwindel, die im Rahmen der Mobilisierung nach dem Unfall bestanden habe, dürfte durch die lange Liegezeit mit Traumatisierung der Extremitäten verursacht gewesen sein. Durch die gutachterliche Untersuchung sei eine Einschränkung des Riechvermögens diagnostiziert worden (Hyposmie), ein kompletter Ausfall des Geruchsvermögens (Anosmie) könne ausgeschlossen werden. Sowohl der Unfallhergang, die Ausprägung der Riechstörung, der Zeitpunkt des Auftretens derselben als auch die Aktenlage sprächen gegen eine durch den Dienstunfall verursachte Riechstörung.
Der Beklagte führte mit Schriftsatz vom 12. Mai 2011 aus, die Klagebegehren der Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen seien unzulässig, weil die Klägerin vor Stellung des Klageantrags nie bei der Ausgangsbehörde die Anerkennung solcher Dienstunfallfolgen begehrt habe. Unabhängig davon wäre das Klagebegehren aufgrund des HNO-ärztlichen Gutachtens unbegründet. Das vorgelegte Attest der Praxis Dr. T. und Ch. vom 17. Februar 2011 stelle das Gutachten nicht in Frage. Es spreche nur von möglichen Ursachen für die von der Klägerin geklagten Beschwerden, eine umfassende Auseinandersetzung mit sämtlichen ärztlichen Aussagen enthalte das Attest im Gegensatz zum HNO-ärztlichen Gutachten nicht. Die zu den beklagten Beschwerden auf urologischem Fachgebiet vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen würden die begehrten Dienstunfallfolgen nicht zu begründen vermögen. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig. Wenn die Klägerin meine, die genannten Körperschäden seien als Dienstunfallfolgen anerkannt, sei nicht verständlich, weshalb das Gericht dann noch eine entsprechende Feststellung treffen sollte. Auf jeden Fall scheitere die Zulässigkeit der Feststellungsklage an deren Subsidiarität. Der diesbezügliche Hilfsantrag sei unzulässig, weil die Klägerin nie bei der Ausgangsbehörde die Anerkennung solcher Dienstunfallfolgen begehrt habe. Der Klägerin sei zuzugeben, dass das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. S. vom 28. Februar 2003 bestimmte Gesundheitsschäden, verursacht durch den Dienstunfall, festgestellt habe. Hinweise auf ein höhergradiges Schädelhirntrauma im Rahmen des Dienstunfallereignisses habe der Gutachter nicht gefunden. Richtig sei ebenfalls, dass das Gesundheitsamt im Schreiben vom 13. August 2003 empfohlen habe, die Kosten für die Behandlung des cervikocephalen Syndroms, des chronischen Spannungskopfschmerzes, der Coxalgie und der Nervenverletzung im Bereich der linken unteren Extremität nach Trauma und wiederholten operativen Eingriffen im Rahmen der Unfallfürsorge ohne entsprechende formale Erweiterung der Dienstunfallfolgen zu übernehmen. Nach dem fachorthopädischen Gutachten von Dr. W. vom 11. Juni 2007 könnten die vorgetragenen Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule nicht auf den Dienstunfall zurückgeführt werden, sie seien vielmehr dienstunfallunabhängig schicksalhaft-degenerativer Natur.
Die Klägerin ließ mit Schriftsatz vom 14. Juni 2011 im Wesentlichen erwidern, es treffe nicht zu, dass die zur Anerkennung als weitere Dienstunfallfolgen beantragten Beschwerden nie gegenüber dem Beklagten geltend gemacht worden seien. So habe sie beispielsweise mit Schreiben vom 12. Januar 2001 beantragt, die den vorgelegten Rechnungen entsprechenden Körperschäden als Unfallfolgen mit aufzunehmen. Daraus würden sich ausdrücklich Beschwerden auf HNO-ärztlichem Fachgebiet, so beispielsweise die Hochtonhörminderung, ergeben (Rechnung vom 29. Dezember 2000, Bl. 161, Dienstunfallakte II). Außerdem habe im vorgelegten ärztlichen Attest vom 5. Januar 2001 Herr Dr. T. darauf hingewiesen, dass die Klägerin seit dem Unfall vom 10. Dezember 1998 unter Schwindel und einer Hörminderung sowie Ohrrauschen und Druckgefühl im linken und rechten Ohr leide. Audiometrisch habe sich eine geringgradige Tief-Mittelton- und eine beginnende mittelgradige Hochtonhörminderung beidseits gezeigt. Der Auffassung des Arztes nach habe es sich um Unfallfolgen gehandelt. Die Problematik auf urologischem Fachgebiet sei durch die amtsärztlichen Untersuchungen mehrfach dokumentiert worden. Die vorgelegten privatärztlichen Stellungnahmen stellten eindeutig den Ursachenzusammenhang zwischen der Blasenentleerungsstörung und dem Unfallgeschehen her.
Der Sachverständige Dr. B. nahm mit Schreiben vom 7. Juli 2011 ergänzend zu dem vorgelegten Attest des Herrn Dr. T. vom 17. Februar 2011 Stellung.
IV.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Unfallfolgen und der daraus resultierenden MdE auf urologischem Fachgebiet.
Die Sachverständigen Prof. Dr. R., Dr. med. O. und C. Ba., Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Polyklinik für Urologie und Kinderurologie, kommen in ihrem fachärztlichen Gutachten vom 20. Februar 2012 (zusammengefasst) zu folgenden Ergebnissen: Die festgestellte Inkontinenzsymptomatik sei kausal auf den Dienstunfall zurückzuführen. Vor dem Unfall hätten keinerlei urologische Problematiken und keinerlei urologische Vorerkrankungen oder Voroperationen bestanden. Insbesondere vor dem Hintergrund des Traumas der Wirbelsäule und der durchgeführten Urodynamik sei von einem Kausalitätszusammenhang auszugehen. Eine recto-vaginale Fistel liege nicht vor. Auch nach Aktenlage sei eine solche Fistel nicht gesehen bzw. gesichtet worden. Bezüglich der Harninkontinenz liege eine Urge-Inkontinenz Grad II vor, dies entspreche einer Einzel-GdB/MdE von 30 v. H. Im häuslichen Umfeld beschreibe die Klägerin eine Urge-Symptomatik, allerdings keine Urge-Inkontinenz. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass eine Toilette immer in Reichweite sei. Außerhalb gebe die Klägerin sowohl eine Urge-Symptomatik wie auch eine Urge-Inkontinenz an. Aufgrund dessen sei sie sozial deutlich eingeschränkt.
Mit Zusatzgutachten vom 5. Juli 2012 nahmen die Sachverständigen ergänzend Stellung. Bei der Klägerin sei als Ursache der kleinkapazitären Blase eine sekundäre Blasenveränderung aufgrund des Wirbelsäulentraumas mit Abriss des Querfortsatzes LWK I und II rechts mit konsekutiver Nervenschädigung anzunehmen. Die kleinkapazitäre Blase stehe im Zusammenhang mit dem Dienstunfall. Als initiales Verletzungsmuster der Urge-Symptomatik sowie der teilweisen Urge-Inkontinenz lege der Sachverständige das Wirbelsäulentrauma mit Abriss des Querfortsatzes LWK I und II rechts zugrunde. Dieses initiale Verletzungsmuster erkläre kausal die Miktionsbeschwerden durch die Nervenschädigung der die Blase innervierenden Nerven im Rahmen des Wirbelsäulentraumas. Bei der Klägerin seien keine anderweitigen urologisch relevanten Körperschäden bekannt. Die Urodynamik zeige sekundäre Blasenveränderungen, die nicht willkürlich herbeiführbar und i. S. einer Spätfolge der obengenannten Verletzungen zu werten seien. Anamnestisch habe vor dem Ereignis eine geordnete Miktion bestanden. Den Ursachenzusammenhang der genannten Körperschäden mit dem Dienstunfall nehme der Sachverständige mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an. Die getroffene Einschätzung der MdE gelte ab der ersten Erwähnung der Miktionsauffälligkeiten im Gutachten der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Unterfranken aus dem Jahr 2000. Allerdings seien bis zur gutachterlichen Vorstellung der Klägerin keine urodynamischen Untersuchungen erfolgt, so dass eine Einteilung bzw. Beurteilung der Schwere sowie des Verlaufs nicht möglich sei. Die Einschätzung der MdE sei nicht nach Zeitabschnitten zu staffeln, da verlässliche Daten erst im Rahmen des Gutachtens erstellt worden seien, der vorausgegangene Zeitraum aber spekulativ bleibe.
Mit Schriftsatz vom 9. August 2012 ließ die Klägerin nunmehr anstelle des im Schriftsatz vom 31. März 2011 unter 1.) gestellten Klageantrags beantragen:
Der Beklagte wird verpflichtet, als wesentliche Dienstunfallfolgen des Dienstunfallereignisses vom 10. Dezember 1998 noch anzuerkennen:
a) Schwindel, Hörminderung beidseits, Ohrrauschen beidseits, Druckgefühl, geringgradige Tief-, Mittel- und Hochtonhörminderung beidseits, Riechstörung, Tinnitus sowie
b) Wirbelsäulentrauma mit sekundären Blasenveränderungen, Nervenschädigung der die Blase innervierenden Nerven im Rahmen des Wirbelsäulentraumas, kleinkapazitäre Low-compliance-Blase mit ausgeprägten neurogenen Detrusorhyperaktivitäten, Urgesymptomatik und Urgeinkontinenz Grad II sowie recto-vaginale Fistelproblematik sowie
c) die mit Bescheid vom 28. Januar 1999 anerkannte Unfallfolge „Querfortsatzfraktur an LWK I und II rechts“ wie folgt zu ergänzen: Wirbelsäulentrauma mit Abriss des Querfortsatzes LWK I und II rechts mit konsekutiver Schädigung peripherer Nerven“.
Der Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 29. August 2012 im Wesentlichen, die urologischen Gutachten gingen von einem Wirbelsäulentrauma „mit Abriss des Querfortsatzes LWK I und II rechts“ aus. Als Dienstunfallfolge sei aufgrund orthopädischer Gutachten eine „Querfortsatzfraktur am Lendenwirbelkörper I und II rechts“ anerkannt. Für eine Klageerweiterung gemäß des Klageantrags 1c) vom 9. August 2012 bestehe angesichts der orthopädischen Gutachten keine Veranlassung, mit dieser sei der Beklagte nicht einverstanden. Die Ausdrücke „sekundäre Blasenveränderungen“, „Nervenschädigung der die Blase innervierenden Nerven“, „konsekutive Schädigung peripherer Nerven“ seien ausgehend von ICD-10-GM-Version 2012, G 95.84 (Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie bei Schädigung des Rückenmarks) lediglich Beschreibungen ein und desselben Sachverhalts. Die Formulierungen im Klageantrag 1b) Spiegelstrich 1 und 2 sowie 1c) vom 9. August 2012 erweckten fälschlich den Eindruck, es lägen mehrere Körperschäden vor. Mit dieser Klageänderung sei der Beklagte nicht einverstanden. Er halte es des Weiteren für sachgerecht, dass es hinsichtlich der festzustellenden Dienstunfallfolgen bei der Formulierung im Gutachten vom 20. Februar 2012 verbleibe, weil diese vermeide, Ursachenzusammenhängen bis ins letzte Detail nachgehen zu müssen, die für die Feststellung der genannten Körperschäden nicht zwingend erforderlich seien.
Mit Zusatzgutachten vom 11. September 2012 nahm der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. O. zum schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ergänzend Stellung und bestätigte die bisherigen Ergebnisse.
V.
In der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2014 haben die Sachverständigen Dr. B. und Dr. O. ihre schriftlichen Gutachten erläutert.
Die Klägerin ließ beantragen:
1 .Der Beklagte wird verpflichtet, als Dienstunfallfolgen des Dienstunfallereignisses vom 10. Dezember 1998 anzuerkennen:
a) Schwindel, Hörminderung beidseits, Ohrrauschen beidseits, Druckgefühl, geringgradige Tief-, Mittel- und Hochtonhörminderung beidseits, Riechstörung, Tinnitus sowie
b) Wirbelsäulentrauma mit sekundären Blasenveränderungen, Nervenschädigung der die Blase innervierenden Nerven im Rahmen des Wirbelsäulentraumas, kleinkapazitäre Low-compliance-Blase mit ausgeprägten neurogenen Detrusorhyperaktivitäten, Urgesymptomatik und Urgeinkontinenz Grad II sowie recto-vaginale Fistelproblematik.
2. Es wird festgestellt, dass als wesentliche Folge des Unfallereignisses vom 10. Dezember 1998 anerkannt ist: Schädelhirntrauma, chronisches Cervikocephalsyndrom, chronischer Spannungskopfschmerz, Z.n. oberflächlicher Nervenverletzung im Bereich der linken unteren Extremität nach Trauma und wiederholten operativen Eingriffen, Teilsteife des linken Ellenbogens, Coxalgie links, beginnende degenerative LWS-Erkrankung,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, die zuvor genannten Gesundheitsschäden als wesentliche Folgen des Unfallereignisses vom 10. Dezember 1998 anzuerkennen.
3. Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 18. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Finanzen vom 2. Februar 2010 wird aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten und insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen keine fehlende Antragstellung bei der Behörde entgegen. Zwar gilt auch im Dienstunfallrecht der Grundsatz, dass die Anerkennung von Dienstunfallfolgen zunächst gegenüber der Behörde geltend zu machen ist, bevor um gerichtlichen Rechtsschutz ersucht wird (OVG NRW U.v. 27.5.1998 - 12 A 629/96 - juris Rn. 33 ff. unter Verweis auf BVerwG B.v. 1.12.1993 - 2 B 115.93 - juris). An die Geltendmachung entsprechender Unfallfolgen dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (Plog/Wiedow, § 45 BeamtVG Rn. 6; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, § 45 BeamtVG Rn. 4). Nach der Überzeugung des Gerichts reicht es insoweit aus, dass die nicht rechtskundige Klägerin, die während des Verwaltungsverfahrens auch nicht anwaltlich vertreten war, ggf. unter Vorlage entsprechender ärztlicher Stellungnahmen auf entsprechende Körperschäden oder Erkrankungen hingewiesen hat oder wenn der Beklagte diesbezüglich von sich aus entsprechende Untersuchungen in Auftrag gegeben hat.
So liegen die Dinge hier. Die Klägerin hat die Beschwerden auf HNO-ärztlichem Gebiet - mit Ausnahme der Riechstörung (siehe unten 2.1) - mit Schreiben vom 12. Januar 2001 (Bl. 153 der Unfallakte II) unter Vorlage eines fachärztlichen Attestes vom 5. Januar 2001 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Die Inkontinenzproblematik wurde bereits im Gutachten der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Unterfranken (MUS) vom 10. Januar 2000, das sich in der Unfallakte befindet (Bl. 68 der Unfallakte I), thematisiert. Der Amtsarzt hat insoweit auf die noch ausstehende Abklärung hingewiesen. Die Inkontinenzproblematik war des Weiteren bereits Gegenstand des amtsärztlichen Gutachtens im Unfallausgleichsverfahren vom 18. Oktober 2000; die entsprechenden Beschwerden sind sogar in die damalige Feststellung der MdE von 80 v. H. eingeflossen (Bl. 109 der Unfallakte II). Schließlich hat der Beklagte selbst aufgrund entsprechender Hinweise ein Sachverständigengutachten zu den Unfallfolgen auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet in Auftrag gegeben. Unter diesen Umständen kann der Beklagte dem Begehren der Klägerin, die betreffenden Körperschäden als Dienstunfallfolgen anzuerkennen, nicht eine fehlende (förmliche) Antragstellung entgegen halten.
Auch im Hinblick auf die zehnjährige Ausschlussfrist für die Meldung von Unfallfolgen in entsprechender Anwendung des Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG (vgl. BVerwG
2. Die Klägerin hat Anspruch auf die Anerkennung der in Ziffer II.a. und b. des Tenors bezeichneten Körperschäden als Dienstunfallfolgen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Anspruchsgrundlage für die Anerkennung der weiteren Unfallfolgen ist Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG i. V. m. Art. 100 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG. Nach der letztgenannten Vorschrift steht für die am 31. Dezember 2010 vorhandenen Unfallfürsorgeberechtigten - wie hier die Klägerin - ein vor dem 1. Januar 2011 erlittener Dienstunfall i. S. des Beamtenversorgungsgesetzes in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung dem Dienstunfall i. S. des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetztes gleich. Inhaltliche Unterschiede zwischen der früheren und nunmehrigen Rechtslage bestehen mit Bezug auf den vorliegenden Fall indes nicht. Wie seither setzt auch Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis voraus, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Ursache eines Dienstunfalls kann danach nur ein in der Außenwelt eintretendes Ereignis sein. Da dieses auch von Handlungen anderer Personen ausgehen kann, können auch psychische Reaktionen auf solche äußeren Vorgänge einen Körperschaden zur Folge haben. Der Körperschaden besteht dabei in der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder des gesundheitlichen Wohlbefindens. Er ist auch der Folgeschaden, der nach einem Dienstunfall nach einem primären Körperschaden eingetreten ist, und kann auch dauernde Beschwerden sowie unter Umständen auch psychische Störungen umfassen. Dabei muss ein zweifacher Ursachenzusammenhang bestehen. Einmal muss das Unfallereignis mit dem Dienst in ursächlichem Zusammenhang stehen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss das Unfallereignis bei dem Beamten einen Körperschaden verursacht haben (haftungsausfüllende Kausalität). In beider Hinsicht muss der Ursachenzusammenhang gegeben sein. Nicht kausal durch den Dienstunfall bedingt sind nach der Rechtsprechung aber anlagebedingte Leiden oder bloße Gelegenheitsursachen (Plog/Wiedow, BeamtVG, § 31 Rn. 80 m. w. N.). Davon wird gesprochen, wenn die Beziehung zum Dienst eine rein zufällige ist und das schädigende Ereignis nach menschlichem Ermessen bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlass in naher Zukunft ebenfalls eingetreten wäre. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Theorie der wesentlich mitwirkenden Teilursache. In Übereinstimmung mit der Rechtslage bei der gesetzlichen Unfallversicherung geht es auch für die Beamtenunfallfürsorge davon aus, dass nur die Wesentlichste von ihnen Ursache im Rechtssinne ist, und zwar diejenige, die den anderen gegenüber von überragender Bedeutung ist und die den Schadenseintritt entscheidend geprägt hat (Plog/Wiedow, BeamtVG, § 31 Rn. 75 ff. m. w. N.). Dies gilt auch für sekundäre Gesundheitsstörungen (Folgeschäden) im Verhältnis zu dem sich aus dem Dienstunfall ergebenden primären Körperschaden und für psychische Unfallfolgen. Danach hat die Prüfung des Ursachenzusammenhangs in folgenden Schritten zu erfolgen: Als erstes ist zu prüfen, ob das Unfallereignis hinweggedacht werden kann, ohne dass der (Körper-)Schaden, dessen Auslösung durch den Unfall im Streit steht, entfiele. Wäre das zu bejahen, fehlte es nämlich schon an einem Ursachenzusammenhang im wissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinn. Erst in einem weiteren Schritt ist sodann zu prüfen, ob der (Körper-)Schaden auf weitere Ursachen, insbesondere anlagebedingte Gesundheitsschäden, zurückzuführen ist. Erst wenn auch das zu bejahen ist, ist in einem letzten Schritt schließlich zu entscheiden, welche der beteiligten (Mit-)Ursachen unter dem Gesichtspunkt ihrer Wesentlichkeit für den Erfolgseintritt auch im Rechtssinne als ursächlich angesehen werden kann und welche gegebenenfalls nicht.
Der Annahme des ursächlichen Zusammenhangs genügt dabei nur eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, bei der die für die Kausalität des Schadensereignisses für den Schadenseintritt sprechenden Umstände etwa dagegen sprechende weit überwiegen; hierfür trägt der Beamte die materielle Beweislast (vgl. Plog/Wiedow, § 31 BeamtVG Rn. 30 ff. m. w. N. aus der Rspr.; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, § 31 BeamtVG Rn. 1 ff.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass die im Tenor bezeichneten Erkrankungen der Klägerin auf HNO-ärztlichem sowie auf urologischem Fachgebiet mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit tatsächlich vorliegen und „wesentlich mitwirkend“ durch den vom Beklagten bereits anerkannten Dienstunfall vom 10. Dezember 1998 verursacht wurden. Im Übrigen liegen die von der Klägerin beantragten Erkrankungen jedoch nach der Überzeugung des Gerichts entweder nicht vor oder beruhen nicht nach o.g. Grundsätzen auf dem Dienstunfall.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
2.1 Das Gericht folgt dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 14. Januar 2011 sowie den Ergänzungsgutachten vom 29. April 2011 und der Erläuterung dieser Gutachten durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Der Sachverständige hat seine Vorgehensweise, die durchgeführten Untersuchungen sowie die von ihm herangezogenen Unterlagen dargelegt. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung durchgehend und für das Gericht letztlich völlig überzeugend das Ergebnis vertreten, bei der Klägerin liege auf HNO-Fachgebiet ein Tinnitus vor, der in Verbindung mit der als Dienstunfallfolge festgestellten posttraumatischen Belastungsstörung Krankheitswert erlange. Das Ohrgeräusch, welches mit einer bei der Klägerin altersgerecht vorliegenden, aber geringfügig ausgeprägten und nicht unfallbedingten Hochtonschwerhörigkeit einhergehe, führe in Verbindung mit den psychischen Unfallfolgen i. S. einer wechselseitigen Verstärkung zu einem Leidensdruck, durch den der Tinnitus Krankheitswert erlange. Nach diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ist die als Dienstunfallfolge anerkannte posttraumatische Belastungsstörung eine wesentlich mitwirkende Teilursache des Tinnitus, weshalb dieser auf dem Dienstunfall beruht.
Ebenso schlüssig und widerspruchsfrei hat der Sachverständige erläutert, dass die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Erkrankungen auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nicht unfallbedingt sind. Eine unfallbedingte Schwerhörigkeit und traumatische Schädigung des Innenohres seien auszuschließen, die Tieftonempfindungsschwerhörigkeit sowie der Schwindel deuteten auf ein Morbus Menière hin und seien nicht dienstunfallbedingt. Höreinschränkungen seien auf die depressive Stimmungslage der Klägerin zurückzuführen. Das Gericht folgt dem Sachverständigen auch insoweit, als die festgestellte Einschränkung des Riechvermögens bei der Klägerin nicht auf den Dienstunfall zurückzuführen ist. Hierzu hat der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, dass zum Einen eine solche Riechstörung zwar nicht unbedingt unmittelbar nach dem Unfallereignis, aber im weiteren zeitlichen Verlauf von zwei bis drei Monaten nach diesem Ereignis vom Betroffenen bemerkt werde. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen, vielmehr habe sie die Riechstörung erst im Jahr 2004 geltend gemacht. Dies wird bestätigt durch die dem Gericht vorliegenden Behördenakten. Hieraus ergeben sich für den Zeitraum bis 2004, insbesondere für die ersten zwei bis drei Monate nach dem Unfallereignis, keine Hinweise auf eine Riechstörung. Die fachärztlichen Atteste des Herrn Dr. T. vom 5. Januar 2001 (Bl. 162 Unfallakte II) und vom 21. Juli 2003 (Bl. 419 der Unfallakte III) ergeben dahingehend ebenfalls keinen Anhaltspunkt. Zum anderen hat der Sachverständige erklärt, es liege bei der Klägerin kein kompletter Ausfall des Riechvermögens (Anosmie) vor, sondern eine Einschränkung des Riechvermögens (Hyposmie). Ein Unfalltrauma i. S. einer hochgradigen Schädelverletzung sei aber stets mit einem kompletten Ausfall des Riechvermögens verbunden, weil bei einem heftigen Sturz auf den Hinterkopf das Gehirn nach hinten gedrückt werde, wodurch die in die Nase hineinragenden Nervenfasern abrissen. Die Klägerin habe bei dem Dienstunfall jedoch kein höhergradiges Schädeltrauma erlitten, wie auch der Gutachter Dr. S. in seinem Gutachten vom 28. Februar 2003 festgestellt habe.
Daraus folgt, dass zwar der Tinnitus als Dienstunfallfolge anzuerkennen ist, jedoch nicht die weiteren geltend gemachten Beschwerden auf HNO-fachärztlichem Gebiet.
2.2 Hinsichtlich der geltend gemachten Körperschäden auf urologischem Fachgebiet folgt das Gericht dem Sachverständigengutachten des Universitätsklinikums Würzburg, Klinik und Polyklinik für Urologie und Kinderurologie, vom 20. Februar 2012 mit den Zusatzgutachten vom 5. Juli 2012 und 11. September 2012 sowie der Erläuterung dieser Gutachten durch den Sachverständigen Dr. O. in der mündlichen Verhandlung. Der Sachverständige hat die diesbezügliche Vorgehensweise, insbesondere die durchgeführten Untersuchungen und die den Gutachtern vorliegenden Unterlagen (Behördenakten, Gerichtsakte) dargelegt. Umfassend ausgewertet wurden insbesondere auch die bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten sowie die vorgelegten privatärztlichen Bescheinigungen. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung durchgehend und für das Gericht letztlich völlig überzeugend das Ergebnis vertreten, bei der Klägerin liege auf urologischem Fachgebiet eine relative Low-compliance-Blase mit motorischer Urgesymptomatik und Harndranginkontinenz vor, die auf dem Dienstunfall beruhe. Der Gutachter hat schlüssig und nachvollziehbar erläutert, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Dienstunfallereignis und der Inkontinenzproblematik vor dem Hintergrund des erlittenen Traumas der Wirbelsäule mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe. Durch das stattgefundene Trauma oberhalb des Sakralmarks S 2 bis S 4 und die dadurch hervorgerufenen Weichteilverletzungen sei es zu einer Schädigung der Innervation der Harnblase gekommen. Der genaue Schädigungsort sei nicht feststellbar, passe aber zum erlittenen Trauma. Der Gutachter hat hierbei für das Gericht auch schlüssig und letztlich widerspruchsfrei erläutert, dass es hinsichtlich der Feststellung der Kausalität des Unfalltraumas für die Inkontinenzproblematik nicht von Bedeutung sei, ob von einem Abriss oder lediglich einer Fraktur des rechten Querfortsatzes des LWK I und II auszugehen sei. Ein Knochenbruch führe unabhängig davon, ob es sich um einen kompletten Abriss oder lediglich um eine Fraktur handele, zu erheblichen Verletzungen der den Knochen umgebenden Weichteile, die zu einer Schädigung der Innervation führten. Der Sachverständige hat des Weiteren erläutert, dass die nur noch teilweise vorhandene cerebrale Hemmung im Sinne einer wechselseitigen Beeinflussung die Angstkomponente verstärke, Urin zu verlieren, wenn sich die Klägerin außerhalb des Hauses befinde. Zu der zwanghaften Blasenleerung (Urge-Komponente) komme bei der Klägerin die kleinkapazitäre Blase, die zu einer häufigen Miktion führe, wenn sie das Haus verlasse. Durch diese Urge-Komponente sei hauptsächlich die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei der Klägerin in Höhe von 30 v. H. bedingt. Dies bewege sich in dem Rahmen, der nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen für die bei der Klägerin vorliegende mittelgradige Inkontinenz (Grad II) von 20 bis 40 v. H. festgelegt sei.
Der Sachverständige Dr. O. hat des Weiteren zur Überzeugung des Gerichts ausgeführt, dass eine rekto-vaginale Fistel nicht festgestellt werden konnte. Die durchgeführte Spiegelung (vaginale Einstellung) habe hierfür keinen Anhalt ergeben. Auch aus den vorliegenden Unterlagen ergäben sich dafür keine Anhaltspunkte. In einer früheren Untersuchung sei ein Mohntest durchgeführt wurden, der eine zuverlässige Methode zur Feststellung einer solchen Fistel darstelle. Es sei auch ein MRT durchgeführt worden, das aber für den Nachweis einer Fistel weniger zuverlässig sei. Zusammengefasst seien alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden, eine Darmfistel festzustellen. Auch eine Entzündung, die für eine Darmfistel sprechen könne, sei nicht festgestellt worden. Es sei theoretisch möglich, dass sich eine Fistel spontan verschließe, in der Praxis habe der Sachverständige dies jedoch noch nicht beobachtet.
Daraus folgt, dass die geltend gemachte Inkontinenzproblematik als Dienstunfallfolge anzuerkennen ist, nicht jedoch die rekto-vaginale Fistel.
Die im Tenor enthaltene Bezeichnung der anzuerkennenden Unfallfolge stellt inhaltlich keine Abweichung gegenüber der von der Klägerin (zuletzt) beantragten Formulierung dar, vielmehr beschreibt letztere nach der Auskunft des Sachverständigen lediglich das Krankheitsbild umfassender. Für die Anerkennung als Dienstunfallfolge genügt jedoch eine Bezeichnung entsprechend den ICD-10 Kriterien.
3. Die Klägerin hat auch Anspruch auf die Anerkennung der in Ziffer II.c. des Tenors bezeichneten Körperschäden auf neurologischem Fachgebiet als Dienstunfallfolgen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
3.1 Der auf die gerichtliche Feststellung, dass die insoweit geltend gemachten Dienstunfallfolgen bereits anerkannt sind, gerichtete Hauptantrag ist jedoch bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Eine gerichtliche Feststellung eines Rechtsverhältnisses nach § 43 Abs. 1 VwGO kann aufgrund der Subsidiarität der Feststellungsklage nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die Feststellungsklage dient nicht der unmittelbaren Durchsetzung von materiellen Rechten (Happ in Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 1 ff.). Den aus Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG folgenden Anspruch auf Anerkennung von Körperschäden, die auf einem Dienstunfall beruhen, als Dienstunfallfolgen kann die Klägerin jedoch mit einer Verpflichtungsklage durchsetzen, wie sie sie auch im Hilfsantrag zum Klageantrag Ziffer 2 erhoben hat.
Der Feststellungsantrag ist auch nicht begründet, weil eine förmliche Anerkennung der geltend gemachten Dienstunfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet, deren Feststellung die Klägerin mit den entsprechenden Rechtsfolgen begehrt, bisher nicht durch einen Verwaltungsakt erfolgt ist. Der Beklagte ist gerade der Empfehlung im amtsärztlichen Gutachten vom 13. August 2003 (Bl. 378 f der Dienstunfallakte III) aufgrund des Sachverständigengutachtens des Herrn Dr. S. vom 28. Februar 2003 gefolgt, wonach „die entsprechenden Behandlungskosten … aus der Sicht des Gutachters im Rahmen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge ohne entsprechende formale Erweiterung der Dienstunfalldiagnosen übernommen werden [sollten]“. Die Anerkennung einer Dienstunfallfolge ist jedoch Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der Unfallfürsorge (vgl. Plog/Wiedow, BeamtVG § 30 Rn. 73).
3.2 Begründet ist jedoch der auf die Verpflichtung des Beklagten zur Anerkennung der im Tenor genannten Dienstunfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet gerichtete Hilfsantrag in der Form der Verpflichtungsklage.
Hinsichtlich der noch anzuerkennenden Dienstunfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet folgt das Gericht dem Sachverständigengutachten des Herrn Dr. S. vom 28. Februar 2003 und der dazu ergangenen amtsärztlichen Stellungnahme vom 13. August 2003. Danach sind bei der Klägerin ein chronisches Cervikocephalsyndrom, ein chronischer Spannungskopfschmerz, eine Teilsteife des linken Ellenbogens sowie eine Coxalgie links festgestellt und ursächlich auf den Dienstunfall zurückzuführen. Hinsichtlich der vom Gutachter Dr. S. festgestellten Teilsteife des linken Ellenbogens ist jedoch dem fachorthopädischen Sachverständigengutachten des Herrn Dr. W. vom 11. Juni 2007 (Bl. 470 ff. Dienstunfallakte III) zufolge die Bezeichnung des Körperschadens dahingehend einzuschränken, dass ein „Streckdefizit“ des linken Ellenbogens vorliegt, jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin kein „Beugedefizit“. Das Gutachten des Herrn Dr. S. vom 28. Februar 2003 steht dem nicht entgegen, da es lediglich eine Teilsteife des Ellenbogens feststellt, ohne diese näher i. S. eines Streck- oder aber eines Beugedefizits zu präzisieren.
Der Beklagte kann gegen die Anerkennung der o.g. Dienstunfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet nicht mit Erfolg einwenden, dass diese bereits in einer anderen Dienstunfallfolge, nämlich der somatisierten Schmerzstörung, enthalten sei. Denn diese ist nicht als Dienstunfallfolge anerkannt worden. Anerkannt wurde auf psychiatrischem Fachgebiet lediglich eine posttraumatische Belastungsstörung, die nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 26. Juni 2008 (Bl. 605 f. der Unfallakte IV) und der ergänzenden Stellungnahme des Herrn Dr. M. vom 30. März 2008 (Bl. 607 ff., insb. Bl. 611der Unfallakte IV) von der somatisierten Schmerzstörung zu trennen ist, wenngleich eine genaue Trennung des Beschwerdekomplexes schwierig ist (Bl. 606 der Unfallakte IV). Daraus folgt für das Gericht, dass gerade keine Identität oder inhaltliche Teilmenge mit einer bereits anerkannten Dienstunfallfolge besteht.
Nicht als Dienstunfallfolgen anzuerkennen sind hingegen ein Schädelhirntrauma, ein Zustand nach oberflächlicher Nervenverletzung im Bereich der linken unteren Extremität und Trauma und wiederholten operativen Eingriffen sowie eine beginnende degenerative LWS-Erkrankung. Ein höhergradiges Schädelhirntrauma hat der Gutachter Dr. S. ausdrücklich ausgeschlossen. Ein geringergradiges Schädelhirntrauma ist gutachterlich nicht festgestellt worden (vgl. S. 50 des Gutachtens Dr. S.). Insoweit ist es der Klägerin nicht gelungen, den Beweis für das Vorliegen eines Schädelhirntraumas zu führen. Bei dem gutachterlich festgestellten „Zustand nach oberflächlicher Nervenverletzung im Bereich der linken unteren Extremität und Trauma und wiederholen operativen Eingriffen“ handelt es sich nicht um die Diagnose eines Körperschadens. Hinsichtlich der geltend gemachten beginnenden degenerativen LWS-Erkrankung hat zwar der Sachverständige Dr. S. - als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - im Gutachten vom 28. Februar 2003 festgestellt, dass diese trotz degenerativer Veränderungen auf dem Dienstunfall beruhe. Die amtsärztliche Stellungnahme vom 13. August 2003 hat sich dieser Einschätzung angeschlossen und ausgeführt, die degenerativen Veränderungen seien keine wesentliche Teilursache. Dem stehen jedoch das fachorthopädische Gutachten des Herrn Dr. W. von 11. Juni 2007 und ihm folgend die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 6. September 2007 (Bl. 478 f der Dienstunfallakte III) gegenüber, wonach die LWS-Erkrankung nicht dienstunfallbedingt sei.
Das Gericht folgt insoweit der aktuelleren Einschätzung des Facharztes für Orthopädie sowie der dazugehörigen amtsärztlichen Stellungnahme, wonach die LWS-Erkrankung nicht wesentlich auf dem Dienstunfall beruht, und sieht daher von der Einholung eines eigenen Sachverständigengutachtens ab. Nach ständiger Rechtsprechung kennt das Verwaltungsprozessrecht keine Verpflichtung, die fachkundige Begutachtung durch vom Gericht selbst bestellte Sachverständige durchführen zu lassen. Vielmehr kann sich ein Verwaltungsgericht auch auf sachverständige Stellungnahmen stützen, die bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt worden sind. Das Gericht kann regelmäßig auf die medizinische Beurteilung eines Amtsarztes zurückgreifen, weil dieser nach seiner Aufgabenstellung unbefangen und unabhängig ist. Dies gilt auch, wenn sich der Amtsarzt der Beurteilung eines von ihm eingeschalteten Facharztes anschließt. Die Stellungnahme des Facharztes wird dann dem Amtsarzt zugerechnet (st. Rspr., z. B. BVerwG, B.v. 26.9.2012 - 2 B 97.11 - juris; v. 25.2.2013 - 2 B 57.12 - juris).
4. Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 18. August 2008 zur Neufestsetzung des Unfallausgleichs ist in Ziffer 2 und 3 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der streitgegenständliche Bescheid beruht in den genannten Ziffern auf § 35 Abs. 3 BeamtVG. Danach wird der Unfallausgleich neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung liegt vor, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit ununterbrochen für mehr als sechs Monate um mindestens 10 v. H. ändert oder wenn durch die Änderung die Mindestgrenze von 25 v. H. erreicht oder unterschritten wird (Plog/Wiedow, BeamtVG, § 35 Rn. 69 m. w. N. aus der Rspr.).
Die erste Voraussetzung liegt aufgrund der vom Beklagten eingeholten Sachverständigengutachten vor, auf deren Grundlage der zuständige Amtsarzt von einer - gegenüber der ursprünglich festgestellten MdE (80 v. H.) verringerten - MdE von nunmehr 50 v. H. ausgegangen ist. Die Feststellung der MdE und darauf aufbauend die Neufestsetzung des Unfallausgleichs leiden jedoch an einem Ermittlungsdefizit, das zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt. Denn die Neufestsetzung der MdE im Bescheid vom 18. August 2008 setzt sich nicht mit den im Gutachten von Dr. S. festgestellten und nach der Auffassung des Gerichts als dienstunfallbedingt anzuerkennenden Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet und der daraus resultierenden Einzel-MdE von (vom Sachverständigen vorgeschlagenen) 100 v. H. auseinander. Vielmehr wurde die Neufeststellung der Gesamt-MdE auf der Grundlage der Sachverständigengutachten des Herrn Dr. W. auf orthopädischem und des Herrn Dr. M. auf psychiatrischem Fachgebiet vorgenommen. Die Erkenntnisse des Sachverständigengutachtens Dr. S. hinsichtlich des neurologischen Fachgebietes sind nicht erkennbar in diese Ermittlung eingeflossen.
Im Rahmen der aufgrund der Aufhebung der ursprünglichen Neufestsetzung des Unfallausgleichs nun vorzunehmenden Neuermittlung der MdE und Neufestsetzung des Unfallausgleichs wird der Beklagte auch die Ergebnisse der vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten auf HNO- und urologischem Fachgebiet zu würdigen haben. Hinsichtlich der noch anzuerkennenden weiteren Dienstunfallfolge „Tinnitus“ hat der Sachverständige eine MdE von 5 v. H. vorgeschlagen, die sich nach Nr. A 3 d) ee) der versorgungsmedizinischen Grundsätze (VmG) nicht auf die Festsetzung der Gesamt-MdE auswirkt. Hinsichtlich der noch anzuerkennenden festgestellten Dienstunfallfolge auf urologischem Fachgebiet haben die Sachverständigen eine Einzel-MdE von 30 v. H. vorgeschlagen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der o.g. Dienstunfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet wird daher der Beklagte die Gesamt-MdE neu zu ermitteln haben.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Ist der Verletzte infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 Prozent gemindert, so erhält er, solange dieser Zustand andauert, neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich. Dieser wird in Höhe der Grundrente nach § 31 Absatz 1 bis 3 in Verbindung mit § 30 Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz des Bundesversorgungsgesetzes gewährt. Wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei der Feststellung gestaffelt eingeschätzt, ist der Unfallausgleich in Höhe desjenigen Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu zahlen, der wenigstens sechs Monate Bestand hat.
(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im Allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Hat bei Eintritt des Dienstunfalles eine abschätzbare Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits bestanden, so ist für die Berechnung des Unfallausgleichs von der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten, die unmittelbar vor dem Eintritt des Dienstunfalles bestand, auszugehen und zu ermitteln, welcher Teil dieser individuellen Erwerbsfähigkeit durch den Dienstunfall gemindert wurde. Beruht die frühere Erwerbsminderung auf einem Dienstunfall, so kann ein einheitlicher Unfallausgleich festgesetzt werden.
(3) Der Unfallausgleich wird neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Zu diesem Zweck ist der Beamte verpflichtet, sich auf Anordnung der obersten Dienstbehörde durch einen von ihr bestimmten Arzt untersuchen zu lassen; die oberste Dienstbehörde kann diese Befugnis auf andere Stellen übertragen.
(4) Der Unfallausgleich wird auch während einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge gewährt.
(1) Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, sind innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles schriftlich oder elektronisch bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. § 32 Satz 2 bleibt unberührt. Die Frist nach Satz 1 gilt auch dann als gewahrt, wenn der Unfall bei der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle gemeldet worden ist.
(2) Nach Ablauf der Ausschlussfrist wird Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden. Die Meldung muss, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Monate erfolgen. Die Unfallfürsorge wird in diesen Fällen vom Tage der Meldung an gewährt; zur Vermeidung von Härten kann sie auch von einem früheren Zeitpunkt an gewährt werden.
(3) Der Dienstvorgesetzte hat jeden Unfall, der ihm von Amts wegen oder durch die Meldung des verletzten Beamten bekannt wird, unverzüglich zu untersuchen und das Ergebnis der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle mitzuteilen. Die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle entscheidet, ob ein Dienstunfall vorliegt und ob der Verletzte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Entscheidung ist dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen bekannt zu geben.
(4) Unfallfürsorge nach § 30 Abs. 1 Satz 2 wird nur gewährt, wenn der Unfall der Beamtin innerhalb der Fristen nach den Absätzen 1 und 2 gemeldet und als Dienstunfall anerkannt worden ist. Der Anspruch auf Unfallfürsorge nach § 30 Abs. 2 Satz 2 ist innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Geburt an von den Sorgeberechtigten geltend zu machen. Absatz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Zehn-Jahres-Frist am Tag der Geburt zu laufen beginnt. Der Antrag muss, nachdem mit der Möglichkeit einer Schädigung durch einen Dienstunfall der Mutter während der Schwangerschaft gerechnet werden konnte oder das Hindernis für den Antrag weggefallen ist, innerhalb von drei Monaten gestellt werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch
- 1.
Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort, - 2.
die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und - 3.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Beamte gemäß § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Nebentätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Beamte hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).
(2) Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges zu und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt Satz 1 auch für den Weg zwischen der Familienwohnung und der Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Dienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Beamte
- 1.
von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht, - a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder - b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
- 2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 3 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
(3) Erkrankt ein Beamter, der wegen der Art seiner dienstlichen Verrichtungen der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an dieser Krankheit, so gilt die Erkrankung als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Erkrankung gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war. Als Krankheiten im Sinne des Satzes 1 kommen die in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort bezeichneten Maßgaben in Betracht. Für die Feststellung einer Krankheit als Dienstunfall sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Satz 1 verursacht worden ist.
(4) Dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ist ein Körperschaden gleichzusetzen, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird. Gleichzuachten ist ferner ein Körperschaden, den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird.
(5) Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall kann auch gewährt werden, wenn ein Beamter, der zur Wahrnehmung einer Tätigkeit, die öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, beurlaubt worden ist und in Ausübung dieser Tätigkeit einen Körperschaden erleidet.
(6) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Wird ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt, so wird ihm und seinen Hinterbliebenen Unfallfürsorge gewährt. Unfallfürsorge wird auch dem Kind einer Beamtin gewährt, das durch deren Dienstunfall während der Schwangerschaft unmittelbar geschädigt wurde. Satz 2 gilt auch, wenn die Schädigung durch besondere Einwirkungen verursacht worden ist, die generell geeignet sind, bei der Mutter einen Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 zu verursachen.
(2) Die Unfallfürsorge umfasst
- 1.
Erstattung von Sachschäden und besonderen Aufwendungen (§ 32), - 2.
Heilverfahren (§§ 33, 34), - 3.
Unfallausgleich (§ 35), - 4.
Unfallruhegehalt oder Unterhaltsbeitrag (§§ 36 bis 38), - 5.
Unfall-Hinterbliebenenversorgung (§§ 39 bis 42), - 6.
einmalige Unfallentschädigung und einmalige Entschädigung (§ 43), - 7.
Schadensausgleich in besonderen Fällen (§ 43a), - 8.
Einsatzversorgung im Sinne des § 31a.
(3) Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ist der Verletzte infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 Prozent gemindert, so erhält er, solange dieser Zustand andauert, neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich. Dieser wird in Höhe der Grundrente nach § 31 Absatz 1 bis 3 in Verbindung mit § 30 Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz des Bundesversorgungsgesetzes gewährt. Wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei der Feststellung gestaffelt eingeschätzt, ist der Unfallausgleich in Höhe desjenigen Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu zahlen, der wenigstens sechs Monate Bestand hat.
(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im Allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Hat bei Eintritt des Dienstunfalles eine abschätzbare Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits bestanden, so ist für die Berechnung des Unfallausgleichs von der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten, die unmittelbar vor dem Eintritt des Dienstunfalles bestand, auszugehen und zu ermitteln, welcher Teil dieser individuellen Erwerbsfähigkeit durch den Dienstunfall gemindert wurde. Beruht die frühere Erwerbsminderung auf einem Dienstunfall, so kann ein einheitlicher Unfallausgleich festgesetzt werden.
(3) Der Unfallausgleich wird neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Zu diesem Zweck ist der Beamte verpflichtet, sich auf Anordnung der obersten Dienstbehörde durch einen von ihr bestimmten Arzt untersuchen zu lassen; die oberste Dienstbehörde kann diese Befugnis auf andere Stellen übertragen.
(4) Der Unfallausgleich wird auch während einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge gewährt.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
