Verwaltungsgericht Würzburg Gerichtsbescheid, 28. Nov. 2014 - W 7 K 14.682

bei uns veröffentlicht am28.11.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Der Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 7. Juli 2014 verpflichtet, den Klägerinnen jeweils einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

I.

Die Klägerinnen begehren die Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer.

Sie sind nigerianische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1) reiste am 8. Mai 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Klägerin zu 2) ist ihre Tochter und wurde am ...2013 in Bad K. geboren. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 27. Januar 2014 wurden die Klägerinnen als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 4 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). anerkannt. Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte wurde durch ihren Prozessbevollmächtigten am 26. Februar 2014 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erhoben (Az.: W 2 K 14.30213), über die noch nicht entschieden wurde. Am 11. März 2014 wurde ihnen jeweils eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erteilt, gültig bis zum 10. März 2015.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11. Mai 2014 ließen die Klägerinnen die Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer beantragen. Das Landratsamt Bad K. teilte durch Schreiben vom 12. Juni 2014 mit, dass es beabsichtige, den Antrag abzulehnen.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2014, beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 16. Juli 2014, wurde der Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass den Klägerinnen derzeit die Passbeantragung bei der nigerianischen Auslandsvertretung aufgrund des noch anhängigen Asylverfahrens nicht zumutbar sei. Sollte dieses jedoch erfolglos bleiben, sei ihnen die Passbeschaffung dann ggf. zuzumuten. Derzeit lägen also die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer vor, so dass nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden gewesen sei. Allein aus der (vorübergehenden) Unzumutbarkeit der Passbeschaffung folge noch keine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass ein Reiseausweis für Ausländer zu erteilen sei. Die Ausstellung von Reiseausweisen sei zurückhaltend zu handhaben mit Rücksicht auf die Passhoheit des Herkunftsstaats und die erhebliche abstrakte Missbrauchsgefahr. Zudem sei die Identität der Klägerinnen nicht hinreichend geklärt. Allerdings könne der Reiseausweis mit einem Vermerk, dass die Personendaten auf eigenen Angaben beruhten, versehen werden. Dennoch sei der Umstand der ungeklärten Identität in der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Schließlich seien zwingende Gründe bzw. ein konkretes oder nachvollziehbares Bedürfnis für die Ausstellung von Reiseausweisen nicht erkennbar. Auch sollten Ausländer während ihres Asylverfahrens für Behörden und Gerichte stets erreichbar sein. Dies sei nicht gewährleistet, wenn sie sich im Ausland aufhielten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2014 Bezug genommen.

II.

Gegen den Bescheid des Landratsamts Bad K. vom 7. Juli 2014 ließen die Klägerinnen mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. Juli 2014, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage erheben und verfolgen ihr Begehren auf Ausstellung jeweiliger Reiseausweise für Ausländer weiter. Zur Begründung lassen die Klägerinnen im Wesentlichen vortragen, dass sie als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt seien und somit Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU zum Tragen komme. Sie hätten deshalb jeweils einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.

Die Klägerinnen lassen sinngemäß beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Bad K. vom 7. Juli 2014 zu verpflichten, den Klägerinnen jeweils einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt der Beklagte Bezug auf den angegriffenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts vom 6. Oktober 2014 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Mit Beschluss des Gerichts vom 22. Oktober 2014 wurde den Klägerinnen Prozesskostenhilfe bewilligt und ihnen ihr Prozessbevollmächtigter für dieses Verfahren beigeordnet.

Gründe

Die Entscheidung kann durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 VwGO vorliegen.

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Landratsamts Bad K. vom 7. Juli 2014 ist rechtswidrig und die Klägerinnen werden dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn sie haben jeweils einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV).

Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Die Klägerinnen verfügen nicht über einen gültigen Pass oder Passersatz.

2. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es den Klägerinnen zumindest derzeit aufgrund der noch anhängigen Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte nicht zuzumuten ist, bei den nigerianischen Behörden die Ausstellung von Pässen zu beantragen. Überdies ist ihnen auch bereits aufgrund ihres Status als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG, welcher ihnen mit Bescheid des Bundesamts vom 27. Januar 2014 zuerkannt wurde, nicht zuzumuten, entsprechende Pässe zu beantragen. Die Frage, ob die Vorsprache bei der Heimatvertretung einem Asylberechtigten oder einem Abschiebungsschutz genießenden Ausländer zugemutet werden darf, lässt sich dabei nicht allgemeingültig, sondern nur nach Maßgabe der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilen (BVerwG, B. v. 15.6.2006 - 1 B 54/06 - juris; BayVGH, U. v. 18.1.2011 - 19 B 10.2157 - juris Rn. 24). Die Klägerinnen müssten sich mit ihrem Begehren jedoch nicht nur an die Vertretung des Verfolgerstaates wenden, sondern auch mit der Beantragung des Reisepasses im Ergebnis den Schutz des Verfolgerstaates in Anspruch nehmen. Sie müssten sich der Ordnung des Verfolgerstaates unterwerfen und mit ihrem Handeln diese Ordnung anerkennen, die sie gleichzeitig in menschenrechtswidriger Weise aus der staatlichen Friedensordnung ausgrenzt. Auch wenn die Passbeantragung durch die Klägerinnen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erfüllt, erscheint ihre verfolgungsrechtliche Situation bei einer wertenden Betrachtung im materiellen Kern und vom Ergebnis her mit der eines Flüchtlings, der den Status des § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 AsylVfG erhalten hat, vergleichbar. Dem steht nicht entgegen, dass den Klägerinnen lediglich subsidiärer Schutz und nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Insbesondere müssten sie bei Inbesitznahme eines Nationalpasses im Fall einer Reise ins Ausland mit einer Abschiebung in das ihnen ausweislich des Passes Schutz gewährende Land - hier Nigeria - rechnen. Es bestehen auch im Übrigen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, den Klägerinnen im Unterschied zu Flüchtlingen zuzumuten, bei der Heimatvertretung vorzusprechen, um einen Pass zu beantragen (BayVGH, U. v. 18.1.2011 - 19 B 10.2157 - juris Rn. 30 ff.; VG Würzburg, B. v. 6.5.2011 - W 7 K 11.151 -).

3. Die weitere Voraussetzung des § 6 Nr. 1 AufenthV ist ebenfalls erfüllt, wonach im Inland ein Reiseausweis dann ausgestellt werden darf, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Dies ist bei den Klägerinnen seit dem 11. März 2014 der Fall.

4. Somit liegt es nach § 5 Abs. 1 AufenthV im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, den Klägerinnen Reiseausweise für Ausländer auszustellen. Die von den Klägerinnen begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Ausstellung von Reiseausweisen setzt damit voraus, dass dieses Ermessen auf Null reduziert ist.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der Anerkennung der Klägerinnen als subsidiär Schutzberechtigte i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylVfG und mit Hinblick auf die Regelung des Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU das Ermessen der Ausländerbehörde auf Null reduziert, so dass den Klägerinnen jeweils ein Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer zusteht. § 5 Abs. 1 AufenthV ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass subsidiär Schutzberechtigten i. S. d. Richtlinie 2011/95/EU in der Regel ein Reiseausweis für Ausländer zu erteilen ist, soweit nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Nach Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU stellen Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Die Richtlinie sieht somit einen Anspruch des Ausländers auf Ausstellung von Reisedokumenten vor, der an keine weiteren Voraussetzungen - wie etwa einen besonderen konkreten Anlass für die Erteilung - anknüpfen. Die Vorgängerregelung des Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie a. F.) enthielt im Gegensatz dazu den ergänzenden Halbsatz, dass Reisedokumente zumindest dann ausgestellt werden sollen, wenn schwerwiegende humanitäre Gründe die Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern. Daraus wurde in der Rechtsprechung die Schlussfolgerung abgeleitet, dass in den übrigen Fällen die Qualifikationsrichtlinie a. F. nicht von einem gebundenen Anspruch ausgehe (vgl. VG Augsburg, U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.872 - juris Rn. 28; U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.908 - juris Rn. 25; U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.903 - juris Rn. 22). Diese Passage ist in der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr enthalten. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Reisedokumenten an subsidiär Schutzberechtigte wurden im Wortlaut denjenigen von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention angeglichen (Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Nach Auffassung der Kammer ist damit bezweckt, subsidiär Schutzberechtigten ebenso wie anerkannten Flüchtlingen Reisedokumente auch ohne Vorliegen einer konkreten aktuellen Notwendigkeit in der Regel auszustellen. Dies ergibt sich schließlich auch aus der allgemeinen Zielsetzung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie, wonach insbesondere Personen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, dieselben Rechte und Leistungen zu denselben Bedingungen gewährt werden sollen wie Flüchtlingen (Erwägungsgrund Nr. 39 der Richtlinie 2011/95/EU; VG Würzburg, G. v. 19.11.2014 - W 7 K 14.594 -; G. v. 19.11.2014 - W 7 K 14.568 -).

Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die der Erteilung von Reiseausweisen für die Klägerinnen entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.

5. Der Erteilung von Reiseausweisen für Ausländer steht schließlich nicht entgegen, dass die Identität der Klägerinnen möglicherweise nicht hinreichend geklärt ist und nur auf deren eigenen Angaben beruht. Denn diesem Umstand kann - wie die Ausländerbehörde im angefochtenen Bescheid selbst ausführte - dadurch Rechnung getragen werden, dass gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 AufenthV die Reiseausweise mit dem Hinweis ausgestellt werden, dass die Personendaten auf den eigenen Angaben der Ausländer beruhen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


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In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 84


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Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 5 Allgemeine Voraussetzungen der Ausstellung des Reiseausweises für Ausländer


(1) Einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, kann nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. (2) Als zumutbar im Sinne

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 4 Deutsche Passersatzpapiere für Ausländer


(1) Durch deutsche Behörden ausgestellte Passersatzpapiere für Ausländer sind: 1. der Reiseausweis für Ausländer (§ 5 Absatz 1),2. der Notreiseausweis (§ 13 Absatz 1),3. der Reiseausweis für Flüchtlinge (§ 1 Absatz 3),4. der Reiseausweis für Staatenl

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 6 Ausstellung des Reiseausweises für Ausländer im Inland


Im Inland darf ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 ausgestellt werden, 1. wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,2. wenn dem Ausländer eine Aufenthaltserlaub

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Verwaltungsgericht Würzburg Gerichtsbescheid, 19. Nov. 2014 - W 7 K 14.594

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Tenor I. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 5. Juni 2014 verpflichtet, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III.

Verwaltungsgericht Würzburg Gerichtsbescheid, 19. Nov. 2014 - W 7 K 14.568

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor I. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 4. Juni 2014 verpflichtet, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. De

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 17. Nov. 2015 - W 2 K 14.30213

bei uns veröffentlicht am 17.11.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Würzburg W 2 K 14.30213 Im Namen des Volkes Urteil vom 17. November 2015 2. Kammer Sachgebiets-Nr: 710 Hauptpunkte: Nigeria; Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostit
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Verwaltungsgericht Würzburg Gerichtsbescheid, 26. Jan. 2015 - W 7 K 14.1220

bei uns veröffentlicht am 26.01.2015

Tenor I. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 10. Oktober 2011 verpflichtet, den Klägern jeweils einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Würzburg

W 2 K 14.30213

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 17. November 2015

2. Kammer

Sachgebiets-Nr: 710

Hauptpunkte: Nigeria; Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution; soziale Gruppe; Schutzunfähigkeit des Staates

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

Bundesrepublik Deutschland,

vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Außenstelle Zirndorf, Rothenburger Str. 29, 90513 Zirndorf,

...,

- Beklagte -

beteiligt:

Regierung von Unterfranken als Vertreter des öffentlichen Interesses

wegen Asylrechts

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 2. Kammer, durch die Richterin Wolff als Einzelrichterin aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. November 2015 am 17. November 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Januar 2014 verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin ist nigerianische Staatsangehörige vom Volke der Edo und christlichen Glaubens (Pfingstbewegung). Sie wurde nach eigenen Angaben am ... 1994 in Benin City, Nigeria, geboren. Sie reiste am 8. Mai 2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach ihrer Einreise wandte sich die Klägerin an die Fachberatungsstelle „Solwodi“ in München. Das Kriminalfachdezernat 3 München, Kommissariat 35, führte ein Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung durch, in dem die Klägerin als Zeugin aussagte (Az.: BY 8635-002261-13/5). Die Tochter der Klägerin (Klägerin im abgetrennten Verfahren W 2 K 15.30746) wurde am ... 2013 in Bad Kissingen geboren. Die Klägerin sowie ihre Tochter beantragten am 2. Januar 2014 Asyl.

In ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 2. Januar 2014 gab die Klägerin an: Sie sei im Alter von 17 Jahren von einer Bekannten, Frau M., unter falschen Versprechungen nach Italien gelockt worden. In der Ortschaft San Benedetto habe sie in völliger Abhängigkeit und in permanenter Überwachung für Frau M. zwei Jahre lang der Prostitution nachgehen müssen. Sie habe Schulden in Höhe von 40.000,00 Euro für die Schleusung nach Italien abarbeiten sollen. Durch ein zur Bekräftigung ihrer eingegangenen Verpflichtungen noch in Nigeria veranstaltetes „Juju-Ritual“ habe sie sich nach ihrer Vorstellung in die Hand ihrer Gläubiger begeben. Als sie schließlich schwanger geworden sei, hätte sie Frau M. zu einer Abtreibung zwingen wollen. Nach einer missglückten Medikamentengabe habe sie mit der Bahn die Flucht nach Deutschland angetreten. Eine Rückkehr nach Nigeria sei nicht möglich. Ihre Eltern seien verstorben und sie habe keinen Beruf erlernt. Frau M. unterhalte weiterhin rege Kontakte nach Nigeria. Bei einem erneuten Aufeinandertreffen habe sie aufgrund des Juju-Zaubers mit schlimmen Folgen zu rechnen. In Nigeria könne sie keinen Schutz vor der Zuhälterin und ihrem Netzwerk erhalten.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2014, der Klägerin zugestellt am 13. Februar 2014, erkannte das Bundesamt der Klägerin sowie ihrer Tochter (Klägerin im abgetrennten Verfahren W 2 K 15.30746) den subsidiären Schutzstatus zu. Nach dem Ergebnis des polizeilichen Ermittlungsverfahrens bestünden keine berechtigten Zweifel, dass die Klägerin Opfer eines schweren Menschenhandels (§ 232 StGB) mit Tatort Italien geworden sei. Im Übrigen wurden die Asylanträge abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund des ermittelten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass der Klägerin in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG drohe. Hingegen seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht gegeben. Die bei einer Rückkehr nach Nigeria für die Klägerin anzunehmende Verfolgungsgefahr knüpfe nicht an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.

II.

Dagegen ließen die Klägerin und ihre Tochter (Klägerin im abgetrennten Verfahren W 2 K 15.30746) mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. Februar 2014, eingegangen bei Gericht am 26. Februar 2014, Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben.

Zur Begründung ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten im Wesentlichen ausführen:

Der Klägerin drohe, bei einer Rückkehr erneut in die Hände von Menschenhändlern zu geraten. Diese würde verlangen und zwangsweise durchsetzen, die Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich ihrer Schulden in Höhe von 40.000,00 Euro für die Schleusung nach Europa „abzuarbeiten“. Zudem drohten der Klägerin eventuelle Vergeltungsmaßnahmen wegen ihrer Aussage als Zeugin im Ermittlungsverfahren in Italien, sofern daraufhin noch Täter ermittelt würden. Aufgrund des Glaubens an den Juju-Zauber fürchteten die Betroffenen im Falle des Ungehorsams um ihr Leben. Diese Bedrohung im Falle der Rückkehr sei als Verfolgung i. S. d. § 3 AsylG zu erachten und knüpfe allein an das Geschlecht der Klägerin an. Bei einer Rückkehr nach Nigeria drohten der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Als soziale Gruppe sei die Untergruppe der nach Nigeria rückkehrenden Frauen zu erachten, die Opfer von Menschenhandel geworden seien und sich hiervon befreit hätten. Staatliche oder staatsähnliche Akteure einschließlich internationaler Organisationen seien nicht in der Lage oder willens, Schutz vor der landesweit drohenden Verfolgung zu bieten.

Die Klägerin ließ durch ihren Bevollmächtigten beantragen;

unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Januar 2014, Az.: 5710694-232, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2014 brachte die Beklagte eine Mitteilung des Bundeskriminalamtes Wiesbaden/SO 13 (Analyse Menschenhandel) zur Vorlage. Danach seien die von der Klägerin übersandten Fingerabdrücke am 13. August 2009 in Ascoli Piceno (Italien) im Rahmen einer Visa-Antragstellung („permesso di soggiorno“) unter den Personalien M. B. M. S., geboren am ... 1991 in Brazzaville (Kongo), behandelt worden.

Mit Beschluss vom 25. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Mit Beschluss vom 2. September 2015 lehnte das Gericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Mit Schreiben vom 4. September 2015 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gehört.

Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2015 hob der Klägerbevollmächtigte hervor, es gehe um die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit Frauen, die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution geworden seien, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei. Zudem brachte er eine in Zusammenarbeit mit dem Verein Solwodi Bayern e.V. angefertigte Stellungnahme der Klägerin vom 23. September 2015 zur Vorlage. Darin bestätigt die Klägerin die Korrektheit der in der persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt angegebenen Daten. Sie sei bereits im Jahr 2009 im Alter von fünfzehn Jahren von Frau M. nach Italien gebracht und zur Tätigkeit als Prostituierte gezwungen worden. Frau M. habe ihr einen Pass mit der Identität einer aus dem Kongo stammenden Frau besorgt, die ihr ähnlich gesehen habe. Der Verein Solwodi Bayern e.V. bestätigte zudem, dass es sich bei der Klägerin um eine nigerianische Staatsangehörige handele.

Mit Beschluss, erlassen in der mündlichen Verhandlung am 4. November 2015, wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Koch bewilligt. Mit Beschluss vom 4. November 2015 wurde zudem vom Verfahren W 2 K 14.30213 das Verfahren der Tochter der Klägerin abgetrennt und unter dem Az.: W 2 K 15.30746 fortgeführt.

Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Nigeria (Stand Oktober 2015) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2015, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Bescheid des Bundesamtes vom 27. Januar 2014 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab24. Oktober 2015 geltenden, durch Art. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) geschaffenen Fassung anzuwenden.

Gemäß § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. In den §§ 3a bis 3e AsylG sind in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 vom 20.12.2011) - QRL - (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 19) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und Akteure, die Schutz bieten können, und für internen Schutz geregelt. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - (BGBl. 1952 - II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen befindet sich die Klägerin aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb ihres Herkunftslandes. Ihr droht im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG durch nichtstaatliche Akteure, vor denen sie keinen wirksamen Schutz durch den nigerianischen Staat erlangen kann. Der Klägerin steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative i. S. d. § 3e AsylG zur Verfügung.

1.1 Frauen (und Kinder) sind in Nigeria verstärkt Opfer von Menschenhändlern, die sie zur Ausübung der Prostitution ins Ausland verschleppen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 28.11.2014, Stand: September 2014, S. 16; ACCORD, Nigeria - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21.6.2011, S. 11 f.). Im Rahmen der Anwerbung werden die Opfer über die tatsächliche Betätigung sowie die nahezu vollständige Einbehaltung ihrer Einnahmen getäuscht. Ihnen wird die Vermittlung von regulären Arbeitsmöglichkeiten vorgespiegelt. Dementsprechend gehen die Opfer davon aus, in Europa ihre Lebensbedingungen verbessern zu können (VG Stuttgart, U. v. 16.5.2014 - A 7 K 1405/12 - UA S. 9). In der Vergangenheit bildete der nigerianische Bundestaat Edo (Hauptstadt Benin City) die Hauptherkunftsregion der Opfer. Im Jahr 2010 stellte Italien das Land mit der höchsten Zahl von nigerianischen Zwangsprostituierten dar. Voodoo-Praktiken (bzw. Juju-Magie) kommt im Rahmen der Versklavung, die vornehmlich von Zuhälterinnen („Madames“) initiiert wird, eine besondere Relevanz zu. In Nigeria ist der Glaube an Voodoo weit verbreitet. Diese traditionellen Vorstellungen werden von Menschenhandelsnetzwerken zum Zwecke der Einschüchterung der Opfer sowie zu deren Manipulation eingesetzt. Bei Voodoo handelt es sich um eine Religion, die von rituellen Schwüren geprägt ist. Anhand der Voodoo-Praktiken (bzw. der Juju-Magie) wird ein enormer psychischer Druck auf das jeweilige Opfer ausgeübt. Die Menschenhändler kooperieren mit Juju-Priestern, um eine Bindung der Opfer sowie die Ablegung eines Schweigegelübdes zu erreichen. Regelmäßig schließt die „Madame“ mit dem Opfer einen „Auswanderungsvertrag“. Die „Madame“ erklärt sich zur Übernahme der Reisekosten sowie zur Organisation der Reise nach Europa bereit, während das Opfer verspricht, das Geld zurückzuzahlen, den Menschenhändlern bedingungslos untergeben zu sein und sie nicht bei der Polizei anzuzeigen. Dem Opfer wird im Rahmen des „Auswanderungsvertrags“ ein die Kosten der „Madame“ erheblich übersteigender Geldbetrag abverlangt. Die Vereinbarung wird mithilfe eines Voodoo-Priesters im Rahmen einer Zeremonie besiegelt. Sowohl in Europa als auch in Nigeria wird durch das Netzwerk der „Madames“ auf die Opfer und deren Familien ein erheblicher Druck ausgeübt, um die Rückzahlung der hohen Schulden zu bewerkstelligen. Den Opfern wird nach der Ankunft in Europa deutlich gemacht, dass eine Abbezahlung der Schulden gegenüber der „Madame“ nur mittels Prostitution möglich sei. Die Opfer unterliegen einer umfassenden Kontrolle, was für sie eine psychische Zwangslage begründet. Im Falle von Verstößen gegen die Vorgaben des Menschenhändlernetzes drohen sowohl dem Opfer als auch dessen Angehörigen in Nigeria Konsequenzen, die von Einschüchterungsversuchen bis hin zu physischen Angriffen und Mord reichen können (umfassend Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Informationszentrum Asyl und Migration - Nigeria - Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern aus Nigeria, Dezember 2011; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Nigeria vom 4.4.2014, Ziff. 3; ACCORD, Nigeria - Traditionelle Religion, Okkultismus, Hexerei und Geheimgesellschaften, Bericht vom 17.6.2011, S. 7; ACCORD, Nigeria - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21.6.2011, S. 11 f.; VG Stuttgart, U. v. 16.5.2014 - A 7 K 1405/12 - UA S. 9 f.).

Vorliegend hat die aus Benin City stammende Klägerin sowohl bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft gemacht, dass sie unter Einsatz des Juju-Zaubers von Frau M. nach Italien verbracht und dort zur Prostitution zum Zwecke der Abarbeitung von angeblichen Schulden gezwungen wurde. Das Bundesamt ist in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Januar 2014 davon ausgegangen, dass aufgrund der Erkenntnisse aus dem polizeilichen Ermittlungsverfahren die Klägerin Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung geworden ist. Die Klägerin hat im Übrigen schlüssig und ohne Widersprüche dargelegt, dass sie sich Frau M. anvertraute, weil sie aufgrund des Verlustes ihrer Eltern auf Hilfe angewiesen war und nicht mit einer Tätigkeit als Prostituierte rechnete. Erst in Europa offenbarte ihr Frau M. unter Androhung des Juju-Zaubers den Einsatz im Prostitutionsgewerbe. Eine Flucht war der Klägerin erst möglich, als Frau M. das Wohnhaus verließ, um eine Abtreibung für die Klägerin zu veranlassen. Der Vortrag der Klägerin deckt sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen über den Menschenhandel in Nigeria zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (umfassend Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Informationszentrum Asyl und Migration - Nigeria - Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern aus Nigeria, Dezember 2011).

Der Überzeugung des Gerichts, dass der Vortrag der Klägerin der Wahrheit entspricht, steht die Mitteilung des Bundeskriminalamtes vom 1. Juli 2014, wonach die Fingerabdrücke der Klägerin am 13. August 2009 in Ascoli Piceno behandelt und unter den Personalien M. B. M. S., geboren am ... 1991 in Brazzaville im Kongo, geführt worden waren, nicht entgegen. Die Klägerin hat überzeugend dargelegt, dass Frau M. sämtliche Vorgänge mit den Behörden in die Wege geleitet habe. Auch hat sie ausgeführt, dass sie in Italien Fingerabdrücke habe abgeben müssen, aber nicht wisse, unter welchem Namen dies erfolgt sei. Dieses Vorgehen deckt sich insoweit mit den vorliegenden Erkenntnissen, wonach zur Einschleusung der Opfer nach Europa unter anderem der eine Aufenthaltserlaubnis enthaltende Reisepass einer im Zielland aufhältigen, dem Opfer ähnelnden Person, eingesetzt wird (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Informationszentrum Asyl und Migration - Nigeria - Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern aus Nigeria, Dezember 2011, S. 10). Auch befindet sich der von der Klägerin angegebene Aufenthaltsort San Benedetto in der Provinz Ascoli Piceno (Region Marken). Gleichermaßen erscheint es aufgrund des geringen Bildungsgrades der Klägerin nachvollziehbar, dass sie sich bereits 2009 und nicht, wie im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, erst 2011 in Italien aufhielt. Insbesondere hat die Klägerin bereits in der Anhörung angegeben, sie könne eine Einreise nach Italien im Jahr 2011 nicht bestätigen, da sie sich nicht an das genaue Datum erinnern könne. Auch hat der Verein Solwodi e.V. mit Schreiben vom 23. September 2015 bestätigt, dass es sich bei der Klägerin um eine nigerianische Staatsangehörige handele.

Dementsprechend wäre die Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria unter Zugrundelegung der vorliegenden Erkenntnismittel konkret gefährdet, indem das Frau M. umspannende Menschenhändlernetzwerk sie zur Abarbeitung ihrer noch nicht abbezahlten Schulden im Wege der Prostitution zwingen oder ihr physische Gewalt bis hin zu einer Tötung antun würde.

1.2 Die Verfolgungsgefahr knüpft entgegen der Auffassung des Bundesamtes an die Zugehörigkeiten der Klägerin zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.

1.2.1 Nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten (a) und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (b). Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG a. E.).

Ein unveränderbarer Hintergrund i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG liegt vor, wenn an ein Verhalten in der Vergangenheit angeknüpft wird, das wegen Zeitablaufs in seiner Bedeutung und seinen Folgen nicht mehr wesentlich beeinflusst oder rückgängig gemacht werden kann (Marx, ZAR 2005, 177).

1.2.2 Das Gericht schließt sich der Auffassung an, wonach nach Nigeria zurückkehrende Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind und sich hiervon befreit haben (und gegen diese ausgesagt haben), eine soziale Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bilden (VG Stuttgart, U. v. 16.5.2014 - A 7 K 1405/12 - UA S. 12; VG Wiesbaden, U. v. 14.3.2011 - 3 K 1465/09.WI.A - juris). Es handelt sich nicht um eine allein an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung, da nicht alle Frauen in Nigeria dieser Verfolgungsgefahr unterliegen. Vielmehr ist eine Untergruppe betroffen, bei der geschlechterbezogene Aspekte von Relevanz sind, die aber nicht allein für diese Gruppe prägend sind (VG Wiesbaden, U. v. 14.3.2011 - 3 K 1465/09.WI.A - juris).

Entgegen der Auffassung des Bundesamtes besteht auch eine deutlich abgegrenzte Identität der Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AsylG. Dies setzt voraus, dass die Gruppe von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (externes Erfordernis). Maßgeblich ist demnach die Sichtweise der Gesellschaft (Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3b Rn. 21). Die Identität muss die Gruppe innerhalb der Gesellschaft erkennbar und damit von anderen Gruppen unterscheidbar machen. Hingegen ist kein innerer Zusammenhalt der Gruppe erforderlich (Marx, ZAR 2005, 177/178). Das Gericht teilt nicht die Auffassung, wonach aufgrund der regelmäßig in einer individuellen Täter-Opfer-Beziehung erfolgenden Bedrohungen ein Gruppenbezug der Verfolgungshandlungen abzulehnen sei (so aber VG Gelsenkirchen, U. v. 15.3.2013 - 9a K 3963/11.A - juris). Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat in seinem Urteil vom 14. März 2011 (VG Wiesbaden, U. v. 14.3.2011 - 3 K 1465/09.WI.A - juris unter Verweis auf Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nigeria Update vom März 2010; ebenso VG Stuttgart, U. v. 16.5.2014 - A 7 K 1405/12 - UA S. 12) zutreffend ausgeführt, dass rückgeführte Opfer Diskriminierungen durch die Familie und das soziale Umfeld sowie Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt sind. Die Opfer werden im Falle der Aussage gegen die Menschenhändler bedroht und laufen zudem Gefahr, erneut Opfer von Menschenhandel zu werden. Hieraus geht hervor, dass es sich um eine nach außen von der Gesellschaft wahrnehmbare und ausgegrenzte Gruppe handelt. Dieser Befund steht auch im Einklang mit den Richtlinien des UNHCR zum Schutz von Opfern von Menschenhandel. Danach können frühere Opfer von Menschenhandel aufgrund ihres unabänderlichen gemeinsamen und in der Vergangenheit begründeten Merkmals, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein, als eine bestimmte soziale Gruppe erachtet werden, wobei die vergangene Erfahrung des Menschenhandels eines der die Gruppe definierenden Elemente darstellt (UNHCR Richtlinien zum Schutz von Opfern von Menschenhandel und entsprechend gefährdeter Personen vom 7. April 2006, Rn. 38 f.; ebenso Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3b Rn. 59).

1.3 Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Die Verfolgung geht hier von nichtstaatlichen Akteuren in Gestalt der Menschenhändler aus (§ 3c Nr. 3 AsylG). Neben den Vergeltungsmaßnahmen durch das Netzwerk der „Madames“ sind rückgeführte Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution Diskriminierungen durch die Familie und das soziale Umfeld ausgesetzt. Von derartigen Diskriminierungen geht auch das Bundesamt in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Januar 2014 aus (s.a. UNHCR Richtlinien zum Schutz von Opfern von Menschenhandel und entsprechend gefährdeter Personen vom 7. April 2006, Rn. 19; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3b Rn. 60). Der nigerianische Staat ist nicht in der Lage, der Klägerin einen hinreichenden Schutz vor dieser drohenden Verfolgung zu gewähren. Im Jahr 2003 wurde in Nigeria, das eines der größten Herkunftsländer von Opfern des Menschenhandels in der Europäischen Union darstellt, die Nationale Agentur für die Verhinderung von Menschenhandel („National Agency for the Prevention of Trafficking in Persons“, NAPTIP) gegründet. Nach eigenen Angaben hat NAPTIP seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht. Allerdings sind diese Maßnahmen unzureichend, um einen ausreichenden Schutz des Staates vor Verfolgung i. S. d. § 3c Nr. 3 AsylG zu gewährleisten (vgl. VG Wiesbaden, U. v. 14.3.2011 - 3 K 1465/09.WI.A - juris; VG Stuttgart, U. v. 16.5.2014 - A 7 K 1405/12 - UA S. 13; s.a. VG Gelsenkirchen, U. v. 15.3.2013 - 9a K 3963/11.A - juris). Denn sowohl NAPTIP als auch der National Immigration Service und UNODC gehen von einer weitaus höheren Dunkelziffer des Menschenhandels aus. Dem pflichtet auch das Auswärtige Amt bei. Im März 2014 erhöhte der Senat zwar die Strafen für den Handel mit Sklaven. Die Zustimmung durch das Repräsentantenhaus und die Unterschrift des Präsidenten für das betreffende Änderungsgesetz stehen jedoch noch aus (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 28.11.2014, Stand: September 2014, S. 21; s.a. Nigeria - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21.6.2011, S. 11 f.). Zudem besteht im Hinblick auf das Schutzversagen auch ein Unterschied zu anderen Kriminalitätsopfern. Denn Frauen werden in Nigeria trotz formaler Gleichberechtigung in vielen Rechts- und Lebensbereichen diskriminiert. Insbesondere im Südosten werden Frauen Opfer von Vergewaltigungen durch Polizei und Sicherheitskräfte (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 28.11.2014, Stand: September 2014, S. 15 f.; s. a. VG Wiesbaden, U. v. 14.3.2011 - 3 K 1465/09.WI.A - juris; ACCORD, Nigeria - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21.6.2011, S. 17).

1.4 Für die Klägerin besteht auch keine interne Schutzalternative im Sinne des § 3e Abs. 1 AsylG. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden kann, dass für die Klägerin, deren Eltern verstorben sind, in einem Landesteil keine begründete Furcht vor Verfolgung oder ein hinreichender Zugang zu Schutz vor Verfolgung besteht. Alleinstehende Frauen sind im muslimischen Norden, aber auch in anderen Landesteilen Diskriminierungen ausgesetzt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 28.11.2014, Stand: September 2014, S. 17). Dies gilt umso mehr für rückgeführte Opfer von Menschenhandel, die als ehemalige Prostituierte stigmatisiert werden und auch keine Unterstützung von ihrer Familie erwarten können (hierzu VG Wiesbaden, U. v. 14.3.2011 - 3 K 1465/09.WI.A - juris; VG Stuttgart, U. v. 16.5.2014 - A 7 K 1405/12 - UA S. 13 f.). Darüber hinaus wäre die Klägerin mit ihren nunmehr drei Kindern mit erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten konfrontiert. Zum einen gestaltet sich die Wirtschaftslage als schwierig. Rund 65% der nigerianischen Bevölkerung leben nach Schätzungen des United Nations Development Programme (UNDP) unter der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. Des Weiteren kommt familiären Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft eine erhebliche Bedeutung zu. Ohne ein derartiges soziales Netz ist es nach den Angaben des Auswärtigen Amtes für eine Einzelperson praktisch unmöglich, Fuß zu fassen. Des Weiteren schließen die meisten Bundesstaaten Zuwanderer aus anderen Gebieten von politischer und staatlicher Unterstützung aus (umfassend Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 28.11.2014, Stand: September 2014, S. 18). Dementsprechend hätte die über nur eine geringe Schulbildung verfügende Klägerin mit drei Kleinkindern im Falle der Niederlassung in einem anderen Landesteil ein Dasein unterhalb des Existenzminimums zu erwarten.

Nach alledem war der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb von 1 Monat nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,

Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,

zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Koch, Würzburg, bewilligt.

Gründe:

Wie sich aus oben stehenden Urteilsgründen ergibt, hat die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg, auch die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, kann nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

(2) Als zumutbar im Sinne des Absatzes 1 gilt es insbesondere,

1.
derart rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit eines Passes oder Passersatzes bei den zuständigen Behörden im In- und Ausland die erforderlichen Anträge für die Neuerteilung oder Verlängerung zu stellen, dass mit der Neuerteilung oder Verlängerung innerhalb der Gültigkeitsdauer des bisherigen Passes oder Passersatzes gerechnet werden kann,
2.
in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates nach dem Recht des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt,
3.
die Wehrpflicht, sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar ist, und andere zumutbare staatsbürgerliche Pflichten zu erfüllen oder
4.
für die behördlichen Maßnahmen die vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren zu zahlen.

(3) Ein Reiseausweis für Ausländer wird in der Regel nicht ausgestellt, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes oder Passersatzes aus Gründen verweigert, auf Grund derer auch nach deutschem Passrecht, insbesondere nach § 7 des Passgesetzes oder wegen unterlassener Mitwirkung nach § 6 des Passgesetzes, der Pass versagt oder sonst die Ausstellung verweigert werden kann.

(4) Ein Reiseausweis für Ausländer soll nicht ausgestellt werden, wenn der Antragsteller bereits einen Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet hat oder tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet werden soll. Ein Missbrauch liegt insbesondere vor bei einem im Einzelfall erheblichen Verstoß gegen im Reiseausweis für Ausländer eingetragene Beschränkungen oder beim Gebrauch des Reiseausweises für Ausländer zur Begehung oder Vorbereitung einer Straftat. Als Anhaltspunkt für die Absicht einer missbräuchlichen Verwendung kann insbesondere auch gewertet werden, dass der wiederholte Verlust von Passersatzpapieren des Antragstellers geltend gemacht wird.

(5) Der Reiseausweis für Ausländer ohne elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium darf, soweit dies zulässig ist, nur verlängert werden, wenn die Ausstellungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Im Inland darf ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 ausgestellt werden,

1.
wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2.
wenn dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt wird, sobald er als Inhaber des Reiseausweises für Ausländer die Passpflicht erfüllt,
3.
um dem Ausländer die endgültige Ausreise aus dem Bundesgebiet zu ermöglichen oder,
4.
wenn der Ausländer Asylbewerber ist, für die Ausstellung des Reiseausweises für Ausländer ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung des Reiseausweises für Ausländer eine unbillige Härte bedeuten würde und die Durchführung des Asylverfahrens nicht gefährdet wird.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 wird der Reiseausweis für Ausländer ohne elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgestellt. Die ausstellende Behörde darf in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 Ausnahmen von § 5 Absatz 2 und 3 sowie in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 Ausnahmen von § 5 Absatz 4 zulassen. Bei Ausländern, denen nach einer Aufnahmezusage nach § 23 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, ist die Erlangung eines Passes oder Passersatzes regelmäßig nicht zumutbar. Dies gilt entsprechend für Ausländer, die bis zum Ablauf des 31. Juli 2015 im Rahmen des Programms zur dauerhaften Neuansiedlung von Schutzsuchenden (Resettlement-Flüchtlinge) einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes erhalten haben.

(1) Einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, kann nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

(2) Als zumutbar im Sinne des Absatzes 1 gilt es insbesondere,

1.
derart rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit eines Passes oder Passersatzes bei den zuständigen Behörden im In- und Ausland die erforderlichen Anträge für die Neuerteilung oder Verlängerung zu stellen, dass mit der Neuerteilung oder Verlängerung innerhalb der Gültigkeitsdauer des bisherigen Passes oder Passersatzes gerechnet werden kann,
2.
in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates nach dem Recht des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt,
3.
die Wehrpflicht, sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar ist, und andere zumutbare staatsbürgerliche Pflichten zu erfüllen oder
4.
für die behördlichen Maßnahmen die vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren zu zahlen.

(3) Ein Reiseausweis für Ausländer wird in der Regel nicht ausgestellt, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes oder Passersatzes aus Gründen verweigert, auf Grund derer auch nach deutschem Passrecht, insbesondere nach § 7 des Passgesetzes oder wegen unterlassener Mitwirkung nach § 6 des Passgesetzes, der Pass versagt oder sonst die Ausstellung verweigert werden kann.

(4) Ein Reiseausweis für Ausländer soll nicht ausgestellt werden, wenn der Antragsteller bereits einen Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet hat oder tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet werden soll. Ein Missbrauch liegt insbesondere vor bei einem im Einzelfall erheblichen Verstoß gegen im Reiseausweis für Ausländer eingetragene Beschränkungen oder beim Gebrauch des Reiseausweises für Ausländer zur Begehung oder Vorbereitung einer Straftat. Als Anhaltspunkt für die Absicht einer missbräuchlichen Verwendung kann insbesondere auch gewertet werden, dass der wiederholte Verlust von Passersatzpapieren des Antragstellers geltend gemacht wird.

(5) Der Reiseausweis für Ausländer ohne elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium darf, soweit dies zulässig ist, nur verlängert werden, wenn die Ausstellungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen.

Tenor

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 5. Juni 2014 verpflichtet, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.

Sie ist somalische Staatsangehörige und reiste am 21. Juni 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. November 2010 wurde das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bezogen auf Somalia festgestellt, woraufhin sie am 17. Dezember 2010 eine Aufenthaltserlaubnis erhielt, die zuletzt bis zum 9. Januar 2015 verlängert wurde. Mit Wirkung zum 1. Dezember 2013 galt die Klägerin als subsidiär Schutzberechtigte i. S. d. des § 4 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Am 17. April 2014 wurde das Zusatzblatt zu ihrem bestehenden Aufenthaltstitel dahingehend geändert, dass ihre Aufenthaltserlaubnis seit 1. Dezember 2013 als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG gilt.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 1. April 2014 ließ die Klägerin die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer beantragen. Die Beklagten teilte durch Schreiben vom 15. April 2014 mit, dass sie beabsichtige, den Antrag abzulehnen, weil kein konkretes und nachvollziehbares Bedürfnis für die Erteilung vorliege.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2014, beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 11. Juni 2014, wurde der Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer dem Grunde nach vorlägen und daher nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden gewesen sei. Nach Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 10. Februar 2014 sei subsidiär Schutzberechtigten auch mit Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie n. F.) kein Reiseausweis für Flüchtlinge auszustellen. Wie bisher solle im Einzelfall ein Reiseausweis für Ausländer unter Beachtung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gewährt werden. Die Beklagte bezog sich dabei insbesondere auf Nr. 3.3.1.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVwV-AufenthG), wonach mit Hinblick auf die Passhoheit des Herkunftsstaates, die erhebliche abstrakte Missbrauchsgefahr und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Ausstellung eines Reiseausweises zurückhaltend gehandhabt werden solle. Da die Erteilung einen Eingriff in die Passhoheit des Herkunftsstaates darstelle, könne eine Ausstellung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein Ausnahmefall in diesem Sinne sei hier nicht gegeben. Zwingende Gründe bzw. ein konkretes oder nachvollziehbares Bedürfnis für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erkennbar. Es werde vielmehr eine generelle, zweckunabhängige Ausstellung eines Reisedokuments begehrt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2014 Bezug genommen.

II.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2014 ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 2014, bei Gericht eingegangen am 30. Juni 2014, Klage erheben und verfolgt ihr Begehren auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer weiter.

Zur Begründung lässt die Klägerin im Wesentlichen vortragen, dass es ihr nicht möglich sei, einen nationalen Pass zu erhalten, zumal somalische Reisepässe nicht als gültige Pässe anerkannt seien. Sie sei für Reisen außerhalb Deutschlands auf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer angewiesen. Da sie als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sei, komme Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU zum Tragen. Sie habe deshalb einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.

Die Klägerin lässt sinngemäß beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 5. Juni 2014 zu verpflichten, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf den angegriffenen Bescheid. Anders als bei Asylberechtigten oder anerkannten Flüchtlingen solle beim bloßen Bestehen eines Abschiebungsverbotes nur bei Vorliegen eines konkreten und nachvollziehbaren Bedürfnisses ein Reiseausweis erteilt werden. Ein solches Bedürfnis sei von der Klägerin nicht geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts vom 26. August 2014 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Gründe

Die Entscheidung kann durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 VwGO vorliegen.

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2014 ist rechtswidrig und die Klägerin wird dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn sie hat einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV).

Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin verfügt nicht über einen gültigen Pass oder Passersatz. Zwischen den Parteien ist daneben unstreitig, dass es somalischen Staatsangehörigen zumindest derzeit nicht möglich ist, im Bundesgebiet Pässe zu erhalten. Die Kammer teilt diese Ansicht (vgl. auch OVG NW, U. v. 19.2.2008 - 19 A 4554/06 - juris Rn. 41 ff.).

Die weitere Voraussetzung des § 6 Nr. 1 AufenthV ist ebenfalls erfüllt, wonach im Inland ein Reiseausweis dann ausgestellt werden darf, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Dies ist bei der Klägerin seit dem 17. Dezember 2010 der Fall.

Somit liegt es nach § 5 Abs. 1 AufenthV im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Ausstellung eines Reiseausweises setzt damit voraus, dass dieses Ermessen auf Null reduziert ist.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der Anerkennung der Klägerin als subsidiär Schutzberechtigter i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylVfG und mit Hinblick auf die Regelung des Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU das Ermessen der Ausländerbehörde auf Null reduziert, so dass der Klägerin ein Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer zusteht. § 5 Abs. 1 AufenthV ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass subsidiär Schutzberechtigten i. S. d. Richtlinie 2011/95/EU in der Regel ein Reiseausweis für Ausländer zu erteilen ist, soweit nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Nach Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU stellen Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Die Richtlinie sieht somit einen Anspruch des Ausländers auf Ausstellung von Reisedokumenten vor, der an keine weiteren Voraussetzungen - wie etwa einen besonderen konkreten Anlass für die Erteilung - anknüpfen. Die Vorgängerregelung des Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie a. F.) enthielt im Gegensatz dazu den ergänzenden Halbsatz, dass Reisedokumente zumindest dann ausgestellt werden sollen, wenn schwerwiegende humanitäre Gründe ihre Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern. Daraus wurde in der Rechtsprechung die Schlussfolgerung abgeleitet, dass in den übrigen Fällen die Qualifikationsrichtlinie a. F. nicht von einem gebundenen Anspruch ausgehe (vgl. VG Augsburg, U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.872 - juris Rn. 28; U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.908 - juris Rn. 25; U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.903 - juris Rn. 22). Diese Passage ist in der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr enthalten. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Reisedokumenten an subsidiär Schutzberechtigte wurden im Wortlaut denjenigen von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention angeglichen (Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Nach Auffassung der Kammer ist damit bezweckt, subsidiär Schutzberechtigten ebenso wie anerkannten Flüchtlingen Reisedokumente auch ohne Vorliegen einer konkreten aktuellen Notwendigkeit in der Regel auszustellen. Dies folgt schließlich auch aus der allgemeinen Zielsetzung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie, wonach insbesondere Personen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, dieselben Rechte und Leistungen zu denselben Bedingungen gewährt werden sollen wie Flüchtlingen (Erwägungsgrund Nr. 39 der Richtlinie 2011/95/EU).

Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die der Erteilung eines Reiseausweises für die Klägerin entgegenstehen sind nicht ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Tenor

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 4. Juni 2014 verpflichtet, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.

Sie ist somalische Staatsangehörige und reiste am 5. September 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 31. August 2011 wurde das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bezogen auf Somalia festgestellt, woraufhin sie am 21. September 2011 eine Aufenthaltserlaubnis erhielt. Mit Wirkung zum 1. Dezember 2013 gilt die Klägerin als subsidiär Schutzberechtigte i. S. d. des § 4 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Am 20. Februar 2014 wurde ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, gültig vom 1. Dezember 2013 bis 30. November 2015, erteilt.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2014 ließ die Klägerin die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer beantragen. Die Beklagte teilte durch Schreiben vom 15. April 2014 mit, dass sie beabsichtige, den Antrag abzulehnen, weil kein konkretes und nachvollziehbares Bedürfnis für die Erteilung vorliege.

Mit Bescheid vom 4. Juni 2014, beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 5. Juni 2014, wurde der Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer dem Grunde nach vorlägen und daher nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden gewesen sei. Nach Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 10. Februar 2014 sei subsidiär Schutzberechtigten auch mit Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie n. F.) kein Reiseausweis für Flüchtlinge auszustellen. Wie bisher solle im Einzelfall ein Reiseausweis für Ausländer unter Beachtung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gewährt werden. Die Beklagte bezog sich dabei insbesondere auf Nr. 3.3.1.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVwV-AufenthG), wonach mit Hinblick auf die Passhoheit des Herkunftsstaates, die erhebliche abstrakte Missbrauchsgefahr und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Ausstellung eines Reiseausweises zurückhaltend gehandhabt werden solle. Da die Erteilung einen Eingriff in die Passhoheit des Herkunftsstaates darstelle, könne eine Ausstellung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein Ausnahmefall in diesem Sinne sei hier nicht gegeben. Zwingende Gründe bzw. ein konkretes oder nachvollziehbares Bedürfnis für die Ausstellung eines Reiseausweises seien nicht erkennbar. Es werde vielmehr eine generelle, zweckunabhängige Ausstellung eines Reisedokuments begehrt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2014 Bezug genommen.

II.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2014 ließ die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22. Juni 2014, bei Gericht eingegangen am 23. Juni 2014, Klage erheben und verfolgte ihr Begehren auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer weiter.

Zur Begründung lässt die Klägerin im Wesentlichen vortragen, dass es ihr nicht möglich sei, einen nationalen Pass zu erhalten, zumal somalische Reisepässe nicht als gültige Pässe anerkannt seien. Sie sei für Reisen außerhalb Deutschlands auf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer angewiesen. Da sie als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sei, komme Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU zum Tragen. Sie habe deshalb einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.

Die Klägerin lässt sinngemäß beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 4. Juni 2014 zu verpflichten, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf den angegriffenen Bescheid. Anders als bei Asylberechtigten oder anerkannten Flüchtlingen solle beim bloßen Bestehen eines Abschiebungsverbotes nur bei Vorliegen eines konkreten und nachvollziehbaren Bedürfnisses ein Reiseausweis erteilt werden. Ein solches Bedürfnis sei von der Klägerin nicht geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Der Prozessbevollmächtigte erklärte mit Schreiben vom 3. August 2014 sein Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid, die Beklagte mit Schreiben vom 13. August 2014.

Gründe

Die Entscheidung kann durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 VwGO vorliegen.

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2014 ist rechtswidrig und die Klägerin wird dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da sie einen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) hat.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin verfügt nicht über einen gültigen Pass oder Passersatz. Zwischen den Parteien ist daneben unstreitig, dass es somalischen Staatsangehörigen zumindest derzeit nicht möglich ist, im Bundesgebiet Pässe zu erhalten. Die Kammer teilt diese Ansicht (vgl. auch OVG NW, U. v. 19.2.2008 - 19 A 4554/06 - juris Rn. 41 ff.).

Die weitere Voraussetzung des § 6 Nr. 1 AufenthV ist ebenfalls erfüllt, wonach im Inland ein Reiseausweis dann ausgestellt werden darf, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Dies ist bei der Klägerin seit dem 21. September 2011 der Fall.

Somit liegt es nach § 5 Abs. 1 AufenthV im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, der Klägerin einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Ausstellung eines Reiseausweises setzt damit voraus, dass dieses Ermessen auf Null reduziert ist.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der Anerkennung der Klägerin als subsidiär Schutzberechtigte i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylVfG und im Hinblick auf die Regelung des Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU das Ermessen der Ausländerbehörde auf Null reduziert, so dass der Klägerin ein Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer zusteht. § 5 Abs. 1 AufenthV ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass subsidiär Schutzberechtigten i. S. d. Richtlinie 2011/95/EU in der Regel ein Reiseausweis für Ausländer zu erteilen ist, soweit nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Nach Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU stellen Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Die Richtlinie sieht somit einen Anspruch des Ausländers auf Ausstellung von Reisedokumenten vor, der an keine weiteren Voraussetzungen - wie etwa einen besonderen konkreten Anlass für die Erteilung - anknüpft. Die Vorgängerregelung des Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie a. F.) enthielt im Gegensatz dazu den ergänzenden Halbsatz, dass Reisedokumente zumindest dann ausgestellt werden sollen, wenn schwerwiegende humanitäre Gründe ihre Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern. Daraus wurde in der Rechtsprechung die Schlussfolgerung abgeleitet, dass in den übrigen Fällen die Qualifikationsrichtlinie a. F. nicht von einem gebundenen Anspruch ausgehe (vgl. VG Augsburg, U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.872 - juris Rn. 28; U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.908 - juris Rn. 25; U. v. 9.10.2012 - Au 1 K 12.903 - juris Rn. 22). Diese Passage ist in der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr enthalten. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Reisedokumenten an subsidiär Schutzberechtigte wurden im Wortlaut denjenigen von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention angeglichen (Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Nach Auffassung der Kammer ist damit bezweckt, subsidiär Schutzberechtigten ebenso wie anerkannten Flüchtlingen Reisedokumente auch ohne Vorliegen einer konkreten aktuellen Notwendigkeit in der Regel auszustellen. Dies folgt schließlich auch aus der allgemeinen Zielsetzung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie, wonach insbesondere Personen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, dieselben Rechte und Leistungen zu denselben Bedingungen gewährt werden sollen wie Flüchtlingen (Erwägungsgrund Nr. 39 der Richtlinie 2011/95/EU).

Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die der Erteilung eines Reiseausweises für die Klägerin entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

(1) Durch deutsche Behörden ausgestellte Passersatzpapiere für Ausländer sind:

1.
der Reiseausweis für Ausländer (§ 5 Absatz 1),
2.
der Notreiseausweis (§ 13 Absatz 1),
3.
der Reiseausweis für Flüchtlinge (§ 1 Absatz 3),
4.
der Reiseausweis für Staatenlose (§ 1 Absatz 4),
5.
die Schülersammelliste (§ 1 Absatz 5),
6.
die Bescheinigung über die Wohnsitzverlegung (§ 43 Absatz 2),
7.
das Europäische Reisedokument für die Rückkehr (§ 1 Absatz 8).
Passersatzpapiere nach Satz 1 Nummer 3 und 4 werden mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu drei Jahren ausgestellt; eine Verlängerung ist nicht zulässig. Passersatzpapiere nach Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 werden abweichend von Absatz 4 Satz 1 auch als vorläufige Dokumente ohne elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgegeben, deren Gültigkeit, auch nach Verlängerungen, ein Jahr nicht überschreiten darf. An Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr werden abweichend von Absatz 4 Satz 1 Passersatzpapiere nach Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 ohne elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgegeben; in begründeten Fällen können sie auch mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgegeben werden. Passersatzpapiere nach Satz 4 ohne elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium sind höchstens ein Jahr gültig, längstens jedoch bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres. Eine Verlängerung dieser Passersatzpapiere ist vor Ablauf der Gültigkeit bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres um jeweils ein Jahr zulässig; es ist jeweils ein aktuelles Lichtbild einzubringen. Passersatzpapiere nach Satz 1 Nummer 3 und 4, die an heimatlose Ausländer nach dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet ausgestellt werden, können mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu zehn Jahren ausgestellt werden.

(2) Passersatzpapiere nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 enthalten neben der Angabe der ausstellenden Behörde, dem Tag der Ausstellung, dem letzten Tag der Gültigkeitsdauer und der Seriennummer sowie dem Lichtbild und der Unterschrift des Inhabers des Passersatzpapiers ausschließlich folgende sichtbar aufgebrachte Angaben über den Inhaber des Passersatzpapiers:

1.
Familienname und ggf. Geburtsname,
2.
den oder die Vornamen,
3.
Doktorgrad,
4.
Tag und Ort der Geburt,
5.
Geschlecht mit der Abkürzung „F“ für Personen weiblichen Geschlechts, „M“ für Personen männlichen Geschlechts und „X“ in allen anderen Fällen,
6.
Größe,
7.
Farbe der Augen,
8.
Wohnort,
9.
Staatsangehörigkeit.
Auf Antrag kann der Passersatz nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 bei einer Änderung des Geschlechts nach § 45b des Personenstandsgesetzes mit der Angabe des vorherigen Geschlechts ausgestellt werden, wenn der vorherige Eintrag männlich oder weiblich war. Diesem abweichenden Eintrag kommt keine weitere Rechtswirkung zu.

(3) Passersatzpapiere nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 enthalten eine Zone für das automatische Lesen. Diese darf lediglich enthalten:

1.
die Abkürzung „PT“ für Passtyp von Passersatzpapieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 einschließlich vorläufiger Passersatzpapiere,
2.
die Abkürzung „D“ für Bundesrepublik Deutschland,
3.
den Familiennamen,
4.
den oder die Vornamen,
5.
die Seriennummer des Passersatzes, die sich aus der Behördenkennzahl der Ausländerbehörde und einer zufällig zu vergebenden Passersatznummer zusammensetzt, die neben Ziffern auch Buchstaben enthalten kann und bei vorläufigen Passersatzpapieren aus einem Serienbuchstaben und sieben Ziffern besteht,
6.
die Abkürzung der Staatsangehörigkeit,
7.
den Tag der Geburt,
8.
die Abkürzung „F“ für Passersatzpapierinhaber weiblichen Geschlechts, „M“ für Passersatzpapierinhaber männlichen Geschlechts und das Zeichen „<“ in allen anderen Fällen,
9.
die Gültigkeitsdauer des Passersatzes,
9a.
die Versionsnummer des Dokumentenmusters,
10.
die Prüfziffern und
11.
Leerstellen.
Die Seriennummer und die Prüfziffern dürfen keine Daten über die Person des Passersatzpapierinhabers oder Hinweise auf solche Daten enthalten. Jedes Passersatzpapier erhält eine neue Seriennummer.

(4) Auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385 vom 29.12.2004, S. 1) sind Passersatzpapiere nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 mit Ausnahme der in § 6 Satz 2 und § 7 genannten Reiseausweise für Ausländer mit einem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium zu versehen, auf dem das Lichtbild, die Fingerabdrücke, die Bezeichnung der erfassten Finger, die Angaben zur Qualität der Abdrücke und die in Absatz 3 Satz 2 genannten Angaben gespeichert werden. Die gespeicherten Daten sind mittels geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen nach Artikel 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung gegen unbefugtes Auslesen, Verändern und Löschen zu sichern. Eine bundesweite Datenbank der biometrischen Daten nach Satz 1 wird nicht errichtet.

(5) Abweichend von Absatz 4 Satz 1 werden in Passersatzpapieren mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium bei Antragstellern, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, keine Fingerabdrücke gespeichert. Die Unterschrift durch den Antragsteller ist zu leisten, wenn er zum Zeitpunkt der Beantragung des Passersatzes das zehnte Lebensjahr vollendet hat.

(6) Passersatzpapiere nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 können mit dem Hinweis ausgestellt werden, dass die Personendaten auf den eigenen Angaben des Antragstellers beruhen. Das Gleiche gilt für Passersatzpapiere nach Absatz 1 Nummer 3 und 4, wenn ernsthafte Zweifel an den Identitätsangaben des Antragstellers bestehen.

(7) Ein Passersatz für Ausländer wird in der Regel entzogen, wenn die Ausstellungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Er ist zu entziehen, wenn der Ausländer auf Grund besonderer Vorschriften zur Rückgabe verpflichtet ist und die Rückgabe nicht unverzüglich erfolgt.

(8) Deutsche Auslandsvertretungen entziehen einen Passersatz im Benehmen mit der zuständigen oder zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland. Ist eine solche Behörde nicht vorhanden oder feststellbar, ist das Benehmen mit der Behörde herzustellen, die den Passersatz ausgestellt hat, wenn er verlängert wurde, mit der Behörde, die ihn verlängert hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.