Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 02. Nov. 2016 - W 4 S 16.985

bei uns veröffentlicht am02.11.2016

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Umbau einer Hofreite.

Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke mit den Fl.Nrn. ..., ... und ... der Gemarkung O.

Unter dem 15. Dezember 2015, aktualisiert am 19. Mai 2016, beantragte der Beigeladene durch Vorlage der entsprechenden Bauvorlagen die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO nebst Abweichungen bezogen auf den Umbau der Hofreite auf dem Grundstück in der H. Straße …, Fl.Nr. ..., Gemarkung O. Dabei sollten an den Grundmauern des Gebäudes bezüglich der vorhandenen Grundfläche keine Veränderungen vorgenommen werden. An den Nachbargrenzen, also auch an der Grenze zum Antragsteller hin, sollten die brandmauerartigen fensterlosen Grenzwände im Firstbereich aufgemauert und beide Giebel mit einem neuen steileren Satteldach von nunmehr 45 Grad anstatt ursprünglich 30 Grad Dachneigung ausgebildet werden. Die bisher uneinheitlichen Traufhöhen sollten beide beidseitig reduziert und auf eine gleiche Höhe von 3,49 m (= Wandhöhe) gebracht werden. Weiterhin sollten zwei Giebelgauben errichtet werden.

Mit Bescheid vom 2. August 2016, dem Antragsteller am 10. August 2016 zugestellt, erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Außerdem wurde u.a. zum Grundstück des Antragstellers mit der Fl.Nr. *72 der Gemarkung O* … hin von den Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Abweichung zugelassen. Das grenzständige Bestandsgebäude löse eine Abstandsflächenüberschreitung in der gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO geforderten Mindesttiefe von 3 m aus. Schon der Bestand mit der flacheren Dachneigung erfordere eine Abstandsflächentiefe von 3 m. Es liege ein besonders atypischer Grundstückszuschnitt vor.

Am 12. September 2016 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben (W 4 K 16.944), über die noch nicht entschieden ist.

Mit weiterem Schreiben vom 26. September 2016 ließ er zudem beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. August 2016 betreffend die bauaufsichtliche Genehmigung für den Umbau einer Hofreite auf dem Grundstück H. Straße …, A., Gemarkung O., Fl.Nr. ... anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, Gegenstand der Baugenehmigung sei eine nicht unerhebliche Vergrößerung der grenzständigen Giebelwand. Die aufschiebende Wirkung sei anzuordnen, um vollendete Tatsachen zu vermeiden. Durch das Bauvorhaben würden Abstandsflächenvorschriften verletzt werden.

Die Antragsgegnerin beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Es handele sich vorliegend um einen atypischen Fall, der eine Abweichung rechtfertige. Die nachbarlichen Belange des Antragstellers seien umfassend gewürdigt worden und in die Abwägung bei der Entscheidung über die Gewährung der beantragten Abweichung eingeflossen.

Der Beigeladene hat bisher keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte, insbesondere auch der Gerichtsakte im Verfahren W 4 K 16.944, verwiesen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter Anfechtungsklage gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO die nach § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Im Rahmen dieser Entscheidung trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgssausichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Hier wird die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 2. August 2016 voraussichtlich erfolglos bleiben. Der Bescheid verletzt den Antragsteller voraussichtlich deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).

Dabei hat ein Nachbar einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung nicht schon dann, wenn diese objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr ist Voraussetzung, dass er durch die Baugenehmigung gerade in eigenen Rechten verletzt wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat. Es genügt also nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind.

Unter Berücksichtigung dessen kommen vorliegend als nachbarrechtsrelevante Gesichtspunkte nur die geltend gemachte Verletzung der Abstandsflächenvorschriften durch das streitgegenständliche Vorhaben sowie ein möglicher Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Betracht.

Soweit sich der Antragsteller auf einen Verstoß des Vorhabens gegen die Abstandsflächenvorschriften beruft, ist zunächst festzustellen, dass das streitgegenständliche Vorhaben zwar in einem vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO genehmigt wurde, da es sich um keinen Sonderbau i.S.d. Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Im vereinfachten Verfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nicht mehr das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht des Art. 6 BayBO. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören jedoch die beantragten Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zum Prüfungsumfang (vgl. BayVGH v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 36; BayVGH v. 5.11.2015 - 15 B 15.1371 - juris Rn. 15).

In bauordnungsrechtlicher Hinsicht allerdings stellt sich die in der verfahrensgegenständlichen Baugenehmigung erteilte Abweichung bei summarischer Überprüfung, nur eine solche ist im vorliegenden Verfahren vorzunehmen, als materiell rechtmäßig dar.

Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, kann regelmäßig nur dann erreicht werden, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regelung nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (vgl. BayVGH v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris Rn. 16; v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris Rn. 8; v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es müssen also rechtlich erhebliche Unterschiede vorliegen, die das Vorhaben als einen sich von der Regel unterscheidenden atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. BayVGH v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 15). Diese können sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben (vgl. BayVGH v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16 m.w.N.). In solchen Fällen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik, da Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert sind (vgl. BayVGH v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 3). Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz, wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn. Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (vgl. zum Ganzen: BayVGH v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20). Von Bedeutung ist bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik indes auch, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist. In dicht bebauten innerstädtischen und innergemeindlichen Bereichen ist eine atypische Situation jedenfalls dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der vorhandenen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

Liegt die erforderliche Atypik nicht vor, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vornherein als rechtswidrig und ist auf eine Nachbarklage hin die Baugenehmigung grundsätzlich aufzuheben (BayVGH v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16).

Nach Überzeugung der Kammer ist unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen im vorliegenden Fall eine derartige Sondersituation (Atypik) gegeben.

Die Antragsgegnerin führt insoweit aus, dass schon wegen des besonderen Zuschnitts des Grundstücks, des Altbestandes sowie wegen Belangen des Denkmalschutzes die Atypik zu bejahen sei. Dies ist seitens der Kammer jedenfalls insoweit nicht zu beanstanden, als die Antragsgegnerin die Sondersituation mit dem besonderen Zuschnitt des Grundstücks begründet. Das Grundstück ist äußerst schmal geschnitten, so dass eine sinnvolle Ausnutzung unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich wäre. Des Weiteren spricht die im maßgeblichen Bauquartier vielfach festzustellende Bebauung ohne Einhaltung der jeweils nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO erforderlichen Abstandsflächentiefen für die Annahme eines atypischen Falles. Das maßgebliche Gebiet ist durch eine vielfache unmittelbare Grenzbebauung in nicht unbeträchtlichem Umfang geprägt. Dies lässt eine Durchsetzung der Abstandsflächenvorschriften aus Art. 6 Abs. 1 BayBO nicht zu und räumt dem hiervon abweichenden tatsächlich vorgefundenen Städtebaurecht den Vorrang ein. Da die Antragsgegnerin zudem in nicht zu beanstandender Weise die Besonderheiten des konkreten Falles und die maßgebliche Prägung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB herausgearbeitet hat (Schriftsatz der Antragsgegnerin an das Verwaltungsgericht vom 11.10.2016, Seite 1) und die gegenläufigen Interessen des Beigeladenen und des Antragstellers gewichtet hat, bleibt die im streitgegenständlichen Bescheid vom 2. August 2016 ausgesprochene Abweichung auf der Grundlage von Art. 63 Abs. 1 BayBO voraussichtlich gerichtlich unbeanstandet.

Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens zweifellos eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlich geschützten Belange des Antragstellers bewirkt wird. Jedoch werden die Schutzziele des Art. 3 und Art. 6 BayBO nicht dergestalt verfehlt, dass eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar wäre. Nach summarischer Prüfung überwiegen die Interessen des Beigeladenen im Rahmen der Abweichungsentscheidung. In die erforderliche Interessenabwägung ist nämlich auch einzustellen, dass der Umbau auch der Schaffung von Wohnraum dient und insoweit im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BayVGH v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5). Die Schaffung von Wohnraum ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung zu begründen, aber - bei Vorliegen der erforderlichen Atypik, wie hier, - stellt die Wohnraumbeschaffung einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen ist.

Die erforderliche Abweichung konnte daher von der Antragsgegnerin nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden. Sie hat dabei auch die gesetzlichen Grenzen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO beachtet. Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen, d.h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, so ist sie zuzulassen, es sei denn, besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1233 - juris Rn. 8). Denn bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGHv. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8).

Nach alldem führt die nach § 80 Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vom Verwaltungsgericht zu treffende eigenständige Ermessensentscheidung dazu, dass die kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aufgrund des § 212a Abs. 1 BauGB aufrecht erhalten bleiben kann, zumal auch nicht erkennbar ist, dass durch die Baugenehmigung gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, welches zum Schutz des Antragstellers verbleibt, verstoßen wird.

Im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das Gebot der Rücksichtnahme ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das im Begriff des „Sich - Einfügens“ eines Vorhabens in die nähere Umgebung enthalten ist (vgl. BVerwG v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris). Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist damit darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris).

Das in § 15 Absatz 1 Satz 2 BauNVO34 Abs. 2 BauGB) ebenso wie im Begriff des „Sich- Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).

Bei der vorliegend gebotenen summarischen Überprüfung stellt sich das antragsgegenständliche Vorhaben allerdings weder im Hinblick auf den Abstandsflächenverstoß noch im Hinblick auf Belichtung und Belüftung als unzumutbar und damit rücksichtslos dar, zumal die Kammer auch eine einmauernde oder abriegelnde Wirkung oder neue Einblicksmöglichkeiten in das Wohnhaus des Antragstellers nicht erkennen kann. Solche wurden seitens des Antragstellers auch nicht substantiiert geltend gemacht.

Dies gilt insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich das Wohngebäude des Antragstellers, wie die vorgelegten Lichtbildern und der Lageplan zeigen, doch um einige Meter versetzt von dem streitgegenständlichen Vorhaben befindet. Im Übrigen darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass an den Grundmauern des bereits bestehenden Scheunengebäudes bezüglich der vorhandenen Grundfläche keine Veränderung vorgenommen wird. An den Nachbargrenzen werden die brandmauerartigen fensterlosen Grenzwände im Firstbereich aufgemauert und beide Giebel mit einem neuen steileren Satteldach ausgebildet. Dabei werden beidseitig die bisher uneinheitlichen Traufhöhen sogar reduziert von ursprünglich 4,35 m bzw. 3,49 m hofseitig und 3,73 m gartenseitig auf 3,49 m. Von einer erdrückenden Wirkung kann nach alldem gerade auch unter Berücksichtigung des Altbestandes nicht die Rede sein.

Es erscheint daher unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft, die aufschiebende Wirkung der voraussichtlich erfolglosen Klage des Antragstellers anzuordnen. Soweit der Beigeladene vor einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren, das wohl auch einen Augenscheinstermin erforderlich macht, mit den Bauarbeiten beginnt, wird er auf eigenes Risiko tätig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

2 B 15.1431

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 29. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084)

2. Senat

H.-Z. als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte: Baugenehmigung, Prüfungsumfang, Abstandsflächen, Abweichung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Landeshauptstadt München,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Lokalbaukommission, Blumenstr. 19, München,

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...,

vertreten durch den Geschäftsführer, ...

2. ...

bevollmächtigt zu 1 und 2: Rechtsanwälte ...

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen Baugenehmigung ..., Fl. Nr. 17139 Gemarkung ...

hier: Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Bauer, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Winkler aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung, mit der unter anderem die Errichtung eines dreigeschossigen Wohngebäudes im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. 17139 der Gemarkung M. zugelassen wurde. Dort befindet sich bislang ein Garagengebäude mit einer Länge von ca. 18 m, das zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17159 und 17158 grenzständig errichtet wurde.

Das Nachbargrundstück Fl. Nr. 17157 steht im Eigentum einer Gemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die Kläger sind Sondereigentümer mehrerer Wohneinheiten im fünfgeschossigen Vordergebäude sowie Teileigentümer einer Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft. Die für den Betrieb genutzten Räume befinden sich im Erdgeschoss des Vordergebäudes sowie in im rückwärtigen Bereich gelegenen eingeschossigen Anbauten, die teilweise zum Vorhabensgrundstück hin grenzständig stehen.

Das Grundstück Fl. Nr. 17159, das im rückwärtigen Bereich bedingt durch einen unregelmäßigen Grenzverlauf auch eine gemeinsame Grenze auf einer Länge von ca. 11 m im Bereich der Garagen mit dem Vorhabensgrundstück aufweist, steht im Miteigentum der Kläger. Das Vordergebäude auf dem Grundstück ist dreigeschossig, während die rückwärtige Bebauung ein- und zweigeschossig errichtet wurde. Die Gebäude werden zum Teil zu Wohnzwecken und zum Teil für den Betrieb der Konditorei genutzt.

1. Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Sanierung des Anwesens und die Errichtung eines dreigeschossigen Rückgebäudes. Es wurden Abweichungen hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen zugelassen, unter anderem im Hinblick darauf, dass sich die Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude überdecken.

Das Rückgebäude soll grenzständig zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17157, 17158 und 17159 unter Abbruch des vorhandenen Garagengebäudes errichtet werden, weist jedoch größere Gebäudetiefen von ca. 15 m im Westen und ca. 8 m im Osten auf. Die unterschiedlichen Tiefen ergeben sich aus einer Verschwenkung der Gebäudefronten nach Süden hin.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Änderung, die die Schaffung von zwei Wohneinheiten im Rückgebäude zum Gegenstand hat. Eine Änderung der Kubatur des Gebäudes gegenüber der bisherigen Planung ist im grenzständigen Bereich nicht vorgesehen.

Hinsichtlich der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 ein Bauherrenwechsel auf den Beigeladenen zu 2 angezeigt.

Auf die Anfechtungsklage der Kläger hin hob das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. November 2013 die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 insoweit auf, als mit ihr die Errichtung eines Wohngebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich genehmigt wurde. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und die Kläger könnten deren Aufhebung beanspruchen, weil die Genehmigung zu ihren Lasten gegen die im Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoße, soweit mit ihr nach Norden hin eine Grenzbebauung zugelassen werde.

2. Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Abstandsflächenrecht vorliegend in vollem Umfang und bezüglich sämtlicher Außenwände des strittigen Rückgebäudes vom Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide umfasst sei. Tatsächlich beschränke sich der abstandsflächenrechtliche Regelungsgehalt der Baugenehmigungsbescheide hinsichtlich des Rückgebäudes auf die Überschneidung der Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude. Die Ermessenserwägungen sowie die Prüfung der übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Abweichungen bedürften keiner Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Situation vor den anderen Gebäudeseiten. Durch die in Richtung Süden erteilten Abweichungen würden Nachbarbelange der Kläger nicht berührt. Dass mit der Abstandsflächenverkürzung in Richtung Süden gerade die Voraussetzungen für die Situierung des Rückgebäudes geschaffen worden seien, sei unzutreffend. Mit dem Grenzabstand zu den Grundstücken der Kläger habe die erteilte Abweichung nichts zu tun. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behandlung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungsbescheide.

Es könne zwar sein, dass im Einzelfall die Rechtmäßigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Abweichung für eine Gebäudeaußenwand auch von der Situation vor den übrigen Außenwänden abhängen kann. Dies wäre beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Frage nach dem Verhältnis abstandsflächenrechtlicher Abweichungen einerseits und der gegebenenfalls zweimaligen Anwendung des 16-m-Privilegs nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO andererseits im Raum stehe. Im vorliegenden Fall stehe die erteilte Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung der übrigen Außenwände. Auch auf der Ebene der Ermessensausübung für die Erteilung der beantragten Abweichung für die südliche Außenwand des strittigen Rückgebäudes spiele die Situation vor den übrigen Außenwänden nicht die geringste Rolle. Der vermeintliche Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei daher für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen nicht entscheidend.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen zulässigen Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor. Diese Privilegierung greife nicht nur dann, wenn das zu beurteilende Vorhaben im abstandsflächenrelevanten Bereich unter allen planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume dem Städtebaurecht vielmehr nur den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele. Zu den in diesem Rahmen zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben gehörten daher ausschließlich solche, die unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpften. Die Prüfung sämtlicher bauplanungsrechtlicher Vorgaben scheide im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dagegen aus.

Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bezwecke die Sicherstellung, dass dem Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht auch im Bereich des Abstandsflächenrechts Rechnung getragen werde. Aus diesem Grund könne er sich nur auf solche bauplanungsrechtlichen Vorgaben beziehen, die spezifisch die Gestattung oder die Verpflichtung zum Grenzanbau vorsehen. Andernfalls hätte der klagende Nachbar über die drittschützende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO die Möglichkeit, sich auf einen Verstoß gegen sämtliche Vorgaben des Bauplanungsrechts zu berufen. Hierzu gehörten dann auch solche Vorgaben, die ihrerseits nicht drittschützend seien, sondern ausschließlich städtebaulichen Zwecken dienten. So würde in Fällen einer durch Bebauungsplan festgesetzten Bebauungstiefe, der nach dem planerischen Willen der planenden Gemeinde kein Drittschutz zukommen soll, gerade dieser Bebauungstiefe Drittschutz verliehen. Dagegen rechtfertige im Fall der Bauweise gerade der Umstand, dass es sich beim Kriterium der Bauweise um eine spezifisch den Grenzanbau regelnde Materie handle, die Berücksichtigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Die von Seiten des Verwaltungsgerichts vertretene Ansicht weise vor dem Hintergrund des Systems des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes Wertungswidersprüche auf. Sie erweitere die nachbarliche Rechtsstellung in systemwidriger Weise.

Falls die Bebauungstiefe als Teil des bauplanungsrechtlichen Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche keine bauplanungsrechtliche Vorgabe sei, die Drittschutz vermittelt und/oder spezifisch und unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpft, könnten sich die Kläger auf eine vermeintliche Überschreitung einer faktisch vorhandenen Bebauungstiefe nicht berufen. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Bauvorhaben im Innenbereich hinsichtlich der Grundstücksfläche die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, komme es auf die Grundstücksgrenzen gerade nicht an. Drittschutz entfalte eine Bebauungstiefe regelmäßig ebenfalls nicht. Im Ergebnis sei die Bebauungstiefe daher kein bauplanungsrechtliches Kriterium, das im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu prüfen wäre. Ein vermeintlicher Verstoß gegen eine vorliegend bestehende faktische Bebauungstiefe, könne daher dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Richtig sei es vielmehr, allein auf die Bauweise abzustellen.

Ebenso wenig führe die abstandsflächenrechtliche Situation in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen. Auch diese westliche Abstandsflächensituation sei nicht von der Feststellungswirkung der Baugenehmigungen umfasst. Zudem könnten sich die Antragsteller als Sondereigentümer einiger Wohnungen nur insoweit auf einen Abstandsflächenverstoß berufen, als ihr Sondereigentum betroffen sei. Ferner verstoße das Gebäude S.-straße 27 selbst in Ansehung seiner Geschossigkeit in erheblichem Umfang gegen abstandsflächenrechtliche Vorgaben, so dass sich die Kläger insoweit nach Treu und Glauben nicht auf einen vermeintlichen Abstandsflächenverstoß des geplanten Rückgebäudes berufen könnten.

Anhaltspunkte für eine Rücksichtslosigkeit des geplanten Rückgebäudes bestünden nicht. Unzumutbare Auswirkungen im Hinblick auf die Belichtung der Wohnungen des Anwesens S.-straße 27 seien nicht zu besorgen. Soweit sich die Kläger auf unzumutbare Einwirkungen durch Lärm und Geruch beriefen, sei der Vortrag unsubstantiiert. Zudem seien die Räumlichkeiten des Rückgebäudes und gerade die Fenster ausschließlich in Richtung Süden geplant, also von der Bäckerei der Kläger weg ausgerichtet. Nach dem Vortrag der Kläger seien die maßgeblichen Geräuschquellen auch erst ab 6.00 Uhr morgens zu besorgen, so dass diese nur in den Tageszeitraum fielen.

Die Beigeladenen beantragen:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Unrecht seien die Beigeladenen der Auffassung, dass bei Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen im Sinn von Art. 59 BayBO nur die konkreten Abstandsflächen, von denen abgewichen wird, Gegenstand der behördlichen Prüfung seien. Art. 59 BayBO erweitere jedoch den Prüfungsumfang der Baubehörde auf beantragte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 und 2 Satz 2 BayBO. Damit bringe das Gesetz zum Ausdruck, dass der Prüfungsumfang durch die beantragte Abweichung bestimmt werde, d. h. alle im Abweichungsverfahren zu beachtende Gesichtspunkte Gegenstand der Prüfung seien. Die Beurteilung, ob eine Abweichung von den Abstandsflächen gewährt werden könne, erfordere eine Gesamtbeurteilung der abstandsflächenrechtlichen Situation in Bezug auf die Mindestabstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO.

Zu Unrecht behaupteten die Beigeladenen, dass hier das streitgegenständliche Bauvorhaben im abstandsrelevanten Bereich unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Allein das Vorhandensein grenzständiger Gebäude sei planungsrechtlich nicht ausreichend für die Beurteilung, ob hier - auch in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben - auf die Beachtung von Abstandsflächen verzichtet werden könne. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO beschränke den Prüfungsumfang der hier relevanten planungsrechtlichen Vorschriften nicht auf diejenigen, welche im Zusammenhang einer etwaigen zulässigen Grenzbebauung stünden.

Das Maß der baulichen Nutzung bestimme sich durch eine Vielzahl von möglichen planungsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere könne durch Baulinien der Anbau an die Grundstücksgrenze gefordert werden. Eine im inneren Bauquartier nachvollziehbare Baulinie sei jedoch nicht zu erkennen. Ferner könne durch Bauräume, die über Grundstücksgrenzen hinweg gehen, im Zusammenhang mit der Festsetzung von geschlossener oder halb offener Bauweise, eine planungsrechtliche Vorgabe für eine grenzständige Bebauung gegeben werden. Die vorhandene städtebauliche Struktur gebe dies offensichtlich für die straßenbegleitende Bebauung als Blockrandbebauung vor, jedoch nicht im Blockinneren.

Fänden sich die vorgenannten Kriterien hier nicht, so sei zu fragen, ob durch entsprechende sonstige planungsrechtliche Vorgaben städtebaulich veranlasste grenzständige Bebauungen im Blockinneren zulässig sein sollen. Nachvollziehbar habe das Erstgericht das Bauquartier städtebaulich durch rückwärtige Baulinien bzw. Bebauungstiefen konkretisiert. Insofern werde ein städtebauliches Element zur Anwendung gebracht, welches planungsrechtlich auch im Zusammenhang mit einer etwaigen grenzständigen Bebauung stehe. Es werde deshalb bestritten, dass hier die Frage der Bebauungstiefe keine planungsrechtliche Vorschrift sei, wonach beurteilt werden könne, ob an die Grenze gebaut werden müsse oder gebaut werden dürfe.

Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme führen die Kläger aus, dass an der Grundstücksgrenze ein 8,13 m hoher und ca. 15 m langer Baukörper geplant sei, der das Terrassen-Niveau des klägerischen Anwesens um 4,05 m überrage. Werde als Maßstab zulässiger Grenzbebauung Art. 6 Abs. 9 BayBO heranzogen, so werde das Höhenmaß um 1,05 m und das Längenmaß um 6 m überschritten. Insofern besitze das Bauvorhaben in Bezug auf das klägerische Grundstück, hier in Bezug auf die Terrassennutzung, erdrückende Wirkung. Hinzu komme, dass durch die Grenzbebauung der Betrieb des Sohnes der Kläger eine erhebliche Einschränkung erfahren werde. Im erdgeschossigen Anbau auf dem klägerischen Grundstück befinde sich eine Backstube mit entsprechenden Abluftanlagen über der darüber befindlichen Terrasse. Aufgrund der unmittelbaren Nähe sei daher mit Geruchsbelästigungen in Bezug auf die Bewohner des streitgegenständlichen Neubaus zu rechnen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses vertritt die Auffassung, dass zum notwendigen Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur die tatsächlich beantragten Abweichungen zählen. Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ermessensausübung hierbei sei aber die vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen. Im Rahmen von Abweichungen im Abstandsflächenrecht dürfe dabei nicht nur die nachbarliche Beziehung betrachtet werden, sondern die Bauaufsichtsbehörde müsse sich ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben. Auch die Ermessenserwägungen könnten sich aber nur auf die beantragte Abweichung beziehen, so dass nicht alle öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Interessen berücksichtigt, sondern vielmehr die Belange gewürdigt werden, die von der Vorschrift, von der abgewichen werden soll, geschützt werden. Abgewichen werde vorliegend nur von der Einhaltung der Abstandsflächen der südlichen Gebäudewand des Rückgebäudes, so dass sich die Betrachtung hierauf beschränke.

In Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO komme der planungsrechtliche Vorbehalt, unter dem das Abstandsflächenrecht stehe, zum Ausdruck. Das Planungsrecht genieße den Vorrang vor den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden müsse oder dürfe. Dieser planungsrechtliche Vorbehalt könne aber nur den Vorhaben eingeräumt werden, die auch dem Planungsrecht entsprechen. Die planungsrechtliche Privilegierung solle demnach nur ein Vorhaben in Anspruch nehmen können, das danach auch insgesamt zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschriften über die Einnahme eines Augenscheins vom 25. August 2015 und die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) der Beigeladenen ist begründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Oktober 2012, soweit mit ihr die Errichtung eines Rückgebäudes zugelassen wird, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2013 ist somit die Klage abzuweisen.

1. Die Kläger sind als Miteigentümer des Nachbargrundstücks Fl. Nr. 17159 gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. 17157 sind sie als Sondereigentümer insoweit klagebefugt, als die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung vom 12. Oktober 2012 ihre Rechte aus dem Sondereigentum verletzen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft (vgl. BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl 2013, 51). Die Kläger sind insoweit betroffen, als sie die Sondereigentümer einer Wohneinheit im fünfgeschossigen Vordergebäude sind, die eine Terrasse zum Bauvorhaben hin aufweist. Ferner sind sie als Teileigentümer der Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft klagebefugt, soweit das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot inmitten steht.

2. Die Anfechtungsklage der Kläger ist jedoch nicht begründet. Soweit der Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO reicht, verletzt die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 hinsichtlich des strittigen Rückgebäudes die Kläger nicht in ihren Rechten. Nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts sind insoweit nicht zu ihren Lasten betroffen. Ebenso wenig wird das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt.

2.1. Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden.

Hier wurden hinsichtlich des allein noch strittigen Rückgebäudes im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nur bezüglich des Verhältnisses zum Vordergebäude auf dem Baugrundstück und bezüglich gegenüberliegender Gebäudeteile des Rückgebäudes auf dem Baugrundstück beantragt und erteilt. Sonstige Abweichungen nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO wurden im Hinblick auf das Rückgebäude nicht erteilt. Die das Vordergebäude betreffenden Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 haben Bestandskraft erlangt. Die Frage nach der abstandsflächenrechtlichen Situation des Vordergebäudes stellt sich damit hier nicht mehr.

Die vorliegend hinsichtlich des geplanten Rückgebäudes erteilten Abweichungen betreffen nicht die nachbarliche Situation zum Grundstück der Kläger bzw. zu ihrem Sonder- oder Teileigentum hin. Eine Nachbarrechtsverletzung ist mithin insoweit auszuschließen. Ob die Beigeladenen zu Unrecht weitere Abweichungen hinsichtlich der Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen nicht beantragt haben, kann hier dahinstehen. Denn zum Prüfprogramm im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören ausschließlich vom Bauherrn tatsächlich beantragte Abweichungen. Eine Pflicht des Bauherrn, bauordnungsrechtliche Abweichungen zu beantragen, kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.8.2015, Art. 59 Rn. 15a). Auch die Sätze 1 und 2 des Art. 63 Abs. 2 BayBO betreffen lediglich das Wie und nicht das Ob eines Abweichungsantrags (vgl. Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 53). Bei einer anderen Handhabung des Zusammenspiels von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und Art. 63 Abs. 2 BayBO würde die Beschränkung des Prüfungsmaßstabs aus Art. 59 BayBO aufgegeben werden (vgl. Shirvani in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 65 Rn. 178). Stellt der Bauherr daher keinen entsprechenden Antrag, bleibt nicht nur das Prüfprogramm entsprechend beschränkt, sondern auch der Regelungsinhalt der Baugenehmigung und damit der Nutzen der Baugenehmigung für den Bauherrn sind beschränkt (vgl. Molodovsky a. a. O. Art. 59 Rn. 15a). Die Bauaufsichtsbehörde kann jedoch, falls sie im Zug des Genehmigungsverfahrens beiläufig die fehlende Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit bauordnungsrechtlichen Anforderungen feststellt, nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayBO vorgehen. Auf ein solches Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde haben die betroffenen Nachbarn aber keinen Anspruch (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147).

Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall die Abstandsflächen vollumfänglich zum Prüfprogramm gehören könnten. Die Vollprüfung der abstandsflächenrechtlichen Anforderungen würde vielmehr dem gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfungsumfangs zuwiderlaufen (vgl. hierzu bereits BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2465 - BayVBl 2009, 727). Der Gesetzgeber geht eindeutig davon aus, dass gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO zu prüfen sind, die vom Bauherrn ausdrücklich beantragt wurden (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 59 Rn. 9 f.; Molodovsky a. a. O., Art. 59 Rn. 15; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 59 Rn. 36). Diese sind gesondert für jede Außenwand zu beantragen, zu prüfen und gegebenenfalls zu erteilen (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - Gr.S. 1/1999 - 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89/92). Ebenso kann jede Verkürzung einer Abstandsflächentiefe nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - a. a. O., S. 95 f.; Schwarzer/König a. a. O., Art. 6 Rn. 110). Ebenso wenig kann aber ein betroffener Nachbar verlangen, dass Abweichungen in Bezug auf die Abstandsflächentiefe geprüft werden, die nicht im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO beantragt worden sind.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum sogenannten 16-m-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) gefolgert werden. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbar kraft Gesetzes geltende Abweichung, die eigenen Regeln folgt (vgl. König, Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 708). Daraus folgt bei der Inanspruchnahme dieses Privilegs, dass an den übrigen Gebäudeseiten dann 1 H eingehalten werden muss und davon keine Abweichung erteilt werden kann. Bereits dem Regelungssystem des Art. 6 Abs. 6 BayBO kann dabei entnommen werden, dass in diesen Fällen keine Abweichung erteilt werden darf. Denn die Vorschrift baut darauf auf, dass die Abstandsfläche auf zwei Seiten auf 0,5 H verkürzt werden kann, und geht davon aus, dass für die übrigen Gebäude Außenwände 1 H einzuhalten ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 a. a. O. S. 90 f). Die Einhaltung von 1 H ist danach Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift. Ermessenserwägungen wie bei der Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO sind hier nicht anzustellen. Die Frage des 16-m-Privilegs stellt sich vorliegend ohnehin nicht.

Aus der Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich vorliegend ebenso wenig anderes. Es handelt sich um ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so ist die Abweichung in der Regel zuzulassen, es sei denn, es lägen ausnahmsweise dem entgegenstehende besondere Umstände vor (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ist aber eine vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 18; Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 41). Bei Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen muss sich die Bauaufsichtsbehörde auch ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben (vgl. Jäde a. a. O. Art. 63 Rn. 19). Hierbei kann es sich jedoch nur um beantragte und erteilte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO handeln. Der Nachbar kann die Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin nur rügen, soweit eine Abweichung erteilt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147/148). Soweit vorliegend eine Abweichung nicht beantragt und erteilt wurde, scheidet somit eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus. Eine solche Prüfung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 65 Abs. 2 BayBO geboten. Der vereinzelt gebliebenen und von der Rechtsprechung nicht aufgegriffenen Literaturmeinung (Koehl, BayVBl 2009, 645), die von einer nachbarschützenden Wirkung der allein den Bauherrn betreffenden, reinen Verfahrensvorschriften des Art. 65 Abs. 2 BayBO ausgeht, ist nicht zu folgen (vgl. BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris). Vielmehr ergeben sich Verpflichtungen Dritten gegenüber hieraus auch dann nicht, wenn die Vorschrift von der das Vorhaben abweicht, Rechte Dritter schützt (vgl. Schwarzer/König a. a. O., Art. 65 Rn. 20; Jäde a. a. O., Art. 65 Rn. 49b).

Nach allem ist festzuhalten, dass die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung in Bezug auf eine konkret beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften allenfalls in den Blick zu nehmen hat, welche sonstigen Abweichungen von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts in Richtung auf das betreffende Nachbargrundstück außerdem beantragt und erteilt wurden. Dies ist vorliegend in der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 weder in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 noch in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17159 geschehen. Weder für das hier nur noch strittige geplante Rückgebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 noch für das dortige Vordergebäude, hinsichtlich dessen die Baugenehmigung inzwischen bestandskräftig ist, sind solche Abweichungen zulasten des Grundstücks bzw. des Sonder- oder Teileigentums der Kläger beantragt und erteilt worden. Mithin sind außer den lediglich das Baugrundstück betreffenden Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften für das Verhältnis zwischen Rückgebäude und Vordergebäude sowie für das Verhältnis zwischen gegenüberliegenden Gebäudeteilen des Rückgebäudes keine weiteren Abstandsflächen zu prüfen bzw. von der Bauaufsichtsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung in den Blick zu nehmen gewesen. Die Frage eines zulässigen Grenzanbaus durch das Gebäude im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wurde somit nicht vom Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO erfasst. Die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 8. Juni 2012 nehmen deshalb nicht an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung teil (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 2 ZB 12.1513 - juris).

2.2. Durch das Bauvorhaben wird auch das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht verletzt. Das strittige Rückgebäude hat - soweit die Kläger dies rügen können - keine erdrückende Wirkung gegenüber der Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157. Es wird zwar ein ca. 15 m langer Baukörper entstehen, der das Terrassenniveau des betroffenen Nachbargrundstücks um rund 4 m überragen wird. Die genannte Terrasse hat jedoch sogar an der schmalsten Stelle eine Breite von rund 7 m. Das strittige gebaute Bauvorhaben ist im Osten des Grundstücks Fl. Nr. 17157 situiert, so dass insbesondere die vormittägliche Sonneneinstrahlung etwas behindert wird. Unbestritten ist jedoch ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad nicht nur in Bezug auf die Fenster im ersten Obergeschoß des Nachbargebäudes, sondern sogar zu einem gewissen Teil in Bezug auf die Dachterrasse in ihrem schmalsten Bereich eingehalten. Eine einmauernde Wirkung der geplanten Bebauung gegenüber der in Höhe des ersten Obergeschosses befindlichen Terrasse am Anwesen der Kläger ist damit nicht zu erkennen.

Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob die Beklagte bei Erteilung der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 die Terrassennutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157 überhaupt berücksichtigen musste. Nach dem Vortrag der Beigeladenen ist die Terrassennutzung erst im Jahr 2014 genehmigt worden, wobei ein Grenzabstand zum Grundstück der Beigeladenen von 3 m eingehalten werden müsse.

Hinsichtlich möglicher Lärmbelastungen durch die Bäckerei und Konditorei haben die Kläger nichts von Substanz vorgetragen. Der Lieferverkehr soll in den Morgenstunden erst ab 6.00 Uhr stattfinden (vgl. BayVGH, B. v. 19.6.2013 - 2 CS 13.845). Auch beim vormittäglichen Ortstermin durch den Senat konnten keine Lärmbelastungen festgestellt werden. Nachdem das geplante Rückgebäude weder zum Grundstück Fl. Nr. 17157 noch zum Grundstück Fl. Nr. 17159 Fenster aufweisen wird, ist nicht zu erkennen, dass hier unzumutbare Lärmbelastungen auftreten könnten.

Bezüglich der ferner von Klägerseite angeführten möglichen Geruchsbelästigungen für die Bewohner des strittigen Neubaus auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 hat die Beklagte schon im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 ausgeführt, dass bereits der bauliche Bestand im Quartier von der direkten Nachbarschaft zwischen Wohnnutzung und der Bäckerei als gewerblicher Nutzung geprägt sei. Hier seien gravierende Konflikte aus der bestehenden Nutzungsmischung heraus nicht bekannt. Mit der Neuerrichtung des Rückgebäudes und der dort geplanten Wohnnutzung rücke diese zwar näher an die gewerbliche Nutzung heran, aber nicht in einer Weise, die den Bestand der Bäckerei unter Berücksichtigung der vorhandenen Nutzungsmischung beeinträchtigen oder gefährden könnte. Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr ist auch hier zu berücksichtigen, dass das geplante Rückgebäude keine Fensteröffnungen zur Bäckerei und Konditorei hin aufweisen wird. Auch beim vormittäglichen Ortstermin des Senats konnten insoweit keine Geruchsbelästigungen festgestellt werden. Es kann somit dahinstehen, ob Gerüche aus einer Bäckerei oder Konditorei überhaupt als unzumutbar für die umgebende Wohnnachbarschaft eingestuft werden könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwert war für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro angemessen zu erhöhen, da hier auch wirtschaftliche Interessen der Kläger inmitten stehen.

Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt.

II.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. September 2014 ist wirkungslos geworden.

III.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV.

In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt. Dieser Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren festgesetzt.

Gründe

1. Nachdem der Beklagte und der Kläger mit Schriftsätzen vom 29. September und 19. Oktober 2015 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen und das erstinstanzliche Urteil vom 25. September 2014 für wirkungslos zu erklären (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 93 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend; § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).

2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

Den Gegenstand dieses Rechtstreits (zur parallelen Klage gegen einen nachfolgenden Ergänzungsbescheid vom 11.9.2014 für dasselbe Vorhaben vgl. den Beschluss im Verfahren 15 B 15.1372 vom heutigen Tag) bildete die Nachbarklage gegen eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Bauerlaubnis des Beklagten vom 28. Mai 2014 für den Wohnhausan- und -umbau eines auf dem westlich an das Klägergrundstück angrenzenden Baugrundstück stehenden Gebäudes (Gesamtlänge des ursprünglichen Bestandes: 22,74 m). Im südlichen Bereich des Baugrundstücks - an der Grenze zum Grundstück des Klägers - wurde die Errichtung einer neuen, an das Hauptgebäude angebauten Grenzgarage genehmigt. Im Norden des Baugrundstücks befindet sich bereits eine giebelständige Grenzbebauung, die - nach dem Abbruch eines Schuppens - auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite mit ihrer Traufseite künftig einen Abstand von 3 m einhalten soll.

Wie im Zulassungsbeschluss vom 16. Juli 2015 angedeutet, war die Klage nach summarischer Prüfung begründet; im Fall einer streitigen Entscheidung hätte die erstinstanzliche Entscheidung voraussichtlich abgeändert werden müssen. Die Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 dürfte rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten aus Art. 6 BayBO verletzen.

Wie im Folgenden näher zu erläutern ist, hat bereits die streitgegenständliche Genehmigung vom 28. Mai 2014 die Zulässigkeit des Vorhabens auf der gesamten Ostseite des Gebäudes einschließlich der neuen Grenzgarage festgestellt, obwohl die Vorgaben des Art. 6 Abs. 6 und 9 BayBO nicht eingehalten werden. Nach Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO darf bei einem Gebäude, das mit einer Außenwand an eine Grundstücksgrenze gebaut wird, eine zweite Außenwand nur bis zu einer Länge von nicht mehr als 16 m die volle Abstandsfläche bis auf die Hälfte unterschreiten. Gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO darf eine in ihren Abmessungen selbst gesetzeskonforme Grenzgarage nur dann an ein Hauptgebäude angebaut werden, wenn dieses die eigenen Abstandsflächen einhält. Das genehmigte Vorhaben verfehlt beide Anforderungen.

2.1 Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Bauherren nur eine Abweichung in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen hinsichtlich des nördlich benachbarten Grundstücks beantragt hätten und nur darüber in der Genehmigung vom 28. Mai 2014 entschieden worden sei. Hierdurch werde der östlich benachbarte Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt.

Bereits die erste Annahme überzeugt nicht. Das im Streit gewesene Vorhaben umfasste neben dem „Wohnhausan- und -umbau in ein Zweifamilienhaus“ auch die Errichtung einer neuen Grenzgarage. Sie ist nach der Eintragung auf dem Grundriss für das Kellergeschoss - einschließlich eines auf beiden Seiten durchgängig mit Mauern versehenen und überdachten, nach Angaben 2,49 m tiefen Vorplatzes, der in seinem westlichen Teil zugleich zu einem neu zu schaffenden Hauseingang/Treppenhaus führt - 8,74 m lang. Dieses Gebäude befindet sich im Südosten des Baugrundstücks und damit auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite.

Erst diese Maßnahme führt dazu, dass die Gesamtlänge der auf dem Baugrundstück an den Grenzen insgesamt vorhandenen Bebauung die in Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO für höchstens zulässig erklärten 15 m überschreitet. Warum bei einer derartigen zeitlichen Abfolge nur für den an der Nordgrenze bereits vorhandenen Altbestand (Länge des Garagenteils rund 6,80 m, die Länge der giebelständigen Grenzwand insgesamt wird auf den Bauvorlagen mit 9,23 m angegeben) eine Abweichung in Bezug auf die Überschreitung der Höchstlänge beantragt worden sein soll, ergibt sich - jedenfalls auch - nicht aus dem Wortlaut des Abweichungsantrags. Danach bezog sich dieser Antrag seinem Wortlaut nach nur allgemein auf die „bebaute Grenzlänge“. In der Bauakte ist zudem an keiner Stelle ein Hinweis darauf zu finden, dass der Antrag auf Abweichung nur auf das bereits vorhandene Grenzgebäude beschränkt worden wäre. Vielmehr wird zur Begründung dieses Antrags (vgl. Bl. 40 der Bauakte) ausgeführt, dass der neue, als Kleingarage mit einem Flachdach auszuführende Stellplatz nur an der Ostseite platziert werden könne. Daran schließt sich die Feststellung an, dass die maximale Länge der Grenzbebauung von 15 m überschritten werde.

2.2 In jedem Fall aber wäre der Umstand, dass es sich bei dem an der Nordgrenze stehenden Bauwerk nicht nur um eine Garage, sondern im Obergeschoss um einen Teil des Hauptgebäudes handelt, zu berücksichtigen gewesen. Eine Garage verliert ihre gesetzliche Privilegierung als an der Grenze zulässiges Bauwerk, wenn ihr „Nebenraum“ funktional nicht der Garagennutzung zugeordnet ist (VG München, U. v. 24.2.2014 - M 8 K 13.922 - juris Rn. 21 m. zahlr. w. N.). Das ist hier der Fall. Im Grundriss für das Obergeschoss dieser baulichen Anlage findet sich u. a. die Eintragung „Mögliche Wohnnutzung“. Die mit einer Grundfläche von 29,81 qm ausgewiesene zweite Ebene dieses Gebäudeteils ist nur über eine neu einzusetzende Tür vom Dachgeschoss des südlich direkt anschließenden Wohnhauses aus zu erreichen. Das „Wohngaragen-Satteldach“ hat auf der Westseite eine rund 2,70 m breite und mit ihrem First bis zu einer Höhe von etwa 1,90 m aus der Dachfläche heraustretende Gaube.

Bei zutreffender Annahme eines dort grenzständigen Hauptgebäudes hätte sich die untere Bauaufsichtsbehörde - auch unabhängig von der Formulierung des Abweichungsantrags durch die Bauherren (so zutreffend VG München, B. v. 14.8.2009 - M 8 SN 09.3344 - n. v.; vgl. dazu BayVGH, B. v. 26.10.2009 - 2 CS 09.2121 - juris) - im Rahmen der sich nach dem Sachverhalt unmittelbar aufdrängenden Prüfung der Voraussetzungen des 16m-Privilegs (Art. 6 Abs. 6 BayBO) bereits anlässlich der Genehmigung vom 28. Mai 2014 mit der abstandsrechtlichen Situation der Außenwand des Vorhabens auf der zum Grundstück des Klägers weisenden Ostseite befassen müssen. Das gilt in gleicher Weise für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Bereits dieses Unterlassen indiziert die Rechtswidrigkeit der im Streit stehenden Genehmigung und zugleich die Fehlerhaftigkeit des Urteils vom 25. September 2014.

Die im Lauf des Rechtstreits vorgelegte Genehmigung vom 25. März 1991 („Bauvorhaben Garagendach“) hat keinen Einfluss auf die negative abstandsrechtliche Gesamtbeurteilung des Vorhabens. Das auf den zur Genehmigung zum Aufbau eines Satteldachs auf die jetzige „Wohngarage“ gehörenden Bauvorlagen eingezeichnete Vorhaben hält mit seiner östlichen, schon damals als vorhandener Bestand eingetragenen, Außenwand nur eine Entfernung von 2,50 m (Maßangaben: 2,26 m zuzüglich 0,24 m) zum Grundstück des Klägers ein. Nun soll diese Wand 3 m von der Grenze abrücken. Darüber hinaus wird jetzt ein zuvor zwischen der Garage und dem Wohnhaus vorhandener, 1,10 m breiter Durchgang auf der Ost- wie auch auf der Westseite zugemauert. Insgesamt handelt es sich dabei um die Identität des verhältnismäßig kleinen Anbaus berührende Maßnahmen, die ersichtlich nicht von jener, ohnehin nur die Aufbringung eines Dachs beinhaltenden, Genehmigung gedeckt sind. Daneben soll das Obergeschoss der Garage, eben unter diesem Dach, eine neue Zweckbestimmung erhalten, wodurch die Genehmigungsfrage für diesen Gebäudeteil insgesamt neu aufgeworfen wird. Dass die in den aktuellen Bauvorlagen als Bestand ausgegebene Gaube auf der Westseite des Dachs in ihren Abmessungen deutlich größer ausgefallen ist als der in der Genehmigung aus dem Jahr 1991 vorzufindende Dachaufbau sei nur am Rande erwähnt. Ebenso wenig kommt es noch darauf an, dass die Bauvorlagen zur Genehmigung vom 28. Mai 2014 im Grundriss für das Erdgeschoss die ursprüngliche Lage der Ostwand nicht in einer der früheren Genehmigung entsprechenden Distanz von der Grenze - nämlich 2,50 m -, sondern ganz im Norden in 2,80 m und im weiteren Verlauf in 3,00 m Abstand von der Grenze zum Grundstück des Klägers darstellen. Der Widerspruch zum Schnitt C-C, der mitten durch das Bauwerk gelegt ist und an dieser Stelle für die Wand einen Grenzabstand von - allenfalls - 2,65 m zeigt, ist leicht erkennbar aber im Baugenehmigungsverfahren ebenfalls folgenlos geblieben.

2.3 Bei einer vollständigen Prüfung des Bauantrags in dem von der Sache her gebotenen Umfang wäre darüber hinaus ohne Weiteres feststellbar gewesen, dass die Wand des Bauvorhabens auf der Ostseite in einem wegen ihrer Lage und den erreichten Höhen kritischen, insgesamt 17,49 m langen Bereich („Wohngarage“: 6,75 m; Wandteil des Hauptgebäudes: 10,74 m) an keiner Stelle die vollen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück einhält. Der Anbau der neuen Grenzgarage an das Hauptgebäude und der Abriss des früheren Schuppens neben der „Wohngarage“ samt der Zurückverlegung von deren östlicher Außenwand um (angeblich?) einen halben Meter samt dem direkten Anschluss an das Hauptgebäude vermitteln dem Vorhaben in diesem Bereich ein Erscheinungsbild, das eine abstandsrechtliche Neubeurteilung erfordert (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 35 m. w. N.). Die „Wohngarage“ verfügt nach der Ansicht Osten und dem Schnitt C-C über eine traufseitige Wandhöhe (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) von rund 4,20 m. Diese Anlage ist jedoch nach dem Grundrissplan für das Erdgeschoss nur 3 m von der Grenze zum Klägergrundstück entfernt; auf dem zitierten Schnitt lässt sich - wie bereits erwähnt - nur eine Distanz von 2,65 cm (entspricht 2,65 m) abgreifen. Für die daran nach Süden hin anschließende, unveränderte Giebelwand des Hauptgebäudes errechnet sich das Maß H auf der Grundlage der Ansicht Osten mit 5,63 m (4,60 m plus 1/3 aus 3,10 m, vgl. Art. 6 Abs. 4 Satz 2, 4 und 6 BayBO). Hier stehen auf dem Baugrundstück infolge der leicht schräg zur Grenze stehenden Wand zwischen 4,40 m im nördlichen und 4,60 m im südlichen Bereich zur Verfügung. Die Vorgaben des 16m-Privilegs werden angesichts der Länge dieser Außenwand des Hauptgebäudes von knapp 17,50 m offensichtlich verfehlt. Zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch im Hinblick auf die neue Grenzgarage wird auf unten 2.5 verwiesen.

2.4 Der bereits angesprochene und im Angesicht des Falles zu verfolgende rechtliche Ansatz hat zum Ergebnis, dass die Bauaufsichtsbehörde mit ihrer Genehmigung vom 28. Mai 2014 - unabhängig von einem nach seinem Wortlaut konkret auch darauf bezogenen Antrag und ob sie es nun wollte oder nicht - jedenfalls tatsächlich die in den Bauvorlagen dargestellte abstandsrechtliche Lage auch auf der Ostseite des Vorhabens gebilligt hat. Die vom Kläger angegriffene Baugenehmigung hat die Rechtmäßigkeit des Vorhabens auch in diesem Punkt festgestellt.

Für die Frage, ob ein Vorhaben die Abstandsflächen einhält, gibt das Gesetz durch die in Art. 6 Abs. 6 BayBO enthaltenen inhaltlichen Maßgaben zugleich den Prüfumfang im Genehmigungsverfahren vor. Ohne die Überprüfung der Lage an allen Seiten eines Gebäudes kann, wie der vorliegende Fall nachdrücklich vor Augen führt, keine den Anforderungen des Gesetzes Genüge leistende Aussage getroffen werden. Diese Vorgaben des materiellen Abstandsflächenrechts sind nicht disponibel, sie können insbesondere nicht durch einen nur auf eine entsprechend ausgewählte Seite oder nur einen ganz bestimmten Teil eines Vorhabens bezogenen Abweichungsantrag eingeschränkt werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Rechtmäßigkeit eines Vorhabens, das das 16m-Privileg bereits vollständig in Anspruch nimmt, nicht mit einer weiteren Abweichung von der Einhaltung der vollen Abstandsflächen auf einer dritten Seite hergestellt werden könne. Eine Antwort dazu, ob ein solcher Fall gegeben ist, kann - wie gesagt - sinnvollerweise stets erst nach einer Prüfung der Situation des zur Genehmigung gestellten Vorhabens an allen Seiten erfolgen. Nur so wird ferner sichergestellt, dass ein Bauherr den gegen eine Genehmigung für sein die gesetzlichen Abstandsflächen an einer oder mehreren Seiten nicht oder nicht voll einhaltendes Vorhaben möglichen Nachbarrechtsschutz nicht alleine nach seinen Vorstellungen steuern kann. Dieser Rechtsgedanke bildete im Übrigen auch eine wesentliche Überlegung in der Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. April 2000 zum Anwendungsbereich des 16m-Privilegs (GrS 1/1999, 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89 ff. = juris Rn. 18). Ein als einheitliches Ganzes zur Genehmigung beantragtes Vorhaben, das - wie hier zumindest hinsichtlich der baulich unmittelbar mit dem Haupthaus verbundenen „Wohngarage“ - auch objektiv nicht teilbar ist, kann nicht nach dem Belieben der am Verfahren Beteiligten in, obendrein nur dem jeweiligen Gutdünken folgende, mutmaßlich abweichungsfähige Einzelteile zerlegt werden.

Wollte man in dem hier streitig gewesenen Fall die Feststellungswirkung der Genehmigung gleichwohl nur auf die ausdrücklich beantragte Abweichung beschränken, wie es der Leitsatz einer Entscheidung vom 29. Oktober 2015 (BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 -, das 16m-Privileg spielte dort allerdings keine Rolle, vgl. Rn. 37 a.E.) einschränkungslos postuliert, hätte das im vorliegenden Fall folgendes Ergebnis: Weil es an der Nordgrenze des Baugrundstücks in Wirklichkeit keine privilegierte Grenzbebauung gibt, geht die mit der Bauerlaubnis verbundene Abweichungsentscheidung „hinsichtlich der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück FlNr. ...“, die nach der dazu gegebenen Begründung nur die „bestehende Garage“ betreffen sollte, ins Leere. Der Nutzen einer solchen, hier noch dazu nicht einmal „strikt antragsgemäßen“ (siehe oben 2.1) Baugenehmigung für den Bauherrn wäre also nicht etwa nur beschränkt (vgl. zu diesem Argument BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 35), sondern fehlte mangels Deckungsgleichheit mit dem Vorhaben von vorneherein. Eine so verstandene Baugenehmigung wäre auch nicht in der Lage, irgendetwas zu regeln, weil „das auf Antrag Geregelte“ gar nicht existiert. Der von dieser Abweichungsentscheidung formal nicht berührte Nachbar könnte dagegen nicht mit einer Anfechtungsklage vorgehen, obgleich er mit dem Vorhaben nicht einverstanden und von diesem „in seiner neuen Gestalt“ materiell unübersehbar betroffen ist. Für keinen der Beteiligten wäre aus dieser Betrachtungsweise ein rechtlicher Nutzen ableitbar: Der Bauherr verfügte auch nach der Durchführung des von ihm veranlassten Baugenehmigungsverfahrens über ein formell und materiell illegales Vorhaben; der Nachbar könnte im Hinblick darauf den Wunsch auf Einschreiten an die Bauaufsichtsbehörde herantragen und damit ein neues bauaufsichtliches Verfahren in Gang setzen. In Anbetracht dessen bedarf es keiner Vertiefung, dass ein alle Fälle erfassendes einseitiges Abstellen auf den „gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfumfangs“ (vgl. BayVGH. U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 36 m. w. N. aus der eigenen Rechtsprechung) neben der (vom Gesetzgeber so beabsichtigten?) Herbeiführung in jeder Hinsicht offensichtlich rechtswidriger Zustände auch nicht geeignet wäre, die Arbeit der Bauaufsichtsbehörden zu erleichtern oder zu vereinfachen.

Es sind nicht zuletzt Fälle wie dieser, die Zweifel daran begründen, inwieweit die durch Art. 59 Satz 1 BayBO mit Wirkung zum 1. Januar 2008 eingeführte, gezielte Eliminierung des Bauordnungsrechts aus dem Prüfungskatalog des vereinfachten Genehmigungsverfahrens sinnvolle und vertretbare Ergebnisse zu liefern imstande ist und die die Erwartung wecken, dass eine künftige Novelle hier die im Interesse aller Beteiligten zu wünschenden, die Rechtslage eindeutig klärenden Korrekturen vornimmt. Bis dahin lässt sich der mit Wirkung vom 1. August 2009 in das Gesetz eingefügten Ablehnungsbefugnis eines Bauantrags aus nicht zum Prüfumfang gehörenden, aber „zufällig entdeckten“ Gründen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO) der Wunsch des Gesetzgebers entnehmen, dass trotz des im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich eingeschränkten Prüfumfangs möglichst wenige rechtswidrige Baugenehmigungen zustande kommen mögen. Soll der Zweck eines jeden Baugenehmigungsverfahrens, die Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse und der mit der Klärung der Rechtslage am Ende herbeigeführte Rechtsfrieden, nicht handgreiflich verfehlt werden, bleibt bis auf Weiteres nichts Anderes übrig, als in einem Einzelfall wie hier unvollständig gestellte oder ihrem Wortlaut nach an der Sache vorbeigehende Anträge auf Abweichung von den Abstandsflächen im Verfahren ergänzend auszulegen und damit einen dem Vorhaben gerecht werdenden Prüfumfang im Genehmigungsverfahren zu eröffnen.

2.5 Die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 ergibt sich hier nach alledem aus der bereits unter 2.3 am Ende getroffenen Feststellung.

Die an die dort beschriebene östliche Außenwand des Hauptgebäudes im Süden anschließende neue Grenzgarage verschärft den Widerspruch des Vorhabens mit den Abstandsflächenvorschriften auf dieser Seite zusätzlich. Diese Garage darf gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO nicht an das die eigenen Abstandsflächen nicht einhaltende Hauptgebäude angebaut werden.

Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 BayBO 1998 noch ausdrücklich enthaltene Anforderung, dass die Verbindung der nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayBO zulässigen Grenzbebauung mit einem Hauptgebäude zulässig ist, soweit dieses Gebäude für sich betrachtet die auf es selbst treffenden Abstandflächen einhält, ist - verklausuliert - in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO 2008 aufgegangen. Danach sind die dort aufgezählten Vorhaben, damit auch Garagen, in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Der Bezugnahme auf die Abstandsflächen eines (Haupt-)Gebäudes ist zu entnehmen, dass dieses selbst auch im Fall des Anbaus einer Garage „in dessen Abstandsflächen“ die eigenen Abstandsflächen einhalten muss, wenn das privilegierte Grenzgebäude an Ort und Stelle die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO erfüllen soll (ebenso: Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. August 2015, Art. 6 Rn. 262). Das ist hier nicht der Fall.

In dem Bereich des Hauptgebäudes, in dem die Grenzgarage angebaut werden soll, springt die Außenwand des hier unveränderten Hauptgebäudes um 0,50 m zurück. Sie hält - bei dem bereits erwähnten leicht schrägen Verlauf - zur Grundstücksgrenze nach der Angabe auf den Bauvorlagen einen Abstand von mindestens 5,195 m ein. Dieser Teil der Wand ist 5,25 m lang. Auf der Ansicht von Süden lässt sich auf der rechten (östlichen) Seite für den Schnitt dieser Wand mit der Haut des hier von Nord nach Süd verlaufenden Satteldachs ein Maß von rund 4,7 cm (entspricht 4,70 m) abgreifen. In diesem Teilbereich hält die Außenwand des Hauptgebäudes damit die Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers zwar ein. Andererseits verlängert die grenzständige neue Garage infolge ihres nach Süden versetzten Anbaus an das Hauptgebäude die Gesamtlänge der grenznahen bzw. grenzständigen Bebauung auf dem Baugrundstück von bisher 22,74 m (Wohnhaus samt „Wohngarage“) auf nunmehr 27,24 m (17,49 m plus 1,01 m plus 8,74 m). Mit ihren weit überwiegenden Teilen unterschreitet die gegliederte Außenwand des Hauptgebäudes jedoch die gesetzlichen Abstandsflächen, weshalb der genehmigte Anbau so nicht zulässig ist.

2.6 Mangels der Voraussetzungen hierfür dürfte die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO ausscheiden.

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, worin - wenn man von dem deutlich hervortretenden Wunsch der Bauherren, den eigenen Grund und Boden baulich möglichst umfangreich auszunutzen und im Süden und Westen des Baugrundstücks vorhandene Freiflächen beizubehalten, einmal absieht - das Besondere dieses Falles, die „Atypik“ bestehen soll (vgl. zu dieser Voraussetzung näher: König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2014, Rn. 865 mit zahlreichen Beispielen in Fn. 443 sowie BayVGH, B. v. 15.9.2015 - 2 CS 15.1792 - juris Rn. 4; B. v. 21.7.2015 - 22 ZB 14.2340 - juris Rn. 24 bis 26; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16).

Rechtmäßige Verhältnisse könnten eventuell dadurch hergestellt werden, dass die neuen Eigentümer des ehemals klägerischen Grundstücks im Norden auf einer von eigenen Gebäuden freien Länge von rund 5 m die für die „Wohngarage“ auf dem Baugrundstück fehlende Abstandsfläche auf ihr Grundstück übernehmen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 3. Var. BayBO). Diese Lösung wurde zuletzt in einer Mitteilung des Beklagten vom 29./25. September 2015 ins Gespräch gebracht.

2.6 Um nach seiner Auffassung die Rechtsschutzmöglichkeiten aller durch Grenzbauten auf dem Baugrundstück betroffenen Nachbarn zu wahren, hat der Beklagte im vorliegenden Fall im Übrigen mit einem Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen durch die - nach dem Hinzutreten der neuen, 8,74 m langen Garage im Südosten - sich an den Grenzen des Baugrundstücks nach seiner Berechnung über insgesamt 17,73 m erstreckenden baulichen Anlagen eine Abweichung auch gegenüber dem Grundstück des Klägers erteilt. Wie eingangs erwähnt, wurde dieser Bescheid Gegenstand eines eigenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Urteils (RO 7 K 14.1553, vgl. dazu den unter dem Aktenzeichen 15 B 15.1372 ergangenen Beschluss von heutigen Tag).

Da sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, § 154 Abs. 3 Halbs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

3. Streitwert: § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nachdem das Verwaltungsgericht für die Klagen gegen die Genehmigung vom 28. Mai 2014 und gegen den dasselbe Vorhaben betreffenden Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 jeweils eigene Verfahren angelegt hat und dies auch im Berufungsverfahren geschehen ist, andererseits aber keine Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Regelempfehlung von 7.500,-- Euro erkennbar sind, wurde die erstinstanzliche Festsetzung halbiert und auch für das Berufungsverfahren nur die Hälfte festgesetzt.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 4 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der Gemarkung S. M. im Ortsteil L. am Ostrand der Stadt K. Die betreffenden Flurnummern werden teils als landwirtschaftliche Flächen, teils als Golfplatz („Golfzentrum K.“) und teilweise als Wegeflächen genutzt. Ihre Klage gegen die Genehmigung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 25 Gemarkung S. M. des Beigeladenen, das auf allen Seiten an die im Allein- oder Miteigentum stehenden Flächen der Klägerin grenzt, wies das Verwaltungsgericht ab. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht rücksichtslos; die Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu 1.) und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; dazu 2.) - rechtfertigen die beantragte Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Verwaltungsgericht hat die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens an § 35 Abs. 2 BauGB gemessen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (vgl. für diesen Sachverhalt grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 und U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186) verneint. Dazu nimmt die Zulassungsbegründung nicht Stellung.

Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils allein deshalb, weil bei der Prüfung der nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1BayBO erteilten Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen die (objektive) planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unberücksichtigt geblieben sei. An der Verwirklichung eines unzulässigen Vorhabens könne regelmäßig weder ein öffentliches noch ein besonderes Interesse des Bauherrn bestehen. Die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit spiele richtigerweise im Rahmen des Ermessens bei der Erteilung einer Abweichung eine Rolle, wenn die betroffenen Belange und Interessen zu berücksichtigen seien.

a) Ob diese Meinung richtig ist, bedarf bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keiner abschließenden Antwort. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass auf Seiten der Klägerin keine wehrfähigen öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange betroffen sind, weil die entsprechenden Grundstücke der Klägerin nicht abstandsflächenrechtlich relevant bebaubar sind (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall: BayVGH, B.v. 14.7.2009 - 14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Das von den Abstandsflächen des streitgegenständliche Vorhabens berührte und im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 78/2 ist im rechtverbindlichen Bebauungsplan „Golfplatz S. L.“ als Golfplatz/Driving Range festgesetzt. An deren Südgrenze setzt der Bebauungsplan gegenüber dem streitigen Bauvorhaben einen zwei Meter hohen Lärmschutzwall fest, weiter nach Osten folgt insoweit ein bis zu sechs Meter hoher Ballfangzaun. Das ebenfalls von den ursprünglichen Abstandsflächen des Vorhabens im Westen und Süden betroffene, im Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 20/2 (T.) ist als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen (entsprechend der Legende ockerfarbig gekennzeichnet).

Nachdem die planungsrechtliche Zulässigkeit unter dem wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Verletzung eigener Rechte - wie unwidersprochen geschehen - zu bejahen ist und im Hinblick auf die auf Antrag (Art. 63 Abs. 2 BayBO) zu prüfende abstandsflächenrechtliche Zulassungsfähigkeit keine tatsächlichen, öffentlich-rechtlich wehrfähigen Belange auf Seiten der Klägerin gegeben sind, kann ihre Klage gegen die Baugenehmigung keinen Erfolg haben. Eine materielle Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte ist nicht festzustellen.

b) Im Übrigen sei angemerkt, dass die Meinung der Klägerin, im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen müsse ein Vorhaben unter dem Gesichtspunkt seiner Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen regelmäßig planungsrechtlich positiv zu beurteilen sein, zweifelhaft erscheint.

(1) In mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs finden sich allerdings Hinweise darauf, dass im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichen Belangen im Einzelfall neben den von der Bayerischen Bauordnung geregelten auch weitere objektive öffentlich-rechtliche Belange zu berücksichtigen sein können (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21: Brandschutz; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 4, 7: Berücksichtigung jedoch nur im Rahmen des Prüfprogramms für die Baugenehmigung, deshalb im dort entschiedenen Fall keine Brandschutzvorschriften; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530 = juris Rn. 43, 44: Abwägungsrelevanz nur, soweit durch die Erteilung der Abweichung der jeweilige (erg.: fremde) Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft wird; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris LS 1 und Rn. 17, 24: Zu einer fehlerfreien Ermessensausübung gehört auch, dass von der Abweichung berührte, nicht nachbarschützende öffentliche Belange (dort: Denkmalschutz) zutreffend gewürdigt werden; U.v. 2.5.2002 - 2 B 99.2590 - juris Rn. 20: Bei der Ermessensausübung durfte darauf abgestellt werden, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gestalterisch problematisch war; B.v. 12.3.1999 - 2 ZB 98.3014 - BayVBl 2000, 630 = juris Rn. 8: Berücksichtigung negativer Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ertragsentwicklung benachbarter landwirtschaftlicher Kulturen, Gefahr des Eisabwurfs auf nahe vorbeiführende öffentliche Wege, aus naturschutzfachlicher Sicht erheblich bedenklichere Einstufung des vorgesehenen Standorts im Vergleich zu einem raumordnerisch positiv abgeschlossenen ursprünglichen Standort).

(2) Zurückhaltender gegenüber der Berücksichtigung objektiver öffentlich-rechtlicher Belange anlässlich einer gegen die für ein Vorhaben erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gerichteten Nachbarklage hat sich im Anschluss an Kuchler, BayVBl 2009, 517, unter anderem eine Entscheidung des BayVGH (U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 48: Eine Überprüfung der nicht tragenden Ausführungen im B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 24 wurde angekündigt) geäußert. Für Einschränkungen beim Kreis der zu berücksichtigenden öffentlichen Belange spricht sich auch Molodovsky (in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. September 2014, Art. 63 Rn. 34a: Es ist nicht darauf abzustellen, ob andere öffentliche Belange, die nicht nachbarschützend sind, zutreffend gewürdigt werden, z. B. nicht nachbarschützende Belange des Planungsrechts oder des Immissions-, Natur- oder Denkmalschutzrechts) aus. Für eine Abkehr von der Rechtsprechung, die bei einer Abweichung generell auch andere Belange als die durch die jeweilige Vorschrift geschützten zum Zulassungsmaßstab rechnet, plädiert zuletzt König (in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2010, Art. 63 Rn. 15: An dieser Rechtsprechung sollte nicht festgehalten werden; derselbe in Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 866: Eigenständig gesetzlich geregelte Belange, wie die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB sowie die im BNatSchG, BayNatSchG und DSchG geregelten Belange des Naturschutzes und der Denkmalpflege gehören nicht zum Maßstab für die Zulassung einer Abweichung. Den diese Belange schützenden Vorschriften muss das Bauvorhaben - unabhängig davon, ob ihre Einhaltung in einem Genehmigungsverfahren geprüft wird (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) - ohnehin entsprechen. Ihre Berücksichtigung auch als öffentlicher Belang würde zu einer Doppelprüfung führen, für die es keine Rechtfertigung gibt). Die eventuelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines möglicherweise nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens im Außenbereich hat bereits eine frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, B.v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 4, 7) nicht als einen bei der konkreten Abweichungsentscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen Belang angesehen. Die mit § 35 Abs. 1 BauGB verfolgten bauplanungsrechtlichen Ziele (grundsätzliche Zuweisung bestimmter Vorhaben an den Außenbereich) stünden in keinem Zusammenhang mit dem Regelungszweck des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 BayBO (erg.: 1998) und blieben daher in diesem Kontext unberücksichtigt.

(3) Der Senat neigt dazu, der zuletzt dargestellten Auffassung aus den nachfolgenden Erwägungen den Vorzug zu geben.

(3.1) Den Ausgangspunkt aller einschlägigen Überlegungen, wie groß der Kreis der öffentlichen Belange sein kann bzw. sollte, die bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abweichungsentscheidung im Rahmen einer Nachbarklage Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, bildet § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO mit seiner Vorgabe, dass die zur gerichtlichen Kontrolle stehende Entscheidung für den Fall ihrer Aufhebung eigene Rechte der Klagepartei verletzen muss. Wann eine Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt, bestimmt sich nach den für das jeweilige Vorhaben anzuwendenden materiellen Vorschriften. Kuchler und König (jeweils a. a. O.) ist darin zu folgen, dass es für eine Doppelprüfung der für ein bestimmtes Vorhaben geltenden Vorschriften weder einen Anlass noch eine Berechtigung gibt. Zwar mag beispielsweise ein Vorhaben, das die (landesrechtlichen) Abstandsflächen einhält, aus tatsächlichen Gründen in der Regel auch (bauplanungsrechtlich) nicht rücksichtlos sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 3, 4). Gleichwohl folgt die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf seine Größe und sein Erscheinungsbild sowie seine Lage gegenüber einem Nachbargrundstück eigenen Regeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - BauR 1986, 542 = juris Rn. 17, 18: Das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG enthaltene bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot bezieht sich nicht auf bauordnungsrechtliche Merkmale; vgl. ferner BayVGH, U.v. 27.3.2013 - 14 B 12.192 - juris Rn. 31, 34 m. w. N.: ein die Abstandsflächen nicht (vollständig) einhaltendes Vorhaben ist damit nicht automatisch rücksichtslos). Mit der Prämisse, dass die Prüfung eines Vorhabens unter nachbarrelevanten planungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkte jeweils eigenständigen, in sich geschlossenen Regeln folgt, ist die Anreicherung der bei einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften zu untersuchenden Belange um den Gesichtspunkt der objektiven planungsrechtlichen Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die in eigenen Kodifikationen geregelten Natur- und Denkmalschutzbelange. Ob ein Vorhaben den einschlägigen objektiv-rechtlichen Anforderungen entspricht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange eine Abweichung erteilt werden kann.

(3.2) Die Meinung, sonstige Belange seien bei der hier zu erörternden Entscheidung über die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen für die Interessenabwägung relevant, wenn durch die Abweichung der jeweilige Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft werde, dürfte wohl bereits an der falschen Stelle des zu beurteilenden Lebenssachverhalts ansetzen. Den unter Umständen gegen Planungs-, Natur- oder Denkmalschutzrecht verstoßenden Standort seines Vorhabens wie auch dessen übrige Abmessungen bestimmt der Bauwerber durch den Inhalt der von ihm einzureichenden Bauvorlagen (vgl.: §§ 7, 8 BauVorlV). Nach der durch das in den jeweiligen Kodifikationen enthaltene materielle Recht vorgegebenen Prüfungsreihenfolge bildet die Untersuchung der Abstandsflächenproblematik des Vorhabens, von wenigen „Offensichtlichkeitsfällen“ vielleicht abgesehen, regelmäßig den Schlusspunkt der präventiven Kontrolle des Einzelfalls im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es von vorneherein zweifelhaft, wie ein hinzutretender Abstandsflächenverstoß überhaupt geeignet sein könnte, beispielsweise einen - wie gesagt, schon vorher festzustellenden - Verstoß dieses Vorhabens gegen planungsrechtliche Vorschriften „hervorzurufen“ oder „wesentlich zu verschärfen“. Für einen mit diesem Vorhaben verbundenen planungs-, naturschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Missgriff kann die zusätzliche Nichteinhaltung der Abstandsflächen als solche schon rein äußerlich betrachtet nicht kausal sein.

Die darüber hinaus fehlende innere Abhängigkeit der angesprochenen Normkomplexe voneinander wird deutlich, wenn man sich die von den jeweiligen Gesetzen verfolgten Zwecke und Schutzgüter vergegenwärtigt. Planungsrechtliche Vorschriften dienen, von der Rechtsfigur des Rücksichtnahmegebots abgesehen, in erster Linie der Verwirklichung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bestehen vor allem darin, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG). Hauptanliegen des Denkmalschutzrechts sind die Erhaltung und der Schutz unter anderem von Bau- und Bodendenkmälern (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art, 4 bis 6 DSchG). Hier ist hervorzuheben, dass der Abwehranspruch des Eigentümers eines Baudenkmals gegen ein „heranrückendes“ Bauvorhaben, das den Denkmalwert oder das Erscheinungsbild seines Schutzgegenstands beeinträchtigt, vom Ansatz her grundlegend anderen Gesichtspunkten folgt als der zentimetergenauen Einhaltung von Abstandsflächen eines Vorhabens auf einem benachbarten Grundstück (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - BayVBl 2013, 470 = juris Rn. 29 ff.: keine Beeinträchtigung eines Bootshauses durch einen unmittelbar daran vorbeigeführten Steg für die Allgemeinheit).

(3.3) In diesem Zusammenhang erscheint eine Korrektur der Auffassung angezeigt, dass bei der Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift auf die Klage des Nachbarn hin jeder Fehler bei der Rechtsanwendung zur Aufhebung der Baugenehmigung führt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 zu § 31 Abs. 2 BauGB; BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter 4. - obiter dictum zur Rechtswidrigkeit einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlichen Belangen und daraus folgender objektiver Rechtswidrigkeit). Auch die Vertreter der Meinung, dass im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift zunächst eine umfassend angelegte Prüfung der Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens anzustellen sei, schränken ein, dass der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007, 1858 und U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Eine Rechtfertigung für die Doppelprüfung objektiven, nicht schon im Tatbestand (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB) enthaltenen Planungsrechts - nur und gerade aus Anlass einer Abweichungs-/Befreiungsentscheidung - lässt sich aus den vorbezeichneten allgemeinen Überlegungen jedenfalls nicht herleiten.

Prinzipiell erscheint die Anknüpfung an die zur Nachbarrechtsverletzung im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Maßstäbe bei der Anwendung von Art. 63 Abs. 1 BayBO (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand September 2014, Art. 63 Rn. 61) wenig überzeugend. § 31 Abs. 2 BauGB enthält einen, zuletzt durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748) geringfügig ergänzten, klar definierten und in sich geschlossenen Kanon objektiver Befreiungsvoraussetzungen. Fehlt es im Einzelfall bereits an einer der danach zu fordernden Voraussetzungen für die Befreiung von einer nachbarschützenden planungsrechtlichen Vorschrift, kann die dennoch erfolgte Entscheidung zugunsten eines Vorhabens im Nachbarrechtstreit keinen Bestand haben.

Im Bauordnungsrecht fehlt eine vergleichbar detaillierte gesetzliche Beschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung. In der (ständigen) Rechtsprechung wurde dazu eine Kasuistik entwickelt, die unter dem Oberbegriff der Atypik verschiedene Fallgestaltungen versteht, in denen ein Abgehen von den (abstandsflächenrechtlichen) Regelanforderungen des Gesetzes grundsätzlich möglich erscheint (vgl. stellvertretend BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16: Gründe von ausreichendem Gewicht, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen). Diese Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. Fehlt es bereits daran, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vorneherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben. Weshalb das gleiche Ergebnis eintreten sollte, wenn zwar die Atypik zu bejahen war und die individuelle Ermessensausübung fehlerfrei erfolgte, das Vorhaben aber - ohne darin liegende Verletzung nachbarlicher öffentlicher Rechte - „schlicht“ planungsrechtsrechtswidrig ist, lässt sich schwerlich nachvollziehen.

Nach Meinung des Senats sprechen daher gute Gründe dafür, die Auffassung, dass bei der Abweichung/Befreiung von nachbarschützendem Recht - hier: von Art. 6 BayBO - jeder Verstoß zur Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn führen soll, teleologisch zu reduzieren. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es als Maßgabe für die Überprüfung aus, dass die Abweichung von der Einhaltung nachbarschützender abstandsflächenrechtlicher Bestimmungen die Rechte des betroffenen Nachbarn auch und schon, andererseits aber nur dann verletzt, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalls fehlen. Alles übrige aus Anlass des jeweiligen Falles zu prüfende öffentliche Recht ist unabhängig davon auf mögliche Nachbarrechtsverletzungen zu untersuchen, eine Doppelprüfung derselben Belange im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterbleibt. Das befreit nicht zuletzt auch die Anwendungspraxis von - im Einzelnen, wie gezeigt, kaum bzw. nicht plausibilisierungsfähigen - kausalen Verknüpfungsversuchen zwischen den Schutzgütern des Abstandflächenrechts und (beliebigen) sonstigen öffentlichen Belangen.

2. Aus dem Vorstehenden (vgl. oben II. 1 a) ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Für die Beantwortung der für dieses Verwaltungsstreitverfahren maßgeblichen Fragen bedarf es keines Berufungsverfahrens.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Einbau einer Wohnung in ein Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen FlNr. .../...der Gemarkung G.

Das Landratsamt D.erteilte dem damaligen Eigentümer dieses Grundstücks nach vorhergehender Baueinstellung mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Nebengebäudes mit einer Gebäudelänge von ca. 33 m und einer Gebäudebreite von ca. 11 m. Im Erdgeschoss des Gebäudes umfasst sie ein Lager für Baugerüste und Baumaterial sowie für Garagen; eine gesonderte Festlegung zur Nutzung des Dachgeschosses ist den Plänen nicht zu entnehmen‚ allerdings sind die in der Eingabeplanung enthaltenen und tatsächlich auch eingebauten Dachfenster mit dem Vermerk „keine Dachfenster“ gestrichen. Der Abstand der westlichen Außenwand des Nebengebäudes zur Grenze des Grundstücks der Klägerin auf FlNr. .../... der Gemarkung G. beträgt ca. 0‚5 m. Bereits während der Bauarbeiten und vor Erteilung der Genehmigung war im nördlichen Teil auf einer Tiefe (von Norden her gemessen) von 8‚90 m eine Wohnung eingebaut worden. Ein hierfür eingereichter Bauantrag vom 27. Oktober 1964 wurde nicht verbeschieden; die Bauakte ist mit dem Vermerk „Ablehnung“ versehen.

Mit Bescheid vom 22. November 2011 genehmigte das Landratsamt D. unter Erteilung einer Abweichung für das Unterschreiten der Abstandsflächen um 2‚50 m zur Grundstückgrenze der Klägerin die Nutzungsänderung für den Einbau einer Wohnung im nördlichen Teil des Dachgeschosses.

Die hiergegen erhobene Klage‚ die u. a. auch auf die mit der Erteilung der Baugenehmigung erstmals geschaffenen Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Klägerin sowie Brandschutzaspekten begründet wurde‚ wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. September 2012 ab. Es liege ein atypischer Fall vor‚ da es sich bei dem Nebengebäude um ein bestandsgeschütztes Gebäude handle; der Einbau von Dachfenstern habe den Bestandsschutz nicht in Frage gestellt‚ da es sich dabei nicht um eine abweichende Bauausführung handle‚ welche die Identität des gesamten Gebäudes in Frage stelle. Brandschutzrechtliche Vorschriften seien im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Im Übrigen werde der Belang des Brandschutzes durch die Nutzungsänderung nicht weitergehend beeinträchtigt als durch die bestehende bestandsgeschützte Nutzung. Zu berücksichtigen sei weiterhin‚ dass das Dachgeschoss bereits seit Jahrzehnten faktisch zu Wohnzwecken genutzt werde. Die Einsichtsmöglichkeiten aus den drei Dachflächenfenstern seien gering und beträfen vorrangig die nördliche Grünfläche des Grundstücks der Klägerin‚ so dass jedenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung vorliege.

Mit der vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:

Es liege bereits kein atypischer Fall vor‚ weil das Nebengebäude planabweichend errichtet sowie von Anfang an zu Wohnzwecken genutzt und damit nicht bestandsgeschützt sei. Es habe sich von Anfang an jedenfalls hinsichtlich seiner Nutzung als ein „aliud“ gegenüber der Baugenehmigung dargestellt. Bei der Nutzung des Dachgeschosses handle sich insgesamt um eine vollständig neue Nutzung‚ da mit der genannten Baugenehmigung nicht einmal eine Lagernutzung genehmigt sei. Brandschutzrechtliche Fragen seien vom Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften mit umfasst‚ so dass sie auch im vereinfachten Verfahren und damit im Rahmen der Abweichungsentscheidung zu den Abstandsflächenvorschriften zu prüfen seien. Nicht hinreichend berücksichtigt habe der Beklagte den von diesen Vorschriften intendierten ausreichenden Sozialabstand zum Grundstück der Klägerin und die damit verbundenen Einblickmöglichkeiten. Durch die Genehmigung der Wohnnutzung würden solche zwar nicht auf das Wohngebäude der Klägerin‚ jedoch auf den ebenfalls schutzbedürftigen‚ wohnakzessorischen Bereich im Garten geschaffen.

Die Klägerin beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und den Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Bei dem vorhandenen Bestandsgebäude handle es sich entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern um das Betriebsgebäude einer Baufirma. Der Nachbarschutz des Abstandsflächenrechts sei bei bestehenden Gebäuden‚ die die Abstandsflächen nicht einhielten‚ eingeschränkt. Von der beabsichtigten Wohnnutzung sei lediglich der rückwärtige‚ im Norden gelegene Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin betroffen‚ der bereits dem Außenbereich angehören dürfte. Hinzu komme‚ dass die streitgegenständliche Wohnnutzung im Dachgeschoss seit Jahrzehnten ausgeübt werde. Ihre Legalisierung lasse keine nachhaltigen Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin erwarten.

Der Senat hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt‚ auf deren Feststellungen Bezug genommen wird. Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet‚ da das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Aus diesem Grund sind das Urteil des Verwaltungsgerichts und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO) im Hinblick auf die nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO nicht genehmigungsfreie und damit nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung des Nebengebäudes zu Wohnzwecken liegen nicht vor. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen‚ wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar sind. Die erteilte Abweichung ist mit dem Normzweck des Abstandsflächenrechts, das auch den sog. Wohnfrieden schützt, nicht vereinbar. Sie ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt wird‚ die dann im Wege der Abweichung zugelassen werden kann‚ haben Abweichungen von den Regeln des Abstandsflächenrechts zur Folge‚ dass dessen Ziele oft nur unvollkommen verwirklicht werden. Es müssen also Gründe vorliegen‚ durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an den Schutzgütern des Abstandsflächenrechts im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische‚ von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (z. B. BayVGH‚ B.v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris; U.v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; OVG Berlin-Brandenburg‚ B.v. 19.12.2012 - OVG 2 S 44.12 - NVwZ-RR 2013‚ 400; OVG Bremen‚ B.v. 8.4.2013 - 1 B 303/12 - NVwZ 2013‚ 1027; kritisch zur Atypik neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt‚ einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation ergeben (zusammenfassend z. B. BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858 m. w. N.). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers‚ vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren‚ eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (zusammenfassend BayVGH a. a. O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall eine atypische Grundstückssituation bereits deshalb bejaht werden‚ da ein zu einer Nebennutzung genehmigtes Gebäude mit noch nutzbarer‚ einen wirtschaftlichen Wert darstellender Bausubstanz vorhanden und in dieser Nutzung bestandsgeschützt ist‚ da es zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 6. Dezember 1961 nach der damals geltenden Bayerischen Bauordnung 1901 eine Abstandsfläche nicht einhalten musste und eine Abweichung deshalb nicht erforderlich war. Dabei ist nicht entscheidungserheblich‚ ob es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern - wie der Beklagte meint - um das Betriebsgebäude einer Baufirma handelte. Gleiches gilt für die Tatsache‚ dass der frühere Bauherr im Widerspruch zu den Festsetzungen der Baugenehmigung in das Gebäude Dachfenster eingebaut hat.

2. Eine atypische Fallgestaltung ist zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften. Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist der Zweck der jeweiligen Anforderung‚ in diesem Fall des Abstandsflächenrechts‚ zu berücksichtigen. Insofern entspricht es gesicherter Auffassung‚ dass der Zweck des Abstandsflächenrechts darin besteht‚ eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für notwendige Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern (z. B. BayVGH‚ U.v. 14.10.1985 - 14 B 85 A.1224 - BayVBl 1986‚ 143; U.v. 14.12.1994 - 26 B 93.4017 - VGHE n. F. 48‚ 24). Dies kann bereits unmittelbar den gesetzlichen Vorschriften des Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2‚ Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO entnommen werden. Der Senat ist allerdings der Auffassung‚ dass darüber hinaus auch der sog. Wohnfrieden (Sozialabstand) als Zweck des Abstandsflächenrechts anzuerkennen ist. Hierzu gehört der Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten und vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft. Zwar besteht nach herrschender Meinung Einigkeit‚ dass -ungeachtet eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelfall - der Wohnfrieden insbesondere bei Einblickmöglichkeiten in Nachbargrundstücke planungsrechtlich grundsätzlich nicht geschützt ist (BVerwG‚ B.v. 24.4.1989 - 4 B 72.89 - NVwZ 1989‚ 1060; BayVGH‚ B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris); denn das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart‚ des Nutzungsmaßes‚ der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - davon nicht angesprochen (BVerwG a. a. O.). Demgegenüber sollen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch dem Interesse dienen‚ unmittelbare Einblicke zu begrenzen (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.7.2010 - 15 CS 10.1151 - juris Rn. 19; U.v. 8.5.2008 - 14 B 06.2813 - juris; eindeutig ablehnend wohl nur VGH BW‚ B.v. 18.3.2014 - 8 S 2628/13 - NVwZ-RR 2014‚ 545‚ allerdings zur Rechtslage in Baden-Württemberg). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen‚ dass die amtliche Begründung zur Novellierung der Bayerischen Bauordnung im Jahr 1997 (s. LT-Drs. 13/7008 S. 29 f.) als Regelungszweck noch ein „Mindestmaß an Belichtung‚ Belüftung‚ Besonnung und Sozialabstand“ genannt hatte‚ während dieser Begriff in der amtlichen Begründung zur BayBO-Novelle im Jahr 2007 (s. LT-Drs. 15/7161 S. 43, 73) nicht mehr ausdrücklich enthalten ist. Daraus lässt sich nicht zwingend herleiten‚ dass der Wohnfrieden nun nicht mehr gesetzlich geschützt werden soll. Eher in das Gegenteil weisen die Vorschriften des Art. 6 Abs. 3 Nr. 2 BayBO und des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO. Nach ersterer Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 ausnahmsweise nur dann überdecken‚ wenn es sich um Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof handelt. Aus Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO folgt‚ dass grundsätzlich nur Gebäude ohne Aufenthaltsräume unter den dort bestimmten engen Voraussetzungen in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. Aus den Vorschriften lässt sich demnach der Grundsatz herleiten‚ dass die Abstandsflächenvorschriften auch dem Schutz des Wohnfriedens dienen (vgl. zum - zivilrechtlichen - Schutzzweck des Art. 43 AGBGB der Wahrung des Wohnfriedens auch BayVerfGH‚ E.v. 14.12.2011 - Vf.108-VI-10 - BayVBl 2012‚ 332; kritisch neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65) und dass nach der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen in aller Regel nicht zulässig sind (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.1990 - 2 B 89.339 - nicht veröffentlicht).

3. Eine Abweichung für Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen kann daher nur zugelassen werden, wenn im Einzelfall die vom Abstandsflächenrecht geschützten Zwecke nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden und wenn die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar ist. Daraus folgt‚ dass es bei der Zulassung einer Nutzungsänderung unter (erheblicher) Abweichung von den Abstandsflächen - wie hier - maßgeblich sowohl auf die künftige Art der Nutzung als auch auf den Umfang der Abweichung ankommt. Das Interesse des Bauherrn‚ eine bessere wirtschaftliche Nutzung eines Gebäudes‚ insbesondere eine Wohnnutzung‚ herbeizuführen‚ reicht demgegenüber für die Erteilung einer Abweichung grundsätzlich nicht aus.

Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes:

Auf die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gerückte Frage‚ dass es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude - entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung - nicht um ein Nebengebäude‚ sondern um das ehemalige Betriebsgebäude einer Baufirma handeln solle‚ kommt es nicht an. Die hier genehmigte Nutzungsänderung betrifft allein eine - erstmalige - Wohnnutzung in unmittelbarer Nähe zur Nachbargrenze‚ die aus den drei westlichen‚ zum Grundstück der Klägerin hin gerichteten Dachflächenfenstern erstmals dauerhaft Einblickmöglichkeiten jedenfalls in den Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin ermöglicht. In einer solchen Situation kommt dem Normzweck und den Interessen des Nachbarn, Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen zu verhindern, von vornherein eine Priorität gegenüber den Interessen des Bauherrn zu mit der Folge‚ dass im Regelfall eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften nicht erteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634). Die Frage‚ ob die dem Wohnhaus der Klägerin nördlich vorgelagerte Grundstücksfläche teilweise oder insgesamt dem Außenbereich zuzurechnen ist und deshalb möglicherweise nicht mit einem Wohngebäude bebaut werden kann‚ ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Auch die Tatsache‚ dass die Wohnnutzung im Dachgeschoss Jahrzehnte ausgeübt worden ist‚ führt zu keinem anderen Ergebnis‚ da eine Legalisierungswirkung durch die formell und materiell rechtswidrige Nutzung nicht eingetreten ist.

4. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall brandschutzrechtliche Vorschriften hätten geprüft werden müssen. Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften wie denjenigen des Abstandsflächenrechts kann der Nachbar nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen. Wie bei einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von einer nachbarschützenden Bebauungsplanfestsetzung (siehe hierzu BVerwG‚ B.v. 8.7.1998 - 4 B 64.98 - BayVBl 1999‚ 26 m. w. N.) ist er auch dann in seinen Rechten verletzt‚ wenn die Abweichung aus einem anderen Grund mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar und damit objektiv rechtswidrig ist (BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung‚ Art. 63 Rn. 29). Allerdings hat der Nachbar keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht. Es sind lediglich die Belange in die Abwägung einzustellen, die durch die die Abweichung auslösende konkrete Maßnahme erstmals oder stärker als bisher beeinträchtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 a. a. O.; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Nach alledem hätte das Landratsamt, auch ohne dass es eines gesonderten Antrags auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO bedurfte, hier die Vorschrift des Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayBO prüfen müssen.

Der Beklagte trägt als Unterliegender die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst‚ da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der Gemarkung S. M. im Ortsteil L. am Ostrand der Stadt K. Die betreffenden Flurnummern werden teils als landwirtschaftliche Flächen, teils als Golfplatz („Golfzentrum K.“) und teilweise als Wegeflächen genutzt. Ihre Klage gegen die Genehmigung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 25 Gemarkung S. M. des Beigeladenen, das auf allen Seiten an die im Allein- oder Miteigentum stehenden Flächen der Klägerin grenzt, wies das Verwaltungsgericht ab. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht rücksichtslos; die Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu 1.) und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; dazu 2.) - rechtfertigen die beantragte Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Verwaltungsgericht hat die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens an § 35 Abs. 2 BauGB gemessen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (vgl. für diesen Sachverhalt grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 und U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186) verneint. Dazu nimmt die Zulassungsbegründung nicht Stellung.

Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils allein deshalb, weil bei der Prüfung der nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1BayBO erteilten Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen die (objektive) planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unberücksichtigt geblieben sei. An der Verwirklichung eines unzulässigen Vorhabens könne regelmäßig weder ein öffentliches noch ein besonderes Interesse des Bauherrn bestehen. Die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit spiele richtigerweise im Rahmen des Ermessens bei der Erteilung einer Abweichung eine Rolle, wenn die betroffenen Belange und Interessen zu berücksichtigen seien.

a) Ob diese Meinung richtig ist, bedarf bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keiner abschließenden Antwort. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass auf Seiten der Klägerin keine wehrfähigen öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange betroffen sind, weil die entsprechenden Grundstücke der Klägerin nicht abstandsflächenrechtlich relevant bebaubar sind (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall: BayVGH, B.v. 14.7.2009 - 14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Das von den Abstandsflächen des streitgegenständliche Vorhabens berührte und im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 78/2 ist im rechtverbindlichen Bebauungsplan „Golfplatz S. L.“ als Golfplatz/Driving Range festgesetzt. An deren Südgrenze setzt der Bebauungsplan gegenüber dem streitigen Bauvorhaben einen zwei Meter hohen Lärmschutzwall fest, weiter nach Osten folgt insoweit ein bis zu sechs Meter hoher Ballfangzaun. Das ebenfalls von den ursprünglichen Abstandsflächen des Vorhabens im Westen und Süden betroffene, im Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 20/2 (T.) ist als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen (entsprechend der Legende ockerfarbig gekennzeichnet).

Nachdem die planungsrechtliche Zulässigkeit unter dem wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Verletzung eigener Rechte - wie unwidersprochen geschehen - zu bejahen ist und im Hinblick auf die auf Antrag (Art. 63 Abs. 2 BayBO) zu prüfende abstandsflächenrechtliche Zulassungsfähigkeit keine tatsächlichen, öffentlich-rechtlich wehrfähigen Belange auf Seiten der Klägerin gegeben sind, kann ihre Klage gegen die Baugenehmigung keinen Erfolg haben. Eine materielle Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte ist nicht festzustellen.

b) Im Übrigen sei angemerkt, dass die Meinung der Klägerin, im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen müsse ein Vorhaben unter dem Gesichtspunkt seiner Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen regelmäßig planungsrechtlich positiv zu beurteilen sein, zweifelhaft erscheint.

(1) In mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs finden sich allerdings Hinweise darauf, dass im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichen Belangen im Einzelfall neben den von der Bayerischen Bauordnung geregelten auch weitere objektive öffentlich-rechtliche Belange zu berücksichtigen sein können (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21: Brandschutz; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 4, 7: Berücksichtigung jedoch nur im Rahmen des Prüfprogramms für die Baugenehmigung, deshalb im dort entschiedenen Fall keine Brandschutzvorschriften; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530 = juris Rn. 43, 44: Abwägungsrelevanz nur, soweit durch die Erteilung der Abweichung der jeweilige (erg.: fremde) Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft wird; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris LS 1 und Rn. 17, 24: Zu einer fehlerfreien Ermessensausübung gehört auch, dass von der Abweichung berührte, nicht nachbarschützende öffentliche Belange (dort: Denkmalschutz) zutreffend gewürdigt werden; U.v. 2.5.2002 - 2 B 99.2590 - juris Rn. 20: Bei der Ermessensausübung durfte darauf abgestellt werden, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gestalterisch problematisch war; B.v. 12.3.1999 - 2 ZB 98.3014 - BayVBl 2000, 630 = juris Rn. 8: Berücksichtigung negativer Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ertragsentwicklung benachbarter landwirtschaftlicher Kulturen, Gefahr des Eisabwurfs auf nahe vorbeiführende öffentliche Wege, aus naturschutzfachlicher Sicht erheblich bedenklichere Einstufung des vorgesehenen Standorts im Vergleich zu einem raumordnerisch positiv abgeschlossenen ursprünglichen Standort).

(2) Zurückhaltender gegenüber der Berücksichtigung objektiver öffentlich-rechtlicher Belange anlässlich einer gegen die für ein Vorhaben erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gerichteten Nachbarklage hat sich im Anschluss an Kuchler, BayVBl 2009, 517, unter anderem eine Entscheidung des BayVGH (U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 48: Eine Überprüfung der nicht tragenden Ausführungen im B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 24 wurde angekündigt) geäußert. Für Einschränkungen beim Kreis der zu berücksichtigenden öffentlichen Belange spricht sich auch Molodovsky (in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. September 2014, Art. 63 Rn. 34a: Es ist nicht darauf abzustellen, ob andere öffentliche Belange, die nicht nachbarschützend sind, zutreffend gewürdigt werden, z. B. nicht nachbarschützende Belange des Planungsrechts oder des Immissions-, Natur- oder Denkmalschutzrechts) aus. Für eine Abkehr von der Rechtsprechung, die bei einer Abweichung generell auch andere Belange als die durch die jeweilige Vorschrift geschützten zum Zulassungsmaßstab rechnet, plädiert zuletzt König (in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2010, Art. 63 Rn. 15: An dieser Rechtsprechung sollte nicht festgehalten werden; derselbe in Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 866: Eigenständig gesetzlich geregelte Belange, wie die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB sowie die im BNatSchG, BayNatSchG und DSchG geregelten Belange des Naturschutzes und der Denkmalpflege gehören nicht zum Maßstab für die Zulassung einer Abweichung. Den diese Belange schützenden Vorschriften muss das Bauvorhaben - unabhängig davon, ob ihre Einhaltung in einem Genehmigungsverfahren geprüft wird (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) - ohnehin entsprechen. Ihre Berücksichtigung auch als öffentlicher Belang würde zu einer Doppelprüfung führen, für die es keine Rechtfertigung gibt). Die eventuelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines möglicherweise nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens im Außenbereich hat bereits eine frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, B.v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 4, 7) nicht als einen bei der konkreten Abweichungsentscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen Belang angesehen. Die mit § 35 Abs. 1 BauGB verfolgten bauplanungsrechtlichen Ziele (grundsätzliche Zuweisung bestimmter Vorhaben an den Außenbereich) stünden in keinem Zusammenhang mit dem Regelungszweck des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 BayBO (erg.: 1998) und blieben daher in diesem Kontext unberücksichtigt.

(3) Der Senat neigt dazu, der zuletzt dargestellten Auffassung aus den nachfolgenden Erwägungen den Vorzug zu geben.

(3.1) Den Ausgangspunkt aller einschlägigen Überlegungen, wie groß der Kreis der öffentlichen Belange sein kann bzw. sollte, die bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abweichungsentscheidung im Rahmen einer Nachbarklage Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, bildet § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO mit seiner Vorgabe, dass die zur gerichtlichen Kontrolle stehende Entscheidung für den Fall ihrer Aufhebung eigene Rechte der Klagepartei verletzen muss. Wann eine Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt, bestimmt sich nach den für das jeweilige Vorhaben anzuwendenden materiellen Vorschriften. Kuchler und König (jeweils a. a. O.) ist darin zu folgen, dass es für eine Doppelprüfung der für ein bestimmtes Vorhaben geltenden Vorschriften weder einen Anlass noch eine Berechtigung gibt. Zwar mag beispielsweise ein Vorhaben, das die (landesrechtlichen) Abstandsflächen einhält, aus tatsächlichen Gründen in der Regel auch (bauplanungsrechtlich) nicht rücksichtlos sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 3, 4). Gleichwohl folgt die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf seine Größe und sein Erscheinungsbild sowie seine Lage gegenüber einem Nachbargrundstück eigenen Regeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - BauR 1986, 542 = juris Rn. 17, 18: Das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG enthaltene bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot bezieht sich nicht auf bauordnungsrechtliche Merkmale; vgl. ferner BayVGH, U.v. 27.3.2013 - 14 B 12.192 - juris Rn. 31, 34 m. w. N.: ein die Abstandsflächen nicht (vollständig) einhaltendes Vorhaben ist damit nicht automatisch rücksichtslos). Mit der Prämisse, dass die Prüfung eines Vorhabens unter nachbarrelevanten planungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkte jeweils eigenständigen, in sich geschlossenen Regeln folgt, ist die Anreicherung der bei einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften zu untersuchenden Belange um den Gesichtspunkt der objektiven planungsrechtlichen Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die in eigenen Kodifikationen geregelten Natur- und Denkmalschutzbelange. Ob ein Vorhaben den einschlägigen objektiv-rechtlichen Anforderungen entspricht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange eine Abweichung erteilt werden kann.

(3.2) Die Meinung, sonstige Belange seien bei der hier zu erörternden Entscheidung über die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen für die Interessenabwägung relevant, wenn durch die Abweichung der jeweilige Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft werde, dürfte wohl bereits an der falschen Stelle des zu beurteilenden Lebenssachverhalts ansetzen. Den unter Umständen gegen Planungs-, Natur- oder Denkmalschutzrecht verstoßenden Standort seines Vorhabens wie auch dessen übrige Abmessungen bestimmt der Bauwerber durch den Inhalt der von ihm einzureichenden Bauvorlagen (vgl.: §§ 7, 8 BauVorlV). Nach der durch das in den jeweiligen Kodifikationen enthaltene materielle Recht vorgegebenen Prüfungsreihenfolge bildet die Untersuchung der Abstandsflächenproblematik des Vorhabens, von wenigen „Offensichtlichkeitsfällen“ vielleicht abgesehen, regelmäßig den Schlusspunkt der präventiven Kontrolle des Einzelfalls im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es von vorneherein zweifelhaft, wie ein hinzutretender Abstandsflächenverstoß überhaupt geeignet sein könnte, beispielsweise einen - wie gesagt, schon vorher festzustellenden - Verstoß dieses Vorhabens gegen planungsrechtliche Vorschriften „hervorzurufen“ oder „wesentlich zu verschärfen“. Für einen mit diesem Vorhaben verbundenen planungs-, naturschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Missgriff kann die zusätzliche Nichteinhaltung der Abstandsflächen als solche schon rein äußerlich betrachtet nicht kausal sein.

Die darüber hinaus fehlende innere Abhängigkeit der angesprochenen Normkomplexe voneinander wird deutlich, wenn man sich die von den jeweiligen Gesetzen verfolgten Zwecke und Schutzgüter vergegenwärtigt. Planungsrechtliche Vorschriften dienen, von der Rechtsfigur des Rücksichtnahmegebots abgesehen, in erster Linie der Verwirklichung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bestehen vor allem darin, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG). Hauptanliegen des Denkmalschutzrechts sind die Erhaltung und der Schutz unter anderem von Bau- und Bodendenkmälern (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art, 4 bis 6 DSchG). Hier ist hervorzuheben, dass der Abwehranspruch des Eigentümers eines Baudenkmals gegen ein „heranrückendes“ Bauvorhaben, das den Denkmalwert oder das Erscheinungsbild seines Schutzgegenstands beeinträchtigt, vom Ansatz her grundlegend anderen Gesichtspunkten folgt als der zentimetergenauen Einhaltung von Abstandsflächen eines Vorhabens auf einem benachbarten Grundstück (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - BayVBl 2013, 470 = juris Rn. 29 ff.: keine Beeinträchtigung eines Bootshauses durch einen unmittelbar daran vorbeigeführten Steg für die Allgemeinheit).

(3.3) In diesem Zusammenhang erscheint eine Korrektur der Auffassung angezeigt, dass bei der Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift auf die Klage des Nachbarn hin jeder Fehler bei der Rechtsanwendung zur Aufhebung der Baugenehmigung führt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 zu § 31 Abs. 2 BauGB; BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter 4. - obiter dictum zur Rechtswidrigkeit einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlichen Belangen und daraus folgender objektiver Rechtswidrigkeit). Auch die Vertreter der Meinung, dass im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift zunächst eine umfassend angelegte Prüfung der Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens anzustellen sei, schränken ein, dass der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007, 1858 und U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Eine Rechtfertigung für die Doppelprüfung objektiven, nicht schon im Tatbestand (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB) enthaltenen Planungsrechts - nur und gerade aus Anlass einer Abweichungs-/Befreiungsentscheidung - lässt sich aus den vorbezeichneten allgemeinen Überlegungen jedenfalls nicht herleiten.

Prinzipiell erscheint die Anknüpfung an die zur Nachbarrechtsverletzung im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Maßstäbe bei der Anwendung von Art. 63 Abs. 1 BayBO (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand September 2014, Art. 63 Rn. 61) wenig überzeugend. § 31 Abs. 2 BauGB enthält einen, zuletzt durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748) geringfügig ergänzten, klar definierten und in sich geschlossenen Kanon objektiver Befreiungsvoraussetzungen. Fehlt es im Einzelfall bereits an einer der danach zu fordernden Voraussetzungen für die Befreiung von einer nachbarschützenden planungsrechtlichen Vorschrift, kann die dennoch erfolgte Entscheidung zugunsten eines Vorhabens im Nachbarrechtstreit keinen Bestand haben.

Im Bauordnungsrecht fehlt eine vergleichbar detaillierte gesetzliche Beschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung. In der (ständigen) Rechtsprechung wurde dazu eine Kasuistik entwickelt, die unter dem Oberbegriff der Atypik verschiedene Fallgestaltungen versteht, in denen ein Abgehen von den (abstandsflächenrechtlichen) Regelanforderungen des Gesetzes grundsätzlich möglich erscheint (vgl. stellvertretend BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16: Gründe von ausreichendem Gewicht, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen). Diese Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. Fehlt es bereits daran, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vorneherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben. Weshalb das gleiche Ergebnis eintreten sollte, wenn zwar die Atypik zu bejahen war und die individuelle Ermessensausübung fehlerfrei erfolgte, das Vorhaben aber - ohne darin liegende Verletzung nachbarlicher öffentlicher Rechte - „schlicht“ planungsrechtsrechtswidrig ist, lässt sich schwerlich nachvollziehen.

Nach Meinung des Senats sprechen daher gute Gründe dafür, die Auffassung, dass bei der Abweichung/Befreiung von nachbarschützendem Recht - hier: von Art. 6 BayBO - jeder Verstoß zur Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn führen soll, teleologisch zu reduzieren. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es als Maßgabe für die Überprüfung aus, dass die Abweichung von der Einhaltung nachbarschützender abstandsflächenrechtlicher Bestimmungen die Rechte des betroffenen Nachbarn auch und schon, andererseits aber nur dann verletzt, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalls fehlen. Alles übrige aus Anlass des jeweiligen Falles zu prüfende öffentliche Recht ist unabhängig davon auf mögliche Nachbarrechtsverletzungen zu untersuchen, eine Doppelprüfung derselben Belange im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterbleibt. Das befreit nicht zuletzt auch die Anwendungspraxis von - im Einzelnen, wie gezeigt, kaum bzw. nicht plausibilisierungsfähigen - kausalen Verknüpfungsversuchen zwischen den Schutzgütern des Abstandflächenrechts und (beliebigen) sonstigen öffentlichen Belangen.

2. Aus dem Vorstehenden (vgl. oben II. 1 a) ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Für die Beantwortung der für dieses Verwaltungsstreitverfahren maßgeblichen Fragen bedarf es keines Berufungsverfahrens.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann als Nachbarin eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch ihrem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

a) Die zum klägerischen Grundstück hin nach Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilte Abweichung von den Abstandsflächen ist rechtmäßig. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulassung einer Abweichung Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Die bei Zulassung einer Abweichung zu fordernde atypische Situation (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris) liegt hier entgegen der Auffassung der Klägerin gerade in der Lage des Baugrundstücks im dicht bebauten innerstädtischen Bereich, in dem historische Bausubstanz vorhanden ist. Die Atypik ergibt sich aus der besonderen städtebaulichen Situation. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; U. v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man im Einzelfall nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik. Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung diesen sollen, sind auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2014 - 2 ZB 13.1627 -).

Gemessen an diesen Maßstäben hat das Erstgericht zu Recht eine Atypik angenommen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sich die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich der Beklagten befinden. In der Umgebung findet sich vielfach eine historische, grenzständige Bebauung. Die Klägerin verkennt dabei, dass der Begriff des „Regelfalls“ insoweit nicht auf die nähere Umgebung anzuwenden ist, sondern der gesetzliche Regelfall gemeint ist, nach dem gemäß Art. 6 BayBO Abstandsflächen zwischen den Gebäuden einzuhalten sind. Die historische Bebauung und insbesondere auch die Gebäude der Klägerin sowie der Beigeladenen sind jedoch zeitlich lange vor dem Abstandsflächenrecht der Bayerischen Bauordnung entstanden. In diesen historisch gewachsenen Situationen führt jedwede Änderung des historischen Baubestands in der Regel zu einer weiteren Verletzung der nunmehr gesetzlich geregelten Abstandsflächen. Im vorliegenden Fall stellt der Anbau eines Außenaufzugs auch nicht lediglich eine Maßnahme der Gewinnmaximierung dar. Der Aufzug erschließt das erste Obergeschoss mit der darin bereits befindlichen Arztpraxis sowie das zweite Obergeschoss, in welchem statt einer nun zwei Wohnungen entstehen. Er dient vorliegend auch dem barrierefreien Ausbau des historischen Gebäudes. Nicht erschlossen wird insbesondere die weitere Wohneinheit im Dachgeschoss des Gebäudes, was bei einer Maßnahme zur bloßen Gewinnmaximierung, also Steigerung des Immobilienwerts, zu erwarten gewesen wäre.

b) Die erteilte Baugenehmigung ist zudem nicht deshalb rechtswidrig, weil die Baugenehmigung als Angelegenheit der laufenden Verwaltung erteilt wurde und ein Beschluss des Senats für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Werksenat für den Entsorgungs- und Baubetrieb der Stadt Bamberg („Bau- und Werksenat“) nicht, auch nicht nachträglich erfolgt ist (Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG). Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den gemeindlichen Organen hat grundsätzlich auch rechtliche Bedeutung nach außen, d. h. es kann sich ein Außenstehender, dem gegenüber das falsche Organ gehandelt hat, darauf berufen, dass es an der Tätigkeit oder Mitwirkung des zuständigen Organs fehle und daher das gemeindliche Handeln ihm gegenüber fehlerhaft ist (vgl. BayVGH, U. v. 31.3.2003 - 4 B 00.2823 - VGH n. F. 56, 98; U. v. 25.7.2007 - 4 BV 06.3308 - juris). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Gemäß Kapitel A Ziffer II § 12 Abs. 3 Nr. 2 B) Nr. 1) der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten vom 7. Mai 2014 ist der Bau- und Werksenat nur bei Bauvorhaben zuständig, die „für das Stadtbild, die Stadtentwicklung, die Stadterneuerung oder die Städtebauförderung von grundsätzlicher Bedeutung“ sind. Zwar handelt es sich bei dem historischen Gebäude der Beigeladenen wie auch bei dem historischen Gebäude der Klägerin um historisch bedeutsame Einzeldenkmäler in der Altstadt der Beklagten. Der hier verfahrensgegenständliche Aufzugsturm ist jedoch nach drei Seiten hin von Gebäuden umgeben und nach den Feststellungen des Erstgerichts im Augenschein (vgl. Niederschrift vom 21. Juli 2014, Bl. 114/Rückseite der verwaltungsgerichtlichen Akte) „von außen nicht sichtbar“. Dies ergibt sich auch aus der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme der zuständigen Gebietsreferentin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (E-Mail vom 30. Januar 2014, Bl. 59 der Gerichtsakte), wonach „die vorgesehene Konstruktion mit Abstand zum Nachbargebäude und unter der Traufe … vom öffentlichen Raum aus nicht einsehbar“ ist. Insoweit fehlt es bereits an der grundsätzlichen Bedeutung im obigen Sinn. Auch aus der Nischensituation lässt sich keine grundsätzliche Bedeutung ableiten. Zwar mag ursprünglich die heutige Nische gassenartig ausgeprägt gewesen sein, wie sich den historischen Beschreibungen und Stadtplänen entnehmen lässt, und auch als Zugang zum klägerischen Gebäude gedient haben. Diese besondere historische Situation wurde jedoch bereits vor längerer Zeit aufgehoben. Zum einen wurde der Zugang zum klägerischen Gebäude beseitigt und ist auch in den noch vorhandenen Plänen nicht mehr erkennbar. Zum anderen wurde die Nischensituation zur R.-gasse grundlegend verändert, indem die frühere Mauer zur R.-gasse durch ein Gebäude mit Durchgang ersetzt wurde, in welchem sich heute das Poolhaus befindet. Auch aus denkmalpflegerischer Sicht (vgl. E-Mail-Verkehr vom 31. Januar 2014, Bl. 58 der Gerichtsakte) bestand offensichtlich kein Grund die vorhandene Nischensituation als weiter schützens- oder erhaltenswert zu betrachten. Somit ist auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung erkennbar, welche einen Beschluss des Bau- und Werksenats erforderlich gemacht hätte.

c) Die im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO erforderlichen Ermessensentscheidung zu treffende Interessenabwägung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Erstgericht hat zutreffend festgestellt, dass nach heutigem Bauplanungsrecht (§ 34 BauGB) aufgrund der vorherrschenden geschlossenen, grenzständigen Bauweise die Beigeladene grundsätzlich auch an die Grenzwand der Klägerin unmittelbar hätte anbauen dürfen. Ebenfalls richtig ist, dass die vorhandene Grenzwand nach heutigem Recht (Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO) als Brandwand ohne Fensteröffnungen auszubilden wäre. Die Klägerin beruft sich insoweit hinsichtlich der in dieser Wand vorhandenen Fensteröffnungen auf einen Bestandsschutz, übersieht jedoch, dass es ihrer Beweispflicht obliegt, diesen Bestandschutz nachzuweisen. Dem ist sie jedoch nicht nachgekommen. Auch die bei der Beklagten vorhandenen Bauunterlagen lassen einen Bestandsschutz der tatsächlichen Fensteröffnungen nicht erkennen. Die in den vorhandenen - in diesem Punkt aber nicht genehmigten - Plänen eingezeichneten Fensteröffnungen stimmen nicht mit den derzeitigen in Lage und Größe überein. Daraus lässt sich zugunsten der Klägerin kein Bestandsschutz ableiten. Im Übrigen hat das Erstgericht zutreffend festgestellt, dass die bestehenden Fensteröffnungen lediglich Nebenräume betreffen und deshalb die durch die Baumaßnahme zu erwartende Einschränkung der Belichtung durch eine künstliche Beleuchtung ausgeglichen werden kann. Auch die Belüftungssituation kann sich durch die Baumaßnahme verändern. Es fehlt jedoch an einem Nachweis, dass dadurch eine nicht mehr hinnehmbare Belüftungssituation eintritt. Eine Belüftung ist vielmehr weiterhin möglich. Die bloße Möglichkeit der Einsichtnahme vom Podest aus kann durch entsprechenden baulichen Eigenschutz verhindert werden (z. B. Milchglasscheiben, Folien oder Vorhänge).

Es ist zudem keine Beeinträchtigung des Denkmals der Klägerin erkennbar, welche im Rahmen der Interessenabwägung zu ihren Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen, und wurde auch von der Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Betroffen von der Baumaßnahme ist eine Rückwand am Gebäude der Klägerin, die als solche denkmalrechtlich keine bedeutenden und schützenswerten Merkmale aufweist. Zwar mag durch das Bauvorhaben der Beigeladenen die künftige Erhaltung dieses Wandteils erschwert sein, sie ist jedoch nicht unmöglich. Dies ergibt sich auch aus den mehrfachen Versicherungen der Beigeladenen, dass eine Fassadenrenovierung erlaubt werde und dazu die Fluchtleiter abgebaut werden könne. Eine mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Beeinträchtigung des Denkmals der Klägerin ist insoweit nicht erkennbar.

Im Rahmen der baurechtlichen Interessenabwägung ist es nicht erforderlich, dass der von der Beigeladenen geplante Außenaufzug, der im Gegensatz zum Vortrag der Klägerin gerade nicht das Dachgeschoß erschließen wird, zwingend notwendig ist oder in der Umgebung vergleichbare Außenaufzüge vorhanden sind. Entscheidend ist der Bauwunsch des Bauherrn und die dadurch im konkreten Einzelfall betroffenen gegenseitigen Interessen.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Rahmen dieses Zulassungsgrunds ist nicht die Richtigkeit des Ersturteils Gegenstand der Zulassungsentscheidung, sondern die mögliche „abstrakte“ Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Schwierigkeiten der Fallbehandlung (vgl. Berkemann, DVBl 1998, 446). Diese ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ein weiterer substantiierter Vortrag erfolgte von Seiten der Klägerin nicht. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Klärungsbedürftig ist eine Frage, wenn sie in der konkreten Rechtssache entscheidungserheblich ist. Die Frage des Vorliegens einer Atypik ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. dazu Ziffer 1. a)) mehrfach entschieden und die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Fragen sind bereits hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob im Rahmen eines eng bebauten innerstädtischen Bereichs ein vom Regelfall abweichender atypischer Sachverhalt bereits dann gegeben ist, wenn die enge Bebauung bei Erweiterungen der baulichen Anlagen häufig nur möglich ist unter Vernachlässigung der Einhaltung der Abstandsflächen. Auch insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

4. Die Entscheidung des Erstgerichts weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Insbesondere weicht das Erstgericht nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2009 ab (vgl. BVerwG, U. v. 21.4.2009 - 4 C 3/08 - juris). Zum einen legt die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründung schon keinen Rechtssatz aus dieser Entscheidung dar, von welchem das Erstgericht abgewichen sein soll. Vielmehr trägt sie vor, das Erstgericht habe in Rahmen der Prüfung der Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt, dass der Klägerin als Denkmaleigentümerin besondere Rechte zustünden. Damit rügt die Klägerin keine Divergenz sondern eine Nichtberücksichtigung einer obergerichtlichen Entscheidung, was im Rahmen der ernstlichen Zweifel zu prüfen wäre. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrunds (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zum anderen würde es auch an der behaupteten massiven Beeinträchtigung des klägerischen Denkmals fehlen. Das Erscheinungsbild des klägerischen Denkmals wird durch die im Bereich der Gebäuderückwand zu errichtende bauliche Anlage nicht betroffen. Hinsichtlich der übrigen vorgetragenen Beeinträchtigungen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. c) verwiesen.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der Gemarkung S. M. im Ortsteil L. am Ostrand der Stadt K. Die betreffenden Flurnummern werden teils als landwirtschaftliche Flächen, teils als Golfplatz („Golfzentrum K.“) und teilweise als Wegeflächen genutzt. Ihre Klage gegen die Genehmigung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 25 Gemarkung S. M. des Beigeladenen, das auf allen Seiten an die im Allein- oder Miteigentum stehenden Flächen der Klägerin grenzt, wies das Verwaltungsgericht ab. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht rücksichtslos; die Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu 1.) und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; dazu 2.) - rechtfertigen die beantragte Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Verwaltungsgericht hat die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens an § 35 Abs. 2 BauGB gemessen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (vgl. für diesen Sachverhalt grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 und U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186) verneint. Dazu nimmt die Zulassungsbegründung nicht Stellung.

Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils allein deshalb, weil bei der Prüfung der nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1BayBO erteilten Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen die (objektive) planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unberücksichtigt geblieben sei. An der Verwirklichung eines unzulässigen Vorhabens könne regelmäßig weder ein öffentliches noch ein besonderes Interesse des Bauherrn bestehen. Die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit spiele richtigerweise im Rahmen des Ermessens bei der Erteilung einer Abweichung eine Rolle, wenn die betroffenen Belange und Interessen zu berücksichtigen seien.

a) Ob diese Meinung richtig ist, bedarf bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keiner abschließenden Antwort. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass auf Seiten der Klägerin keine wehrfähigen öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange betroffen sind, weil die entsprechenden Grundstücke der Klägerin nicht abstandsflächenrechtlich relevant bebaubar sind (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall: BayVGH, B.v. 14.7.2009 - 14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Das von den Abstandsflächen des streitgegenständliche Vorhabens berührte und im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 78/2 ist im rechtverbindlichen Bebauungsplan „Golfplatz S. L.“ als Golfplatz/Driving Range festgesetzt. An deren Südgrenze setzt der Bebauungsplan gegenüber dem streitigen Bauvorhaben einen zwei Meter hohen Lärmschutzwall fest, weiter nach Osten folgt insoweit ein bis zu sechs Meter hoher Ballfangzaun. Das ebenfalls von den ursprünglichen Abstandsflächen des Vorhabens im Westen und Süden betroffene, im Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 20/2 (T.) ist als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen (entsprechend der Legende ockerfarbig gekennzeichnet).

Nachdem die planungsrechtliche Zulässigkeit unter dem wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Verletzung eigener Rechte - wie unwidersprochen geschehen - zu bejahen ist und im Hinblick auf die auf Antrag (Art. 63 Abs. 2 BayBO) zu prüfende abstandsflächenrechtliche Zulassungsfähigkeit keine tatsächlichen, öffentlich-rechtlich wehrfähigen Belange auf Seiten der Klägerin gegeben sind, kann ihre Klage gegen die Baugenehmigung keinen Erfolg haben. Eine materielle Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte ist nicht festzustellen.

b) Im Übrigen sei angemerkt, dass die Meinung der Klägerin, im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen müsse ein Vorhaben unter dem Gesichtspunkt seiner Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen regelmäßig planungsrechtlich positiv zu beurteilen sein, zweifelhaft erscheint.

(1) In mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs finden sich allerdings Hinweise darauf, dass im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichen Belangen im Einzelfall neben den von der Bayerischen Bauordnung geregelten auch weitere objektive öffentlich-rechtliche Belange zu berücksichtigen sein können (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21: Brandschutz; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 4, 7: Berücksichtigung jedoch nur im Rahmen des Prüfprogramms für die Baugenehmigung, deshalb im dort entschiedenen Fall keine Brandschutzvorschriften; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530 = juris Rn. 43, 44: Abwägungsrelevanz nur, soweit durch die Erteilung der Abweichung der jeweilige (erg.: fremde) Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft wird; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris LS 1 und Rn. 17, 24: Zu einer fehlerfreien Ermessensausübung gehört auch, dass von der Abweichung berührte, nicht nachbarschützende öffentliche Belange (dort: Denkmalschutz) zutreffend gewürdigt werden; U.v. 2.5.2002 - 2 B 99.2590 - juris Rn. 20: Bei der Ermessensausübung durfte darauf abgestellt werden, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gestalterisch problematisch war; B.v. 12.3.1999 - 2 ZB 98.3014 - BayVBl 2000, 630 = juris Rn. 8: Berücksichtigung negativer Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ertragsentwicklung benachbarter landwirtschaftlicher Kulturen, Gefahr des Eisabwurfs auf nahe vorbeiführende öffentliche Wege, aus naturschutzfachlicher Sicht erheblich bedenklichere Einstufung des vorgesehenen Standorts im Vergleich zu einem raumordnerisch positiv abgeschlossenen ursprünglichen Standort).

(2) Zurückhaltender gegenüber der Berücksichtigung objektiver öffentlich-rechtlicher Belange anlässlich einer gegen die für ein Vorhaben erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gerichteten Nachbarklage hat sich im Anschluss an Kuchler, BayVBl 2009, 517, unter anderem eine Entscheidung des BayVGH (U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 48: Eine Überprüfung der nicht tragenden Ausführungen im B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 24 wurde angekündigt) geäußert. Für Einschränkungen beim Kreis der zu berücksichtigenden öffentlichen Belange spricht sich auch Molodovsky (in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. September 2014, Art. 63 Rn. 34a: Es ist nicht darauf abzustellen, ob andere öffentliche Belange, die nicht nachbarschützend sind, zutreffend gewürdigt werden, z. B. nicht nachbarschützende Belange des Planungsrechts oder des Immissions-, Natur- oder Denkmalschutzrechts) aus. Für eine Abkehr von der Rechtsprechung, die bei einer Abweichung generell auch andere Belange als die durch die jeweilige Vorschrift geschützten zum Zulassungsmaßstab rechnet, plädiert zuletzt König (in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2010, Art. 63 Rn. 15: An dieser Rechtsprechung sollte nicht festgehalten werden; derselbe in Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 866: Eigenständig gesetzlich geregelte Belange, wie die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB sowie die im BNatSchG, BayNatSchG und DSchG geregelten Belange des Naturschutzes und der Denkmalpflege gehören nicht zum Maßstab für die Zulassung einer Abweichung. Den diese Belange schützenden Vorschriften muss das Bauvorhaben - unabhängig davon, ob ihre Einhaltung in einem Genehmigungsverfahren geprüft wird (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) - ohnehin entsprechen. Ihre Berücksichtigung auch als öffentlicher Belang würde zu einer Doppelprüfung führen, für die es keine Rechtfertigung gibt). Die eventuelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines möglicherweise nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens im Außenbereich hat bereits eine frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, B.v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 4, 7) nicht als einen bei der konkreten Abweichungsentscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen Belang angesehen. Die mit § 35 Abs. 1 BauGB verfolgten bauplanungsrechtlichen Ziele (grundsätzliche Zuweisung bestimmter Vorhaben an den Außenbereich) stünden in keinem Zusammenhang mit dem Regelungszweck des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 BayBO (erg.: 1998) und blieben daher in diesem Kontext unberücksichtigt.

(3) Der Senat neigt dazu, der zuletzt dargestellten Auffassung aus den nachfolgenden Erwägungen den Vorzug zu geben.

(3.1) Den Ausgangspunkt aller einschlägigen Überlegungen, wie groß der Kreis der öffentlichen Belange sein kann bzw. sollte, die bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abweichungsentscheidung im Rahmen einer Nachbarklage Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, bildet § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO mit seiner Vorgabe, dass die zur gerichtlichen Kontrolle stehende Entscheidung für den Fall ihrer Aufhebung eigene Rechte der Klagepartei verletzen muss. Wann eine Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt, bestimmt sich nach den für das jeweilige Vorhaben anzuwendenden materiellen Vorschriften. Kuchler und König (jeweils a. a. O.) ist darin zu folgen, dass es für eine Doppelprüfung der für ein bestimmtes Vorhaben geltenden Vorschriften weder einen Anlass noch eine Berechtigung gibt. Zwar mag beispielsweise ein Vorhaben, das die (landesrechtlichen) Abstandsflächen einhält, aus tatsächlichen Gründen in der Regel auch (bauplanungsrechtlich) nicht rücksichtlos sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 3, 4). Gleichwohl folgt die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf seine Größe und sein Erscheinungsbild sowie seine Lage gegenüber einem Nachbargrundstück eigenen Regeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - BauR 1986, 542 = juris Rn. 17, 18: Das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG enthaltene bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot bezieht sich nicht auf bauordnungsrechtliche Merkmale; vgl. ferner BayVGH, U.v. 27.3.2013 - 14 B 12.192 - juris Rn. 31, 34 m. w. N.: ein die Abstandsflächen nicht (vollständig) einhaltendes Vorhaben ist damit nicht automatisch rücksichtslos). Mit der Prämisse, dass die Prüfung eines Vorhabens unter nachbarrelevanten planungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkte jeweils eigenständigen, in sich geschlossenen Regeln folgt, ist die Anreicherung der bei einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften zu untersuchenden Belange um den Gesichtspunkt der objektiven planungsrechtlichen Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die in eigenen Kodifikationen geregelten Natur- und Denkmalschutzbelange. Ob ein Vorhaben den einschlägigen objektiv-rechtlichen Anforderungen entspricht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange eine Abweichung erteilt werden kann.

(3.2) Die Meinung, sonstige Belange seien bei der hier zu erörternden Entscheidung über die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen für die Interessenabwägung relevant, wenn durch die Abweichung der jeweilige Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft werde, dürfte wohl bereits an der falschen Stelle des zu beurteilenden Lebenssachverhalts ansetzen. Den unter Umständen gegen Planungs-, Natur- oder Denkmalschutzrecht verstoßenden Standort seines Vorhabens wie auch dessen übrige Abmessungen bestimmt der Bauwerber durch den Inhalt der von ihm einzureichenden Bauvorlagen (vgl.: §§ 7, 8 BauVorlV). Nach der durch das in den jeweiligen Kodifikationen enthaltene materielle Recht vorgegebenen Prüfungsreihenfolge bildet die Untersuchung der Abstandsflächenproblematik des Vorhabens, von wenigen „Offensichtlichkeitsfällen“ vielleicht abgesehen, regelmäßig den Schlusspunkt der präventiven Kontrolle des Einzelfalls im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es von vorneherein zweifelhaft, wie ein hinzutretender Abstandsflächenverstoß überhaupt geeignet sein könnte, beispielsweise einen - wie gesagt, schon vorher festzustellenden - Verstoß dieses Vorhabens gegen planungsrechtliche Vorschriften „hervorzurufen“ oder „wesentlich zu verschärfen“. Für einen mit diesem Vorhaben verbundenen planungs-, naturschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Missgriff kann die zusätzliche Nichteinhaltung der Abstandsflächen als solche schon rein äußerlich betrachtet nicht kausal sein.

Die darüber hinaus fehlende innere Abhängigkeit der angesprochenen Normkomplexe voneinander wird deutlich, wenn man sich die von den jeweiligen Gesetzen verfolgten Zwecke und Schutzgüter vergegenwärtigt. Planungsrechtliche Vorschriften dienen, von der Rechtsfigur des Rücksichtnahmegebots abgesehen, in erster Linie der Verwirklichung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bestehen vor allem darin, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG). Hauptanliegen des Denkmalschutzrechts sind die Erhaltung und der Schutz unter anderem von Bau- und Bodendenkmälern (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art, 4 bis 6 DSchG). Hier ist hervorzuheben, dass der Abwehranspruch des Eigentümers eines Baudenkmals gegen ein „heranrückendes“ Bauvorhaben, das den Denkmalwert oder das Erscheinungsbild seines Schutzgegenstands beeinträchtigt, vom Ansatz her grundlegend anderen Gesichtspunkten folgt als der zentimetergenauen Einhaltung von Abstandsflächen eines Vorhabens auf einem benachbarten Grundstück (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - BayVBl 2013, 470 = juris Rn. 29 ff.: keine Beeinträchtigung eines Bootshauses durch einen unmittelbar daran vorbeigeführten Steg für die Allgemeinheit).

(3.3) In diesem Zusammenhang erscheint eine Korrektur der Auffassung angezeigt, dass bei der Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift auf die Klage des Nachbarn hin jeder Fehler bei der Rechtsanwendung zur Aufhebung der Baugenehmigung führt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 zu § 31 Abs. 2 BauGB; BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter 4. - obiter dictum zur Rechtswidrigkeit einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlichen Belangen und daraus folgender objektiver Rechtswidrigkeit). Auch die Vertreter der Meinung, dass im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift zunächst eine umfassend angelegte Prüfung der Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens anzustellen sei, schränken ein, dass der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007, 1858 und U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Eine Rechtfertigung für die Doppelprüfung objektiven, nicht schon im Tatbestand (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB) enthaltenen Planungsrechts - nur und gerade aus Anlass einer Abweichungs-/Befreiungsentscheidung - lässt sich aus den vorbezeichneten allgemeinen Überlegungen jedenfalls nicht herleiten.

Prinzipiell erscheint die Anknüpfung an die zur Nachbarrechtsverletzung im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Maßstäbe bei der Anwendung von Art. 63 Abs. 1 BayBO (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand September 2014, Art. 63 Rn. 61) wenig überzeugend. § 31 Abs. 2 BauGB enthält einen, zuletzt durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748) geringfügig ergänzten, klar definierten und in sich geschlossenen Kanon objektiver Befreiungsvoraussetzungen. Fehlt es im Einzelfall bereits an einer der danach zu fordernden Voraussetzungen für die Befreiung von einer nachbarschützenden planungsrechtlichen Vorschrift, kann die dennoch erfolgte Entscheidung zugunsten eines Vorhabens im Nachbarrechtstreit keinen Bestand haben.

Im Bauordnungsrecht fehlt eine vergleichbar detaillierte gesetzliche Beschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung. In der (ständigen) Rechtsprechung wurde dazu eine Kasuistik entwickelt, die unter dem Oberbegriff der Atypik verschiedene Fallgestaltungen versteht, in denen ein Abgehen von den (abstandsflächenrechtlichen) Regelanforderungen des Gesetzes grundsätzlich möglich erscheint (vgl. stellvertretend BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16: Gründe von ausreichendem Gewicht, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen). Diese Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. Fehlt es bereits daran, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vorneherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben. Weshalb das gleiche Ergebnis eintreten sollte, wenn zwar die Atypik zu bejahen war und die individuelle Ermessensausübung fehlerfrei erfolgte, das Vorhaben aber - ohne darin liegende Verletzung nachbarlicher öffentlicher Rechte - „schlicht“ planungsrechtsrechtswidrig ist, lässt sich schwerlich nachvollziehen.

Nach Meinung des Senats sprechen daher gute Gründe dafür, die Auffassung, dass bei der Abweichung/Befreiung von nachbarschützendem Recht - hier: von Art. 6 BayBO - jeder Verstoß zur Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn führen soll, teleologisch zu reduzieren. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es als Maßgabe für die Überprüfung aus, dass die Abweichung von der Einhaltung nachbarschützender abstandsflächenrechtlicher Bestimmungen die Rechte des betroffenen Nachbarn auch und schon, andererseits aber nur dann verletzt, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalls fehlen. Alles übrige aus Anlass des jeweiligen Falles zu prüfende öffentliche Recht ist unabhängig davon auf mögliche Nachbarrechtsverletzungen zu untersuchen, eine Doppelprüfung derselben Belange im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterbleibt. Das befreit nicht zuletzt auch die Anwendungspraxis von - im Einzelnen, wie gezeigt, kaum bzw. nicht plausibilisierungsfähigen - kausalen Verknüpfungsversuchen zwischen den Schutzgütern des Abstandflächenrechts und (beliebigen) sonstigen öffentlichen Belangen.

2. Aus dem Vorstehenden (vgl. oben II. 1 a) ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Für die Beantwortung der für dieses Verwaltungsstreitverfahren maßgeblichen Fragen bedarf es keines Berufungsverfahrens.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.