Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 14. Feb. 2007 - 17 K 2032/07

published on 14/02/2007 00:00
Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 14. Feb. 2007 - 17 K 2032/07
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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Antragstellerin begehrt bei sachdienlicher Auslegung, dem Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zur Entscheidung über die am 24.01.2007 erhobene Klage (17 K 2031/07) eine Stillzeit von einer Stunde täglich auf ihr Deputat anzurechnen und die Zahl der Unterrichtsstunden entsprechend zu reduzieren, so lange sie ihre Tochter ... tatsächlich stillt. Dieser Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder wenn andere Gründe vorliegen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn es ist später weder rückgängig zu machen noch sonst auszugleichen, wenn sie mehr Wochenstunden an Unterricht leistet, als sie verpflichtet ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass später ein Ausgleich nach Ziff. IV. Variabler Einsatz der Regelstundenmaße der Verwaltungsvorschrift über Arbeitszeit der Lehrer an öffentlichen Schulen vom 10.11.1993 (K. u. U. S. 469), zuletzt geändert am 08.09.2005 (K. u. U. S. 128) - VwV-Arbeitszeit - stattfinden kann. Diese Verwaltungsvorschrift gilt zwar noch. Denn die nach § 18 AzUVO vorgesehene Verordnung über die Dauer der Unterrichtsverpflichtung der beamteten Lehrkräfte ist - soweit ersichtlich - noch nicht erlassen worden. Ziffer IV VwV-Arbeitszeit betrifft aber eine andere Konstellation, als sie im vorliegenden Fall gegeben ist. Eine vom Wortlaut abweichende Anwendung ist hier nicht bekannt.
Die Antragstellerin hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dabei ist, da sie die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, eine (zumindest) weit überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache zu verlangen (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. [1998], RdNr. 217 ff., 226, 229 ff. m.w.N.).
Die in der Hauptsache erhobene Klage kann nur dann Erfolg haben, wenn der Antragsgegner die Antragstellerin im Rahmen des für sie erstellten Stundenplans zu Unrecht zur vollen Pflichtstundenzahl außerhalb der täglichen Stillzeit heranzieht (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1988 - 2 C 60.86 -). Dies ist wohl nicht der Fall.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist stillenden Müttern auf ihr Verlangen die zum Stillen erforderliche Zeit, mindestens aber zweimal täglich eine halbe Stunde oder einmal täglich eine Stunde freizugeben. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 MuSchG darf die Stillzeit von stillenden Müttern nicht vor- oder nachgearbeitet werden. Diese Vorschriften gelten nach § 36 AzUVO entsprechend. Im vorliegenden Falle hat weder ein "Freigeben" in diesem Sinne mit der Folge, dass die freigegebene Zeit wie geleistete Arbeitszeit zu behandeln wäre, stattgefunden, noch hat die Antragstellerin Anspruch auf ein solches "Freigeben" oder auf eine sonstige Herabsetzung ihrer Unterrichtsverpflichtung (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1988, a.a.O.).
Für ein solches "Freigeben" ist nur innerhalb der vom Dienstherrn festgelegten Arbeitszeit Raum, weil eine Beamtin über ihre sonstige Zeit ohnehin selbst verfügt (BVerwG, Urt. v. 30.06.1988, a.a.O.). Dabei ist die Erteilung von Unterricht im Umfang des Regelstundenmaßes bei Lehrern Teil ihrer "regelmäßigen Arbeitszeit" i.S.v. § 7 AzUVO; ihre übrige Arbeitszeit ist nicht zeitlich festgelegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2004, Buchholz 237.4 § 76 HmbLBG Nr. 2). Damit bestimmt (ausschließlich) der Stundenplan die festgelegte Arbeitszeit. § 18 AzUVO i.V.m. der VwV-Arbeitszeit enthalten insoweit Sonderregelungen gegenüber den §§ 8 ff. AzUVO.
Im vorliegenden Falle gehört die 4. Stunde jeweils nicht zur Arbeitszeit der Antragstellerin. Denn sie hat nach ihrem Stundenplan in dieser Stunde jeweils keinen Unterricht zu halten. Dies ist unabhängig davon, dass ihr diese Stunde als Stillstunde zur Verfügung gestellt wurde. Denn es fehlt hier an einem zeitlichen Zusammentreffen von Anwesenheitspflicht und Stillen. So sieht es im Ergebnis auch Willikonsky im Kommentar zum Mutterschutzgesetz (2. Aufl. [2007], § 7 RdNr. 2): "Wird ... bei einer Lehrerin der Stundenplan so gestaltet, dass sie Unterricht nur außerhalb der von ihr gewählten Stillzeiten zu erteilen hat, so kann sie nicht verlangen, dass ihr zusätzlich Arbeitsbefreiung erteilt wird." Allerdings führt das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30.06.1988 (a.a.O.) den Begriff der "Unterrichtszeit" ein. Es bleibt aber unklar, was damit gemeint ist und welche rechtliche Rolle der Begriff im Verhältnis zur Arbeitszeit spielt. Nach dem bisher Gesagten kann sich die "Unterrichtszeit" sich aber nur auf den Zeitraum beziehen, in dem Unterricht zu halten ist, und erstreckt sich nicht auf etwa zwischen den Unterrichtsstunden liegende Hohlstunden.
Da die 4. Stunde jeweils für die Antragstellerin keine Arbeitszeit ist, können sich die im Übrigen geleisteten Unterrichtsstunden nicht als Vor- oder Nacharbeit der jeweils 4. Stunde i.S.v. § 7 Abs. 2 S. 2 MuSchG darstellen.
10 
Auf die Heimarbeitsregelung des § 7 Abs. 4 MuSchG kann sich die Antragstellerin schon deswegen nicht berufen, weil diese Vorschrift nach § 36 AzUVO nicht entsprechend gilt. Im Übrigen ist für eine entsprechende Anwendung angesichts der ganz unterschiedlichen arbeits- bzw. dienstrechtlichen Stellung und sozialen Schutzbedürftigkeit der Betroffenen kein Raum (BVerwG, Urt. v. 30.06.1988, a.a.O.).
11 
Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.02.2006 (B 10 EG 5/03 R) berufen. Denn das Bundessozialgericht ging in dieser Entscheidung zwar davon aus, dass die Inanspruchnahme von zwei Stillstunden wöchentlich die Arbeitszeit unter den konkreten Umständen des Einzelfalls reduzierte, hatte aber nicht über die Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs zu entscheiden. Im Übrigen ergibt sich aus dem Urteil nicht, wie es zu dieser Sachlage kam. Es sind Konstellationen denkbar, bei denen eine Stillstunde auf die Anzahl der zu leistenden Wochenstunden anzurechnen ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Stillstunde auf eine Stunde fällt, die nach einem - schon bestehenden - Stundenplan als Unterrichtsstunde zu leisten ist.
12 
Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt nicht vor. Die Antragstellerin wird gegenüber anderen Beamtinnen nicht ungleich behandelt. Auch bei anderen Beamtinnen wird die Stillzeit nur dann auf die Arbeitszeit angerechnet, wenn die Stillzeit in dem Zeitraum liegt, der Arbeitszeit ist. Ein Verstoß gegen ein "Diskriminierungsverbot" ist nicht festzustellen.
13 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
14 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Dabei ist der volle Streitwert der Hauptsache anzusetzen, da die Antragstellerin die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Der Arbeitgeber hat eine Frau für die Zeit freizustellen, die zur Durchführung der Untersuchungen im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Entsprechendes gilt zugunsten einer Frau, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist.

(2) Der Arbeitgeber hat eine stillende Frau auf ihr Verlangen während der ersten zwölf Monate nach der Entbindung für die zum Stillen erforderliche Zeit freizustellen, mindestens aber zweimal täglich für eine halbe Stunde oder einmal täglich für eine Stunde. Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als acht Stunden soll auf Verlangen der Frau zweimal eine Stillzeit von mindestens 45 Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, einmal eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewährt werden. Die Arbeitszeit gilt als zusammenhängend, wenn sie nicht durch eine Ruhepause von mehr als zwei Stunden unterbrochen wird.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.